VwGH 97/03/0268

VwGH97/03/026821.1.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Gruber und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ungersböck, über die Beschwerde des F, vertreten durch Dr. Friedrich Harrer und Dr. Iris Harrer-Hörzinger, Rechtsanwälte in Salzburg, Kranzlmarkt 6, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Salzburg vom 4. Feber 1997, Zl. UVS-3/3986/3-1997, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §46;
VStG §25 Abs2;
VwRallg;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §46;
VStG §25 Abs2;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Salzburg ist schuldig, dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 4. Feber 1997 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 6. August 1995 um 2.34 Uhr auf der Tauernautobahn A 10 an einer näher bezeichneten Örtlichkeit einen nach dem Kennzeichen bestimmten Pkw trotz einer durch Vorschriftszeichen kundgemachten erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h mit einer Geschwindigkeit von mindestens 123 km/h gelenkt. Er habe hiedurch eine Verwaltungsübertretung gemäß § 52 lit. a Z. 10a StVO 1960 begangen, weshalb über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von S 1.500,-- (und eine Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt wurde.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der der Beschwerdeführer die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsstrafakten vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bringt - wie bereits im Verwaltungsstrafverfahren - vor, nicht er habe das gegenständliche Kraftfahrzeug gelenkt, sondern eine namentlich genannte andere Person. Er habe die Anschrift dieser Person (in Kroatien) bekanntgegeben, die belangte Behörde habe jedoch diesen Zeugen nicht vernommen und auch nicht versucht, mit diesem Zeugen in Kontakt zu treten.

Die belangte Behörde erwidert in der Gegenschrift, der Beschwerdeführer habe nicht die "vollständige Adresse im Ausland" dieses Zeugen bekanntgegeben, weshalb die Kontaktaufnahme unterblieben sei.

Gemäß § 25 Abs. 1 VStG sind Verwaltungsübertretungen von Amts wegen zu verfolgen. Zufolge Abs. 2 dieser Gesetzesstelle sind die der Entlastung des Beschuldigten dienlichen Umstände in gleicher Weise zu berücksichtigen, wie die belastenden. Diese Gesetzesstelle bildet keine Grundlage für die generelle Aussage, die Behörde sei im Rahmen der Berücksichtigung der der Entlastung des Beschuldigten dienenden Vernehmung von Zeugen, die im Ausland leben, nicht zu "aufwendigen" Ermittlungen verpflichtet. Die hier zu ziehende Grenze ist vielmehr durch die tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten der Behörde bestimmt (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. Juni 1991, Zl. 90/18/0091 = Slg. Nr. 13.451/A). Die Behörde muß, wenn es zur Klärung des Sachverhaltes notwendig ist, zumindest versuchen, mit dem der Anschrift nach bekannten Zeugen in Verbindung zu treten. Dieses "in Verbindung treten" wird regelmäßig dadurch zu geschehen haben, daß die Behörde an die namhaft gemachte, im Ausland lebende Person ein Schreiben mit dem Ersuchen um schriftliche Stellungnahme richtet. Langt innerhalb angemessener Frist - aus welchen Gründen immer - eine Erklärung der betreffenden Person nicht bei der Behörde ein, so muß dieser Versuch als gescheitert angesehen werden und die Behörde hat dem Beschuldigten im Rahmen des Parteiengehörs Gelegenheit zu geben, entsprechend seiner erhöhten Mitwirkungspflicht den Entlastungsbeweis in anderer Weise - etwa in der Form, daß er selbst eine schriftliche Erklärung des Entlastungszeugen vorlege oder, wenn es um die Lenkereigenschaft des Beschuldigten im Tatzeitpunkt geht, durch Glaubhaftmachung zumindestens des Aufenthaltes dieser Person in Österreich zum fraglichen Zeitpunkt - zu erbringen. Verweigert es der Zulassungsbesitzer grundlos, die Glaubhaftmachung im oben genannten Sinn zu versuchen, wird die Behörde in der Regel berechtigt sein, die Angabe eines im Ausland befindlichen Lenkers als unrichtig zu qualifizieren. Ist der Zulassungsbesitzer zu den Angaben bereit, reichen diese aber zur Glaubhaftmachung nach Auffassung der Behörde (noch) nicht aus, so hat ihn die Behörde zur zweckdienlichen Ergänzung zu verhalten und darüber hinaus selbständige Ermittlungen anzustellen.

Dieser Rechtslage hat das Vorgehen der belangten Behörde nicht entsprochen. Der Beschwerdeführer gab Namen und Anschrift des in Frage kommenden Lenkers wie folgt an: "U R

Straße: O BB Ort: S/Kroatien". Die Behörde hat diese Anschrift als unvollständig abgetan, ohne jedoch darzulegen, warum sie zu diesem Ergebnis gelangte. Über Vorhalt der Behörde teilte der Beschwerdeführer ihr mit, daß eine Hausnummer an der genannten Anschrift nicht bestehe, die Postleitzahl wisse er nicht, es werde aber für die Behörde "sicher kein Problem" bilden, selbige herauszufinden.

Die Anschriftenbekanntgabe ohne Nennung einer Postleitzahl kann nicht von vornherein als unvollständig angesehen werden. Ferner sind aus dem Akteninhalt keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, die Kontaktaufnahme mit der betreffenden Person wäre an der genannten Anschrift in Kroatien auch ohne Angabe einer bestimmten Hausnummer - etwa weil dort keine Hausnumerierung besteht oder die Person allgemein bekannt ist - nicht möglich gewesen. Die Behörde hat hiezu keinerlei Erhebungen gepflogen. Da nicht ausgeschlossen werden kann, daß sie bei Vermeidung dieses Verfahrensverstoßes zu einem anderen Bescheid gekommen wäre, belastete sie damit den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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