VwGH 96/15/0067

VwGH96/15/006719.3.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Robl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hajicek, über die Beschwerde des Dr. G in G, vertreten durch Dr. Heimo Hofstätter, Rechtsanwalt in Graz, Marburgerkai 47, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom 2. Februar 1996, Zl. B 124-10/94, betreffend Nachsichtsgewährung, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §236 Abs1;
EStG 1972 §38 Abs1;
EStG 1972 §38 Abs3;
BAO §236 Abs1;
EStG 1972 §38 Abs1;
EStG 1972 §38 Abs3;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 4.565 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer meldete im Dezember 1978 ein Patent unter dem Titel "Verfahren und Apparat zum Vergasen von Kohle" beim österreichischen Patentamt an. Mit Vertrag vom 9. Juli 1979 übertrug er der V-AG mit Sitz in Österreich die Rechte aus seiner Erfindung. Die Gesellschaft erwarb in der Folge aufgrund der österreichischen Priorität über 50 Auslandspatente. Der Beschwerdeführer stellte es mit Schreiben vom 4. Juni 1980 der V-AG frei, ob sie die Patentanmeldung in Österreich noch aktiv betreibe. Das Verfahren zur Patenterteilung in Österreich wurde in der Folge nicht weiter betrieben, sodaß es zur Einstellung des Verfahrens kam.

Im Schreiben der V-AG an den Beschwerdeführer vom 13. Juni 1993 ist u.a. festgehalten:

"Die in Rede stehende Erfindung ist in der im Betreff genannten, von Ihnen eingereichten österreichischen Patentanmeldung A 9346/78 - eingereicht am 29. Dezember 1978 - beschrieben. Aus rein formalen, patentrechtlichen Gründen und weil zur kommerziellen Auswertung der Erfindung aufgrund der Monopolstellung unseres Unternehmens ein Patent in Österreich nicht notwendig, d.h. in Österreich eine Konkurrenz ausländischer Firmen nicht zu erwarten ist, wurde 1980 diese österreichische Patentanmeldung durch Nichterledigung des Prüfungsbescheides einvernehmlich fallengelassen.

Der für unser Unternehmen zu erwartende kommerzielle (volkswirtschaftliche) Nutzen ist durch die Verwertung Ihrer Erfindung im Ausland gegeben. Daher haben wir von der österreichischen Patentanmeldung A 9346/78 abgeleitete Schutzrechte auf unseren Namen und unsere Kosten in folgenden Ländern (potentiellen Märkten) angemeldet und teilweise auch schon patentiert erhalten:" Es folgt die Aufzählung von 35 Staaten.

In den Einkommensteuerbescheiden für die Jahre 1980, 1981, 1982, und 1985 unterzog das Finanzamt die Einkünfte, die der Beschwerdeführer aus der Verwertung seiner Erfindung erzielt hatte, nicht der begünstigten Besteuerung nach § 38 Abs. 1 EStG 1972. Eine gegen diese Bescheide eingebrachte Berufung wies die belangte Behörde mit Bescheid vom 27. Juni 1991 als unbegründet ab. Aus der Sicht des § 38 Abs. 1 EStG 1972 könne als Verwertung nur der Verkauf der Rechte an die V-AG angesehen werden, sodaß die Verwertung in Österreich erfolgt sei. In Österreich sei es jedoch nie zu einer Patenterteilung gekommen. Die Tarifermäßigung nach § 38 Abs 1 EStG 1972 stehe daher nicht zu.

Mit Schreiben vom 10. September 1991 stellte der Beschwerdeführer den Antrag, Einkommensteuer für 1982 (mit dem Betrag von 179.374 S), für 1984 (mit dem Betrag von 9.248 S) und für 1985 (mit dem Betrag von 56.077 S) sowie Aussetzungszinsen in Höhe von 73.537 S gemäß § 236 BAO nachzusehen. Die Einhebung der genannten Abgaben sei sachlich unbillig. Das Besteuerungsergebnis sei vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt. Die Patentwürdigkeit der Erfindung könne angesichts der erfolgreichen Patentanmeldung in Staaten wie den USA, Japan oder Deutschland nicht in Streit gestellt werden. Die Verwertung der Erfindung sei wirtschaftlich gesehen im Ausland erfolgt, und zwar in Staaten, in welchen es zur Patentanmeldung gekommen sei. Steuerrechlich würde aber die Auszahlung der V-AG an den Beschwerdeführer als Verwertung im Inland gelten. Der Beschwerdeführer sei einem Rechtsirrtum unterlegen, als er die wirtschaftliche Verwertung im Ausland mit der steuerrechtlichen Verwertung gleichgesetzt habe. Daß die Tarifbegünstigung an rein formalrechtlichen Gegebenheiten - der inländischen Verwertung - scheitere, entspreche offenkundig nicht der Absicht des Gesetzgebers.

Mit Bescheid vom 21. März 1994 wies das Finanzamt das Nachsichtsansuchen ab.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der gegen diesen Abweisungsbescheid erhobenen Berufung keine Folge. Im gegenständlichen Fall könne von einem außergewöhnlichen Geschehensablauf, der nicht in der Ingerenz des Beschwerdeführers gelegen wäre, keine Rede sein.

§ 34a EStG 1953 und 1967 hätten eine begünstigte Besteuerung für Einkünfte aus der Verwertung patentrechtlich geschützter volkswirtschaftlich wertvoller Erfindungen normiert. § 38 Abs. 3 EStG 1972 regle als Voraussetzung für die begünstigte Besteuerung aus der Verwertung einer Erfindung, daß die Erfindung in dem Gebiet, in dem sie verwertet werde, patentrechtlich geschützt sei; bei einer Verwertung außerhalb Österreichs genüge es allerdings, wenn die Erfindung in Österreich patentrechtlich geschützt sei. Aus den Gesetzesmaterialien zu § 38 EStG 1972 ergebe sich, daß diese Bestimmung insofern neues Recht sei, als die Begünstigung auch dann zum Zug komme, wenn die Erfindung im Ausland verwertet werde und der patentrechtliche Schutz entweder im Ausland oder in Österreich bestehe. Nach Ansicht der belangten Behörde ergebe sich aus § 38 EStG 1972 in Zusammenhang mit den Gesetzesmaterialien, daß der patentrechtliche Schutz in dem Land, in dem die Verwertung erfolge, (bzw. im Fall der Auslandsvertretung zumindest in Österreich) bestehen müsse. Im Beschwerdefall sei die Verwertung der Erfindung in Österreich erfolgt, der patentrechtliche Schutz in Österreich aber nicht gegeben. Es treffe nicht zu, daß die Nichtanwendung der Steuerbegünstigung ein vom Gesetzgeber nicht beabsichtigtes Besteuerungsergebnis eintreten ließe.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 236 Abs. 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.

Die Unbilligkeit des Abgabeneinhebung nach der Lage des Falles ist tatbestandsmäßige Voraussetzung für die in § 236 Abs. 1 BAO vorgesehene Ermessensentscheidung. Verneint die Abgabenbehörde die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung, so ist für eine Ermessensentscheidung kein Raum (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. April 1991, 90/15/0015).

Die Unbilligkeit kann eine persönliche oder sachliche sein. Eine persönliche Unbilligkeit liegt insbesondere dann vor, wenn die Einhebung der Abgaben die Existenzgrundlagen des Nachsichtswerbers gefährdet. Eine sachliche Unbilligkeit ist anzunehmen, wenn im Einzelfall bei der Anwendung des Gesetzes aus anderen als aus persönlichen Gründen ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt. Es muß zu einer anormalen Belastungswirkung und, verglichen mit ähnlichen Fällen, zu einem atypischen Vermögenseingriff kommen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. April 1997, 92/17/0232).

Der Beschwerdeführer bringt vor, die Verwertung seiner Erfindung sei wirtschaftlich im Ausland erfolgt, und zwar in jenen Staaten, in denen es eine Patentanmeldung gebe. Steuerrechlich sei jedoch wegen der im Inland erfolgten Auszahlung der vereinbarten Erfindungsvergütung durch die V-AG eine Verwertung im Inland anzunehmen. Der Beschwerdeführer sei einem Rechtsirrtum unterlegen, weil er die wirtschaftliche Verwertung der steuerlichen gleichgesetzt und deshalb das Patentverfahren in Österreich nicht mehr betrieben habe. Es liege daher sachliche Unbilligkeit der Abgabeneinhebung vor. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liege eine sachliche Unbilligkeit der Abgabeneinhebung im Einzelfall vor, wenn eine anormale Belastungswirkung gegeben sei, wenn es also zu einem vom Gesetzgeber nicht gewollten Ergebnis komme, obwohl die Gesetzeslage das Ergebnis eindeutig vorgebe. Im Beschwerdefall ergebe sich die anormale Belastungswirkung (durch den vollen Steuersatz) aus dem Beharren auf dem Formalerfordernis der Patenteintragung. Die Absicht des Gesetzgebers sei schon hinsichtlich der Vorgängerbestimmung des § 38 EStG 1972, nämlich des § 34a EStG 1953, darin gelegen gewesen, dem Erfinder mehr Mittel zur Fortsetzung seiner Forschungstätigkeit zu belassen. § 34a EStG 1953 begünstige lediglich Lizenzeinkünfte und nicht Einkünfte aus der Patentveräußerung und stelle auf patentrechtlich geschützte Erfindungen ab. Wenn § 38 EStG 1972 auch die Einkünfte aus der Patentveräußerung einbeziehe, so sei damit die Forschungsförderung ausgeweitet worden. Es sei niemals in der Absicht des Gesetzgebers gelegen gewesen, die Begünstigung an rein formale Gegebenheiten zu binden, nämlich an die Beurteilung, ob die Verwertung im Inland erfolge oder nicht, und an die formalen Erfordernisse für den patentrechtlichen Schutz.

Sind im Einkommen Einkünfte aus der Verwertung patentrechtlich geschützter volkswirtschaftlich wertvoller Erfindungen durch andere Personen enthalten, so ist gemäß § 38 Abs. 1 EStG 1972 die Einkommensteuer für diese Einkünfte auf Antrag mit einem ermäßigten Steuersatz zu bemessen. Diese Begünstigung steht nur dem Erfinder der betreffenden Erfindung zu. Gemäß § 38 Abs. 3 EStG 1972 muß die betreffende Erfindung in dem Gebiet patentrechtlich geschützt sein, in dem sie im Sinne der Ausführungen des Abs. 1 verwertet wird; erfolgt diese Verwertung in einem außerhalb Österreichs liegenden Gebiet, so genügt es, wenn die betreffende Erfindung in Österreich patentrechtlich geschützt ist.

Die Nachsicht dient nicht dazu, Unrichtigkeiten der Abgabenfestsetzung zu beseitigen und unterlassene Rechtsbehelfe nachzuholen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. September 1992, 91/13/0225). Auf eine Unbilligkeit im Sinne der inhaltlichen Unrichtigkeit kann ein Nachsichtsansuchen grundsätzlich nicht mit Erfolg gestützt werden, weil die Rechtswidrigkeit eines Abgabenbescheides mit den von der Rechtsordnung vorgesehenen Rechtsbehelfen gegen diesen Bescheid zu bekämpfen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. März 1994, 91/14/0079, 0080, 0081). Solcherart könnte es der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen, wenn die belangte Behörde in ihrer Berufungsentscheidung vom 27. Juni 1991 (betreffend Einkommensteuer) allenfalls zu Unrecht angenommen hat, die Verwertung durch andere Personen iSd § 38 Abs. 1 EStG 1972 sei im Inland erfolgt, weil der Verkauf der Rechte vom Beschwerdeführer an die V-AG im Inland erfolgt sei.

Nach den Beschwerdeausführungen sei die Verwertung iSd § 38 Abs. 1 EStG 1972 im Inland erfolgt. Der begünstigten Besteuerung nach dieser Gesetzesbestimmung steht dann das Fehlen des Patentschutzes in Österreich entgegen.

Tatbestandsmäßige Voraussetzung für die begünstigte Besteuerung nach § 38 EStG 1972 ist der aufrechte Patentschutz im Gebiet, in dem die Verwertung erfolgt. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers knüpft das Gesetz die Begünstigung ausschließlich an das Vorliegen des Patentschutzes. Gerade die exakte Regelung des Ortes des patentrechtlichen Schutzes in § 38 Abs. 3 EStG 1972 läßt erkennen, daß der Gesetzgeber die Begünstigung nur bei Vorliegen dieser Voraussetzung gewähren wollte.

Gemäß § 46 Abs. 1 Patentgesetz erlischt das Patent 1. bei rechtzeitiger Zahlung der Jahresgebühr spätestens mit Erreichung der Höchstdauer, 2. wenn die fällige Jahresgebühr nicht rechtzeitig eingezahlt wurde und 3. wenn der Patentinhaber auf das Patent verzichtet. Schon aus dieser Bestimmung ergibt sich, daß es keinen Ausnahmefall darstellt, wenn für eine patentfähige Erfindung hinsichtlich bestimmter Veranlagungszeiträume kein patentrechtlicher Schutz besteht. Dennoch hat der Gesetzgeber den aufrechten Patentschutz in den Tatbestand der Begünstigungsbestimmung aufgenommen. Der Gesetzgeber will durch die Bestimmung zwar den Erfinder begünstigen, hat bei der Festlegung des Kreises der Begünstigten aber u.a. auf das Bestehen des patentrechtlichen Schutzes abgestellt. Ohne den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit zu belasten, konnte die belangte Behörde daher davon ausgehen, daß ein vom Gesetzgeber beabsichtigtes Besteuerungsergebnis vorliegt, wenn der begünstigte Steuersatz versagt bleibt, weil der patentrechtliche Schutz - auch aus den im Beschwerdefall gegebenen Gründen - nicht bestanden hat.

Soweit der Beschwerdeführer den Grund für die sachliche Unbilligkeit der Abgabeneinhebung in seinem Rechtsirrtum erblickt, ist ihm entgegenzuhalten: Ein Rechtsirrtum über die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen einer Begünstigung vermag für sich allein keine sachliche Unbilligkeit der Abgabeneinhebung zu begründen. Anderes ergibt sich auch nicht aus dem vom Beschwerdeführer zitierten hg. Erkenntnis vom 22. September 1992, 92/14/0083.

Hinsichtlich der Einkommensteuer 1984 sei im übrigen darauf verwiesen, daß diese nach der Aktenlage nicht im Zusammenhang mit der Versagung des Steuersatzes nach § 38 Abs. 1 EStG 1972 steht.

Der Beschwerdeführer ist sohin durch den angefochtenen Bescheid nicht in seinen Rechten verletzt. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl. 416/1994.

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