VwGH 95/18/0763

VwGH95/18/076323.7.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerde der H A in Wien, vertreten durch Dr. Erwin Dick, Rechtsanwalt in 1120 Wien, Hilschergasse 25/15, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 8. Februar 1995, Zl. 105.637/2-III/11/94, betreffend Versagung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz, zu Recht erkannt:

Normen

ARB1/80;
AufG 1992 §13 Abs1;
AufG 1992 §5 Abs1;
AufG 1992 §6 Abs1;
FrG 1997 §113 Abs6;
FrG 1997 §113 Abs7;
ARB1/80;
AufG 1992 §13 Abs1;
AufG 1992 §5 Abs1;
AufG 1992 §6 Abs1;
FrG 1997 §113 Abs6;
FrG 1997 §113 Abs7;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 13.010,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) vom 8. Februar 1995 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes - AufG abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin habe am 30. Dezember 1993 an die erstinstanzliche Behörde einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gestellt. Diese habe den Antrag mit der Begründung abgewiesen, daß der vom Gesetz verlangte gesicherte Unterhalt nicht gegeben sei.

Gegen diesen Bescheid habe die Beschwerdeführerin fristgerecht Berufung erhoben.

Gemäß § 4 Abs. 1 AufG könne Fremden eine Aufenthaltsbewilligung erteilt werden, sofern kein Ausschließungsgrund gemäß § 5 AufG vorliege. § 5 Abs. 1 AufG besage, daß Fremden eine Bewilligung nicht erteilt werden dürfe, bei denen ein Grund für die Versagung eines Sichtvermerkes vorliege, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert sei.

Die Beschwerdeführerin habe gemeinsam mit ihren zwei Kindern einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gestellt. Das zur Lebensführung zur Verfügung stehende Nettoeinkommen ihres Gatten von ca. S 10.000,-- (laut letzter vorgelegter Lohnbestätigung) sei zur Bestreitung der unter gewöhnlichen Verhältnissen entstehenden Unterhaltskosten für eine vierköpfige Familie nicht geeignet und würde der Aufenthalt zweifellos zu einer finanziellen Belastung der Republik Österreich führen. Familienbeihilfe, Sonderzahlung etc. seien dem Einkommen nicht zuzurechnen.

Die angegebene Unterkunft habe eine Nutzfläche von ca. 50 m2. Ausgehend von einem grundsätzlichen Mindestbedarf von 10 m2 Nutzfläche pro Person liege eine für Inländer ortsübliche Unterkunft nicht vor, da bei einem Zuzug insgesamt sieben Personen wohnhaft wären.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerdeführerin verfügte nach der Aktenlage über einen am 4. Juni 1991 ausgestellten und bis 5. Mai 1993 gültigen Wiedereinreise-Sichtvermerk.

Der dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegende Antrag auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz wurde von der Beschwerdeführerin am 30. Dezember 1993 bei der österreichischen Botschaft in Preßburg eingebracht und langte am 10. Jänner 1994 bei der erstinstanzlichen Behörde ein.

Da sich die Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Aufenthaltsgesetzes nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und auch eine dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 16. Juni 1995, Slg. Nr. 14.148, vergleichbare Fallkonstellation sachverhaltsbezogen nicht vorliegt (die Beschwerdeführerin hat nach eigenen Angaben "seit 22. Jänner 1990 ihren ordentlichen Wohnsitz in Österreich"), liegt kein Antrag auf Erteilung einer Bewilligung unter sinngemäßer Anwendung der für die Verlängerung von Bewilligungen geltenden Vorschriften im Sinn des § 13 Abs. 1 zweiter Satz AufG vor. Der angefochtene Bescheid ist daher nicht gemäß § 113 Abs. 6 und 7 des Fremdengesetzes 1997, BGBl. I Nr. 75/1997, außer Kraft getreten.

2. Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides ist für die Überprüfung seiner Rechtmäßigkeit durch den Verwaltungsgerichtshof das Aufenthaltsgesetz in der Fassung vor der Novelle

BGBl. Nr. 351/1995 maßgeblich.

§ 5 Abs. 1 AufG in dieser Fassung lautet:

"§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist."

3. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Antragsteller von sich aus (initiativ) zu belegen, daß er über die zur Bestreitung seines Unterhaltes erforderlichen Mittel verfügt. Nur dadurch kommt er seiner Obliegenheit gemäß § 6 Abs. 1 AufG nach, glaubhaft zu machen, daß kein Ausschließungsgrund im Sinn des § 5 leg. cit. vorliegt. Im Hinblick auf diese Verpflichtung zur initiativen Darlegung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse darf die Behörde auch im Berufungsverfahren ohne entsprechenden Vorhalt von den vom Antragsteller in seinem Bewilligungsantrag und im folgenden Verwaltungsverfahren von sich aus bekanntgegebenen Unterhaltsmitteln ausgehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Oktober 1997, Zl. 96/19/2559 bis 2561, mwN).

Insoweit die Beschwerdeführerin erstmals in der Beschwerde vorbringt, ihr Ehegatte habe im Jänner 1995 über einen monatlichen Nettolohn von S 12.270,14 verfügt und dies durch eine Lohnbestätigung belegt, ist dieses Vorbringen wegen des im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbotes (vgl. § 41 Abs. 1 VwGG) vom Verwaltungsgerichtshof nicht zu beachten.

Dennoch ist der Beschwerde Erfolg beschieden:

Bei der Prüfung der Frage, ob der Unterhalt eines Fremden im Sinn des § 5 Abs. 1 AufG gesichert ist, steht der Behörde kein Ermessensspielraum zu. Sie hat diese Frage vielmehr in rechtlicher Gebundenheit zu beurteilen.

Die belangte Behörde ging davon aus, daß der Beschwerdeführerin nur Unterhaltsmittel in der Höhe von ca. S 10.000,-- zur Verfügung stünden, die durch das Einkommen des Ehegatten aufgebracht würden, sie unterließ aber eine nachvollziehbare Begründung, weshalb der von ihr angenommene Betrag für einen vierköpfigen Haushalt nicht ausreichend sei (wie hoch der Bedarf für eine vierköpfige Familie sei, wurde von der Behörde ebenfalls nicht festgestellt).

Die Beschwerdeführerin hat in ihrer Berufung vorgebracht, daß ihr Ehegatte für die beiden Kinder Familienbeihilfe und einen Kinderabsetzbetrag beziehe. Die belangte Behörde hat dazu ausgeführt, daß "Familienbeihilfe, Sonderzahlungen etc." dem Einkommen nicht zuzurechnen seien. Diese Rechtsansicht ist unzutreffend, weil zum einen nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch Sonderzahlungen zur Deckung des laufenden Lebensunterhaltes verfügbare eigene Mittel darstellen (vgl. das Erkenntnis vom 14. Mai 1996, Zl. 95/19/0291) und zum anderen es sich bei der Familienbeihilfe gemäß §§ 2 Abs. 1 und 3 Abs. 1 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 um Ansprüche handelt, die bei der Beurteilung gemäß § 5 Abs. 1 AufG zu berücksichtigen sind (vgl. das bereits erwähnte hg. Erkenntnis vom 17. Oktober 1997).

Indem die belangte Behörde die dargestellte Rechtslage, verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

Diese führt zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides, zumal sich auch die Eventualbegründung der belangten Behörde, die von der Beschwerdeführerin angegebene Wohnung stelle aufgrund der zur Verfügung stehenden Nutzfläche von ca. 50 m2 und der (im Falle des Zuzuges) in dieser Wohnung aufhältigen sieben Personen keine ortsübliche Unterkunft dar, nicht als tragfähig erweist.

Der angefochtene Bescheid enthält - mit Ausnahme der Feststellungen über die Nutzfläche der Wohnung und die Anzahl der Bewohner - weder Feststellungen über die konkrete Wohnsituation in der in Rede stehenden Wohnung (etwa über die Räumlichkeiten der Wohnung und ihre Nutzung) noch über die allgemeine Wohnsituation in der Umgebung dieser Wohnung. Die belangte Behörde hat daher auch ausgehend von der von ihr unterstellten Zahl der die Wohnung nutzenden Personen nicht dargelegt, welche konkrete Wohnsituation in der der Beschwerdeführerin zur Verfügung stehenden Wohnung einerseits und welche übliche Wohnsituation in der Umgebung der Wohnung der Beschwerdeführerin andererseits sie als maßgeblichen Sachverhalt dem durch den unbestimmten Gesetzesbegriff "für Inländer ortsübliche Unterkunft" umschriebenen Tatbestand subsumiert hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Mai 1996, Zl. 96/19/0181).

Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid aufgrund der - prävalierenden - Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

4. Abschließend wird noch auf folgendes hingewiesen:

Soweit sich die Beschwerdeführerin auf ein ihr als türkischer Staatsbürgerin behauptetermaßen zustehendes Recht aufgrund des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80 des durch das Assoziierungsabkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei geschaffenen Assoziationsrates, somit auf einen unmittelbar anwendbaren Rechtsakt der Europäischen Union (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1996, Zl. 95/19/0424) beruft, stünde ihr ein solches Recht im Sinn des § 1 Abs. 3 Z. 1 AufG unabhängig von einer Bewilligung gemäß § 1 Abs. 1 leg. cit. zu. In ein danach allenfalls bestehendes Aufenthaltsrecht wäre durch den bekämpften Bescheid nicht eingegriffen worden. Die Frage, ob der Beschwerdeführerin eine Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz erteilt werden durfte, ist allein danach zu beurteilen, ob die Voraussetzungen nach diesem Gesetz vorlagen oder nicht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. April 1997, Zl. 95/19/0897).

Aus diesem Grund war dem in der Beschwerde gestellten Antrag auf Vorlage der Beschwerde zur Vorabentscheidung an den Europäischen Gerichtshof nicht zu entsprechen.

5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren hinsichtlich der Umsatzsteuer war abzuweisen, weil neben dem pauschalierten Ersatz des Schriftsatzaufwandes ein Ersatz weiterer Kosten unter dem Titel von Umsatzsteuer nicht zugesprochen werden kann. Das Mehrbegehren an Stempelgebührenersatz war abzuweisen, weil die Vorlage der Beschwerde in zweifacher und die des angefochtenen Bescheides in einfacher Ausfertigung ausreichend gewesen wäre.

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