VwGH 96/09/0319

VwGH96/09/03191.7.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde des Manfred H in B, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Dr. Peter Ringhofer, Dr. Martin Riedl und Dr. Georg Riedl, Rechtsanwälte in Wien I, Franz Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid des Disziplinarvorgesetzten (Kommandant des Kommandobataillons Biedermann-Huth-Raschke-Kaserne Wien), betreffend Aufhebung eines Disziplinarerkenntnisses nach dem HDG 1994, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §58 Abs2;
AVG §68 Abs2 impl;
HDG 1994 §23 Z1;
HDG 1994 §66 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
AVG §58 Abs2;
AVG §68 Abs2 impl;
HDG 1994 §23 Z1;
HDG 1994 §66 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht als Vizeleutnant (Unteroffizier im Präsenzstand des Bundesheeres) in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Er war der Ausbildungskompanie im Bereich des Kommandobataillons Biedermann-Huth-Raschke-Kaserne Wien als "WiUO/AusbKp/KdoB" dienstzugeteilt.

Mit - in einem Kommandantenverfahren ergangenen - Disziplinarerkenntnis des Einheitskommandanten (Kommandant der Ausbildungskompanie Hauptmann K) vom 27. Dezember 1995 wurde der Beschwerdeführer von den ihm zur Last gelegten Pflichtverletzungen, er habe "1. durch Mißachtung von ihnen bekannten Befehlen und Erlässen einen Schaden am Vermögen der Republik in Höhe von ÖS 270,-- verursacht; 2. ohne ersichtlichen Grund es verabsäumt rechtzeitig GWD, die zur Versetzung bzw. in die Reserve versetzt wurden mit dem Verpflegsgeld abzufinden und 3. somit offensichtlich gegen die MWV-VPkt.4.73 sowie gegen MilKdo Befehl 20867-3800/85/95 verstoßen" freigesprochen.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde (Bataillonskommandant als Disziplinarvorgesetzter) vom 27. August 1996 wurde das Disziplinarerkenntnis des Kommandanten Hauptmann K vom 27. Dezember 1995, Zl. 2642-3100/95, gemäß § 66 Abs. 1 Z. 2 lit. a HDG 1994 aufgehoben.

Die Begründung dieses Bescheides lautet: "Bei Berücksichtigung aller entscheidungswesentlicher Sachverhalte und Vorschriften hätte der Kompaniekommandant zu einer anderen Entscheidung kommen müssen."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht verletzt, daß "das Disziplinarerkenntnis meines Kompaniekommandanten Hauptmann K, vom 27.12.1995, GZ. 2642-3100/95 nicht aufgehoben wird, durch unrichtige Anwendung des § 66 Abs. 1 Heeresdisziplinargesetz 1994, sowie der Vorschriften über die Sachverhaltsermittlung, das Parteiengehör und die Bescheidbegründung (§ 23 HDG 1994, §§ 37, 39, 60 AVG)". Er beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Die belangte Behörde legte die Unterlagen über das Disziplinarverfahren (bestehend aus den Beilagen 1 bis 6) samt einer Stellungnahme vor. In Übereinstimmung mit dem als Beilage 1 vorgelegten Schreiben der Disziplinarabteilung des Bundesministeriums für Landesverteidigung vom 20. Dezember 1996 wurde von der Erstattung einer Gegenschrift abgesehen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Das dem vorliegenden Beschwerdeverfahren zugrundeliegende Disziplinarverfahren wurde als Kommandantenverfahren nach dem Heeresdisziplinargesetz 1994 (HDG 1994) durchgeführt.

Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, sind gemäß § 23 HDG 1994 im Kommandanten- und im Kommissionsverfahren die in Ziffer 1 dieser Gesetzesstelle bezeichneten Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51, anzuwenden. Zu diesen Bestimmungen gehören unter anderem die §§ 58 bis 61, § 61a und § 62 Abs. 4 AVG (Inhalt und Form der Bescheide).

Gemäß § 58 Abs. 2 AVG sind Bescheide zu begründen, wenn dem Standpunkt der Parteien vollinhaltlich Rechnung getragen oder über Einwendungen oder Anträge von Beteiligten abgesprochen wird. In der Begründung sind gemäß § 60 AVG die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen.

Gemäß § 66 Abs. 1 HDG 1994 hat der unmittelbar übergeordnete Vorgesetzte eine Disziplinarverfügung oder ein Disziplinarerkenntnis unabhängig von deren Rechtskraft von Amts wegen aufzuheben und die Disziplinarsache an jene Disziplinarbehörde, die die aufgehobene Entscheidung erlassen hat, zurückzuverweisen, wenn bei der Erlassung des Disziplinarerkenntnisses (Z. 2) Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die Disziplinarbehörde zu einer anderen Entscheidung hätte kommen können (lit. a), oder die Strafbefugnis überschritten wurde (lit. b). Diese Aufhebung ist binnen drei Jahren nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung zulässig.

Eine Aufhebung nach den Abs. 1 bis 3 ist zufolge Abs. 4 dieser Gesetzesstelle in jedem Fall schriftlich zu verfügen.

Gegen die Aufhebung nach den Abs. 1 bis 3 ist gemäß Abs. 5 leg. cit. kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Vor diesem rechtlichen Hintergrund erweist sich die Beschwerde schon aus folgenden Erwägungen als berechtigt:

Nach dem Spruch des angefochtenen Bescheides wurde durch die Aufhebung des auf Freispruch lautenden erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisses unzweifelhaft in die Rechte des Beschwerdeführers (dieser war Beschuldigter und zufolge § 27 Abs. 1 HDG 1994 Partei im Disziplinarverfahren) eingegriffen. Die belangte Behörde war demnach gemäß § 58 Abs. 2 AVG in Verbindung mit § 23 Z. 1 HDG 1994 verpflichtet, ihre Entscheidung zu begründen. Diesem Erfordernis der Begründungspflicht ist die belangte Behörde im vorliegenden Fall nicht nachgekommen, erschöpft sich doch die "Begründung" des angefochtenen Bescheides inhaltlich nur in einer auszugsweisen Wiedergabe der lit. a der Bestimmung des § 66 Abs. 1 Z. 2 HDG 1994. Solcherart liegt nicht bloß eine lückenhafte (teilweise unvollständige) Begründung vor, sondern der angefochtene Bescheid ist begründungslos geblieben.

Durch diesen wesentlichen Verfahrensmangel wird der Beschwerdeführer in der Verfolgung seiner Rechte und der Verwaltungsgerichtshof an der ihm obliegenden Überprüfung (Kontrolle) des angefochtenen Bescheides auf die Rechtmäßigkeit seines Inhaltes gehindert (vgl. in dieser Hinsicht etwa das hg. Erkenntnis vom 22. Juni 1995, Zl. 94/09/0385).

Der angefochtene Bescheid war daher schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben, ohne daß auf das Beschwerdevorbringen näher einzugehen war.

Aus prozeßökonomischen Erwägungen sieht sich der Verwaltungsgerichtshof zudem veranlaßt, hinsichtlich der Begründung aufhebender Bescheide im Sinne von § 66 HDG 1994 auf seine zu vergleichbaren Fällen kassatorischer Bescheide der Gemeindeaufsichtsbehörde gemäß Art. 119a Abs. 5 B-VG sowie zu den Wirkungen von Zurückverweisungsbescheiden im Sinne von § 66 Abs. 2 AVG ergangenen Rechtsprechung zu verweisen, wonach nicht allein dem aufhebenden Spruch dieser Bescheide, sondern auch den diese Aufhebung tragenden Begründungselementen bindende Wirkung für das weitere Verfahren zukommt. Abweichend davon, daß im Regelfall die Bescheidbegründung nur zur Auslegung eines normativ unklaren Spruches heranzuziehen ist, darüber hinaus aber keine normative Wirkung hat, sind in derartigen Fällen die Parteien ausnahmsweise auch berechtigt, einen kassatorischen Bescheid ausschließlich deshalb vor dem Verwaltungsgerichtshof zu bekämpfen, weil die die Aufhebung tragenden Gründe ihrer Ansicht nach unzutreffend sind (vgl. hiezu etwa das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 22. Oktober 1971 in Slg. N.F. Nr. 8091/A, und das hg. Erkenntnis vom 9. März 1993, Zl. 92/06/0192, sowie die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I, 2. Auflage, Seiten 1052f und 1315, E 394ff wiedergegebene hg. Judikatur). Unterläßt es die belangte Behörde - wie vorliegend im angefochtenen Bescheid - ihre die Aufhebung tragende Rechtsansicht mit bindender Wirkung auszusprechen, dann hat dies (auch) zur Folge, daß die im weiteren Verfahren demnach "ungebundene" Unterinstanz nicht zu erkennen vermag, auf welcher Grundlage und aus welchen Erwägungen sie in dem an sie zurückverwiesenen Verfahren zu einer anderen Entscheidung kommen könnte.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war abzuweisen, da kein Ersatz der entrichteten Eingabengebühr für die entbehrlich gewesene dritte Ausfertigung der Beschwerde zuerkannt werden konnte.

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