VwGH 94/05/0213

VwGH94/05/021324.3.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde 1. des Mag. Rudolf Talos in Mattersburg, 2. des Josef Schwögelhofer, 3. der Maria Schwögelhofer,

4. der Anna Steiner, 5. des Franz Novak und 6. der Anna Lang, Zweit- bis Sechstbeschwerdeführer in Halbturn, sämtliche Beschwerdeführer vertreten durch Dr. Eugen Radel u.a., Rechtsanwälte in Mattersburg, Brunnenplatz 5b, gegen den Bescheid der Burgenländischen Landesregierung vom 11. Juli 1994, Zl. VI/1-154/4-1994, betreffend eine Bauangelegenheit (mitbeteiligte Partei: Pöck Ges.m.b.H in Halbturn, vertreten durch Dr. Rudolf Tobler u.a., Rechtsanwälte in Neusiedl am See, Untere Hauptstraße 72), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §8;
BauO Bgld 1969 §4 Abs1 Z1;
BauO Bgld 1969 §4 Abs1 Z2;
BauO Bgld 1969 §4 Abs1 Z3;
BauO Bgld 1969 §4 Abs1 Z4;
BauO Bgld 1969 §4;
BauO Bgld 1969 §94 Abs1;
BauO Bgld 1969 §94 Abs3;
BauRallg;
RPG Bgld 1969 §14 Abs3;
VwRallg;
AVG §8;
BauO Bgld 1969 §4 Abs1 Z1;
BauO Bgld 1969 §4 Abs1 Z2;
BauO Bgld 1969 §4 Abs1 Z3;
BauO Bgld 1969 §4 Abs1 Z4;
BauO Bgld 1969 §4;
BauO Bgld 1969 §94 Abs1;
BauO Bgld 1969 §94 Abs3;
BauRallg;
RPG Bgld 1969 §14 Abs3;
VwRallg;

 

Spruch:

Auf Grund der Beschwerde der Viertbeschwerdeführerin wird der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Die übrigen Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Das Land Burgenland hat der Viertbeschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Der Erst- und der Zweitbeschwerdeführer, die Drittbeschwerdeführerin, der Fünftbeschwerdeführer und die Sechstbeschwerdeführerin zusammen haben dem Land Burgenland Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und der Mitbeteiligten in der Höhe von S 12.860,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der mitbeteiligten Bauwerberin gehört die Eckparzelle Halbturn, Wiener Straße 17 (Grundstücke Nr. 399/3 und Nr. .399/2). Diese rechteckige Liegenschaft grenzt im Westen an die der Viertbeschwerdeführerin gehörige Parzelle Nr. 399/4 an, im Norden an die Wiener Straße, im Osten an die Dammgasse und im Süden an die Wegparzelle Nr. 399/10. Die Mitbeteiligte beantragte mit Schreiben vom 25. August 1988 die Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung einer Tankstellenanlage. Die zunächst angerufene Gemeindebehörde übermittelte am 12. März 1992 das Ansuchen samt Unterlagen der zufolge Übertragung zuständigen Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See.

Anläßlich der Bauverhandlung vom 15. September 1992 wurde das Projekt wie folgt beschrieben:

"Es ist beabsichtigt, in Halbturn auf dem Grundstück ... eine Selbstbedienungstankstelle (Tankkarten bzw. Kreditkarten) mit zwei Selbstbedienungswaschboxen und einer Selbstbedienungsstaubsaugerbox (alle nach vorne offen) zu errichten.

Die Abgabe von Treibstoff erfolgt ausschließlich an Tankkartenbesitzer.

Auf der Pumpinsel werden zwei Doppelzapfsäulen für Super/Diesel sowie Super bleifrei/Benzin und ein Tankkartenautomat aufgestellt.

Die Lagerung der Treibstoffe erfolgt unterirdisch in zwei doppelwandigen Lagerbehältern mit je zwei Kammern mit einem Kammerinhalt von 15.000 l.

Die Zufahrt soll von der Hauptstraße aus erfolgen, die Abfahrt über die Dammgasse.

Folgende Maschinen und Geräte sollen eingestellt werden ...

Für die Befüllung der unterirdischen Lagerbehälter wird entgegen der planlichen Darstellung ein oberirdischer Zentralfüllschrank errichtet. Der Tankstellenbereich, die beiden SB-Waschplätze und der Staubsaugerplatz werden überdacht. Das Mauerwerk für die drei genannten Boxen wird in Beton ausgeführt und wurde bereits teilweise errichtet. Weiters wird zum Anrainer St. .. "(= Viertbeschwerdeführerin)" eine zusätzliche Mauer errichtet, in Verlängerung des Staubsaugerplatzes zur Straße hin."

Die zur Bauverhandlung geladenen Anrainer und nunmehrigen Beschwerdeführer haben dort eine Reihe von Einwendungen erhoben. Gerügt wurde insbesondere, daß eine Tankstelle kein Gebäude sei und daher auf einem Grundstück, welches die Widmung "Dorfgebiet" aufweise, unzulässig sei, weil diese Widmung nur Gebäude zulasse. Einzelne Beschwerdeführer haben auch geltend gemacht, daß sie durch Geruchs- und Lärmimmissionen der Tankstelle belästigt würden.

Mit Schreiben vom 5. August 1993 beantragten die Grundeigentümer die Erteilung der Bauplatzbewilligung. Diesem Ansuchen wurde mit Bescheid vom 8. Februar 1994 Folge gegeben; darin wird festgestellt, daß das Grundstück als "Bauland-Dorfgebiet" gewidmet ist; für die Bebauung wurden die nachstehend wiedergegebenen Bebauungsgrundlagen und Auflagen festgesetzt:

  1. "1. Der Verlauf, die Breite und die Höhenlage der Verkehrsflächen ist durch die bestehende Landstraße L 211 (Wiener Straße) und die Dammgasse gegeben.
  2. 2. Die Baulinie wird an der Wiener Straße in Verlängerung der bestehenden Anrainergebäude (Haus Nr. 19, Grst.Nr. 399/4 und Haus Nr. 15, Grst.Nr. 379/2) festgelegt. Die Baulinien an der Dammgasse und jene zum öffentlichen Weg Nr. 399/10 werden mit den jeweiligen Grundstücksgrenzen festgelegt.
  3. 3. Die bauliche Ausnützung des Bauplatzes (§ 3 Abs. 3) ist 40 v.H.
  4. 4. Bebauungsweise (§ 4):

    Es wird die geschlossene Bebauung festgelegt.

  1. 5. Zur Gestaltung der Gebäude werden wie folgt festgesetzt:

    a) Die maximale Höhe des zu errichtenden Gebäudes (Bauwerkes) darf höchstens 8,5 m betragen.

    b) Die Höhe der obersten Deckenoberkante darf höchstens 7 m über dem verglichenen Gelände betragen.

    c) Das zu errichtende Gebäude darf höchstens 2 Geschosse haben.

    d) Die Grundstückseinfahrten bzw. Einstellplätze sind an der Wiener Straße und der Dammgasse vorzusehen.

    d) Für die Gestaltung der Fassade ist eine helle Fassadenfarbe zu verwenden."

Mit Bescheid vom 7. April 1994 wies die Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See gemäß den §§ 88 Abs. 1 Z. 2, 93 Abs. 2 und 3 Bgld. Bauordnung das Ansuchen der Mitbeteiligten um Erteilung der Baubewilligung zur Errichtung einer Tankstelle ab. Nach den Feststellungen in diesem Bescheid soll die Tankstelle aus drei (?) Zapfsäulen bestehen; der projektierte Waschplatz soll an zwei Seiten mit einer etwa 2 m hohen Spritzwand vom übrigen Bereich abgegrenzt werden. Die Betankungsfläche und der Waschplatz sollen mit einem Stahldach überdacht werden, das im Tankstellenbereich von sechs Säulen mit einer Höhe von 4,50 m getragen wird. Die Tankstelle soll an der Seite zur Wiener Straße nicht und an der Seite zur Dammgasse nur teilweise durch eine Mauer umschlossen werden. An der Hofseite soll die Tankstelle nur durch eine 2 m hohe und 7,27 m breite Mauer abgeschlossen werden. Sie soll sich an der Wiener Straße über eine Länge von 20 m und an der Dammgasse etwa über eine Länge von 15 m erstrecken.

Die geplante Tankstelle stelle keinen nach allen Seiten abgeschlossenen Raum und somit nicht ein Gebäude im Sinne des § 2 Abs. 2 Bgld. BauO dar. Die Festlegung der geschlossenen Bebauungsweise stehe der Errichtung eines Bauwerkes im Sinne des § 4 Abs. 1 Z. 1 Bgld. BauO entgegen; es handle sich auch nicht um eine bei geschlossener Bauweise zulässige Einfriedung im Sinne des § 85 Abs. 1 Bgld. BauO. Der Zweck der Festlegung einer geschlossenen Bebauungsweise bestehe in erster Linie darin, im örtlichen Zusammenhang einen optisch geschlossenen Gesamteindruck der Objekte an der Straße zu gewährleisten. Bauwerke, die an der Straßenfront nicht geschlossen sind, erfüllten diesen Zweck nicht. Wegen des Widerspruches zur festgelegten Bebauungsweise sei die Baubewilligung daher zu versagen gewesen, weshalb es auch nicht erforderlich gewesen sei, über die von den Nachbarn erhobenen Einwendungen abzusprechen.

In ihrer dagegen erstatteten Berufung machte die Mitbeteiligte insbesondere geltend, daß der Begriff "Gebäude" im § 14 Abs. 3 lit. b des Burgenländischen Raumplanungsgesetzes nicht so eng auszulegen sei, daß andere Bauwerke im Dorfgebiet nicht zulässig wären; der dort verwendete Ausdruck "vornehmlich" sei wie "vorwiegend" zu verstehen, weshalb andere Baulichkeiten danach zu prüfen seien, ob sie den wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Bedürfnissen der Bevölkerung des Dorfgebietes dienen. Die Mitbeteiligte verwies darauf, daß lediglich beabsichtigt sei, ihre seit 40 Jahren existierende Tankstelle auf die gegenüberliegende Seite der Wiener Straße zu verlegen, sowie die Anpassung auf den neuesten technischen Stand vorzunehmen. Da ein Durchzugsverkehr in Halbturn kaum gegeben sei, liege es auf der Hand, daß diese Tankstelle zur Versorgung der örtlichen Bevölkerung mit Treibstoff diene. Das Projekt stehe auch nicht im Widerspruch zur festgelegten Bebauungsweise, weil der optisch geschlossene Gesamteindruck durch das Bauwerk einer Tankstelle mit seitlichen Mauern an den Nachbargrundstücken nicht gestört werde.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dieser Berufung statt und wies die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines Bescheides an die Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See zurück. Die belangte Behörde teilte die Rechtsansicht der Baubehörde erster Instanz, wonach die Tankstelle kein Gebäude darstelle und daher mit der festgelegten geschlossenen Bebauungsweise in Widerspruch stehe, nicht. Nach dieser Rechtsansicht käme man nämlich zum Ergebnis, daß in Gebieten, in denen die geschlossene Bauweise festgelegt ist, überhaupt keine Bauwerke (mit Ausnahme von Einfriedungen) an der Straßenfront errichtet werden dürften. Wenn es aus Gründen der Erhaltung des Ortsbildes unbedingt erforderlich sein sollte, eine geschlossene Straßenfront zu erhalten, wäre ein Zaun vorzuschreiben. Da es sich überdies beim Bauplatz um eine Eckparzelle handle, ergebe sich nicht einmal die Notwendigkeit der Vorschreibung einer Einfriedung.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die beschwerdeführenden Nachbarn erachten sich in ihrem Recht verletzt, daß ein Bauvorhaben nicht bewilligt wird, welches auf einem Grundstück, das als "Bauland-Dorfgebiet" gewidmet ist, nicht zulässig sei. Sie begehren die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete, ebenso wie die Mitbeteiligte, eine Gegenschrift.

Die Beschwerdeführerin legte mit einem ergänzenden Schriftsatz den aufgrund des hier bekämpften Aufhebungsbescheides ergangenen, das Bauansuchen bewilligenden Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See, ihre dagegen erstattete Berufung und den Aussetzungsbescheid der belangten Behörde vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde gründete ihre Aufhebung gemäß § 66 Abs. 2 AVG darauf, daß sie den Versagungsgrund der Erstinstanz, das Vorhaben stünde in Widerspruch zu der im rechtskräftigen Bauplatzbewilligungsbescheid festgelegten geschlossenen Bebauungsweise, nicht billigte. Durch einen derartigen verfahrensrechtlichen Bescheid kann eine Verfahrenspartei dadurch in ihren Rechten verletzt sein, daß die Berufungsbehörde von einer für das weitere Verfahren bindenden Rechtsansicht ausgegangen ist, die für die Partei nachteilig ist (siehe die Nachweise bei Walter-Thienel, Die Österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze I2, E 411 zu § 66 AVG). Dies haben die Beschwerdeführer mit der Formulierung des Beschwerdepunktes zunächst verkannt, weil die belangte Behörde nichts über die Widmungskonformität einer Tankstelle im Dorfgebiet ausgesagt hat. Auf die Einhaltung dieser Widmung hätten die Nachbarn auch keinen Anspruch: Da § 14 Abs. 3 des Burgenländischen Raumplanungsgesetzes den Nachbarn keinen Immissionsschutz einräumt (siehe zuletzt das hg. Erkenntnis vom 21. Jänner 1997, Zl. 96/05/0254, sowie beispielsweise auch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 10. Dezember 1979, VfSlg. Nr. 8.701), kommt den Nachbarn ein Recht auf Einhaltung der Widmung schlechthin nicht zu (Hauer, Der Nachbar im Baurecht4, 232 ff). In dem hier explizit geltend gemachten Recht können die Beschwerdeführer somit nicht verletzt sein.

In der Beschwerde wird aber auch gerügt, daß das Vorhaben der Festlegung "geschlossene Bauweise" nicht entspreche; insoferne wird der tragenden Begründung des angefochtenen Bescheides entgegengetreten.

Gemäß § 94 Abs. 1 der Burgenländischen Bauordnung, LGBl. Nr. 13/1970 in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 11/1994 (BO), sind Nachbarn im Verfahren gemäß § 92 (Baubewilligung) Parteien (§ 8 AVG). Der Nachbar kann gegen die Erteilung der Baubewilligung mit der Begründung Einwendungen erheben, daß er durch das Vorhaben in seinem subjektiven Recht verletzt wird. Wird die Verletzung von Vorschriften dieses Gesetzes oder von sonstigen baurechtlichen Vorschriften des Landes behauptet, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarn dienen (öffentlich-rechtliche Einwendungen), so hat gemäß Abs. 3 dieser Gesetzesstelle die Baubehörde hierüber im Bescheid zu erkennen und die Einwendung als unbegründet abzuweisen oder die Bewilligung zu versagen. Öffentlich-rechtliche Einwendungen können insbesondere auf die Vorschriften über die Bebauungsweise, die Entfernung der Bauten von den Nachbargrenzen oder Nachbargebäuden, die Gebäudehöhe, die Beschaffenheit des Bauplatzes und die Vorschriften, die den Schutz der Nachbarn vor Immissionen zum Gegenstand haben, gestützt werden (siehe abermals das hg. Erkenntnis vom 21. Jänner 1997).

Grundsätzlich kommt den Nachbarn dann, wenn zwar nicht in einem Bebauungsplan, aber in einer rechtskräftigen Bauplatzerklärung die Bebauungsweise festgelegt wird, ein Recht auf Einhaltung der Bestimmungen dieses Bescheides zu (Hauer, a. a.O., 221); es kommt also nicht darauf an, ob die geschlossene Bauweise in einem Bebauungsplan oder in der Bauplatzerklärung festgelegt wurde.

§ 4 BO lautet:

"§ 4

Bebauungsweisen

(1) Nach Art der Anordnung der Gebäude zu den Grenzen des Bauplatzes sind für Neu-, Zu- und Umbauten im Bebauungsplan bzw. Teilbebauungsplan oder in den Bebauungsrichtlinien - soweit solche nicht bestehen, in der Bauplatzerklärung - folgende Bebauungsweisen festzusetzen:

  1. 1. geschlossene Bebauung, wenn die Gebäude in geschlossener Straßenfront beidseitig an die seitlichen Grundgrenzen anzubauen sind, oder
  2. 2. gekuppelte Bebauung, wenn die Gebäude lediglich an einer seitlichen Grundgrenze anzubauen sind - und zwar jeweils zwei Nachbarn an derselben Grundgrenze - und nur gegen die andere seitliche sowie gegen die hintere Grundgrenze ein Abstand (§ 5 Abs. 2) einzuhalten ist, oder
  3. 3. halboffene Bebauung, wenn die Gebäude jeweils an einer seitlichen, in derselben Straßenrichtung gelegenen Grundgrenze anzubauen oder in einem Abstand von 1 m von dieser zu errichten sind und gegen die andere seitliche Grundgrenze sowie gegen die hintere Grundgrenze ein Abstand (§ 5 Abs. 2) einzuhalten ist, oder
  4. 4. offene Bebauung, wenn gegen beide seitlichen Grundgrenzen sowie gegen die hintere Grundgrenze ein Abstand (§ 5 Abs. 2) einzuhalten ist.

(2) Bei der Festsetzung der Bebauungsweise ist auf den Baubestand und das Ortsbild Bedacht zu nehmen. Die offene Bebauungsweise ist nur bei einer Bauplatzbreite von mindestens 15 m zulässig."

Dem Nachbarn steht, wie sich aus § 94 Abs. 1 BO ergibt, ein Recht auf Einhaltung der Vorschriften über die Bebauungsweise zu. Da aber die geschlossene Bebauung dadurch charakterisiert wird, daß die Gebäude beidseitig an den seitlichen Grundgrenzen anzubauen sind, kann die Nichteinhaltung dieser Bestimmung nur die subjektiv-öffentlichen Rechte jenes Nachbarn betreffen, an dessen Grenzen anzubauen ist; nicht anrainende Nachbarn können durch die Nichteinhaltung dieser Vorschrift nicht berührt werden. Das bedeutet im vorliegenden Fall, da der öffentliche Weg, Grundstück Nr. 399/10 offenbar keinem der Beschwerdeführer gehört, daß nur die Viertbeschwerdeführerin als Eigentümerin der Parzelle Nr. 399/4 in ihrem subjektiv-öffentlichen Recht auf Einhaltung der geschlossenen Bebauungsweise verletzt sein kann.

Der Rechtsauffassung der belangten Behörde, es sei unhaltbar, daß in Gebieten mit geschlossener Bebauungsweise (abgesehen von Einfriedungen) keine anderen Bauwerke als Gebäude errichtet werden dürfen, wird vom Verwaltungsgerichtshof nicht gefolgt. § 4 Abs. 1 BO regelt ausschließlich die Anordnung von Gebäuden; während bei den anderen Bebauungsweisen (Z. 2 bis 4) jeweils offene Flächen an der Straßenfront (entlang der seitlichen Grenzen) verbleiben, die möglicherweise durch andere Bauwerke verbaut werden könnten, wird in der Z. 1 dieser Bestimmung die gänzliche Verbauung an der Straßenfront von Grenze zu Grenze gefordert. Diese durchgehende Verbauung kann nach der hier heranzuziehenden Bestimmung nur durch Gebäude (und unter bestimmten Voraussetzungen Einfriedungen, siehe das hg. Erkenntnis vom 1. März 1979, Zl. 2045/77) erfolgen, weshalb die planerische Absicht nur dadurch verwirklicht wird, daß auch tatsächlich Gebäude (oder Einfriedungen) errichtet werden.

Die Gegenschrift weist auf die besondere Lage des Grundstückes mit drei Straßenfronten und einer Nachbargrenze hin. Es ist zwar richtig, daß der Anbau an alle Straßenfronten und an (in diesem Fall nur eine, bei einer Eckparzelle zwei) Nachbargrenzen einen unlösbaren Widerspruch zur Beschränkung der Bebauungsdichte (hier: 40 %) herbeiführen würde. § 4 Abs. 1 Z. 1 BO sieht - nach Maßgabe der Baulinien - den Anbau an insgesamt drei Seiten, aber nicht an der hinteren Grundstücksgrenze vor. Diese Bestimmung läßt sich daher ohne weiteres so verstehen, daß, sollten mehrere Straßenfronten vorliegen, an einer Straßenfront und an zwei seitlichen Grenzen angebaut werden muß; bei einer Parzelle wie der gegenständlichen oder bei einer Eckparzelle kann die seitliche Grenze auch eine Straßenfront sein. Da nicht mit allen vier Seiten des zu errichtenden Gebäudes angebaut werden muß, läßt sich eine Beschränkung der Bebauungsdichte ohne weiteres einhalten.

Auch diesen Anforderungen wird hier keineswegs entsprochen, wenn überhaupt kein Gebäude errichtet wird, Mauern nur teilweise errichtet werden, eine Ein- und Ausfahrt geschaffen werden soll und im übrigen eine Begrenzung durch Grünflächen erfolgen soll.

Da sich das Vorhaben somit nicht mit der geforderten geschlossenen Bebauung in Einklang bringen läßt, wird durch den angefochtenen Bescheid, der bindend die Zulässigkeit trotz geschlossener Bebauung ausspricht, in Rechte der Viertbeschwerdeführerin eingegriffen. Der angefochtene Bescheid war daher aufgrund dieser Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Hingegen liegt eine Verletzung von Rechten der übrigen Beschwerdeführer nicht vor, sodaß deren Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

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