VwGH 96/08/0408

VwGH96/08/040810.11.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des K in W, vertreten durch Dr. Helfried Kriegel, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Elisabethstraße 15, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 21. November 1996, Zl. MA 12 - 10714/84, betreffend Geldaushilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes für die Zeiträume vom 9. September bis 8. November 1995, zu Recht erkannt:

Normen

SHG Wr 1973 §37a;
SHG Wr 1973 §37a;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird, soweit er den Zeitraum vom 1. bis 8. November 1995 betrifft,wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Das Land Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vorgeschichte des vorliegenden Beschwerdefalles wird auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. April 1997, Zl. 96/08/0248, verwiesen. Daraus ist für den vorliegenden Beschwerdefall von Bedeutung, daß mit dem seinerzeit angefochtenen Bescheid vom 28.3.1996 die belangte Behörde Anträge des Beschwerdeführers auf Zuerkennung einer Geldaushilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Wiener Sozialhilfegesetz für den Zeitraum vom 9. Mai bis 8. Juli 1995 abgewiesen hat. Der Verwaltungsgerichtshof hat die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde mit der Begründung abgewiesen, daß der Beschwerdeführer im fraglichen Zeitraum mit seiner Ehegattin (die sich nach den unbestrittenen Feststellungen der belangten Behörde im April 1995 zu ihren Eltern auf die Philippinen begeben hätte, um dort ihr zweites Kind zur Welt zu bringen) nicht in Familiengemeinschaft gelebt habe und ohne die Hinzurechnung eines Richtsatzes für mitunterstützte unterhaltsberechtigte Personen dem Beschwerdeführer ein Sozialhilfeanspruch nicht zugestanden sei.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde als sachlich in Betracht kommende Oberbehörde gemäß § 73 Abs. 2 AVG Anträge des Beschwerdeführers auf Zuerkennung einer Geldaushilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes für den Zeitraum vom 9. September 1995 bis 8. November 1995 mit der Begründung abgewiesen, daß der Beschwerdeführer seiner Mitwirkungspflicht gemäß § 37a des Wiener Sozialhilfegesetzes dadurch nicht nachgekommen sei, daß er nicht nachgewiesen habe, ob bzw. wann seine Ehegattin mit den Kindern von ihrem Aufenthalt auf den Philippinen zurückgekehrt sei. Ein am 10. Oktober 1995 um 7.06 Uhr seitens des Sozialreferates für den

10. Bezirk durchgeführter, unangemeldeter Hausbesuch sei "vom Beschwerdeführer verweigert worden", ebenso ein solcher am 12. Dezember 1995. Erhebungen bei den Nachbarn und anderen Hausbewohnern des Beschwerdeführers hätten ergeben, daß dessen Ehegattin und die beiden Kinder erst Ende Oktober 1995 wieder in die gemeinsame Wohnung eingezogen seien. Daher müsse die Behörde davon ausgehen, daß die Familie des Beschwerdeführers zumindest von Juni bis Ende Oktober 1995 auf den Philippinen und nicht in Österreich aufhältig gewesen sei. Auch sei der Beschwerdeführer mit Schreiben des Sozialreferates 10, zugestellt am 20. September 1995, aufgefordert worden, Reisepässe bzw. Nachweise über den Philippenaufenthalt seiner Familienmitglieder zu übermitteln. Mit Schreiben vom 26. September 1995 habe der Beschwerdeführer mitgeteilt, daß er die geforderten Unterlagen "mangels Zugriff bzw. Existenz" nicht vorlegen könne. Einen triftigen Grund für diese Weigerung habe er nicht angeben können. Da die diesbezüglichen Nachweise und Angaben für die erkennende Behörde unerläßlich seien, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Soweit unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit des Inhaltes in der vorliegenden Beschwerde geltend gemacht wird, daß das Bestehen einer Familiengemeinschaft für die Hilfeleistung gemäß § 8 des Wiener Sozialhilfegesetzes nicht erforderlich sei, so wird übersehen, daß der Beschwerdeführer aufgrund seines eigenen Einkommens im fraglichen Zeitraum nur dann Anspruch auf Sozialhilfeleistungen gehabt hätte, wenn der auf ihn anzuwendende Richtsatz im Sinne des § 13 WSHG sein Einkommen überstiegen hätte. Dies war aber solange nicht der Fall, als nicht die Ehegattin und die Kinder als in Familiengemeinschaft lebende unterhaltsberechtigte Angehörige und damit als Mitunterstützte im Sinne des § 13 Abs. 2 WSHG zu berücksichtigen waren.

Auch die Beschwerdeauffassung, daß für das Vorliegen einer Familiengemeinschaft der Tatsache eines vorübergehenden Aufenthaltes der Ehegattin sowie der Kinder auf den Philippinen keinerlei Bedeutung zukomme, trifft nicht zu, wie bereits im zitierten Vorerkenntnis vom 22. April 1997, Zl. 96/08/0248, mit näherer Begründung ausgesprochen wurde; auf die diesbezügliche Begründung dieses Erkenntnisses wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen.

Letztlich bringt der Beschwerdeführer unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften noch vor, er hätte - so ihm ausreichendes rechtliches Gehör geboten worden wäre - konkrete Angaben machen können, die geeignet gewesen wären, die "wesentlichen Tatbestandsmerkmale zum Vorteil des Beschwerdeführers zu beeinflussen", so durch seine Einvernahme und die Heranziehung einer schriftlichen Erklärung der Ehegattin des Beschwerdeführers vom 3. Oktober 1995 über deren gemeinsames Zusammenleben in Wien, sodaß "zur Anwendung des § 37a WSHG keine Voraussetzungen gegeben" gewesen seien.

Gemäß § 37a WSHG kann die Hilfeleistung abgelehnt oder solange eingestellt werden, bis der Hilfesuchende dem Auftrag nachkommt, wenn er sich weigert, die zur Durchführung des Verfahrens unerläßlichen Angaben zu machen.

Im Beschwerdefall ist davon auszugehen, daß am Beginn des strittigen Zeitraumes, nämlich am 9. September 1995 die Ehegattin des Beschwerdeführers unbestrittenermaßen auf den Philippinen weilte. Es war daher im Sinne des § 37a WSHG Sache des Beschwerdeführers, die zur Beurteilung des Zeitpunktes der Wiederaufnahme der Familiengemeinschaft erforderlich Angaben zu machen. Dies war umsomehr angezeigt, als die Behörden ausweislich der vorgelegten Verwaltungsakten erst durch Vorlage einer philippinischen Geburtsurkunde für die Tochter vom 12. Juni 1995 auf den Umstand aufmerksam wurden, daß sich die Ehegattin des Beschwerdeführers nicht in Wien aufgehalten hat.

Mit Schreiben vom 15. September 1995 wurde der Beschwerdeführer zur Vorlage von Reisepässen oder einem sonstigen Nachweis über die Dauer des Aufenthaltes der Ehegattin und der Tochter auf den Philippinen aufgefordert. Diese Aufforderung enthielt die Belehrung über die Rechtsfolgen des § 37a Abs. 2 des Wiener Sozialhilfegesetzes.Auf dieses Schreiben reagierte der Beschwerdeführer mit einer "Erklärung", daß er "die geforderten Reisepässe ... mangels Zugriff darauf nicht vorlegen" könne und "Nachweise über die Dauer eines Aufenthaltes auf den Philippinen ... mangels Existenz solcher Nachweise nicht vorlegen" könne. In den weiteren Ausführungen beschränkt sich der Beschwerdeführer auf Behauptungen, daß er den Lebensunterhalt für sich und die mit ihm in Familiengemeinschaft lebenden unterhaltsberechtigten Angehörigen nicht aus eigenen Kräften und Mitteln beschaffen könne. Im übrigen erklärte sich der Beschwerdeführer nur bereit, seine Erklärungen in Form einer niederschriftlichen Einvernahme zu wiederholen und beantragte zu diesem Zweck die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

Gleichzeitig beschwerte sich der Beschwerdeführer über das Verhalten des für ihn zuständigen Sozialreferates, welches ihm eine "Ladung" (gemeint ist das mit Ladung überschriebene Schreiben vom 15. September 1995) übermittelt habe, ohne anzugeben, "um was für eine Amtshandlung es sich handelt". Auch sei keine konkrete Zeit der Amtshandlung angegeben, auch nicht, was konkret den Gegenstand der Amtshandlung bilde. Im weiteren behauptet der Beschwerdeführer in dieser Beschwerde die Gesetzwidrigkeit dieser Ladung und stellt den Antrag "die dienstaufsichtsführende Oberbehörde möge diese rechtswidrige Ladung aufheben". Dies wird vom Beschwerdeführer weitwendig näher begründet. Gleichzeitig stellte er weitere Anträge auf Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes für den Zeitraum vom 9. Oktober 1995 bis 8. November 1995.

Nachdem die Versuche der Behörde zur Durchführung von Hausbesuchen am 10. Oktober 1995 (die ebenfalls mit einer Aufsichtsbeschwerde des Beschwerdeführers beantwortet wurden) und am 12. Dezember 1995 infolge Weigerung des Beschwerdeführers, die Magistratsbeamten in die Wohnung einzulassen, scheiterten (wie in der Beschwerde nicht bestritten wird), wurden von der Behörde die im angefochtenen Bescheid näher beschriebenen Hauserhebungen durchgeführt.

Die belangte Behörde hat das Gesamtverhalten des Beschwerdeführers zurecht als eine Weigerung an der Mitwirkung im Sinne des § 37a Abs. 2 WSHG gewertet, da er trotz gegebener Gelegenheit weder eine nähere Begründung dafür erbringen konnte, daß er auf den Reisepaß seiner Ehegattin "keinen Zugriff" habe, noch dafür, aus welchem Grund er außerstande sei, Nachweise über das Datum der Rückkehr seiner Ehegattin und der Kinder (zu denken wäre in erster Linie an Rechnungen für Flugtickets mit den Flugdaten) vorzulegen.

Da die belangte Behörde aber ohne entsprechende Mitwirkung des Beschwerdeführers trotz eingehender Bemühungen praktisch außerstande gesetzt war, den Zeitpunkt der Rückkehr seiner Ehegattin und der Kinder von den Philippinen zu einem früheren Zeitpunkt als dem 31. Oktober 1995 zu objektivieren (die belangte Behörde war in diesem Zusammenhang nicht berechtigt oder gar verpflichtet, auf bloße Behauptungen des Beschwerdeführers hin diesen Sachverhalt als erwiesen anzunehmen), handelt es sich auch - geht man von den Behauptungen des Beschwerdeführers aus, daß die Familiengemeinschaft schon ab dem 9. September 1995 wieder bestanden hat - um Angaben, die als zur Beurteilung des Anspruches des Beschwerdeführers "unerläßlich" im Sinne des § 37a WSHG anzusehen sind.

Auch die Verfahrensrüge des Beschwerdeführers versagt somit.

Im Rahmen des geltend gemachten Beschwerdepunktes war allerdings von Amts wegen der Umstand aufzugreifen, daß die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides unter Zugrundelegung der von ihr durchgeführten Hauserhebungen ausdrücklich die Feststellung getroffen hat, daß die Ehegattin des Beschwerdeführers und ihre beiden Kinder Ende Oktober 1995 wieder in die gemeinsame Wohnung eingezogen seien.

Soweit die belangte Behörde sohin diese Tatsachenfeststellungen aufgrund eigener Ermittlungen treffen konnte (und insoweit letztlich nicht auf die Mitwirkung des Beschwerdeführers angewiesen war), können dessen Angaben auch nicht mehr als unerläßlich im Sinne des § 37a WSHG angesehen werden. Die Voraussetzungen für eine Abweisung des Antrages auf Geldaushilfen zur Sicherung des Lebensbedarfes für die Zeit ab Ende Oktober, d.h. vom 1. bis 8. November 1995 im Grunde des § 37a Abs. 2 WSHG lagen daher nicht vor.

Insoweit war der angefochtene Bescheid daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, im übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 und 6 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 10. November 1998

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte