Normen
GehG 1956 §20b Abs6 Z2;
GehG 1956 §20b Abs6 Z2;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin steht als Oberrevidentin in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund; ihre Dienststelle ist das Bundesministerium für Umwelt, Jugend und Familie.
Nach den vorliegenden Akten des Verwaltungsverfahrens ersuchte die Beschwerdeführerin mit Formularantrag vom 27. Dezember 1994 um Zuerkennung eines Fahrtkostenzuschusses. Diesem Antrag ist ein Amtsvermerk vom 4. Jänner 1995 angeschlossen, nach dem die Beschwerdeführerin fernmündlich davon verständigt worden sei, sie habe - da sie aus Gründen, die sie selbst zu vertreten habe, ihren Wohnsitz geändert - keinen Anspruch auf Fahrtkostenzuschuß.
Mit Eingabe vom 30. Jänner 1995 machte die Beschwerdeführerin im wesentlichen geltend, sie sei nicht aus Gründen, die sie selbst zu vertreten habe, aus der "20 km-Zone" weggezogen. Sie stamme aus Ternitz und habe ursprünglich Fahrtkostenzuschuß erhalten, habe aber dann, da sie von ihren Eltern unterstützt worden sei und im Hinblick auf ihre lange Fahrzeit zu ihrer Dienststelle in Wien, eine Wohnung in Wien nehmen können. Der tragische Tod ihres Vaters durch einen Verkehrsunfall und die damit verbundenen vielfältigen Schwierigkeiten auch finanzieller Art (wird näher ausgeführt) seien der Behörde durch das Ansuchen der Beschwerdeführerin um einen Bezugsvorschuß bekannt. Weiters legte die Beschwerdeführerin die schwierige physische und psychische Situation ihrer Mutter nach dem Tod des Vaters dar, die sie - da ihre nunmehrige Wohnung in unmittelbarer Nähe der Wohnung ihrer Mutter gelegen sei - notwendigerweise laufend betreuen müsse (wird näher ausgeführt). Bei einem Gehalt von monatlich S 15.000,-- netto habe sie sich bei der geschilderten Sachlage (Wegfall der Unterstützung der Eltern) die Wiener Wohnung auch nicht mehr leisten können.
Nach einer "Erinnerung" der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 30. Mai 1995 wurde sie von der belangten Behörde - um überprüfen zu können, ob ihr die Beschaffung einer Wohnmöglichkeit innerhalb einer Entfernung von 20 km vom Dienstort aus den von ihr angegebenen Gründen tatsächlich nicht möglich gewesen wäre - unter Bezug auf die gesetzlichen Bestimmungen und die dazu ergangenen Durchführungsregeln um Stellungnahme ersucht. Insbesondere wäre bekanntzugeben, welche Anstrengungen sie unternommen habe, um sich eine Wohnmöglichkeit in Wien oder innerhalb einer Entfernung von 20 km zu beschaffen.
Die Beschwerdeführerin teilte daraufhin im wesentlichen mit, die von ihr in Wien benutzte Dienstwohnung im Arsenal habe sie wegen unzumutbarer Verhältnisse (es wird auf ein nicht bei den vorgelegten Akten befindliches früheres Schreiben verwiesen) aufgeben müssen, weil die notwendigen Renovierungsarbeiten wegen Geldmangels der Bundesbaudirektion von ihr hätten zumindest vorfinanziert, wenn nicht überhaupt letztlich getragen werden müssen, was sie sich keinesfalls hätte leisten können. Eine andere Wohnmöglichkeit in Wien bzw. Umgebung sei aus finanziellen und wirtschaftlichen Gründen für sie nicht möglich gewesen, weil
- 1. für eine Eigentumswohnung in Wien ihr Gehalt keinesfalls ausgereicht hätte,
- 2. die Preise für eine entsprechende Genossenschaftswohnung, abgesehen von den weit höheren Mieten, bei den Baukostenbeiträgen ungefähr das Dreifache ausgemacht hätten, als eine vergleichbare Wohnung im Raum Neunkirchen (diesbezüglich wird auf eine konkrete Preiserhebung Bezug genommen),
- 3. die Beschwerdeführerin auf Grund ihres Familienstandes keinen Anspruch auf eine für sie erschwingliche Sozialwohnung gehabt habe und
- 4. ihre finanzielle Lage so bescheiden sei, daß sie sogar für ihre jetzige, verglichen mit Wiener Verhältnissen günstige Wohnung in Ternitz zur Finanzierung einen Gehaltsvorschuß habe beantragen müssen.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom 27. Dezember 1994 nach § 20 b Abs. 6 Z. 2 GG abgewiesen.
In der Begründung wird ausgeführt, mit Eingabe vom 27. Dezember 1994 habe die Beschwerdeführerin anläßlich ihrer Übersiedlung von Wien nach Ternitz die Zuerkennung eines Fahrtkostenzuschusses beantragt. Als Begründung habe sie in einer weiteren Eingabe vom 31. Jänner 1995 im wesentlichen angeführt, daß ihre Übersiedlung im Zusammenhang mit dem tragischen tödlichen Unfall ihres Vaters notwendig geworden sei. Im Rahmen des Parteiengehörs sei ihr mit Schreiben vom 22. Juni 1995 mitgeteilt worden, daß beabsichtigt sei, ihren Antrag auf Fahrtkostenzuschuß abzuweisen, weil für ihre Übersiedlung Gründe gegeben seien, die sie selbst zu vertreten habe. Zu diesem Parteiengehör habe sie innerhalb offener Frist Stellung genommen. Sie habe im wesentlichen angeführt, daß es ihr nicht möglich gewesen sei, in Wien bzw. im Umkreis von 20 km von Wien eine für sie kostengünstige und zumutbare Wohnung zu erlangen. Eine für die Beschwerdeführerin relativ günstige Wohnung habe sie nur in Ternitz erhalten können. Bestätigungen von Wohnbauvereinigungen über ihr Bemühen, eine günstige Wohnung in Wien bzw. im Umkreis von 20 km von Wien zu erhalten, habe sie nicht vorlegen können, weil sie lediglich telefonische bzw. persönliche Auskünfte eingeholt habe.
Nach Wiedergabe der Rechtslage führt die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides weiter aus, die durchgeführte Übersiedlung von Wien nach Ternitz habe die Beschwerdeführerin in ihrer Eingabe mit der Unterstützung ihrer Mutter, die im Hinblick auf den tragischen Tod verständlich sei, aber keinen Anspruch auf einen Fahrtkostenzuschuß im Hinblick auf § 20 b GG bewirke, begründet. Mit Eingabe vom 14. Juli 1995 habe die Beschwerdeführerin mitgeteilt, daß sie keine Bestätigung von Wohnbauvereinigungen über ihre Wohnungssuche vorlegen könne, da sie lediglich telefonische bzw. persönliche Auskünfte eingeholt habe. Die Beschwerdeführerin habe daher im gegenständlichen Verfahren ohne nähere Angaben lediglich behauptet, mehrere Anbote von Wohnbauvereinigungen mündlich eingeholt zu haben. Welche Wohnungen ihr tatsächlich zu welchen Konditionen angeboten worden seien und aus welchen Gründen diese Wohnungen ihren Vorstellungen nicht entsprochen hätten, habe sie nicht weiter ausgeführt. Mangels eines bestimmten Vorbringens dieser Tatsachen, die nur ihr bekannt seien, sei die Dienstbehörde nicht in der Lage zu prüfen, ob ihr (der Beschwerdeführerin) die Erlangung einer in Wien oder im Umkreis von 20 km von dieser Stadt gelegenen bestimmten, ihren objektiv begründeten Ansprüchen genügenden Wohnung tatsächlich nicht möglich gewesen sei. Mangels entsprechender Behauptung treffe die Dienstbehörde auch keine Verpflichtung, von Amts wegen darüber Erhebungen anzustellen, ob die Beschwerdeführerin bei entsprechenden Bemühungen eine Wohnung in Wien oder in der maßgebenden Umgebung bekommen hätte.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt wird.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahens vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 20 b Abs. 1 des Gehaltsgesetzes 1956, BGBl. Nr. 54, in der Fassung der 24. GG-Novelle BGBl. Nr. 214/1972, gebührt dem Beamten ein Fahrtkostenzuschuß, wenn
- 1. die Wegstrecke zwischen der Dienststelle und der nächstgelegenen Wohnung mehr als zwei Kilometer beträgt,
- 2. er diese Wegstrecke an den Arbeitstagen regelmäßig zurücklegt und
- 3. die notwendigen monatlichen Fahrtauslagen für das billigste öffentliche Beförderungsmittel, das für den Beamten zweckmäßigerweise in Betracht kommt, den Fahrtkostenanteil übersteigen, den der Beamte nach Abs. 3 oder 3 a selbst zu tragen hat.
Der Beamte ist aber vom Anspruch auf Fahrtkostenzuschuß nach § 20 b Abs. 6 Z. 2 der genannten Bestimmung ausgeschlossen, solange er aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, mehr als 20 km außerhalb seines Dienstortes wohnt.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Beamte ein Wohnen außerhalb der 20 km-Zone (gerechnet von der Gemeindegrenze des Dienstortes) dann nicht selbst zu vertreten, wenn - unter Bedachtnahme auf die Umstände des Einzelfalles - hiefür unabweislich notwendige Gründe vorliegen. Dies ist dann der Fall, wenn dem Beamten zu der von ihm gewählten Möglichkeit zur Begründung eines Wohnsitzes außerhalb der 20 km-Zone keine zumutbare Handlungsalternative offen steht. Ob dies der Fall ist, kann jeweils nur unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles beurteilt werden, die unter Mitwirkung des Beamten von der Dienstbehörde zu erheben und einer sorgfältigen (Gesamt-)Würdigung durch die Dienstbehörde zu unterziehen sind. Eine zumutbare Handlungsalternative fehlt nicht nur in jenem Fall, in dem der Beamte mit seiner Wohnungswahl einer Rechtspflicht nachkommt. Familiäre Umstände (wie z.B. die Erkrankung der Ehegattin des Beamten) wurden in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als Motiv für einen nicht vom Beamten zu vertretenden Wohnsitzwechsel angesehen. Auch die festgestellte Krankheit des Sohnes eines ehemaligen Beschwerdeführers kann an sich als Grund für die Wohnsitznahme außerhalb der 20 km in Frage kommen, dies allerdings nur dann, wenn die festgestellte Krankheit des Sohnes des Beschwerdeführers eine Wohnsitznahme im Dienstort oder innerhalb der 20 km-Zone zwingend ausschließt (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Mai 1993, Zl. 92/12/0151).
Die belangte Behörde meint nach der Begründung des angefochtenen Bescheides, die Darlegung der Beschwerdeführerin, sie habe ihre Mutter im Zusammenhang mit dem tragischen Tod ihres Vaters unterstützen müssen, bewirke keinen Anspruch auf Fahrtkostenzuschuß und setzt sich in weiterer Folge lediglich damit auseinander, daß die Beschwerdeführerin keine entsprechenden Bestätigungen von Wohnbauvereinigungen über ihre Wohnungssuche habe vorlegen können, sodaß sie nicht verpflichtet gewesen wäre, darüber eigene Erhebungen anzustellen, ob die Beschwerdeführerin bei entsprechenden Bemühungen eine Wohnung in Wien oder in der maßgebenden Umgebung hätte bekommen können.
Damit ist die belangte Behörde ersichtlich von einem unrichtigen Verständnis der Ausschlußbestimmung des § 20 b Abs. 6 GG ausgegangen. Es ist zwar richtig, daß die Unterstützung der Mutter der Beschwerdeführerin durch diese keinen Anspruch auf Fahrtkostenzuschuß bewirkt, es kann aber bei der von der Beschwerdeführerin behaupteten Sachlage (persönliche Betreuungspflicht im Hinblick auf den schwierigen physischen und psychischen Zustand der Mutter, keine erkennbare finanzielle oder familiäre Substitutionsmöglichkeit) nicht ausgeschlossen werden, daß im Sinne der vorher wiedergegebenen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes der Beschwerdeführerin eine Wohnsitznahme in Wien oder innerhalb von 20 km tatsächlich unzumutbar gewesen wäre. Wenn dem Beamten aber zu der von ihm gewählten Wohnsitznahme außerhalb der 20 km-Zone gar keine zumutbare andere Handlungsalternative offen gestanden ist, erübrigt sich eine Auseinandersetzung mit der Frage der konkreten Bemühungen um eine Wohnung zu welchen Konditionen immer innerhalb der 20 km-Zone. Die belangte Behörde wäre daher vielmehr verpflichtet gewesen, die behaupteten besonderen Umstände der Beschwerdeführerin unter ihrer Mitwirkung zu erheben und hinsichtlich der Zumutbarkeit einer Handlungsalternative eine sorgfältige Gesamtwürdigung vorzunehmen. Dies ist aber ausgehend von einer verfehlten Rechtsauffassung im Beschwerdefall unterblieben.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung BGBl. Nr. 416/1994.
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