VwGH 96/19/0537

VwGH96/19/053718.12.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde des 1951 geborenen VS, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in Dornbirn, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 7. August 1995, Zl. 101.230/7-III/11/94, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

AufG 1992 §5 Abs1;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;
AufG 1992 §5 Abs1;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer verfügte nach der Aktenlage über einen von der österreichischen Botschaft in New Delhi ausgestellten, vom 3. Februar 1993 bis zum 2. August 1993 gültigen Wiedereinreise-Sichtvermerk. Ein mit 22. Juni 1993 datierter Antrag auf Erteilung eines Sichtvermerkes langte am 23. Juni 1993 bei der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn ein. Dieser Antrag wurde von der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn namens des Landeshauptmannes von Vorarlberg mit Bescheid vom 4. Mai 1994 gemäß §§ 1, 4, 5 und 13 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) abgewiesen. (Nach Aufhebung dieses Bescheides durch den Bundesminister für Inneres wurde der Antrag mit im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 7. August 1995 abgewiesen. Nach Erhebung einer Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG, später abgetreten an den Verwaltungsgerichtshof, ist dieser Bescheid gemäß § 113 Abs. 6 des Fremdengesetzes 1997 mit Ablauf des 31. Dezember 1997 außer Kraft getreten (vgl. den hg. Beschluß vom heutigen Tag, Zl. 96/19/0538).)

Am 29. Juni 1994 stellte der Beschwerdeführer bei der österreichischen Botschaft in New Delhi erneut einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung.

Dieser Antrag wurde von der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn namens des Landeshauptmannes von Vorarlberg mit Bescheid vom 16. November 1994 gemäß §§ 1, 4, 5 und 13 AufG abgewiesen.

Die dagegen erhobene Berufung wurde vom Bundesminister für Inneres mit Bescheid vom 7. August 1995 gemäß § 5 Abs. 1 AufG und § 10 Abs. 1 Z. 4 des Fremdengesetzes 1992 (FrG) abgewiesen. In der Begründung führte der Bundesminister für Inneres aus, der Beschwerdeführer habe bei einer Einvernahme durch die Bezirkshauptmannschaft Dornbirn im Beisein seines rechtsfreundlichen Vertreters angegeben, am 1. Oktober 1994 nach Österreich eingereist zu sein, ohne hiezu eine behördliche Genehmigung zu besitzen. Er habe sich somit nachweislich, wie auch seine Anwesenheit bei der Einvernahme zeige, vom 1. Oktober 1994 bis zum 14. Dezember 1994 unrechtmäßig ohne Bewilligung im Sinne des § 15 FrG im österreichischen Bundesgebiet aufgehalten. Seine Ausreise sei durch die österreichische Grenzkontrollstelle Lustenau am 14. Dezember 1994 bestätigt worden. Die von ihm vorgebrachte Erklärung "im Zusammenhang mit der Epidemie in Ihrem Heimatstaat" sei nicht geeignet, diesen Verstoß gegen die österreichische Rechtsordnung zu rechtfertigen. Der Beschwerdeführer sei offensichtlich nicht gewillt, sich entsprechend den in Österreich geltenden Rechtsvorschriften zu verhalten und sei deshalb vom weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet auszuschließen. Die öffentlichen Interessen überwögen die privaten Interessen des Beschwerdeführers.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG vor dem Verfassungsgerichtshof. Nachdem dieser mit Beschluß vom 13. Dezember 1995, B 2945/95-3, die Behandlung der Beschwerde abgelehnt hatte, beantragte der Beschwerdeführer die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof und erachtete sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung verletzt. Daraufhin wurde die Beschwerde vom Verfassungsgerichtshof mit Beschluß vom 26. Jänner 1996, B 2945/95-5, dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (die Zustellung erfolgte am 9. August 1995) ist für die Überprüfung seiner Rechtmäßigkeit durch den Verwaltungsgerichtshof die Rechtslage nach der Novelle zum Aufenthaltsgesetz BGBl. Nr. 351/1995 maßgeblich.

§ 5 Abs. 1 AufG lautete in der Fassung dieser Novelle (auszugsweise):

"§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, ..."

§ 10 Abs. 1 Z. 4 FrG lautete:

"§ 10. (1) Die Erteilung eines Sichtvermerkes ist zu versagen, wenn

...

4. der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde;"

Da der Beschwerdeführer über einen bis zum 2. August 1993 gültigen Wiedereinreise-Sichtvermerk verfügte und vor diesem Zeitpunkt bereits einen Antrag auf Erteilung eines Sichtvermerkes, der ab dem 1. Juli 1993 als Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zu werten war, gestellt hatte, ist der verfahrensgegenständliche spätere Antrag vom 29. Juni 1994 nicht als Verlängerungsantrag zu werten. Beim angefochtenen Bescheid handelt es sich daher auch nicht um einen Bescheid, mit dem im Sinne des § 113 Abs. 6 FrG die Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung rechtskräftig abgewiesen wurde. Der angefochtene Bescheid ist demnach nicht mit Ablauf des 31. Dezember 1997 außer Kraft getreten.

Unbestritten ist im vorliegenden Fall, daß der Beschwerdeführer sich nach einer Einreise in das Bundesgebiet am 1. Oktober 1994, die ohne eine erforderliche Berechtigung erfolgte, im Bundesgebiet bis zum 14. Dezember 1994 aufgehalten hatte.

Eine Einreise in das Bundesgebiet ohne erforderlichen Sichtvermerk und ein anschließender unrechtmäßiger Aufenthalt im Bundesgebiet verwirklichen nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes den Tatbestand des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 25. November 1993, Zl. 93/18/0259, sowie vom 13. Juni 1997, Zl. 95/19/1913). Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist die Heranziehung des Sichtvermerksversagungsgrundes nach § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG auch dann gerechtfertigt, wenn der Antragsteller kurz vor der Erlassung des Bescheides das Bundesgebiet wieder verlassen hat. Allerdings handelte es sich dabei um Fälle, in denen sich der Antragsteller zunächst mehrere Monate unrechtmäßig nach einer unrechtmäßigen Einreise im Bundesgebiet aufgehalten hatte und erst knapp vor der Erlassung des Bescheides den rechtmäßigen Zustand wiederhergestellt hatte (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 19. Dezember 1997, Zl. 96/19/0574, und vom 13. März 1998, Zl. 96/19/1187). Anders verhält es sich jedoch wie im vorliegenden Fall, wenn sich der Antragsteller nach seiner unrechtmäßigen Einreise in das Bundesgebiet ca. zweieinhalb Monate in diesem aufgehalten hatte, danach ausgereist war und seit dieser Ausreise (bis zur Erlassung des Bescheides) immerhin knapp acht Monate vergangen sind. In so einem Fall bestehen keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, daß die Anwesenheit des Beschwerdeführers aufgrund der beantragten Bewilligung die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit in Zukunft (während der Dauer der Bewilligung) gefährden würde. Besondere, in der Person des Beschwerdeführers liegende Umstände, die die Gefährdungsprognose des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG trotzdem als verwirklicht erschienen ließen, sind von der belangten Behörde nicht festgestellt worden (zu einem vergleichbaren Sachverhalt vgl.

das hg. Erkenntnis vom 26. Juni 1998, Zl. 96/19/2396).

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1

VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die

§§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Das Mehrbegehren an Ersatz von Umsatzsteuer und Barauslagen war abzuweisen, weil zuzüglich zum pauschalierten Ersatz für Schriftsatzaufwand ein Ersatz von Kosten unter dem Titel der Umsatzsteuer nicht vorgesehen ist. Ersatz für Stempelgebühren war nicht zuzusprechen, weil mangels einer Beschwerdeergänzung solche vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht angefallen sind.

Wien, am 18. Dezember 1998

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