VwGH 95/13/0125

VwGH95/13/012531.3.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner, Mag. Heinzl und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde der S Gesellschaft mbH in W, vertreten durch Dr. Paul Doralt, Dr. Wilfried Seist und Dr. Peter Csoklich, Rechtsanwälte in Wien IX, Währingerstraße 2-4, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat III, vom 14. März 1995, Zl. 11-94/2208/07, betreffend Umsatzsteuer 1992, zu Recht erkannt:

Normen

GmbHG §2 Abs1 Satz2;
UStG 1972 §11;
UStG 1972 §12 Abs1;
UStG 1994 §11;
UStG 1994 §12 Abs1;
GmbHG §2 Abs1 Satz2;
UStG 1972 §11;
UStG 1972 §12 Abs1;
UStG 1994 §11;
UStG 1994 §12 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.950,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführende GmbH wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 19. Dezember 1991 gegründet. Die Eintragung in das Firmenbuch erfolgte am 21. Juli 1992. Bereits am 16. Dezember 1991 hatten die beiden Gesellschafter mit der V AG in Wien einen im folgenden auszugsweise wiedergegebenen Lizenzvertrag abgeschlossen, wobei als Vertragspartnerin und Lizenznehmerin die Beschwerdeführerin aufschien:

"I.)

Die V AG ist ein Unternehmen, dessen Tätigkeitsbereich sich auf die Übernahme von Vermögensverwaltungen und von Treuhandfunktionen sowie die Tätigkeit von Vermögensberatungen und Vermittlung von Versicherungen erstreckt. Im besonderen ist das Unternehmen im Portfolio Management, mit der Vermittlung von Unternehmensbeteiligungen und Venture Capital, der Ausarbeitung umfassender Vermögenskonzepte sowie dem Anbieten von Barings-Produkten und -Dienstleistungen in Österreich beschäftigt.

II.)

a) Die "S Ges.m.b.H.", im folgenden kurz "Lizenznehmer bzw. LN" (= Beschwerdeführerin) genannt - übernimmt als Vertragspartner der V AG - im folgenden kurz "Lizenzgeber bzw. LG" genannt - die Vermittlung von Aufträgen aller vom LG angebotenen und gehandelten Produkte.

b) Der LN verpflichtet sich, mit der ganzen Kraft und Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes ausschließlich für die Produkte des LG zu werben, Aufträge zu vermitteln und gegebenenfalls Abschlüsse zu tätigen. Der LN hat ausschließlich die Interessen des LG zu wahren.

...

V.)

a) Für das Recht, die Dienstleistungen und Produkte des LG unter Verwendung von Namen, Marke, Ausstattung etc. zu vertreiben bzw. diese Geschäfte zu vermitteln, zahlt der LN die einmalige Lizenzgebühr von von S 2.000.000,-- (i.W. Schilling zweimillionen) zuzüglich der gesetzlich vorgeschriebenen Mehrwertsteuer. Die Bezahlung dieser Lizenzgebühr ist mit der Unterfertigung des Vertrages fällig und hat auf ein Firmenkonto des LG zu erfolgen. Mit dem Eingang dieses Betrages auf das Firmenkonto erwächst dieser Vertrag in Rechtskraft.

b) Der LG zahlt seinerseits als Entgelt für die Vermittlungstätigkeit des LN an diesen eine Provision, welche grundsätzlich 70 % (i.W. siebzig Prozent) der Gesamtprovision von allen Veranlagungsprodukten wie Lebensversicherungen, Wertpapiere, Fonds, Beteiligungen etc. sowie 50 % (i.W. fünfzig) der Gesamtkommission bei Sachversicherungen, die dem LG für das jeweilige Geschäft zufließt, beträgt. Diese Provision an den LN ist binnen einem Monat zur Auszahlung fällig, sofern das Geschäft rechtsgültig zustandegekommen ist und der für das jeweilige Geschäft fällige Betrag vom Kunden auf dem hiefür vereinbarten Konto einbezahlt wurde.

c) Für vom LN in Abweichung von den jeweils gültigen Preisen und Bedingungen mündlich oder schriftlich dem Kunden gewährte Nachlässe bzw. Zusicherungen haftet der LG nicht und hat ihn der LN aus daraus resultierenden Forderungen schad- und klaglos zu halten.

d) Inkassovollmacht hat der LN nicht. Dieser kann jedoch durch eine vom LG ausgestellte Sondervollmacht berechtigt werden, die im Anbot des LG bestimmte Summe gegen Bestätigung vom Kunden entgegenzunehmen. Der LN ist verpflichtet, entgegengenommene Zahlungen sofort an den LG weiterzuleiten.

e) Mit der Gewährung einer Provision im Sinne dieses Punktes sind alle Ansprüche des LN sowie auch alle Kosten, die aus seiner selbständigen Tätigkeit entstehen, abgegolten. Der LN ist selbständiger Gewerbetreibender und übernimmt als solcher die Abführung sämtlicher aus Einkommen und Umsatz herrührenden Steuern, Versicherungen, Gebühren und Abgaben usw.

VI.)

a) Das Vertragsverhältnis beginnt mit dem Einlangen der Lizenzgebühr auf das Konto des LG. Der Vertrag gilt für unbestimmte Zeit abgeschlossen und kann unter Einhaltung einer Frist von sechs Monaten mit eingeschriebenem Brief gekündigt werden. Der LG verzichtet jedoch auf die Ausübung seines Kündigungsrechts. Das Recht zur fristlosen Kündigung aus wichtigen Gründen bleibt aber beiden Vertragspartnern vorbehalten.

..."

Mit Note vom 19. Dezember 1991 stellte die V AG der "S. GmbH in Gründung" die Lizenzgebühr laut Lizenzvertrag vom 16. Dezember 1991 in Höhe von S 2,000.000,-- zuzüglich 20 % Mehrwertsteuer (S 400.000,--) in Rechnung.

Nach den Feststellungen der Abgabenbehörden erfolgten Zahlungen aus dem Lizenzvertrag seitens der Beschwerdeführerin an die V AG erstmalig in Höhe von S 700.000,-- am 27. Mai 1992, sodann von S 300.000,-- am 18. August 1992 und am 7. Juli 1993 in Höhe von S 928.753,--.

Die Beschwerdeführerin machte den Vorsteuerbetrag von S 400.000,-- zunächst bei der Veranlagung zur Umsatzsteuer 1991 geltend. Der Vorsteuerbetrag wurde vom Finanzamt nicht anerkannt. In einer in Rechtskraft erwachsenen Berufungsvorentscheidung verwies dabei die Abgabenbehörde auf Punkt VI des Lizenzvertrages, wonach das Vertragsverhältnis erst mit dem Einlangen der Lizenzgebühr auf dem Konto des Lizenzgebers beginne. Die ersten Teilzahlungen seien aber erst 1992 erfolgt. Die in der Rechnung vom 19. Dezember 1991 ausgewiesene Leistung sei damit erst 1992 ausgeführt worden.

Bei der Veranlagung zur Umsatzsteuer für 1992 wurde der Vorsteuerbetrag von S 400.000,-- ebenfalls nicht anerkannt.

In der Berufung gegen diesen Bescheid wurde vorgebracht, die Geschäftstätigkeit der Beschwerdeführerin erstrecke sich auf zwei Bereiche. Der Bereich der Vermögensverwaltung, -beratung und -veranlagung werde über die Lizenz ausgeübt, für welche die Vorsteuer angefallen sei. Die Umsätze darauf seien ausschließlich umsatzsteuerpflichtig. Der zweite Geschäftszweig betreffe die Versicherungsvermittlung.

Gegen eine die Berufung abweisende Berufungsvorentscheidung wurde der Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz gestellt. Darin wurde ausgeführt, die Lizenzgebühr werde nicht auf Grund einzelner Inanspruchnahmen verrechnet, vielmehr handle es sich um eine generelle Genehmigung, diese Lizenz in einem Umfang in Anspruch zu nehmen, wie der Lizenznehmer Gelegenheit habe. Die Leistung des Lizenzgebers sei in Form einer einmaligen Genehmigung für die Zukunft erfolgt, welche keiner weiteren Leistungshandlungen mehr bedürfe. Bei einer solchen Einmalleistung sei die Leistung des Lizenzgebers sofort eingetreten.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Die belangte Behörde ging davon aus, daß die Beschwerdeführerin erst mit Gesellschaftsvertrag vom 19. Dezember 1991 gegründet worden sei. Mangels einer steuerrechtlichen Rechtsfähigkeit sei die Beschwerdeführerin nicht in der Lage gewesen, am 16. Dezember 1991 einen Lizenzvertrag als GmbH rechtswirksam abzuschließen. Aus diesem Vertrag habe ihr daher keine sonstige Leistung erbracht werden können; die Rechnung vom 19. Dezember 1991 habe über eine rechtlich nicht zustande gekommene sonstige Leistung abgerechnet. Nach Punkt VI des Lizenzvertrages beginne das Vertragsverhältnis mit dem Einlangen der Lizenzgebühr auf dem Konto des Lizenzgebers. Für den Vorsteuerabzug wäre jedenfalls das rechtswirksame Zustandekommen des Lizenzvertrages erforderlich gewesen, was jedoch an der mangelnden Rechtsfähigkeit der Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt des Lizenzvertrages am 16. Dezember 1991 sowie mangels Eingang der gesamten Lizenzgebühr gescheitert sei. Letztere Bedingung sei auch im Jahre 1992 nicht erfüllt worden, weil im Jahre 1992 lediglich zwei Teilzahlungen geleistet worden seien.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Wird vor der Eintragung der GmbH in das Firmenbuch im Namen der Gesellschaft gehandelt, so haften die Handelnden nach § 2 Abs. 1 Satz 2 GmbHG persönlich zur ungeteilten Hand.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes beginnt eine GmbH als Steuersubjekt nicht erst ab dem Zeitpunkt ihrer Eintragung in das Firmenbuch, sondern bereits ab dem Zeitpunkt, in dem der Gesellschaftsvertrag abgeschlossen ist und die zu gründende Gesellschaft nach außen in Erscheinung tritt (vgl. das Erkenntnis vom 4. März 1987, Zl. 84/13/0239, m. w.H.).

Im Beschwerdefall hatten die Gesellschafter der Beschwerdeführerin bereits am 16. Dezember 1991 den oben auszugsweise wiedergegebenen Lizenzvertrag unterfertigt, wobei als Vertragspartner ausdrücklich die Beschwerdeführerin selbst angeführt war. Am 19. Dezember 1991 wurde der Gründungsvertrag in der Form errichtet, daß die bereits ausgefertigte Privaturkunde über den Gesellschaftsvertrag dem erforderlichen Notariatsakt beigeheftet worden ist. In dem Gesellschaftsvertrag wurden dabei die Gesellschafter ausdrücklich ermächtigt, den in Rede stehenden Lizenzvertrag mit der V AG abzuschließen. Im Beschwerdefall ist die Frage der zivilrechtlichen Gültigkeit des Lizenzvertrages vom 16. Dezember 1991 nicht entscheidend. Am 19. Dezember 1991 ist eine Rechnung gelegt worden, in der durch Verweis auf den Lizenzvertrag vom 16. Dezember 1991 eine Leistung umschrieben worden war, deren tatsächliche Erbringung von der Behörde nicht angezweifelt worden ist. Die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug, nämlich die Rechnung und die darin ausgewiesene Leistung sowie deren Ausführung waren daher gegeben. Es kann somit dahingestellt bleiben, ob bei dieser Sachlage - anders als im Falle des Erkenntnisses vom 3. Juli 1991, Zl. 91/14/0062, in dem der Franchise-Vertrag weit vor dem Zeitpunkt des Abschlusses des Gesellschaftsvertrages datierte - nicht davon auszugehen ist, daß der Abschluß des Gesellschaftsvertrages und der die Geschäftstätigkeit der GmbH bedingende Lizenzvertrag - dessen wirtschaftliche Gültigkeit von der belangten Behörde nicht in Frage gestellt worden ist - im wesentlichen gleichzeitig erfolgten.

Der angefochtene Bescheid war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte