VwGH 97/07/0060

VwGH97/07/006026.5.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Bumberger, Dr. Pallitsch und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofmann, über die Beschwerde des Dr. TM in A, N 44, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 21. Februar 1997, Zl. 411.320/01-I 4/97, betreffend einen wasserpolizeilichen Auftrag, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §59 Abs1;
WRG 1959 §138 Abs1;
WRG 1959 §138;
WRG 1959 §142 Abs2;
WRG 1959 §38 Abs1;
AVG §59 Abs1;
WRG 1959 §138 Abs1;
WRG 1959 §138;
WRG 1959 §142 Abs2;
WRG 1959 §38 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 3.700.,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 7. März 1994 wurde dem Beschwerdeführer - einem rechtskundigen Bediensteten im Sinne des § 24 Abs. 2 VwGG in seiner Fassung vor dem Inkrafttreten der Novelle BGBl. I 88/1997 - gemäß §§ 38 Abs. 1 und 138 Abs. 2 WRG 1959 aufgetragen, bis zum 31. Mai 1994 entweder die nachträgliche wasserrechtliche Bewilligung für die auf dem Grundstück Nr. 500/1 (T-See), vor dem Grundstück Nr. 89/7, KG N., errichtete Steganlage zu beantragen oder die Steganlage zu beseitigen. Begründet wurde dieser wasserpolizeiliche Auftrag damit, daß die derzeit bestehende und im Eigentum des Beschwerdeführers befindliche Steganlage durch "Neuerrichtung bzw. Renovierung" abgeändert und erweitert worden sei. Jede Änderung eines Altbestandes nach dem Jahre 1934 unterliege der wasserrechtlichen Bewilligungspflicht des § 38 WRG 1959. Es sei im vorliegenden Fall aufgrund des Ermittlungsverfahrens erwiesen, daß die Steganlage um ein kurzes Stück verlängert worden sei und alte Holzpiloten mit Plastikrohren ummantelt und mit Beton ausgefüllt worden seien. In Abgrenzung zu bewilligungsfreien Instandhaltungsmaßnahmen sei eine bewilligungsbedürftige Änderung schon gegeben, wenn durch die Verwendung eines vom vormaligen völlig verschiedenen Materials (Stahl bzw. Beton statt Holz) und eine damit verbundene konstruktive Neugestaltung erfolge. Die derzeit bestehende Anlage sei aufgrund der in den verschiedenen Lageplänen dokumentierten Änderung der Stegausmaße mit dem bewilligungsfreien Altbestand nicht mehr identisch. Die Änderungen stellten eigenmächtige Neuerungen dar; da öffentliche Interessen die Beseitigung des See-Einbaues nicht verlangen, sei ein Alternativauftrag gemäß § 138 Abs. 2 WRG 1959 zu erteilen gewesen.

In dem diesem Bescheid vorangegangenen Ermittlungsverfahren hatte der Beschwerdeführer in seinen schriftlichen Eingaben darauf verwiesen, daß die Steganlage vor dem Jahr 1935 errichtet worden, die Einholung einer wasserrechtlichen Bewilligung somit für einen rechtmäßigen Altbestand nicht notwendig sei und sich bei den im Laufe der Jahrzehnte durchgeführten Sanierungen an der Lage und der Größe des Steges nichts geändert habe. Es habe sich um Instandhaltungsmaßnahmen gehandelt. Die Verwendung von Plastikrohren als Ummantelung bzw. die Verwendung von Beton auch in unmittelbarer Nähe des Wassers löse keine wasserrechtliche Bewilligungspflicht aus.

Gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich erhob der Beschwerdeführer Berufung und führte aus, daß die angenommenen ursprünglichen Ausmaße der Steganlage

(18,5 m x 0,8 m) im Jahre 1935 nicht exakt stimmen würden. Die verschiedenen Instandhaltungsmaßnahmen seien in den Jahren 1978 bis 1982 ohne Veränderung der Maße vorgenommen worden. Aus dem Standort des Altbestandes der Piloten sei ableitbar, daß es unmöglich sei, daß der Steg ursprünglich eine Länge von lediglich 18,5 m gehabt habe, da sich die vordersten Piloten in einem Abstand von 18,8 m bis 19 m von der Ufermauer entfernt befänden und die Plattform ansonsten gar nicht aufliegen hätte können. Eine Veränderung der Länge um 10 cm ließe sich durch das Anbringen von 10 cm breiten Gummiwülsten an den Stegseiten sowie am Plattformende erklären. Auch im Jahr 1935 müsse die Breite der Plattform 3 m betragen haben. Aus der Verwendung eines anderen Materials könne im gegenständlichen Fall keine Bewilligungsbedürftigkeit abgeleitet werden, zumal davon auszugehen sei, daß Sanierungen nach dem "Stand der Technik" vorgenommen würden. Das Ausgießen abgemorschter und mit trinkwasserneutralen PVC-Rohren ummantelten Piloten mit Beton sei Stand der Technik. Es werde dadurch weder eine Eingriffswirkung in ein Gewässer, noch eine Anlagenänderung bewirkt. Die Steganlage sei "nicht untergegangen", sondern ständig gemäß § 50 WRG 1959 saniert worden, wobei eine Verlängerung des Steges um wenige Zentimeter aufgrund der Pfostenbreite möglich sei.

Von der Berufungsbehörde wurde eine Stellungnahme eines wasserbautechnischen Amtssachverständigen eingeholt und die Unterbehörde um zeugenschaftliche Einvernahme des Oberförsters J.S. ersucht. Laut Zeugenangabe sei der Steg erstmals im Jahre 1935 aufgenommen worden. Die Anlage sei erst 1969 von einem Geometer vermessen worden, jedoch seien auch früher relativ genaue Erhebungen durchgeführt worden. Das Flächenausmaß des Steges sei seit 1984 mit 28 m2 unverändert und sei anzunehmen, daß die Erneuerung der Anlage in den Jahren 1982 oder 1983 vorgenommen worden sei.

Aus der der Niederschrift über die Zeugenvernehmung angeschlossenen Auflistung der Flächenänderungen ergibt sich, daß am 1. Juli 1935 eine Steglänge von 18,5 lfm und eine Stegfläche von 20,60 m2 bestanden habe.

Im Akt der Erstbehörde befindet sich weiters eine Stellungnahme des "Gewässerbezirkes G.", in welcher festgehalten wurde, daß bei der zuletzt erfolgten Stegerneuerung keine Anlagenteile des Altbestandes mitverwendet worden seien und angenommen werde, daß die drei im Bereich der Verlängerung befindlichen Piloten neu errichtet worden seien.

Dem Beschwerdeführer wurde in Wahrung des Parteiengehörs die eingeholte Stellungnahme bzw. die Niederschrift über die Zeugeneinvernahme zur Kenntnis übermittelt und hat dieser mit Schreiben vom 11. September 1995 Stellung genommen. Es sei unrichtig, daß sich die Stegfläche im Jahr 1981 verändert habe. Aus dem im Jahr 1981 unterfertigten Pachtvertrag, in welchem die seeseitige Badeplattform flächenmäßig nicht eingetragen gewesen sei, könne nicht auf eine faktische Änderung der Steganlage geschlossen werden. Die Stegfläche sei seit über 40 Jahre gleich groß. Zu der Feststellung, daß drei Piloten neu sein würden, sei darauf zu verweisen, daß dies lediglich "angenommen" werde und es unwidersprochen geblieben sei, daß alle anderen Piloten lediglich alte ummantelte Piloten seien. Der Steg sei um 60 cm länger als im langjährigen Durchschnitt, dies seien vernachlässigbare drei Prozent der Gesamtlänge. Die Piloten hätten sich nie geändert und seien lediglich ummantelt worden, sodaß der Steg in seinem Wesen und nach Maßgabe der Instandhaltungspflicht gleich geblieben sei.

Mit dem nun angefochtenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen und die Erfüllungsfrist mit 31. Mai 1997 neu festgesetzt. Es seien seit dem 1. Jänner 1934 (lt. Bestandvertragsunterlagen der Österreichischen Bundesforste) offenbar Änderungen an der Steganlage vorgenommen worden, heißt es in der Begründung dieses Bescheides. Die ex-lege-Bewilligung zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des § 34 WRG 1934 (1.11.1934) decke lediglich eine Anlage mit einer Steglänge von 18,50 m und einer Stegfläche von 20,60 m2. Die nunmehrige Anlage im Ausmaß von 28 m2 und 19,30 m Länge sei nicht mehr erfaßt. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes stelle auch das Fortdauern eines bewilligungslosen Zustandes eine Neuerung im Sinne des § 138 WRG 1959 dar. Der wasserpolizeiliche Auftrag, die gesamte Steganlage nachträglich bewilligen zu lassen oder zu entfernen, sei daher unter Hinweis auf ein Verwaltungsgerichtshoferkenntnis aus dem Jahre 1995 zu Recht ergangen.

In der gegen diesen Bescheid eingebrachten Beschwerde erachtet sich der Beschwerdeführer dadurch in seinen Rechten verletzt, daß er auch für den bewilligungsfreien Altbestand verpflichtet wurde, um eine wasserrechtliche Bewilligung anzusuchen oder die gesamte Anlage zu entfernen. Eine unrichtige rechtliche Beurteilung liege darin, daß eine Verlängerung um ca. 60 cm nicht die Entfernung der gesamten Steganlage, sondern lediglich die Beseitigung der eigenmächtigen Neuerung verlange.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde mit dem Hinweis, daß die Anlage eine Einheit darstelle, die nicht in konsensgemäße und konsenswidrige Teile aufgespalten werden könne.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 138 Abs. 1 lit. a WRG 1959 ist unabhängig von Bestrafung und Schadenersatz derjenige, der die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes übertreten hat, wenn das öffentliche Interesse es erfordert oder der Betroffene es verlangt, von der Wasserrechtsbehörde zu verhalten, auf seine Kosten eigenmächtig vorgenommene Neuerungen zu beseitigen oder die unterlassenen Arbeiten nachzuholen.

Nach § 138 Abs. 2 leg. cit. hat in allen anderen Fällen einer eigenmächtig vorgenommenen Neuerung oder unterlassenen Arbeit die Wasserrechtsbehörde eine angemessene Frist zu bestimmen, innerhalb deren entweder um die erforderliche wasserrechtliche Bewilligung nachträglich anzusuchen, die Neuerung zu beseitigen oder die unterlassene Arbeit nachzuholen ist.

Unter "eigenmächtige Neuerung" sind, von wem auch immer, verschuldet oder unverschuldet, gesetzte oder in der Folge geduldete, genutzte oder sonst aufrechterhaltene Maßnahmen zu verstehen, die einer Bewilligung nach dem Wasserrechtsgesetz bedürfen, für die die erforderliche Bewilligung jedoch nicht vorliegt (Raschauer, Kommentar zum Wasserrecht, RZ 6 zu § 138).

Nach § 38 Abs. 1 WRG 1959 ist zur Errichtung und Abänderung von Einbauten in stehende öffentliche Gewässer, die nicht unter die Bestimmungen des § 127 fallen, neben der sonst etwa erforderlichen Genehmigung auch die wasserrechtliche Bewilligung einzuholen, wenn eine solche nicht schon nach den Bestimmungen des § 9 oder § 41 dieses Bundesgesetzes erforderlich ist.

Die verfahrensgegenständliche Steganlage stellt einen Einbau in einem öffentlichen Gewässer im Sinne des § 38 Abs. 1 WRG 1959 dar. Aufgrund der Bestimmung des § 142 Abs. 2 leg. cit. (Fortbestand älterer Rechte) bleiben die nach früheren Gesetzen erworbenen Wasserbenutzungs- oder sonstige auf Gewässer sich beziehende Rechte sowie die hiemit verbundenen Verpflichtungen aufrecht. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (zuletzt hg. Erkenntnis vom 13. November 1997, Zl. 97/07/0008) bedürfen Anlagen im Sinne von § 38 WRG 1959, die bereits aus der Zeit vor dem 1. November 1934 bestehen, keiner nachträglichen wasserrechtlichen Bewilligung. Eine wasserrechtliche Bewilligungspflicht im Sinne des § 38 Abs. 1 WRG 1959 tritt demnach nur dann und insoweit ein, als die zu beurteilende Anlage abgeändert oder neu errichtet worden ist; bloße Instandhaltungsmaßnahmen begründen aber keine wasserrechtliche Bewilligungspflicht (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 13. Jänner 1987, Zl. 85/07/0136, und vom 13. November 1997, Zl. 97/07/0008).

Die belangte Behörde geht davon aus, daß die Steganlage mit Ausmaßen von einer Länge von 18,50 m und einer Stegfläche von 20,60 m2 von einer ex-lege-Bewilligung umfaßt ist, alle nachfolgenden Änderungen bzw. Erweiterungen jedoch gemäß § 38 WRG 1959 bewilligungspflichtig seien. Als bewilligungspflichtige Maßnahme wird im angefochtenen Bescheid erkennbar nur mehr die vorgenommene Stegverlängerung beurteilt.

Zunächst ist darauf zu verweisen, daß es irrelevant ist, in welchem Jahr bewilligungspflichtige Veränderungen stattgefunden haben, da nicht nur das Setzen von bewilligungspflichtigen Maßnahmen, sondern auch das Aufrechterhalten und die Nutzung eines bewilligungslosen Zustandes durch den Beschwerdeführer die Erlassung eines wasserpolizeilichen Auftrages an den Beschwerdeführer grundsätzlich rechtfertigte (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 21. September 1995, Zl. 95/07/0059).

Unter Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 31. Jänner 1995, Zl. 94/07/0078, wurde der vorliegende wasserpolizeiliche Auftrag auf die gesamte Steganlage bezogen, d.h. der Alternativauftrag erteilt, diese entweder gesamt nachträglich bewilligen oder gesamt entfernen zu lassen.

Wesentlich für den Umfang eines wasserpolizeilichen Auftrages - und dies ist in jedem Einzelfall gesondert zu prüfen -, ist die Frage, ob sich eine Anlage (bei welcher nur Teile eine eigenmächtige Neuerung darstellen) in mehrere trennbare Teile derart zerlegen läßt, daß die anderen Teile der Anlage in der vorgesehenen Nutzung nicht nennenswert berührt oder zerstört werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. November 1997, Zl. 97/07/0008).

Von der belangten Behörde wurde eine Trennbarkeit, d.h. ein möglicher Rückbau des Steges auf den rechtmäßigen Altbestand, nicht geprüft und auch in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Notwendigkeit der Einbeziehung der gesamten Steganlage in den erteilten Alternativauftrag nicht näher dargelegt.

Die belangte Behörde geht im angefochtenen Bescheid offensichtlich nicht mehr davon aus, daß durch die Ummantelung der Piloten und das Ausgießen dieser mit Beton der Tatbestand der Neuerung erfüllt ist. Auch der Verwaltungsgerichtshof schließt sich dem an, da das zur Begründung dieser Ansicht von der Erstbehörde zitierte hg. Erkenntnis vom 30. Juni 1992, Zl. 89/07/0104, Änderungen und einen Sachverhalt in einem völlig anderen Ausmaß betrifft und sich dessen Aussage auf andere Sachverhaltskonstellationen nicht unbesehen übertragen läßt. Die bloße Verwendung eines anderen, zeitgemäßen Materials bedingt für sich allein nicht in jedem Fall schlechthin schon die Notwendigkeit der Einholung einer wasserrechtlichen Bewilligung. Maßnahmen sind solange als Instandhaltungsmaßnahmen anzusehen, als sie nur der Erhaltung und dem Betrieb der Anlage dienen und diese nicht quantitativ oder qualitativ in einer solchen Weise ändern, mit welcher die bei einer Bewilligung zu beachtende Interessenlage berührt wird.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich gemäß § 59 Abs. 1 VwGG in Bindung an den Antrag auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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