VwGH 96/05/0272

VwGH96/05/027220.1.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde 1. der Rosa Rzihacek in Eichgraben, 2. der Mag. Ingrid Schlein-Rzihacek, 3. des Thomas Juranek, 4. der Monika Juranek, 5. der Brigitte Wirrer, in Wien, 6. der Karin Biedermann, 7. des Leopold Deller und 8. des Ernst Sotola, in Eichgraben, alle vertreten durch Dr. Wilhelm Schlein, Rechtsanwalt in Wien XIX, Döblinger Hauptstraße 48/13, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 25. April 1996, Zl. R/1-V-91174/00, betreffend Nachbareinwendungen im Bauverfahren (mitbeteiligte Parteien:

  1. 1. Marktgemeinde Eichgraben, vertreten durch den Bürgermeister;
  2. 2. NIOBAU Niederösterreichische gemeinnützige Baugesellschaft m. b.H. in Maria Enzersdorf, Südstadtzentrum 4), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §8;
BauO NÖ 1976 §118 Abs9 Z4;
BauO NÖ 1976 §120 Abs3 idF 8200-9;
BauO NÖ 1976;
BauRallg;
VwGG §63 Abs1;
VwRallg;
AVG §8;
BauO NÖ 1976 §118 Abs9 Z4;
BauO NÖ 1976 §120 Abs3 idF 8200-9;
BauO NÖ 1976;
BauRallg;
VwGG §63 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer zusammen haben dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vorgeschichte wird auf das hg. Erkenntnis vom 23. Jänner 1996, Zl. 95/05/0012, verwiesen. Im vorliegenden Bauverfahren geht es um die Erteilung der Baubewilligung für eine Wohnhausanlage mit 36 Wohneinheiten, die aus zwei Gebäuden bestehen soll, von denen eines mit einem Erdgeschoß und einem ausgebauten Dachgeschoß und das andere mit zwei Geschoßen und einem ausgebauten Dachgeschoß versehen ist. Diese Wohnanlage soll auf dem Grundstück Nr. 400/1, KG Eichgraben, errichtet werden. Da in der erstmitbeteiligten Gemeinde weder ein vereinfachter Bebauungsplan noch ein Bebauungsplan besteht, kam § 120 Abs. 3 i.V.m. Abs. 4 Nö Bauordnung in der Fassung der 8. Novelle, LGBl. 8200-9, zur Anwendung.

Mit Bescheid des Gemeinderates der erstmitbeteiligten Partei vom 1. Oktober 1991 wurde die erstinstanzlich erteilte Baubewilligung vollinhaltlich bestätigt, die dagegen erhobenen Berufungen der Beschwerdeführer wurden abgewiesen.

Die dagegen erhobene Vorstellung wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 26. Juli 1993 abgewiesen. Dieser aufsichtsbehördliche Bescheid wurde mit dem angeführten hg. Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Die Gründe für die Aufhebung waren folgende: In dem herangezogenen Gutachten vom 17. Dezember 1990 gemäß § 120 Abs. 3 und 4 Nö Bauordnung sei eine Festlegung des Beurteilungsgebietes unter dem Gesichtspunkt, inwieweit Grundstücke nach der überwiegend herrschenden faktischen Bebauung ein im wesentlichen einheitliches, zusammenhängendes Ganzes bilden, nicht erfolgt. Hinzu kam, daß weder eine planliche noch eine verbale Begründung des angenommenen Beurteilungsgebietes erfolgt sei. Die belangte Behörde habe sich mit der Frage des gemäß § 120 Abs. 3 und 4 Nö Bauordnung maßgeblichen Beurteilungsgebietes, zu der auch die Beschwerdeführer in den Berufungen und in den Vorstellungsverfahren zahlreiche, nicht von der Hand zu weisende Einwendungen erhoben hätten, und mit den aus diesem Beurteilungsgebiet abzuleitenden Kriterien für die Bebauungsweise, die Gebäudehöhe und die Bebauungsdichte anhand der vorliegenden Gutachten dazu nicht auseinandergesetzt. Es wurde insbesondere im Hinblick auf die Bebauungsdichte, von der in dem vorliegenden Bereich auszugehen sei, darauf hingewiesen, daß es dabei zentral auf die diesbezüglich tatsächlich bestehende Bebauung in dem maßgeblichen Beurteilungsgebiet ankomme. Auch in bezug auf die bekämpfte Gebäudehöhe wurde gerügt, daß in dem ergänzenden Gutachten nicht die tatsächliche Gebäudehöhe auf den zum Vergleich herangezogenen Grundstücken angeführt worden sei, sondern die jeweilige Bauklasse. Maßstab des § 120 Abs. 3 und 4 Nö Bauordnung sei aber die Art und Weise der bestehenden Bebauung. Im Hinblick auf die Bedenken der Beschwerdeführer betreffend die Gebäudehöhe führte der Verwaltungsgerichtshof weiter aus, im fortgesetzten Verfahren werde zu ermitteln sein, von welcher durchschnittlichen Gebäudehöhe innerhalb des Bezugsbereiches im vorliegenden Fall auszugehen sei. Die so ermittelte Gebäudehöhe müsse Maßstab für die Beurteilung der Frage sein, ob die Gebäudehöhe des verfahrensgegenständlichen Projektes in einem auffallenden Widerspruch zur bestehenden Bebauung gemäß § 120 Abs. 3 und 4 leg. cit. stehe. Weiters wurde festgestellt, daß den Beschwerdeführern zu den Gutachten, die in gleichgelagerten Fällen nach den Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid erstattet worden seien, auf die im Zusammenhang mit der Frage des Ausmaßes der Abgasemission im angefochtenen Bescheid Bezug genommen werde und die in keiner Weise näher bestimmt seien, nicht Parteiengehör eingeräumt worden sei. Dies stelle einen wesentlichen Verfahrensmangel im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG dar, da die Beschwerdeführer mangels Kenntnis dieser Gutachten darauf auch in der Beschwerde nicht näher hätten eingehen können.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 25. April 1996 wurde im Hinblick auf diese Aufhebung durch den Verwaltungsgerichtshof der Vorstellung der Beschwerdeführer im Bauverfahren Folge gegeben, der angefochtene Bescheid behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat der Marktgemeinde Eichgraben verwiesen. In der Begründung wird zunächst in bezug auf den Sachverhalt auf das angeführte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen.

In der Folge wird ausgeführt:

"In diesem Erkenntnis stützte sich der Verwaltungsgerichtshof hinsichtlich des beanstandeten Gutachtens nach § 120 Abs. 3 der Nö Bauordnung 1976 auf seine bisherige Judikatur, die im wesentlichen zu der vor der achten Novelle zur Nö Bauordnung 1976 geltenden Rechtslage ergangen ist.

Im fortgesetzten Verfahren wird für den Gemeinderat jedoch der Wortlaut des § 120 Abs. 3 leg. cit. in der Fassung der 8. Novelle, LGBl. 8200-9, maßgeblich sein."

Die belangte Behörde verwies in der Folge auch auf Punkt 3.5. des zitierten Erkenntnisses, nach dem in Bezug auf die Abgasimmissionen im Hinblick auf die Erfüllung der gesetzlich verankerten Stellplatzverpflichtung durch die vorgesehenen 36 Stellplätze die Einholung eines medizinischen Gutachtens als nicht geboten angesehen worden sei. Die belangte Behörde vertrat dazu weiters die Auffassung, daß, da für die Beurteilung der örtlichen Zumutbarkeit einer Belästigung an sich das Gutachten eines Arztes notwendig sei, das wiederum auf einem technischen Gutachten über die Intensität der Auswirkungen basieren müsse, aus dieser Aussage des Verwaltungsgerichtshofes abzuleiten sei, die Anrainer könnten wohl auch keinen Anspruch auf Einholung entsprechender technischer Gutachten mit Erfolg geltend machen. Im Hinblick darauf, daß sich der Verwaltungsgerichtshof aber auf seine Judikatur zum Wiener Garagengesetz bezogen habe bzw. in Punkt 3.5. das Nichteinräumen des Parteiengehörs zu den von der belangten Behörde herangezogenen Erfahrungswerten aufgrund von Gutachten in gleichgelagerten Fällen als wesentlichen Verfahrensmangel erachtet habe, werde von der belangten Behörde empfohlen, im fortgesetzten Verfahren mit den betroffenen Anrainern eine Klärung der Abgassituation der geplanten Stellplätze herbeizuführen.

Die Behandlung der dagegen zunächst beim Verfassungsgerichtshof erhobenen Beschwerde wurde mit Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 24. September 1996, B 1901/96-3, gemäß Art. 144 Abs. 2 B-VG abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG zur Entscheidung abgetreten.

In dieser Beschwerde wird die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Die Beschwerdeführer erachten sich in ihrem "Recht auf Beachtung der Bindungswirkung des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes und somit auf gesetzmäßige Bescheiderlassung nach der Niederösterreichischen Bauordnung in Verbindung mit dem anzuwendenden AVG, sowie in dem ihnen gemäß § 120 Abs. 3 und 4 Nö Bauordnung zustehenden Recht auf Nichterteilung einer Baubewilligung aus ganz bestimmten, vom Verwaltungsgerichtshof bereits festgestellten Gründen verletzt."

Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, die Verwaltungsakten vorgelegt und und die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 63 Abs. 1 VwGG i.d.F. der Novelle

BGBl. Nr. 470/1995 sind die Verwaltungsbehörden, wenn der Verwaltungsgerichtshof einer Beschwerde gemäß Art. 131 B-VG stattgegeben hat, verpflichtet, in dem betreffenden Fall mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.

Die Herstellung des der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Zustandes geschieht, wenn zu seiner Verwirklichung ein Bescheid notwendig ist, durch Erlassung eines neuen Bescheides, der der vom Verwaltungsgerichtshof ausgesprochenen Rechtsansicht entspricht, ansonsten durch Herstellung des der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Zustandes durch andere, der Behörde zu Gebote stehende Mittel (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 13. März 1951, Slg. Nr. 1986/A). Der Beschwerdeführer hat einen Rechtsanspruch darauf, daß die durch § 63 Abs. 1 VwGG bewirkte Bindung an die Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes beachtet wird. Tritt allerdings nach einem aufhebenden Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes eine für den betreffenden Fall maßgebliche Änderung der Rechtslage ein, so hat die Behörde, sofern für sie die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt ihrer Entscheidung maßgeblich ist, auf der Grundlage der nunmehr für ihre Entscheidung maßgeblichen Normen zu entscheiden (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 17. Dezember 1976, Slg. Nr. 9203/A, und vom 15. Jänner 1986, Zl. 85/13/0186). Die Bindungswirkung findet im Falle einer anzuwendenden geänderten Rechtslage eine Einschränkung.

Nach Auffassung der Beschwerdeführer sei durch den angefochtenen Bescheid ihr Recht gemäß § 63 Abs. 1 VwGG verletzt, da die belangte Behörde, abweichend von der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes, den Bescheid des Gemeinderates nicht aus den Gründen, die der Verwaltungsgerichtshof festgestellt habe, aufgehoben habe. Die belangte Behörde habe es unterlassen, die mangelhaften Gutachten ergänzen zu lassen bzw. entsprechende Aufträge an die Unterbehörde zu erteilen. Die belangte Behörde habe es weiters unterlassen, den angefochtenen Bescheid aus all den vom Verwaltungsgerichtshof als zu Recht gerügten Punkten aufzuheben und dies in die Begründung aufzunehmen. Eine entsprechende Begründung im Ersatzbescheid würde seinerseits Bindungswirkung für die Unterbehörde, aber auch für die Vorstellungsbehörde und den Verwaltungsgerichtshof in weiterer Folge bewirken.

Den Beschwerdeführern ist zuzugeben, daß die Begründung des angefochtenen Bescheides dürftig ist. Dies stellt aber keinen im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wesentlichen Verfahrensmangel dar, da die belangte Behörde die zentrale Rechtswidrigkeit dieses Verwaltungsverfahrens, die in dem hg. Erkenntnis vom 23. Jänner 1996, Zl. 95/05/0012, festgestellt wurde, nämlich das zur Entscheidung maßgeblich herangezogene mangelhafte Gutachten gemäß § 120 Abs. 3 und 4 Nö Bauordnung 1976, angeführt hat. Anknüpfend an diese Bezugnahme auf das angeführte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes kann aber in Verbindung mit der für jede Behörde in dem betreffenden Fall geltenden Bindungswirkung im Sinne des § 63 Abs. 1 VwGG die Rechtsauffassung des angeführten hg. Erkenntnisses in die vorliegende Begründung des angefochtenen Bescheides hineininterpretiert werden. Auch der Hinweis der belangten Behörde, daß im fortgesetzten Verfahren § 120 Abs. 3 leg. cit. i.d.F. der 8. Novelle, LGBl. 8200-9, anzuwenden sei, ist nicht zu beanstanden. Sofern im fortgesetzten Verfahren eine Änderung der Rechtslage eintritt, schränkt diese - wie bereits erwähnt - die Bindungswirkung gemäß § 63 Abs. 1 VwGG ein. Nach der Aufhebung des Berufungsbescheides ist für die Berufungsbehörde wiederum die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt ihrer neuerlichen Entscheidung maßgeblich. Da die angeführte 8.

Nö Bauordnungs-Novelle in Bezug auf die Änderung des § 120 Abs. 3 keine Übergangsregelung getroffen hat (siehe dazu Art. II dieser Novelle), hat die Berufungsbehörde im fortgesetzten Verfahren § 120 Abs. 3 leg. cit.in der Fassung dieser Novelle anzuwenden. In diesem Zusammenhang ist auf das bereits zu § 120 Abs. 3 Nö Bauordnung i.d.F der genannten

8. Novelle ergangene hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 1997, Zl. 97/05/0248, und die dort angeführte einschlägige Vorjudikatur, zu verweisen, aus dem sich ergibt, daß unter dem Kriterium der "Anordnung der Gebäude" die Bebauungsdichte nicht zu verstehen ist. Wird die Begründung des angefochtenen Bescheides im Zusammenhalt mit dem angeführten hg. Erkenntnis vom 23. Jänner 1996 ausgelegt, dann ergibt sich daraus auch der Auftrag an die Berufungsbehörde, im fortgesetzten Verfahren ein mängelfreies Gutachten betreffend die Frage des auffallenden Widerspruches gemäß § 120 Abs. 3 und 4 leg. cit. heranzuziehen, das insbesondere die vom Verwaltungsgerichtshof aufgezeigten Mängel hinsichtlich der Festsetzung des Beurteilungsgebietes und der Gebäudehöhe nicht aufweist, und danach weiters den Beschwerdeführern zu den nicht näher präzisierten Gutachten betreffend die Abgasimmissionen von den Abstellplätzen Parteiengehör einzuräumen. Aus dem angeführten Erkenntnis kann keine Verneinung eines Anspruches der Beschwerdeführer abgeleitet werden, daß entsprechende technische Gutachten betreffend die Abgassituation aufgrund der Stellplätze erstattet werden.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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