Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.860,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin, eine nigerianische Staatsangehörige, die am 22. Oktober 1991 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 23. Oktober 1991 den Asylantrag gestellt hat, hat bei ihrer Vernehmung vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich am 25. Oktober 1991 zu ihren Fluchtgründen im wesentlichen folgendes angegeben:
Sie habe am 23. Dezember 1990 einen nigerianischen Journalisten geheiratet, welcher regimekritische Artikel verfaßt habe. Wegen seiner regimekritischen journalistischen Tätigkeit sei ihr Mann im Mai 1991 von der Geheimpolizei "SSS" verhaftet worden. Nachdem ihrem Mann die Flucht gelungen sei, hätten Angehörige der Geheimpolizei die Beschwerdeführerin dreimal aufgesucht, um sich nach dem Aufenthaltsort ihres Mannes zu erkundigen. Durch diese Besuche sei die Beschwerdeführerin in große Angst versetzt worden. Zwei Wochen nach seiner Flucht sei der Gatte der Beschwerdeführerin neuerlich inhaftiert worden. Nachdem dem Gatten unter Mithilfe eines Onkels neuerlich die Flucht gelungen sei, sei die Beschwerdeführerin von der Geheimpolizei verhaftet worden. Es sei ihr gesagt worden, daß sie erst entlassen werde, wenn sich ihr Mann der Polizei stelle. Die Beschwerdeführerin sei acht Wochen im Arrest verblieben, wobei sie mehrmals geschlagen worden sei. Durch diese Schläge habe man sie einschüchtern wollen, damit sie den Aufenthaltsort ihres Mannes bekanntgebe. Auf Grund einer schweren Erkrankung sei die Beschwerdeführerin in ein Krankenhaus eingeliefert worden, von welchem ihr unter Mithilfe einer von ihrem Onkel bestochenen Krankenschwester die Flucht gelungen sei.
Mit Bescheid vom 19. August 1992 stellte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich fest, daß die Beschwerdeführerin nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes (1968) sei.
In ihrer dagegen gerichteten Berufung wiederholte die Beschwerdeführerin im wesentlichen ihre im erstinstanzlichen Verfahren gemachten Angaben.
Der Bescheid der belangten Behörde vom 24. Juli 1993, mit welchem diese Berufung abgewiesen worden war, wurde mit hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 1994, Zl. 94/19/0816, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben, weil die belangte Behörde anstelle des anzuwendenden Asylgesetzes (1968) bereits das Asylgesetz 1991 angewendet hatte.
Mit Bescheid vom 19. Oktober 1995 hat die belangte Behörde die Berufung neuerlich abgewiesen und festgestellt, daß die Beschwerdeführerin nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes (1968) sei.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Soweit die Beschwerde rügt, die Behörde hätte (auf Grund von § 14 Abs. 4 AsylG 1991) in der Niederschrift das Vorbringen der Beschwerdeführerin zu werten gehabt, ist ihr zu entgegnen, daß die Asylbehörden im vorliegenden Verfahren noch das Asylgesetz (1968) anzuwenden hatten.
Darin, daß der Beschwerdeführerin nicht bekanntgegeben wurde, daß die Abweisung des Antrages beabsichtigt sei, liegt keine Verletzung des Parteiengehörs, weil das Recht auf Anhörung der Parteien nur auf die Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes zielt.
Zum Antrag der Beschwerdeführerin, der Verwaltungsgerichtshof möge eine Beweisaufnahme über die politische Lage in Nigeria durchführen, ist auszuführen, daß vom Verwaltungsgerichtshof der angefochtene Bescheid - ohne Beweisaufnahme zu inhaltlichen Fragen - nur nachprüfend zu kontrollieren ist.
Der belangten Behörde ist zunächst zuzustimmen, daß die bloße Befragung durch die Geheimpolizei sowie Maßnahmen, die gegen andere Personen (hier: gegen den Gatten der Beschwerdeführerin) gerichtet sind, die Flüchtlingseigenschaft im Regelfall nicht begründen können.
Die Beschwerdeführerin hat jedoch vorgebracht, daß die Geheimpolizei sie auf Grund der regimekritischen journalistischen Tätigkeit ihres Gatten verhaftet habe, um den Aufenthalt des Gatten ausfindig zu machen bzw. diesen zu bewegen, sich den Behörden zu stellen. Sie habe sich acht Wochen in Haft befunden, ehe ihr die Flucht gelungen sei. Sie hat damit geltend gemacht, daß sich die politisch motovierte staatliche Verfolgung ihres Gatten - im Rahmen einer Art "Sippenhaftung" (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 28. Februar 1996, Zl. 95/01/0182) - auch gegen sie richte. Die belangte Behörde hat diesem Vorbringen keinen Glauben geschenkt. Die diesbezügliche Beweiswürdigung hält jedoch der Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof im Rahmen dessen Überprüfungsbefugnis (vgl. insbesondere das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) nicht stand.
Die Ansicht der belangten Behörde, es sei nicht glaubwürdig, daß die Beschwerdeführern als Auskunftsperson länger angehalten worden sei als zur Befragung erforderlich, zumal es nicht zielführend sei, den Gatten durch die Haft der Beschwerdeführerin zu zwingen, sich den Behörden zu stellen, ist ohne nähere Kenntnis über die Vorgangsweise des nigerianischen Militärregimes gegenüber politisch unliebsamen Personen und deren Familienangehörigen nicht schlüssig. Es wäre durchaus denkbar, daß ein Regime versucht, einen politisch Andersdenkenden dadurch zu bewegen, sich den Behörden zu stellen, daß Repressionen gegen dessen Angehörige ausgeübt werden. Ebenso ist es nicht schlüssig, wenn die belangte Behörde ohne nähere Feststellungen über die Zustände in nigerianischen Krankenhäusern, in denen auch Häftlinge untergebracht werden, die Ansicht vertrat, es sei nicht glaubwürdig, daß der Beschwerdeführerin die Flucht durch die Mithilfe einer (bestochenen) Krankenschwester gelungen sei. Soweit die belangte Behörde meint, die Ausführungen der Beschwerdeführerin zu ihrer Haft und der Behandlung während der Haft seien zu allgemein gehalten, ist ihr zu entgegnen, daß die Beschwerdeführerin nicht nach näheren Details gefragt wurde.
Das Vorbringen der Beschwerdeführerin, sie sei während der Haft geschlagen worden, hat die belangte Behörde auch einer (fiktiven) rechtlichen Beurteilung unterzogen. Sie blieb jedoch für ihre Ansicht, die Mißhandlungen seien nicht vom Staat initiierte oder zumindest geduldete Übergriffe von Einzelpersonen, jede Begründung schuldig.
Es sei hinzugefügt, daß die belangte Behörde die aktenkundige Tatsache, daß die Ehe der Beschwerdeführerin - die zwischenzeitig mit einem österreichischen Staatsbürger verheiratet war - mit dem regimekritischen nigerianischen Journalisten längst nicht mehr besteht, nicht aufgegriffen hat.
Da nicht ausgeschlossen werden kann, daß die belangte Behörde bei einem Unterbleiben der aufgezeigten Verfahrensfehler zu einem anderen Ergebnis hätte gelangen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung neben der Vorlage des angefochtenen Bescheides in einfacher Ausfertigung die Vorlage weiterer Urkunden nicht erforderlich war.
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