VwGH 96/01/0177

VwGH96/01/017725.2.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Bachler, Dr. Rigler und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde der M, vertreten durch Dr. Peter C. Sziberth, Rechtsanwalt in Graz, Marburger Kai 47/III, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 12. Jänner 1996, Zl. 5-11.R/103-94/13, betreffend Verleihung der Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Normen

B-VG Art130 Abs2;
StbG 1985 §10 Abs1 Z2;
StbG 1985 §10 Abs1 Z3;
StbG 1985 §10 Abs1 Z4;
StbG 1985 §10 Abs1 Z5;
StbG 1985 §10 Abs1 Z6;
StbG 1985 §10 Abs1 Z7;
StbG 1985 §10 Abs1 Z8;
StbG 1985 §10 Abs2;
StbG 1985 §11a Z1;
StbG 1985 §11a Z2;
StbG 1985 §11a Z3;
StbG 1985 §11a Z4;
VwRallg;
B-VG Art130 Abs2;
StbG 1985 §10 Abs1 Z2;
StbG 1985 §10 Abs1 Z3;
StbG 1985 §10 Abs1 Z4;
StbG 1985 §10 Abs1 Z5;
StbG 1985 §10 Abs1 Z6;
StbG 1985 §10 Abs1 Z7;
StbG 1985 §10 Abs1 Z8;
StbG 1985 §10 Abs2;
StbG 1985 §11a Z1;
StbG 1985 §11a Z2;
StbG 1985 §11a Z3;
StbG 1985 §11a Z4;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 12. Jänner 1996 wies die belangte Behörde das Ansuchen der Beschwerdeführerin um Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 in Verbindung mit § 39 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, BGBl. Nr. 311 (StbG), ab.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die belangte Behörde hat die Abweisung des Verleihungsantrages der Beschwerdeführerin damit begründet, daß diese, eine mazedonische Staatsangehörige, die seit 29. Oktober 1986 mit einem österreichischen Staatsbürger verheiratet sei, vom Landesgericht für Strafsachen in Klagenfurt wegen §§ 223 Abs. 2 und 224 StGB zu einer Geldstrafe von S 36.000,-- (120 Tagessätze zu je S 300,--, davon 60 Tagessätze zu je S 300,-- bedingt auf drei Jahre) verurteilt worden sei. Weiters sei die Beschwerdeführerin am 15. Juni 1984 wegen § 135 Abs. 1 und 2 StGB zu drei Monaten Freiheitsstrafe bedingt auf drei Jahre verurteilt worden. Die Beschwerdeführerin, der das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens zur Kenntnis gebracht worden sei, habe die Zurückziehung ihres Ansuchens in Aussicht gestellt, dies aber bis zur Bescheiderlassung nicht getan. Trotz des Rechtsanpruches gemäß § 11a (StbG) sei das Ansuchen abzuweisen gewesen, weil die Beschwerdeführerin auf Grund ihres bisherigen Verhaltens keine Gewähr dafür biete, keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit zu bilden.

Die Beschwerdeführerin macht in der Beschwerde geltend, die belangte Behörde habe nicht berücksichtigt, daß die eine zur Begründung des angefochtenen Bescheides herangezogene Tat bereits verjährt gewesen sei, während die Beschwerdeführerin wegen der zweiten Tat zum Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht verurteilt gewesen sei. Bei der ersten Tat habe es sich um Sachentziehung gehandelt, derentwegen die Verurteilung am 15. Juni 1984 erfolgt sei. Die Tilgungsfrist habe am 15. Juni 1987 begonnen und am 15. Juni 1992 geendet. Ab letzterem Zeitpunkt sei die Beschwerdeführerin "absolut vorstrafenfrei" gewesen. Nach Tilgung der Strafe sei die belangte Behörde nicht mehr berechtigt gewesen, die zugrundeliegende Tat als Entscheidungsgrundlage heranzuziehen. Die zweite Verurteilung aus dem Jahr 1994 dürfe im angefochtenen Bescheid deshalb keinen Niederschlag finden, weil hinsichtlich der "Staatsbürgerschaftsfähigkeit" der Beschwerdeführerin auf den Zeitpunkt der Antragstellung abzustellen sei, zu dem aber diese Verurteilung noch nicht vorgelegen und die Beschwerdeführerin vorstrafenfrei gewesen sei. Eine gemäß § 10 Abs. 1 Z. 2a StbG als Einbürgerungshindernis zu wertende Verurteilung wegen einer oder mehrerer mit Vorsatz begangener strafbarer Handlungen zu einer Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten liege nicht vor, die übrigen "Hinderungsgründe" fänden auf die Beschwerdeführerin keine Anwendung. Da sie gemäß § 11a StbG einen Rechtsanspruch besitze, wäre ihr die Staatsbürgerschaft auf jeden Fall zu verleihen gewesen.

Gemäß § 10 Abs. 1 StbG kann einem Fremden die Staatsbürgerschaft verliehen werden, wenn er seit mindestens zehn Jahren seinen Hauptwohnsitz im Gebiet der Republik hat und kein Einbürgerungshindernis nach den Z. 1 bis 8 dieses Absatzes vorliegt. Insbesondere darf gemäß Abs. 1 Z. 6 dieses Paragraphen die österreichische Staatsbürgerschaft einem Fremden nur dann verliehen werden, wenn er nach seinem bisherigen Verhalten Gewähr dafür bietet, daß er zur Republik Österreich bejahend eingestellt ist und keine Gefahr für die öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit bildet.

Gemäß § 11a StbG ist einem Fremden unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z. 2 bis 8 die Staatsbürgerschaft zu verleihen, wenn

  1. 1. sein Ehegatte Staatsbürger ist,
  2. 2. die Ehe weder von Tisch und Bett noch sonst ohne Auflösung des Ehebandes gerichtlich geschieden ist,
  3. 3. er nicht infolge der Entziehung der Staatsbürgerschaft nach § 33 Fremder ist und
    1. 4. a) die Ehe seit mindestens einem Jahr aufrecht ist und er seinen Hauptwohnsitz seit mindestens vier Jahren ununterbrochen im Gebiet der Republik hat oder bei einer Ehedauer von mindestens zwei Jahren ein solcher Wohnsitz seit mindestens drei Jahren besteht oder
    2. b) die Ehe seit mindestens fünf Jahren aufrecht und sein Ehegatte seit mindestens zehn Jahren ununterbrochen Staatsbürger ist.

Aus der zuletzt angeführten Gesetzesstelle folgt, daß die Behörde bei Vorliegen der darin normierten Voraussetzungen verpflichtet ist, die Staatsbürgerschaft zu verleihen, ohne daß ihr hiebei ein Ermessen eingeräumt wäre (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 17. Mai 1995, Zl. 95/01/0005). Nach dem ausdrücklichen Wortlaut dieses Paragraphen ist von der Behörde auch das Vorliegen der Voraussetzungen gemäß § 10 Abs. 1 Z. 2 bis 8 StbG zu prüfen.

Bei der gemäß § 10 Abs. 1 StbG vorzunehmenden Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen für die Verleihung der Staatsbürgerschaft ist - wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgeführt hat - vom Gesamtverhalten des Einbürgerungswerbers, welches durch das sich aus den von ihm begangenen Straftaten ergebende Charakterbild bestimmt ist, auszugehen. Hiebei stellt der Gesetzgeber nicht auf formelle Gesichtspunkte ab, sondern ist es lediglich maßgebend, ob es sich um Rechtsbrüche handelt, die den Schluß rechtfertigen, der Betreffende werde auch in Zukunft wesentliche, zum Schutz vor Gefahren für das Leben, die Gesundheit, die öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit erlassene Vorschriften mißachten (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 25. September 1996, Zl. 95/01/0118, und die dort zitierte Judikatur).

Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung war es der belangten Behörde bei materieller Prüfung der Persönlichkeit der Beschwerdeführerin nicht verwehrt, auch solche Tathandlungen in die Beurteilung miteinzubeziehen, hinsichtlich derer die Verurteilung bereits getilgt ist (vgl. für viele andere z.B. das hg. Erkenntnis vom 14. Jänner 1987, Zl. 86/01/0280, mit weiteren Verweisen). Demnach hat die belangte Behörde zu Recht auch die Verurteilung der Beschwerdeführerin vom 15. Juni 1984 der Prüfung des Vorliegens der Verleihungsvoraussetzungen zugrunde gelegt.

Der Beschwerdeführerin ist auch zu widersprechen, wenn sie die Auffassung vertritt, hinsichtlich ihrer "Staatsbürgerschaftsfähigkeit" sei auf den Zeitpunkt der Einbringung ihres Verleihungsansuchens abzustellen. Vielmehr haben die Verwaltungsbehörden grundsätzlich - es sei denn, es wäre anderes gesetzlich bestimmt oder es wäre darüber abzusprechen, was an einem bestimmten Stichtag oder in einem konkreten Zeitraum rechtens war - die Rechts- und Sachlage im Zeitpunkt der Erlassung eines Bescheides diesem zugrunde zu legen (vgl. für viele andere insbesondere das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 28. November 1983, Slg.Nr. 11.237/A). Da im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides die laut Angabe der Beschwerdeführerin am 15. Februar 1994 (nach Ausweis der Verwaltungsakten richtig: 1995) erfolgte Verurteilung wegen Urkundenfälschung bereits erfolgt war, hatte die belangte Behörde diese bei der Prüfung der Persönlichkeit der Beschwerdeführerin zu berücksichtigen.

Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin kamen für die Beurteilung ihres Einbürgerungsansuchens auch andere Bestimmungen als der von ihr ausschließlich als maßgeblich angesehene § 10 Abs. 1 Z. 2 lit. a StbG in Betracht. Aus dieser Bestimmung kann insbesondere nicht abgeleitet werden, daß das Verleihungshindernis des von der belangten Behörde herangezogenen Abs. 1 Z. 6 dieses Paragraphen nur dann in Frage kommen könne, wenn Verurteilungen zu sechs Monate übersteigenden Freiheitsstrafen vorlägen. Vielmehr handelt es sich bei dem in Abs. 1 Z. 6 dieses Paragraphen normierten Tatbestand um einen solchen, der ein eigenständiges Verleihungshindernis ohne Bedachtnahme auf andere Verleihungshindernisse umschreibt. Maßgeblich ist im Fall des Abs. 1 Z. 6 dieses Paragraphen die sich aus den Straftaten eines Einbürgerungswerbers ergebende Prognose über sein künftiges Verhalten, während in den Fällen der Ziffern 2 und 4 dieses Absatzes bereits die gerichtliche Verurteilung zu einer sechs Monate übersteigenden Freiheitsstrafe das Verleihungshindernis zur Folge hat.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag somit insgesamt darin, daß die belangte Behörde bei Beurteilung des Gesamtverhaltens der Beschwerdeführerin - wenn auch mit einer äußerst knapp gehaltenen Begründung - angesichts der Verurteilung der Beschwerdeführerin wegen einer im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides erst nicht einmal zwei Jahre zurückliegenden Straftat zu einer nicht geringfügigen Geldstrafe davon ausgegangen ist, die Beschwerdeführerin biete keine Gewähr dafür, keine Gefahr für die öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit zu bilden, Rechtswidrigkeit nicht zu erblicken.

Die sich sohin als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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