Normen
AVG §52;
AVG §58 Abs2;
LSchG Vlbg 1982 §1 Abs2 lita;
LSchG Vlbg 1982 §1;
LSchG Vlbg 1982 §10 Abs1;
LSchG Vlbg 1982 §10 Abs2;
AVG §52;
AVG §58 Abs2;
LSchG Vlbg 1982 §1 Abs2 lita;
LSchG Vlbg 1982 §1;
LSchG Vlbg 1982 §10 Abs1;
LSchG Vlbg 1982 §10 Abs2;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Vorarlberg hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.800,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 10. September 1996 wurde der Beschwerdeführerin die Landschaftsschutzbewilligung zur Errichtung eines Verkaufsmarktes auf einem näher beschriebenen Grundstück in Dornbirn versagt. Hiezu wurde - nach Wiedergabe des Verfahrensganges - im wesentlichen ausgeführt, aus dem Landschafts- und Grünraumkonzept der Stadt Dornbirn und den diesem Konzept zugrundeliegenden Unterlagen ergebe sich, daß das in Rede stehende Grundstück in einer Fläche gelegen sei, die als "siedlungsgliedernde Freifläche" ausgewiesen sei. Bei dieser Fläche handle es sich um eine größere zusammenhängende Freifläche, die eine wichtige hofnahe Landwirtschaftsfläche darstelle und auch längerfristig nicht überbaut werden solle. Als "grüne Lunge" besitze sie eine wichtige kleinklimatische Ausgleichswirkung, sie vernetze die Siedlungsgebiete mit der umgebenden Erholungslandschaft und weise selbst ein hohes Erholungspotential auf. Im einzelnen ergebe sich aus den dem Landschafts- und Grünraumkonzept zugrundeliegenden Unterlagen folgendes:
"I. Bestandsanalyse:
Hauptbericht:
Bei Betrachtung des Landschafts- und Siedlungsraumes von Dornbirn fällt auf, daß die großen, das Siedlungsgebiet umschließenden Grünräume (Dornbirner Ried im Westen, Hangbereich im Osten) miteinander über verschiedene Leitlinien zu einem Grünsystem verbunden sind. Dieses Grünsystem ist nicht vollständig im Sinne eines grünen Netzes, das Aufenthalts- und Erholungsbereiche im Freien, Naturflächen und landwirtschaftliche Produktionsflächen miteinander ökologisch, funktionell und gestalterisch verspannt.
Der Stadtteil Wallenmahd-Bremenmahd hat ein sehr hohes Entwicklungspotential.
Neben dem äußeren Siedlungsrand sind vor allem im Wallenmahd die inneren Siedlungsgrenzen zu ordnen. Derzeit besteht hier eine Vielzahl zum Teil großflächiger, im rechtsgültigen Flächenwidmungsplan als Freifläche-Freihaltegebiet gewidmeter, landwirtschaftlich genutzter Flächen. Ähnlich wie die Grün- und Freiflächen entlang des Haselstauder Baches erfüllen diese Flächen die Funktion einer Grünbrücke zwischen Ried und dem steil abfallenden Breiter Berg. Sie unterliegen einem starken Nutzungsdruck. Die derzeitige Absicherung durch den Flächenwidmungsplan ist durch Baulanderweiterungen gefährdet. Zur Erschließung eines äußeren Grüngürtels um das Stadtgebiet ist die Erhaltung dieser Freiflächen erforderlich.
Im Gebiet des südlichen Hatlerdorfs am Siedlungsrand bzw. im gewidmeten Bauland befinden sich hochwertigste Landwirtschaftsböden, die mit großer Wahrscheinlichkeit der Landwirtschaft auf Dauer entzogen werden. Für diese ertragreichen Böden sind daher vorrangig Maßnahmen zum landwirtschaftlichen Flächenschutz zu empfehlen.
Ein Hauptziel des Landschafts- und Grünraumkonzeptes für die Stadt Dornbirn ist die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Grünflächen. Insbesondere ist zu untersuchen, ob und inwiefern die bestehenden Grünanlagen den unterschiedlichen Nutzungs- und Erholungsansprüchen gerecht werden und wo es im Stadtgebiet Defizite quantitativer und/oder qualitativer Art gibt. Der Grünflächenbestand ist somit dem Grünflächenbedarf der in den letzten Jahren stark gewachsenen Stadt Dornbirn gegenüber zu stellen.
Die bestehenden (bzw. noch vorhandenen) Elemente bilden die Ansatzpunkte für die künftige Grünflächenstruktur. Eine dieser wirksamen grünen Leitlinien der Grünraumvernetzung stellt das System Fallbach/Küferbach/Landgraben, im Hatlerdorf dar. Von großer Bedeutung für die innere Gliederung sind Freiflächen innerhalb und am Rand des Siedlungsgebietes. Die Hauptelemente des Dornbirner Grünsystems sind somit unter anderem Grünzüge und Grünkeile, die den Hang- und Talbereich miteinander vernetzen bzw. Landschafts- und Siedlungsraum wirksam miteinander verzahnen, Grünverbindungen, die die genannten Bereiche kleinräumig miteinander vernetzen, sowie Grünflächen.
Planunterlagen:
Aus den dem Hauptbericht zugrunde liegenden Planunterlagen ist ersichtlich, daß es sich bei dem Grundstück Gst-Nr. 5077, KG Dornbirn, um den Biotoptyp Intensivgrünland, Ackerland handelt. Alle anderen, dieses Grundstück umgebenden Grundstücke unterliegen demselben Biotoptyp.
II. Planung:
Die Hauptelemente des Dornbirner Grünsystems sind: der landschaftliche Grüngürtel um die städtischen und dörflichen Siedlungsgebiete, mit landwirtschaftlicher Nutzung und zugleich großer Bedeutung als ökologischer Ausgleichsraum und Naherholungsgebiet; Grünkeile als landschaftliche Leitstrukturen der Grünraumvernetzung zwischen Tal- und Berggebieten bzw. der Kulturlandschaft und dem Siedlungsraum; ein engerer Grünring um das Stadtzentrum mit radialen Anbindungen nach außen; ein mittlerer Grünring, der den Grünzug Dornbirner Ache sowie die innerstädtischen Fließgewässer (Fischbach, Müllerbach) einbindet und mit den Grünflächen am Hangfuß (Steinebach, Zansenberg, Juchen) zusammenschließt; die stadtteilbezogenen Grünflächen, Stadtteilpark, Hauptgrünverbindungen (unter Einschluß von Rad- und Fußwegverbindungen sowie durch Straßen), welche die Elemente des Grünsystems und die Stadtteilzentren miteinander vernetzen.
Die Kulturlandschaft zwischen den Siedlungsgebieten und Naturvorrangflächen ist als Hauptlandwirtschaftsgebiet zu sichern und im Sinne einer flächendeckenden umweltschonenden Landwirtschaft weiterzuentwickeln. Die Siedlungsausdehnung auf Kosten der Landwirtschaft sollte weitestgehend gestoppt bzw. stellenweise möglichst zurückgenommen werden. Im Bereich Wallenmahd und Bachmähdle sind in der näheren Umgebung von Vollerwerbsbetrieben Möglichkeiten zur Rückwidmung in Landwirtschaftsfläche zu prüfen.
Grünkeile, die eine ökologische und gestalterische Verzahnung des Landschaftsraumes mit dem Siedlungsgebiet sowie eine Verbindung zwischen unterschiedlichen Kulturlandschaftstypen (z.B. des Talraumes und des Hangbereiches) bewirken, sind als größere, zusammenhängende Freiflächen zu sichern. Im einzelnen ist die Sicherung unter anderem folgenden Grünkeiles (Grünbrücke) anzustreben: Hangfuß des Breiten Bergs und die vielfältige Kulturlandschaft in Steinen (Bachsystem Fallbach-Küferbach). Für die ökologische Vernetzung, aber auch zur Verknüpfung des Erholungs- mit dem Siedlungsraum sind die Grünkeile vom Hatlerried in Richtung Hatlerdorf und das Bachmähdle von großer Bedeutung."
Durch die Errichtung des von der Beschwerdeführerin beantragten Verkaufsmarktes würden - wie sich aus dem Landschafts- und Grünraumkonzept der Stadt Dornbirn ergebe - folgende Interessen des Landschaftsschutzes verletzt:
o Verlust einer größeren zusammenhängenden Freifläche, die
eine wichtige hofnahe Landwirtschaftsfläche sei.
o Verlust einer Fläche, die als "grüne Lunge" eine wichtige
kleinklimatische Ausgleichswirkung besitze, die Siedlungsgebiete mit der umgebenden Erholungslandschaft vernetze und selbst ein hohes Erholungspotential aufweise.
o Verlust einer Fläche, die die Funktion einer Grünbrücke
zwischen dem Ried und dem steil abfallenden Breiten Berg besitze.
o Verlust einer Fläche, die den äußeren Grüngürtel um das Stadtgebiet erschließe.
Diese Verletzungen von Interessen des Landschaftsschutzes ließen sich nicht durch Bedingungen, Auflagen oder eine Befristung der beantragten Bewilligung beseitigen, weil sie mit der Errichtung eines Gebäudes auf dem genannten Grundstück verbunden seien. Öffentliche Interessen, die an der Errichtung des beantragten Verkaufsmarktes bestünden und die die Interessen des Landschaftsschutzes überwiegen könnten, seien weder vorgebracht worden, noch der Behörde bekannt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 1 Abs. 1 des - im vorliegenden Fall anzuwendenden -
Landschaftsschutzgesetzes, LGBl. Nr. 1/1982 i.d.F.
LGBl. Nr. 22/1988, ist die Vorarlberger Landschaft nach den Bestimmungen dieses Gesetzes zu schützen und zu pflegen.
Gemäß § 1 Abs. 2 leg. cit. ist im Sinne dieses Gesetzes
- a) Landschaftsschutz die Abwehr von Eingriffen, die geeignet sind, die Landschaft zu beeinträchtigen, zu verunstalten und zu schädigen oder den Naturgenuß zu stören;
- b) Landschaftspflege die Erhaltung und Gestaltung der Landschaft in ihrer Eigenart und die Sanierung landschaftlicher Schäden.
Gemäß § 3 Abs. 1 lit. a leg. cit bedürfen die Errichtung und die im Hinblick auf die Interessen des Landschaftsschutzes wesentliche Änderung von Bauwerken (§ 2 lit. e Baugesetz) mit einer überbauten Fläche von mehr als 800 m2 oder - in Gebieten, für die kein Bebauungsplan über die Höhe besteht - mit einer Traufen- oder Gesimshöhe von mehr als 12 m, sofern sie nicht nach anderen Bestimmungen dieses Gesetzes bewilligungspflichtig sind, einer Bewilligung.
Gemäß § 10 Abs. 1 leg. cit. darf die Bewilligung nur erteilt werden, wenn Gewähr besteht, daß Interessen des Landschaftsschutzes nicht verletzt werden.
Die Bewilligung darf gemäß § 10 Abs. 2 leg. cit. nicht versagt werden, wenn sich die Hinderungsgründe durch Bedingungen, Auflagen oder eine Befristung der Bewilligung ... beseitigen lassen. Eine Bewilligung darf trotz Verletzung von Interessen des Landschaftsschutzes dann erteilt werden, wenn andere öffentliche Interessen überwiegen. In einem solchen Fall ist durch Bedingungen oder Auflagen die Verletzung von Interessen des Landschaftsschutzes in möglichst geringem Ausmaß zu halten.
Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht die Bewilligungspflicht des beabsichtigten Verkaufsmarktes auf einer überbauten Flächen von 918,6 m2 im Grunde des § 3 Abs. 1 lit. a leg. cit. Sie bringt vielmehr vor, die belangte Behörde habe ihr die beantragte Bewilligung ohne Einholung eines Gutachtens eines Sachverständigen für Landschaftsschutz zu Unrecht versagt; der angefochtene Bescheid sei ausschließlich auf die Argumentation der Stadt Dornbirn gestützt worden, die sich allerdings auf raumplanerische Aspekte beziehe und nicht auf Aspekte des Landschaftsschutzes. Das in Rede stehende Grundstück liege im übrigen an der B 190 und sei als Baumischgebiet gewidmet. Es sei weder historisch, gesellschaftlich, strukturell oder morphologisch bedeutsam. Es befinde sich in einem fast ausschließlich monofunktional genutzten Gebiet; die beantragte Nutzung bedeute keineswegs eine Barriere zur städtischen Morphologie und Infrastruktur.
Mit ihrem Vorbringen ist die Beschwerdeführerin im Ergebnis im Recht.
Ausgehend von der oben dargestellten Rechtslage werden Interessen des Landschaftsschutzes im Sinne des § 10 Abs. 1 leg. cit. durch ein Vorhaben (nur) dann verletzt, wenn dieses zu einer Beeinträchtigung, zu einer Verunstaltung oder zu einer Schädigung der Landschaft oder zu einer Störung des mit dieser verbundenen Naturgenusses führt. Den entscheidenenden Gesichtspunkt im Landschaftsschutzverfahren bilden ästhetische Momente, wobei § 1 Abs. 2 lit. a leg. cit. eine Abstufung der Landschaftseingriffe nach Art und Ausmaß der bewirkten ästhetischen Veränderung vornimmt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 6. Mai 1996, Zl. 91/10/0129).
Demgegenüber hat die belangte Behörde eine Verletzung von Interessen des Landschaftsschutzes durch das Vorhaben der Beschwerdeführerin aufgrund von - aus der Sicht der Raumplanung beachtenswerten - Umständen als gegeben erachtet, ohne jedoch auf die entscheidende Frage einzugehen, ob und inwieweit damit auf die umgebende Landschaft im Sinne des § 1 Abs. 2 lit. a leg. cit. ästhetisch nachteilig eingewirkt wird. Weder der Verlust einer größeren zusammenhängenden Freifläche, die eine wichtige hofnahe Landwirtschaftsfläche ist, noch der Verlust einer Fläche, die als "grüne Lunge" eine wichtige kleinklimatische Ausgleichswirkung besitzt, die Siedlungsgebiete mit der umgebenden Erholungslandschaft vernetzt und selbst ein hohes Erholungspotential aufweist, noch auch der Verlust einer Fläche, die die Funktion einer Grünbrücke zwischen dem Ried und dem steil abfallenden Breiten Berg besitzt, noch der Verlust einer Fläche, die den äußeren Grüngürtel um das Stadtgebiet erschließt, bedeutet für sich bereits eine ästhetisch nachteilige Veränderung der Landschaft im dargelegten Sinn bzw. eine Störung des Naturgenusses.
Indem die belangte Behörde dies verkannte, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, was gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG zu seiner Aufhebung zu führen hatte.
Aus Gründen der Verfahrensökonomie sieht sich der Verwaltungsgerichtshof für das fortgesetzte Verfahren dazu veranlaßt, auf seine Judikatur zu verweisen (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis vom 6. Mai 1996 und die hier zitierte Vorjudikatur), wonach die Klärung der Frage, ob durch die Verwirklichung eines Projektes Interessen des Landschaftsschutzes beeinträchtigt würden, d.h. ob im Sinne des § 1 Abs. 2 lit. a LSchG 1982 ein Eingriff herbeigeführt würde, der die Landschaft beeinträchtigt, verunstaltet, schädigt oder den Naturgenuß stört, eine entsprechende Beschreibung der Landschaft vom ästhetischen Standpunkt oder des etwa durch das Vorhandensein bestimmter Tiere oder Pflanzen mit ihr verbundenen Naturgenußes sowie die fachliche Beurteilung des beabsichtigten Eingriffes in Ansehung seiner Eignung, die Landschaft zu beeinträchtigen, zu verunstalten oder zu schädigen oder den Naturgenuß zu stören, voraussetzt. Dies ist auch Gegenstand des Beweises durch Sachverständige, die aufgrund ihres Fachwissens ein Urteil (Gutachten) darüber abzugeben haben.
Erst eine auf hinreichenden Ermittlungsergebnissen - insbesondere auf sachverständiger Basis - beruhende, großräumige und umfassende Beschreibung der verschiedenartigen Erscheinungen der Landschaft erlaubt es, aus der Vielzahl jene Elemente herauszufinden, die der Landschaft ihr Gepräge geben und daher vor einer Beeinträchtigung bewahrt werden müssen. Für die Lösung der Frage, ob das solcherart ermittelte Bild der Landschaft durch das beantragte Vorhaben nachteilig beeinflußt wird, ist dann entscheidend, wie sich dieses Vorhaben in das vorgefundene Bild einfügt (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 29. Mai 1995, Zl. 93/10/0093, und die hier zitierte Vorjudikatur).
Ohne eine ausreichende Landschaftsbeschreibung und darauf aufbauende Feststellungen über das Gewicht der Landschaftseingriffe ist auch eine Abwägung mit konkurrierenden anderen öffentlichen Interessen im Sinne des § 10 Abs. 2 leg. cit. nicht möglich.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Stempelgebühren betreffende Mehrbegehren war abzuweisen, weil der Mehraufwand zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht erforderlich war.
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