Normen
Aufenthaltszwecke und Form der Aufenthaltsbewilligung 1995 §1 Abs1 Z8;
AufG 1992 §10 Abs1;
AufG 1992 §3 Abs3;
AufG 1992 §3 Abs4 idF 1995/351;
AufG 1992 §5 Abs1;
AufG 1992 §5 Abs2;
B-VG Art130 Abs2;
Aufenthaltszwecke und Form der Aufenthaltsbewilligung 1995 §1 Abs1 Z8;
AufG 1992 §10 Abs1;
AufG 1992 §3 Abs3;
AufG 1992 §3 Abs4 idF 1995/351;
AufG 1992 §5 Abs1;
AufG 1992 §5 Abs2;
B-VG Art130 Abs2;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.420,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin stellte (nach der Aktenlage) am 26. Jänner 1995 bei der österreichischen Botschaft in Belgrad einen als "Erstantrag" bezeichneten Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung, der am 6. Februar 1995 beim Magistrat der Stadt Wien einlangte. Als Aufenthaltszweck gab die Beschwerdeführerin "Familienzusammenführung bzw. Familiengemeinschaft", und zwar mit "Vater/Mutter" an, als besonders zu berücksichtigende Gründe für die Familienzusammenführung, daß ihre Eltern alt und krank seien und ihre Hilfe brauchten.
Diesen Antrag wies der Landeshauptmann von Wien mit Bescheid vom 17. Februar 1995 gemäß § 4 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) ab.
In der dagegen erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor, ihre Mutter sei schon Pensionistin und beziehe etwa S 9.600,--, ihr Vater arbeite noch eine Weile und beziehe derzeit S 21.000,--. Da auch er bald in Pension gehe und beide Eltern krank seien und sie brauchten, habe sie sich entschlossen, zu ihnen zu ziehen und bei verschiedenen Haushaltsarbeiten zu helfen. Die Eltern verfügten über genügend Einkommen, um sie zu unterstützen.
Mit Bescheid vom 7. Juli 1995 wurde die Berufung vom Bundesminister für Inneres gemäß § 5 Abs. 1 AufG abgewiesen.
Begründend führte der Bundesminister für Inneres aus, die Behörde habe ihre Entscheidung im Rahmen des ihr vom Gesetz eingeräumten Ermessensspielraumes zu treffen. Aus den §§ 2 und 3 AufG seien klare Kritieren für die Art und Weise ableitbar, wie dieser Spielraum genutzt werden solle.
Bei der Ermessensübung habe sich die Behörde ebenfalls von der im Gesetz begründeten Überlegung leiten zu lassen, daß angesichts der Zielsetzung des Gesetzes Prioritäten gesetzt werden müßten. Aufenthaltsbewilligungen für private Aufenthalte an sich arbeitsfähiger Personen könnten grundsätzlich nicht erteilt werden.
Aus den Angaben der Beschwerdeführerin, sowohl im Antrag als auch in der Berufung, gehe hervor, daß sich die Beschwerdeführerin rein zu privaten Zwecken in Österreich aufhalten wolle. Ihr Unterhalt solle allein durch ihre Eltern als Verpflichtete bestritten werden. Eine solche Finanzierung des Aufenthaltes der Beschwerdeführerin durch Dritte ohne Gegenleistung sei aber nicht glaubwürdig und auch nicht geeignet, die dauernde Sicherung ihres Lebensunterhaltes im Sinne des § 5 Abs. 1 AufG zu gewährleisten.
Ergänzend werde dazu festgestellt, daß volljährigen Kindern von Fremden, die seit mehr als zwei Jahren ihren Wohnsitz in Österreich hätten, gemäß § 3 Abs. 4 AufG nur in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen eine Bewilligung erteilt werden könne. Diese Voraussetzung treffe im Fall der Beschwerdeführerin nicht zu, auch sei ihre Angabe, ihre Eltern seien krank und deshalb bedürften sie ihrer Hilfe, nicht glaubwürdig, sei doch der Vater der Beschwerdeführerin bis 30. Juni 1995 noch beruftätig gewesen und ihre Mutter noch als Hauswart tätig.
Gerade im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen habe die Berufungsbehörde auch festgestellt, daß unter Abwägung der persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin - wobei auch zu berücksichtigen gewesen sei, daß sich ihr Ehemann und ihr Sohn nicht in Östereich aufhielten - mit den öffentlichen im Sinne des Art. 8 MRK die öffentlichen Interessen überwögen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Eine Auseinandersetzung mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin hinsichtlich des Einkommens ihrer Eltern sei nicht erfolgt. Auch sei jede Begründung unterblieben, weshalb die Eltern nicht in der Lage sein sollten, den Aufenthalt ihrer Tochter zu finanzieren. Eine Priorität, wonach private Zwecke gegenüber beruflichen Zwecken zurückzustellen seien, lasse sich dem Gesetz nicht entnehmen.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Im Hinblick auf das Datum der Erlassung des angefochtenen Bescheides (die Zustellung erfolgte am 16. Oktober 1995) ist für die Überprüfung seiner Rechtmäßigkeit durch den Verwaltungsgerichtshof das Aufenthaltsgesetz in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 351/1995 anzuwenden.
Die §§ 3 Abs. 4 und 5 Abs. 1 AufG lauteten in dieser Fassung:
"§ 3.
...
(4) ... In besonders berücksichtigungswürdigen Fällen und unter denselben Voraussetzungen kann, wenn dies zur Vermeidung einer besonderen Härte geboten ist, eine Bewilligung auch volljährigen Kindern und Eltern der in Abs. 1 genannten Personen erteilt werden, wenn sie von diesen wirtschaftlich abhängig sind.
...
§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, insbesondere aber, wenn der Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist."
§ 1 Abs. 1 Z. 8 der am 16. Juni 1995 im Bundesgesetzblatt kundgemachten Verordnung der Bundesregierung über die Aufenthaltszwecke und die Form der Aufenthaltsbewilligung, BGBl. Nr. 395/1995, lautete:
"§ 1. (1) Aufenthaltsbewilligungen können für folgende Aufenthaltszwecke erteilt werden:
...
8. privater Aufenthalt."
Da die Beschwerdeführerin weder nach der Aktenlage noch nach ihrem Vorbringen jemals über eine Aufenthaltsbewilligung verfügte, ist ihr Antrag nicht als Verlängerungsantrag zu werten. Der angefochtene Bescheid ist daher auch nicht gemäß § 113 Abs. 6 FrG mit Ablauf des am 31. Dezember 1997 außer Kraft getreten.
Der belangten Behörde ist zunächst insoferne beizupflichten, als sie im vorliegenden Fall keinen besonders berücksichtigungswürdigen Grund im Sinne des § 3 Abs. 4 AufG gegeben sah. Die von der Beschwerdeführerin vorgetragenen Gründe - ihre Eltern seien alt und krank und bedürften ihrer Hilfe - sind nämlich nicht von solchem Gewicht, daß die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zur Vermeidung einer besonderen Härte im Sinne des § 3 Abs. 4 AufG geboten erschiene.
Um nach dieser Bestimmung von einem besonderen Härtefall bei volljährigen Kindern von Fremden sprechen zu können, muß bei diesen Antragstellern eine der Abhängigkeit von Minderjährigen gleichzuhaltende Abhängigkeit von ihren Eltern vorliegen, welche über eine bloß wirtschaftliche Abhängigkeit hinausgeht. Da das Gesetz die wirtschaftliche Abhängigkeit als eigenes Tatbestandsmerkmal vorsieht, hat diese Ausnahmebestimmung, die als weiteres Tatbestandsmerkmal das Vorliegen einer besonderen Härte normiert, volljährige, von ihren Eltern wirtschaftlich abhängige Kindern vor Augen, deren individuelle Lebenssituation sich von der allgemeinen Lage anderer, von ihren Eltern wirtschaftlich abhängiger volljähriger Fremder unterscheidet. Da durch die in Rede stehende Gesetzesbestimmung volljährige Kinder ausnahmsweise minderjährigen Kindern gleichgestellt werden, wird ein Fall besonderer Härte im besonderen dann gegeben sein, wenn die Schutzbedürftigkeit und Abhängigkeit des Volljährigen (außerhalb der bloß wirtschaftlichen Abhängigkeit) mit jener eines minderjährigen Kindes vergleichbar ist (z.B. wegen körperlicher oder geistiger Gebrechen). Darüberhinaus muß es die besondere individuelle Lebenssituation des Antragstellers zur Vermeidung einer besonderen Härte geboten erscheinen lassen, im Inland einen Hauptwohnsitz zu begründen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. September 1997, Zl. 96/19/0685).
Es kann dahingestellt bleiben, ob die Beschwerdeführerin von ihren Eltern wirtschaftlich abhängig ist, weil kein über die wirtschaftliche Abhängigkeit hinausgehender besonders berücksichtigungswürdiger Grund vorliegt. Das Alter und die Gebrechlichkeit der Eltern des Antragstellers sind nach § 3 Abs. 4 AufG nicht von Belang.
Dennoch ist der Beschwerde Erfolg beschieden.
Die Auffassung der belangten Behörde, es sei ihr aufgrund gesetzlicher Bestimmungen nicht möglich, an sich arbeitsfähigen Personen eine Aufenthaltsbewilligung zum Zweck eines privaten Aufenthaltes zu erteilen, ist unzutreffend. Wie sich aus § 1 Abs. 1 Z. 8 der Verordnung der Bundesregierung über die Aufenthaltszwecke und die Form der Aufenthaltsbewilligung, BGBl. Nr. 395/1995, ergibt, können Aufenthaltsbewilligungen ohne die von der Behörde angenommene Einschränkung für einen privaten Aufenthalt erteilt werden. Sollte aus dem in der Bescheidbegründung enthaltenen Hinweis auf einen Ermessensspielraum der Schluß gezogen werden, die belangte Behörde habe im vorliegenden Fall eine Ermessensentscheidung treffen wollen, so hätte sie ihr Ermessen nicht im Sinne des Gesetzes (im materiellen Sinn) ausgeübt. Sie hätte bei ihrer Entscheidung die Wertungsgesichtspunkte des Gesetzes (im materiellen Sinn) außer Acht gelassen, wonach die Erteilung von Aufenthaltsbewilligungen zu privaten Zwecken nicht grundsätzlich ausgeschlossen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1997, Zl. 96/19/2163).
Die belangte Behörde hat ihren Bescheid jedoch auch darauf gestützt, daß der Unterhalt der Beschwerdeführerin für die Dauer der beantragten Aufenthaltsbewilligung nicht gesichert sei. Zur Begründung der Heranziehung des § 5 Abs. 1 AufG hat sie auf eine von der Beschwerdeführerin vorgelegte Verpflichtungserklärung Bezug genommen. Nach deren Inhalt hat sich eine dritte Person, nämlich der Vater der Beschwerdeführerin, unwiderruflich verpflichtet, für den gesamten Lebensunterhalt der Beschwerdeführerin uneingeschränkt aufzukommen (vgl. OZ. 68 des Verwaltungsaktes). Es kann dahingestellt bleiben, ob es sich dabei um eine Beweisurkunde über einen zwischen dem Dritten und der Beschwerdeführerin abgeschlossenen (Unterhalts-)Vertrag handelt, ergibt sich doch jedenfalls aus der notariell beglaubigt unterfertigten Urkunde nach ihrem Text der Wille des Dritten, den Unterhalt der Beschwerdeführerin zu sichern.
Die belangte Behörde hat diese Erklärung nicht als unzureichend angesehen, sie hat auch die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des sich verpflichtenden Vaters nicht als unzureichend beurteilt. Sie hat sich vielmehr ausschließlich darauf gestützt, daß eine "derartige Sicherung" des Lebensunterhaltes nicht glaubwürdig und nicht geeignet erscheine, die dauernde Sicherung des Lebensunterhaltes der Beschwerdeführerin im Sinne des § 5 Abs. 1 AufG zu gewährleisten. Welche Erwägungen dieser These zugrunde liegen, kann der Begründung des angefochtenen Bescheides jedoch nicht entnommen werden. Da es sich hiebei keineswegs um eine offenkundige Tatsache handelt, hindert das Fehlen der Bekanntgabe der maßgebenden Erwägungen die Nachprüfung des Bescheides auf seine inhaltliche Rechtmäßigkeit (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 1995, Zl. 95/19/0612). In diesem Zusammenhang sei auch daran hingewiesen, daß sich aus einem Schreiben des Magistrates der Stadt Wien an den Vater der Beschwerdeführerin, mit dem sein Dienstverhältnis gekündigt wird, unzweifelhaft ergibt, daß den Vater der Beschwerdeführerin bei Beendigung des Dienstverhältnisses eine Abfertigung in der Höhe des Zwölffachen des ihm für den letzten Monat des Dienstverhältnisses gebührenden Monatsbezuges gebührt (OZ. 78 des Verwaltungsaktes). Auch diese Mittel stehen zur Deckung des Unterhaltsbedarfes der Beschwerdeführerin und ihres Vaters zur Verfügung.
Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994; hinsichtlich des Schriftsatzaufwandes beschränkt durch den Umfang des Antrages.
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