Normen
BDG 1979 §112 Abs1;
BDG 1979 §43 Abs2;
BDG 1979 §91;
BDG 1979 §92 Abs1 Z4;
BDG 1979 §95 Abs1;
DO Wr 1966 §76 Abs1 impl;
StGB §146;
StGB §147;
BDG 1979 §112 Abs1;
BDG 1979 §43 Abs2;
BDG 1979 §91;
BDG 1979 §92 Abs1 Z4;
BDG 1979 §95 Abs1;
DO Wr 1966 §76 Abs1 impl;
StGB §146;
StGB §147;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der im Jahr 1965 geborene Beschwerdeführer stand zuletzt als Revierinspektor in der Justizanstalt W, Außenstelle S, im Dienst.
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt wurde der Beschwerdeführer der nachstehend angeführten Dienstpflichtverletzungen für schuldig erkannt:
Er habe "in der Zeit von November 1992 bis Mai 1995 in W und S gemeinsam mit B und D als Mittäter, mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, nachgenannte Personen durch Täuschung über Tatsachen, teilweise unter Benützung falscher Urkunden, nämlich durch Vorlage fingierter bzw. falscher Schadensmeldungen zur Auszahlung von Versicherungsbeträgen, sohin zu Handlungen, die nachgenannte Versicherungen am Vermögen in einem S 25.000,-- übersteigenden Betrag schädigten bzw. schädigen sollten, verleitet bzw. zu verleiten versucht, und zwar
Angestellte der EA Generali Versicherung zur Auszahlung einer Versicherungssumme in der Höhe von S 60.382,--, indem er einen fingierten PKW-Diebstahl der genannten Versicherung meldete;
Angestellte der Hannover International Versicherung zur Zahlung der Versicherungssumme in der Höhe von S 6.468,--, indem er für einen selbstverschuldeten Schaden an seinem PKW einen seiner Mittäter mit dessen Einverständnis als Schadensverursacher gegenüber der genannten Versicherung angab;
Angestellte der EA Generali Versicherung zur Auszahlung eines Versicherungsbetrages in der Höhe von S 5.767,--, indem er einen Schaden an seinem PKW absichtlich herbeiführte;
Angestellte der Bundesländer Versicherung zur Auszahlung der Versicherungssumme in der Höhe von S 11.903,--, indem er es unterließ, bei der Besichtigung seines Fahrzeuges nach einem tatsächlich stattgefundenen Verkehrsunfall der Versicherung mitzuteilen, daß an seinem PKW bereits ein Vorschaden vorhanden war;
Angestellte der EA Generali Versicherung zur Auszahlung einer Versicherungssumme von S 106.600,--, durch die Angabe er selbst und nicht der mitverurteilte B sei mit dessen Motorrad gestürzt und habe einen Totalschaden erlitten, wobei es in diesem Faktum beim Versuch geblieben ist."
Der Beschwerdeführer habe hiedurch gegen seine Dienstpflichten nach § 43 Abs. 2 BDG 1979 verstoßen und Dienstpflichtverletzungen im Sinne des § 91 BDG 1979 begangen. Über ihn wurde gemäß § 126 Abs. 2 i. V.m. § 92 Abs. 1 Z. 4 BDG 1979 die Disziplinarstrafe der Entlassung verhängt.
Diese Entscheidung wurde im wesentlichen damit begründet, daß der Beschwerdeführer wegen der genannten Fakten bereits mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 12. Mai 1996 wegen des Vergehens des teils vollendeten, teils versuchten schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs. 1 Z. 1, Abs. 2, und § 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von neun Monaten, bedingt auf drei Jahre, verurteilt worden sei. In der Folge sei der Beschwerdeführer von der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Justiz gemäß § 115 Abs. 1 und 3 BDG 1979 vom Dienst suspendiert und der dagegen gerichteten Berufung von der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt mit Bescheid vom 16. Juli 1996 nicht Folge gegeben worden. Der Beschwerdeführer sei wegen fünf (keineswegs geringfügigen) Betrugsfakten strafgerichtlich verurteilt worden, obwohl er als Justizwachebeamter gerade zur Bewachung bzw. Betreuung von Häftlingen - darunter von Eigentumstätern - eingesetzt gewesen sei. Dadurch sei er für den Dienst als Justizwachebeamter untragbar geworden, weil er gerade jene Rechtsgüter verletzt habe, deren Schutz in einem weiteren Sinn zu seinen dienstlichen Aufgaben gezählt habe. Zum "disziplinären Überhang" sei festzuhalten, daß das Strafurteil an die Eigenschaft des Disziplinarbeschuldigten als Justizwachebeamter keine Konsequenzen geknüpft habe. Er sei ebenso wie seine beiden Mittäter abgestuft nach der Schwere der Tat beurteilt worden, wobei als erschwerend nur das Zusammentreffen einer unterschiedlich hohen Zahl von Betrugsfakten (und eben nicht die Frage der gegebenen bzw. nicht gegebenen Beamteneigenschaft), als mildernd das volle Geständnis, die Schadensgutmachung und der Umstand, daß es teilweise beim Versuch geblieben sei, beim Beschwerdeführer sowie auch der ordentliche Lebenswandel, gewertet worden sei. Es sei somit dem Disziplinarerkenntnis vorbehalten gewesen, das strafrechtlich relevante Verhalten im Licht der zusätzlichen Komponente der Dienstpflichtverletzung und ihrer - bei den Mittätern nicht gegebenen - Konsequenzen für das Vertrauen der Allgemeinheit in die Rechtspflege (zu der eben auch der Vollzug gehöre) zu werten. Der Straf- und Maßnahmenvollzug sei ein wesentlicher Teil des Justizsystems eines Landes und für sein Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit oft prägend - das Medienecho nach Bekanntwerden von Unzukömmlichkeiten in diesem Bereich beweise dies immer wieder. Von einem Justizwachebeamten werde in besonderem Maß Rechtstreue erwartet, weshalb es nicht tragbar sei, daß ein wegen eines immerhin doch gravierenden Eigentumsdelikts Bestrafter weiterhin Dienst bei der Bewachung und Betreuung von strafgerichtlich verurteilten Personen mache. In diesem Zusammenhang sei auch die Grundsatzbestimmung des § 20 StVG zu zitieren, nach dessen Abs. 1 der Vollzug der Freiheitsstrafen den Verurteilten zu einer rechtschaffenen und den Erfordernissen des Gemeinschaftslebens angepaßten Lebenseinstellung verhelfen und sie abhalten solle, schädlichen Neigungen nachzugehen. Der Vollzug solle außerdem den Unwert des der Verurteilung zugrundeliegenden Verhaltens aufzeigen. Dementsprechend sei es gemäß Abs. 2 der genannten Gesetzesstelle eine der Aufgaben des Vollzugspersonals, die Strafgefangenen "erzieherisch zu beeinflussen".
Angesichts der wiederholten Begehung von Betrugsdelikten mit einer nicht geringen Schadenshöhe und des dadurch bewirkten Vertrauensbruchs habe der Beschwerdeführer seine Dienstpflichten nach § 43 Abs. 1 und 2 BDG 1979 dermaßen schwer verletzt, daß die schwerste im Gesetz vorgesehene Disziplinarstrafe, nämlich die Disziplinarstrafe der Entlassung nach § 92 Abs. 1 Z. 4 BDG 1979 gerechtfertigt sei.
In der gegen diesen Bescheid gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend und beantragt dessen Aufhebung.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 91 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 (BDG 1979) ist der Beamte, der schuldhaft seine Dienstpflichten verletzt, nach dem
9. Abschnitt dieses Gesetzes zur Verantwortung zu ziehen.
§ 92 Abs. 1 BDG 1979 bestimmt als Disziplinarstrafen:
den Verweis,
die Geldbuße bis zur Höhe eines halben Monatsbezuges unter Ausschluß der Kinderzulage,
die Geldstrafe bis zur Höhe von fünf Monatsbezügen unter Ausschluß der Kinderzulage und
(als schwerste Disziplinarstrafe) die Entlassung.
Im 6. Abschnitt des BDG 1979 über die Dienstpflichten des Beamten wird hinsichtlich der allgemeinen Dienstpflichten in § 43 Abs. 2 leg. cit. festgelegt, daß der Beamte in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen hat, daß das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt.
Wurde der Beamte wegen einer gerichtlich oder verwaltungsbehördlich strafbaren Handlung rechtskräftig verurteilt und erschöpft sich die Dienstpflichtverletzung in der Verwirklichung des strafbaren Tatbestandes, so ist gemäß § 95 Abs. 1 BDG 1979 von der Verfolgung abzusehen, wenn anzunehmen ist, daß die Verhängung einer Disziplinarstrafe nicht erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten. Gemäß § 95 Abs. 2 BDG 1979 ist die Disziplinarbehörde an die den Spruch eines rechtskräftigen Urteils zugrundeliegende Tatsachenfeststellung eines Strafgerichtes (Straferkenntnis eines unabhängigen Verwaltungssenates) gebunden. Sie darf auch nicht eine Tatsache als erwiesen annehmen, die das Gericht (der unabhängige Verwaltungssenat) als nicht erweisbar angenommen hat. Wird von der Verfolgung nicht abgesehen, dann ist gemäß § 95 Abs. 3 BDG 1979, wenn sich eine strafgerichtliche oder verwaltungsbehördliche Verurteilung auf denselben Sachverhalt bezieht, eine Strafe nur auszusprechen, wenn und soweit dies zusätzlich erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten.
Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, wegen des dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden Sachverhaltes mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 20. Mai 1996 verurteilt worden zu sein. Er hält den angefochtenen Bescheid aber deswegen für rechtswidrig, weil die Tatsache des Verdachtes einer Betrugshandlung der zuständigen Dienstbehörde bereits im September 1995 nachweislich bekannt gewesen sei und sie trotz angeblichen nunmehrigen Vertrauensbruches es verabsäumt habe, ihn vorläufig vom Dienst zu suspendieren. Seine Suspendierung sei vielmehr erst am 25. Juni 1996 ausgesprochen worden. In der Zwischenzeit habe der Beschwerdeführer normal Dienst versehen und sei vor allem in den Monaten Jänner, Februar, März, April, Mai und Juni 1996 zu verstärkter Überstundenleistung herangezogen worden. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Versetzung von der Außenstelle S in die Justizanstalt M sei von seinen Vorgesetzten in Kenntnis der nunmehrigen Begründung für seine Entlassung bestens befürwortet worden. Bis zur Erlassung des Disziplinarerkenntnisses der Behörde erster Instanz (am 28. August 1996) habe daher offensichtlich die Vertrauensbasis zwischen der Dienstbehörde und dem Beschwerdeführer bestanden. Auch die Tatsache, daß seine strafrechtliche Verurteilung erst am 23. Mai 1996 in Rechtskraft erwachsen sei, habe die Dienstbehörde nicht veranlaßt, eine unverzügliche vorläufige Suspendierung auszusprechen. Der Beschwerdeführer sei vielmehr weiterhin mit vollster Zufriedenheit seiner Vorgesetzten dienstlich verwendet worden und die am 25. Juni 1996 durch die Disziplinarkommission durchgeführte Suspendierung somit ohne konkreten Anlaßfall in diesem Zeitraum erfolgt. Die Begründung des angefochtenen Bescheides mit dem Vertrauensbruch sei daher nicht nachvollziehbar, weil offensichtlich der Vertrauensbruch am 24. Juni 1996 noch nicht bestanden habe. Die Begründung für seine Entlassung sei daher objektiv nicht nachvollziehbar.
Mit diesen Ausführungen zeigt der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.
Mit Erkenntnis vom 23. April 1992, Zl. 91/09/0235, hat der Verwaltungsgerichtshof in bezug auf die für Beamte der Gemeinde Wien geltende Dienstordnung 1966 ausgesprochen, daß eine Vorschrift, wonach die Disziplinarstrafe der Entlassung dann nicht ausgesprochen werden dürfe, wenn es zuvor nicht zu einer Suspendierung des Beamten gekommen sei, im Gesetz nicht enthalten sei. Diese Aussage gilt auch für das BDG 1979. Aus welchen Gründen immer daher zunächst eine Suspendierung des Beschwerdeführers unterblieben ist, waren die zuständigen Disziplinarbehörden dadurch hinsichtlich ihres Ausspruches der von ihnen für angemessen erachteten Disziplinarstrafe nicht gebunden. Es stand den Disziplinarbehörden daher dieser Umstand auch nicht bei der Beurteilung der Frage im Wege, ob der durch das Verhalten des Beschwerdeführers ausgelöste Vertrauensverlust eine Entlassung des Beschwerdeführers rechtfertigte.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 29. September 1992, Zl. 92/09/0025, und vom 11. April 1996, Zl. 95/09/0050) dargelegt hat, ist die Disziplinarstrafe der Entlassung keine Strafe, die der Sicherung der Gesellschaft, der Resozialisierung des Täters oder gar der Vergeltung dient, sondern eine dienstrechtliche Maßnahme zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes. Im Vordergrund steht dabei die Frage des durch die Verfehlung eingetretenen Vertrauensverlustes. Die Gründe für eine solche Unvereinbarkeit lassen sich nur den Anforderungen entnehmen, die das Dienstrecht an einen Beamten stellt. Wird dieser überhaupt nicht mehr der Achtung und dem Vertrauen gerecht, die seine Stellung als Beamter fordert, hat er das Vertrauensverhältnis zwischen sich und der Verwaltung zerstört, dann kann er auch nicht mehr im Dienst verbleiben. Ist das gegenseitige Vertrauensverhältnis zerstört, fehlt es an der Grundlage für weitere Differenzierungen und Bemessungserwägungen. Verträgt die Funktion der staatlichen Verwaltung die Weiterbeschäftigung eines Beamten nicht mehr, dann auch nicht teilweise. Hier geht es nicht, wie beim Strafrecht, um die Wiedereingliederung in die soziale Gemeinschaft, sondern um die weitere Tragbarkeit in einem besonderen Dienstverhältnis (vgl. zu diesen Ausführungen und insbesondere zum sogenannten "Untragbarkeitsgrundsatz" das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Februar 1991, Zl. 90/09/0191, mit zahlreichen Beispielen aus der Vorjudikatur).
In diesem Sinn ist die im Beschwerdefall verhängte Disziplinarstrafe der Entlassung nicht als rechtswidrig zu erkennen. Die belangte Behörde vertrat nämlich im Ergebnis zutreffend die Auffassung, daß im vorliegenden Fall ein "disziplinärer Überhang" im Sinne des § 95 Abs. 1 BDG 1979 vorlag (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 18. Oktober 1996, Zl. 95/09/0134). Es ist nicht als rechtswidrig zu erkennen, daß sie zu dem Ergebnis gelangte, der Beschwerdeführer sei angesichts der fünf von ihm verwirklichten Betrugssachverhalte für einen Dienst als Justizwachebeamter untragbar geworden. Zutreffend hat die belangte Behörde in diesem Zusammenhang auf § 20 des Strafvollzugsgesetzes hingewiesen, wonach es Zweck des Strafvollzuges ist, "den Verurteilten zu einer rechtschaffenen und den Erfordernissen des Gemeinschaftslebens angepaßten Lebenseinstellung (zu) verhelfen und sie ab(zu)halten, schädlichen Neigungen nachzugehen (Abs. 1) und sie "erzieherisch zu beeinflussen" (Abs. 2). Die Belassung eines Justizwachebeamten, der - wie der Beschwerdeführer - wegen des Vergehens des teils vollendeten, teils versuchten schweren Betruges in fünf Fällen nach den §§ 146, 147 Abs. 1 Z. 1, Abs. 2, und § 15 StGB zu einer - wenn auch bedingt nachgesehenen - Freiheitsstrafe in der Dauer von neun Monaten verurteilt worden ist, im Dienst würde die Erreichung dieses Zweckes grundsätzlich in Frage stellen.
Der Beschwerdeführer wurde daher durch seine Entlassung nicht in seinen Rechten verletzt, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 18. November 1998
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