VwGH 95/18/1094

VwGH95/18/109415.10.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerde des N T, vertreten durch Dr. Wolfgang Rainer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schwedenplatz 2/Ecke Laurenzerberg 5, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 11. März 1995, Zl. 654.343/7-III/16/95, betreffend Feststellung gemäß § 54 Abs. 1 des Fremdengesetzes, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §54 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §54 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) vom 11. März 1995 wurde aufgrund des Antrags des Beschwerdeführers gemäß § 54 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, festgestellt, daß keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, daß er im Irak gemäß § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht sei.

Der am 19. Februar 1994 vom Beschwerdeführer gemäß § 54 FrG gestellte Antrag sei von der Bezirkshauptmannschaft Oberpullendorf keiner bescheidmäßigen Erledigung zugeführt worden; aufgrund eines Devolutionsantrages habe die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Burgenland mit Bescheid vom 15. September 1994 festgestellt, daß keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, daß der Beschwerdeführer im Irak gemäß § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht wäre. In seiner Berufung gegen diesen Bescheid habe der Beschwerdeführer ausgeführt, daß er nach Ableistung von drei Monaten Wehrdienst in Mosul am 8. November 1990 aus der irakischen Armee desertiert wäre. Dies wäre sowohl aus den vor der Bezirkshauptmannschaft Oberpullendorf bzw. vor dem Bundesasylamt erstellten Niederschriften als auch aus der Berufung des Beschwerdeführers gegen einen Ausweisungsbescheid und schließlich auch aus seinem Antrag gemäß § 54 FrG ersichtlich. Eine Übermittlung von Dokumenten von im Irak lebenden Geschwistern des Beschwerdeführers, die den Sachverhalt der Desertion belegen könnten, wäre nicht möglich, da diesen unabsehbare Folgen drohen würden. Sie wären Repressionen als auch Verhören ausgesetzt; es wäre daher unter den herrschenden politischen Verhältnissen völlig unmöglich, die im Irak lebenden Geschwister um eine Übermittlung entsprechender Dokumente zu ersuchen. Aufgrund des Alters des Beschwerdeführers von 20 Jahren im Jahr 1990 und des dauernd stattfindenden Krieges wäre es zwar nicht unmöglich, aber sehr unwahrscheinlich gewesen, wenn der Beschwerdeführer nicht zum Heer einberufen worden wäre. Als Deserteur träfe auf ihn die Bestimmung des § 37 Abs. 1 FrG zu, er wäre bei einer Abschiebung in den Irak von der Todesstrafe bedroht bzw. würden ihm unmenschliche Behandlungen oder Folter drohen.

In der Niederschrift vom 31. März 1994 habe der Beschwerdeführer in Anwesenheit seiner Rechtsvertreterin angegeben, daß er versuchen werde, seine Staatsbürgerschaft zweifelsfrei zu dokumentieren. Die Bezirkshauptmannschft Oberpullendorf habe mit Schreiben vom 5. April 1994 die Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers nochmals aufgefordert, Originaldokumente zur Abklärung seiner Identität vorzulegen. Derartige überprüfbare Originaldokumente seien aber nicht vorgelegt worden. Es erscheine daher auch derzeit noch nicht einmal der genaue Wortlaut des Namens des Beschwerdeführers erwiesen zu sein, da er im Asyl - und im fremdenpolizeilichen Verfahren diesbezüglich unterschiedliche Angaben gemacht habe. Der in der "Asylniederschrift" am 28. Dezember 1993 behaupteten Desertion vom Militärdienst stünden die Ausführungen im Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 37 FrG entgegen. In diesem Antrag habe der Beschwerdeführer ausgeführt, daß er deshalb aus seiner Heimat geflohen wäre, weil er zuvor dort den Dienst im Heer verweigert hätte. In seiner Berufung vom 29. September 1994 habe der Beschwerdeführer angegeben, daß es aufgrund seines Alters von 20 Jahren im Jahr 1990 und des damals stattfindenden Krieges zwar nicht unmöglich, aber sehr unwahrscheinlich gewesen wäre, daß er nicht zum Heer einberufen worden wäre. Diese Ausführungen seien in einem klaren Widerspruch zum Faktum der behaupteten Desertion bzw. zu den Angaben des Beschwerdeführers über seinen angeblichen Militärdienst in der Dauer von drei Monaten gestanden. In der schon genannten "Asylniederschrift" habe der Beschwerdeführer ferner angegeben, daß er bis zu seiner Ausreise aus dem Irak keinen Verfolgungen im Sinn des § 37 Abs. 2 FrG ausgesetzt gewesen wäre.

Da der Beschwerdeführer bis dato noch keine überprüfbaren Dokumente im Original zur Klärung seiner Identität und auch keine Unterlagen betreffend seinen angeblichen dreimonatigen Militärdienst vorgelegt habe, sei er seiner im Verfahren nach § 54 FrG gegebenen Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen. Die bloße Behauptung seiner Desertion bzw. seines Militärdienstes allein, ohne nähere Glaubhaftmachung, sei noch nicht als stichhaltiger Grund im Sinn des § 54 FrG anzusehen. Seine Einberufung zum Militärdienst sei im gesamten Verfahren nicht bescheinigt worden. Seine widersprüchlichen Angaben im Zuge des Verfahrens würden daher von der belangten Behörde als nicht glaubwürdig erachtet. Darüber hinaus sei seine Identität und seine Staatsangehörigkeit bis heute nicht geklärt.

Vor diesem Hintergrund fehle es daher an den wesentlichen Voraussetzungen für eine Bejahung stichhaltiger Gründe für die im § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG umschriebenen Annahmen in bezug auf den vom Beschwerdeführer bezeichneten Staat. Für eine Beurteilung der (allfälligen) Unzulässigkeit der Abschiebung obliege es dem Beschwerdeführer, "wesentliche Tatsachenvorbringen" zu erstatten und diese zumindest glaubhaft zu machen. Daß es dem Beschwerdeführer nicht möglich gewesen wäre, innerhalb mehrerer Monate überprüfbare bzw. nachvollziehbare Unterlagen über seine Identität und seine Staatsangehörigkeit bzw. eine Einberufung zum Militärdienst vorzulegen, sei von ihm weder behauptet noch sei von ihm ein diesbezüglicher Beweis erbracht worden.

Aus den genannten Gründen komme die belangte Behörde "mangels Glaubhaftmachung" zum Ergebnis, daß keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, daß der Beschwerdeführer in dem von ihm bezeichneten Staat gemäß § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG bedroht sei.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragte.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Fremde im Rahmen eines Feststellungsverfahrens nach § 54 FrG das Bestehen einer aktuellen, also im Fall der Abschiebung des Fremden in den von seinem Antrag erfaßten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung im Sinn des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22. Jänner 1998, Zl. 96/18/0188, mwH).

2. Die Beschwerde bestreitet nicht, daß der Beschwerdeführer seine Behauptung, im Irak zum Militärdienst einberufen worden und von diesem desertiert zu sein, nicht durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauert hat. Wenn die Behörde angesichts dessen die Auffassung vertreten hat, daß diese - bloße - Behauptung der vom § 54 FrG geforderten Glaubhaftmachung einer Gefährdung bzw. einer Bedrohung im Sinn des § 37 Abs. 1 und/oder § 37 Abs. 2 FrG nicht gerecht wird, ist dies im Grunde der vorzitierten Rechtsprechung nicht als rechtswidrig zu erkennen, zumal die Behörde auch zu Recht die Ansicht vertreten hat, daß die unterschiedlichen und widersprüchlichen Angaben des Beschwerdeführers betreffend seinen Militärdienst - unbestritten hat der Beschwerdeführer einerseits angegeben, den Militärdienst überhaupt verweigert zu haben, andererseits vorgebracht, nach drei Monaten Militärdienst desertiert zu sein - diese als unglaubwürdig erscheinen lassen. Auf dem Boden des Gesagten ist das Vorbringen, der Beschwerdeführer habe auf die Tatsache der Einberufung zum Heer sowie die Tatsache des Krieges (im Jahr 1990) und der drohenden Todesstrafe wegen Desertion "deutlich hingewiesen und alle möglichen und zumutbaren Schritte unternommen, diese Tatsachen glaubhaft zu machen", nicht zielführend.

3. Ebenfalls unbestritten bleibt die Feststellung, daß der Beschwerdeführer keine Dokumente im Original zum Nachweis seiner Staatsangehörigkeit vorgelegt habe und daß der genaue Wortlaut des Namens des Beschwerdeführers nicht feststehe, weil dieser im Asylverfahren (einerseits) und im fremdenpolizeilichen Verfahren (andererseits) diesbezüglich unterschiedliche Angaben gemacht habe.

Weiters hat der Beschwerdeführer zum Vorhalt, seine Identität sei noch nicht geklärt, und zum Auftrag, ehestens Dokumente im Original zum Nachweis seiner Staatsangehörigkeit vorzulegen, in der am 18. April 1994 aufgenommenen Niederschrift angegeben, daß er zur Klärung seinen Bruder in Griechenland ersuchen werde, ihm "seine Dokumente" zu übermitteln (vgl. Aktenblatt 245). Diesen Weg hat der Beschwerdeführer nach Ausweis des Aktes offenbar nicht beschritten; ebensowenig hat der Beschwerdeführer seinem Angebot in seiner Stellungnahme vom 20. April 1994 gegenüber der Bezirkshauptmannschaft Oberpullendorf - auf die die Beschwerde Bezug nimmt - entsprochen, dieser Behörde das Original seines Taufscheines zu übermitteln, obwohl die Vertreterin des Beschwerdeführers von dieser Behörde nach Ausweis des Aktes (Aktenvermerk vom 22. April 1994) ausdrücklich darum ersucht wurde (vgl. Aktenblätter Nr. 251 ff).

Auch vor diesem Hintergrund ist die Beurteilung, daß der Beschwerdeführer mit seinem Vorbringen keine für ihn im Irak gegebene aktuelle Bedrohungssituation im Sinn des § 37 FrG glaubhaft gemacht hat, unbedenklich, setzt doch ein solches Glaubhaftmachen jedenfalls das Feststehen der Identität des Beschwerdeführers voraus (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 21. Februar 1997, Zl. 97/18/0061 und vom 17. Februar 1998, Zl. 97/18/0198).

4. Mit seinem Vorbringen, im Irak herrsche Krieg und es sei dort "das Rechtsschutzsystem völlig zusammengebrochen", weshalb er einer Bedrohungssituation im Sinn des § 37 FrG ausgesetzt sei, verweist der Beschwerdeführer auf die (behauptetermaßen) allgemein gespannte Situation in diesem Staat. Er macht damit eine Bedrohung der in Rede stehenden Art nicht glaubhaft, weil er insoweit keine konkreten, seine Person betreffenden einschlägigen Fakten darlegt, die den Schluß auf die Annahme zulassen, er hätte im Irak mit der Gefahr unmenschlicher Behandlung oder der Todesstrafe (§ 37 Abs. 1 FrG) und/oder mit der Bedrohung seines Lebens oder seiner Freiheit aus den im § 37 Abs. 2 leg. cit. genannten Gründen zu rechnen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Jänner 1998, Zl. 97/18/0414, mwH).

5. Vor dem Hintergrund des Gesagten ist auch die Verfahrensrüge, die belangte Behörde habe "nicht einmal ansatzweise den Versuch unternommen", zur politischen Situation im Irak "etwas zu erheben" und "aktuelle und Originalurkunden aus seinem Heimatland zu beschaffen", nicht zielführend, zumal der vom Beschwerdeführer genannte Grundsatz "des AVG .., wonach eben von Amts wegen der wahre Sachverhalt zu ermitteln" sei, im Verfahren nach § 54 FrG im Zusammenhalt mit der sich aus dieser Bestimmung ergebenden verstärkten Mitwirkungspflicht des Fremden zur Glaubhaftmachung einer für ihn bestehenden Bedrohung bzw. Gefährdung im Sinn des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG zu sehen ist und diese Mitwirkungspflicht verlangt, daß der Fremde - wie erwähnt - eine für ihn gegebene aktuelle Bedrohung bzw. Gefährdung der genannten Art durch aktuelle, seine Person betreffende, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerte, Angaben dartut (vgl nochmals das hg. Erkenntnis vom 22. Jänner 1998, Zl. 97/18/0414, mwH).

6. Da sich somit die Beschwerde zur Gänze als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

7. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 15. Oktober 1998

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