Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.980,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppen A, B, C, E, F und G gemäß § 74 Abs. 1 iVm § 73 Abs. 2 KFG 1967 vorübergehend für zehn Monate (bis einschließlich 29. Juni 1996) entzogen.
In seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend; er beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Anlaß für die bekämpfte Entziehungsmaßnahme war ein Vorfall vom 29. August 1995. Nach den Feststellungen der belangten Behörde hat der Beschwerdeführer damals beim Lenken eines Kraftfahrzeuges eine Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 StVO 1960 begangen (gemessener Alkoholgehalt der Atemluft 0,98 mg/l) und hiebei einen Verkehrsunfall mit Sachschaden verschuldet. Aus diesem strafbaren Verhalten des Beschwerdeführers müsse der Schluß gezogen werden, daß er die Verkehrssicherheit durch Trunkenheit gefährden werde.
Vorweg ist klarzustellen, daß dem Beschwerdeführer die Lenkerberechtigung nicht etwa nach § 73 Abs. 1, sondern nach § 74 Abs. 1 KFG 1967 entzogen wurde. Das ergibt sich eindeutig aus dem mit dem angefochtenen Bescheid bestätigten und damit übernommenen Spruch des erstinstanzlichen Bescheides der Bundespolizeidirektion Wien vom 16. Oktober 1995. Die Zitierung des § 73 Abs. 3 KFG 1967 in der Begründung des angefochtenen Bescheides dient offensichtlich nur der Klarstellung, daß wegen des angenommenen Verschuldens eines Verkehrsunfalles eine mit vier Wochen bemessene Entziehung nach dieser Bestimmung nicht in Betracht komme.
Die besagte Annahme wird vom Beschwerdeführer bestritten; er habe kein Verkehrszeichen angefahren, geschweige denn beschädigt. Weder das von ihm gelenkte Fahrzeug noch das angeblich beschädigte Verkehrszeichen ließen irgendeine Beschädigung erkennen. Die gegenständliche Annahme beruhe auf reiner Mutmaßung; ein Beweisverfahren betreffend einen Verkehrsunfall sei von den Kraftfahrbehörden nie durchgeführt worden. Auch in dem an ihn ergangenen rechtskräftigen Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien vom 5. Oktober 1995 sei keine Rede davon, daß er ein Verkehrszeichen beschädigt bzw. ein Delikt nach § 4 StVO 1960 begangen habe. Mit Erledigung vom 1. April 1996 habe ihm die genannte Behörde mitgeteilt, daß ein gegen ihn wegen des Verdachtes eines Übertretung nach § 4 Abs. 1 lit. a StVO 1960 eingeleitetes Strafverfahren eingestellt worden sei.
Dieses Vorbringen, dem entgegen der Ansicht der belangten Behörde das Neuerungsverbot schon deshalb nicht entgegensteht, weil der Beschwerdeführer mangels eines entsprechenden Vorhaltes im Entziehungsverfahren bzw. konkreter Feststellungen über Art und Ausmaß des angeblich entstandenen Schadens in den ergangenen Bescheiden nicht gehalten war, sich zur Frage des Verschuldens eines Verkehrsunfalles zu äußern, führt die Beschwerde zum Erfolg.
Gemäß § 73 Abs. 3 erster Satz KFG 1967 (idF vor der 19. KFG-Novelle BGBl. Nr. 103/1997) ist im Falle der erstmaligen Begehung einer Übertretung im Sinne des § 66 Abs. 2 lit. e, sofern die Person bei Begehung dieser Übertretung nicht einen Verkehrsunfall verschuldet hat, die im Abs. 2 angeführte Zeit mit vier Wochen festzusetzen. Der Beschwerdeführer behauptet, es handle sich bei der Tat vom 29. August 1995 um die erstmalige Begehung eines Alkoholdeliktes durch ihn. Aus der Aktenlage ergibt sich kein Anhaltspunkt für die Unrichtigkeit dieser Behauptung. Der angefochtene Bescheid enthält dazu keine Feststellungen. Geht man mit dem Beschwerdeführer von der Richtigkeit seines Vorbringens betreffend die erstmalige Begehung eines Alkoholdeliktes durch ihn am 29. August 1995 aus, so hätte ihm die Lenkerberechtigung nur unter der weiteren Voraussetzung des Verschuldens eines Verkehrsunfalles für mehr als vier Wochen entzogen werden dürfen. In dieser für seine Rechtmäßigkeit entscheidenden Frage ist der angefochtene Bescheid mit einem wesentlichen Verfahrensmangel behaftet. Abgesehen vom Fehlen von Feststellungen über Art und Ausmaß des angeblich entstandenen Schadens (derartige Feststellungen fehlen auch in den beiden erstinstanzlichen Bescheiden vom 25. September und vom 16. Oktober 1995) ist nämlich nicht ersichtlich, auf welchen Ermittlungsergebnissen die bestrittene Feststellung beruht. Aus der Aktenlage ergibt sich kein Hinweis auf irgendwelche Ermittlungen der Kraftfahrbehörden in dieser Frage. Derartiger Ermittlungen (etwa durch die Vernehmung der Anzeigenleger als Zeugen) hätte es insbesondere deshalb bedurft, weil der Beschwerdeführer laut Anzeige ausdrücklich bestritten hatte, ein Verkehrszeichen niedergefahren zu haben. Der Hinweis in der Gegenschrift der belangten Behörde auf den Inhalt der Anzeige vom 29. August 1995 kann den aufgezeigten Verfahrensmangel nicht sanieren.
Aus dem besagten Grund war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
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