VwGH 97/06/0187

VwGH97/06/018718.12.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Schrefler-König, über die Beschwerde 1. der G Gesellschaft mbH & Co.KG und 2. der B Gesellschaft mbH & Co.KG, beide in G, beide vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 17. Juli 1997, Zl. 03-12 Ga 98-97//210, betreffend Vorauszahlung der Kosten einer Ersatzvornahme in einer Bausache, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §68 Abs1;
VVG §10 Abs1;
VVG §10 Abs2 Z1;
VVG §10 Abs2;
VVG §4 Abs1;
VVG §4 Abs2;
VVG §4;
AVG §68 Abs1;
VVG §10 Abs1;
VVG §10 Abs2 Z1;
VVG §10 Abs2;
VVG §4 Abs1;
VVG §4 Abs2;
VVG §4;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Steiermark hat den Beschwerdeführerinnen insgesamt Aufwendungen in der Höhe von S 12.950,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Gemeinderates der Marktgemeinde Gnas vom 16. August 1994 wurden die Beschwerdeführerinnen verpflichtet, die Benützung des mit Baubewilligungsbescheid des vom 7. Oktober 1980 bewilligten Neubaues einer Halle (Nr. 7) sofort zu unterlassen, die in der Halle befindlichen Hühner innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung des Berufungsbescheides aus der Halle vollständig zu entfernen und den im Kotkeller gelagerten Hühnerkot innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung des Berufungsbescheides vollständig zu entfernen und ordnungsgemäß zu entsorgen.

Da die Beschwerdeführerinnen diesem Auftrag nicht nachgekommen sind, wurden über sie Zwangsstrafen verhängt, weiters wurde ihnen mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Feldbach vom 19. Dezember 1994 nach Androhung der Ersatzvornahme die Vorauszahlung der Kosten einer Ersatzvornahme in der Höhe von S 500.000,-- vorgeschrieben. Aufgrund der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung der Beschwerdeführerinnen hat die belangte Behörde mit Bescheid vom 20. Juli 1995 den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft insofern abgeändert, als den Beschwerdeführern als Vorauszahlung für die Kosten der Ersatzvornahme ein Betrag von S 7.000,-- vorgeschrieben wurde.

In der Folge holte die Bezirkshauptmannschaft Feldbach verschiedene Stellungnahmen von Geflügel-, Schlacht- und Vertriebsgesellschaften bzw. Geflügelhandlungen ein, die erklärten, für die Übernahme einer so großen Menge

(60.000 Hühner) nicht eingerichtet zu sein bzw. wöchentlich eine Menge von höchstens 5.000 - 10.000 Stück übernehmen zu können (bei einem Preis von S 2,90 pro kg).

Nach einer weiteren Androhung der Durchführung der Ersatzvornahme und der Verhängung von weiteren Zwangsstrafen ordnete die Bezirkshauptmannschaft Feldbach mit Bescheid vom 11. November 1996 gegenüber den Beschwerdeführerinnen als Vorauszahlung für die Kosten der Ersatzvornahme zur Erfüllung des Bescheides vom 16. August 1994 den Erlag eines Betrages in der Höhe von S 600.000,-- an. Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführerinnen Berufung, in der sie darauf hinwiesen, daß der Grund für die Erteilung der baupolizeilichen Aufträge zur Gänze weggefallen sei, da eine Widmungsbewilligung nur nach der alten Rechtslage erforderlich gewesen sei. Die Marktgemeinde Gnas habe einen neuen Beseitigungsauftrag betreffend den Kotkeller erlassen, womit sie zu erkennen gegeben habe, daß der Bescheid vom 16. August 1994 nicht mehr wirksam sei. Gleichzeitig mit der Berufung gegen den Bescheid betreffend den (weiteren) baupolizeilichen Auftrag hätten die Beschwerdeführerinnen ein Ansuchen um Erteilung einer Baubewilligung bzw. in eventu eine Anzeige eines Bauvorhabens eingebracht. Die Baubehörde erster Instanz habe dieses Ansuchen mit Bescheid vom 12. September 1996 abgewiesen bzw. die Anzeige nicht zur Kenntnis genommen. Es sei bereits einmal eine Vorauszahlung der Kosten der Ersatzvornahme in Höhe von S 500.000,-- aufgetragen worden, mit Berufungsentscheidung seien die Kosten mit S 7.000,-- festgesetzt worden. Der nunmehr angefochtene Bescheid gründe sich auf schriftliche und telefonische Rückfragen bei bestimmten Firmen. Die Bezirkshauptmannschaft Feldbach rolle nunmehr mit dem Bescheid vom 11. November 1996 einen bereits rechtskräftig entschiedenen Sachverhalt neu auf. Es gelte der Grundsatz ne bis in idem, es handle sich um eine res judicata, sodaß die Erlassung des nunmehrigen Bescheides rechtswidrig sei. Die Behörde habe nichts unternommen, um den Bescheid zu vollstrecken. Es sei jedenfalls Sache der Behörde, mit dem bereits vorliegenden Bescheid die Ersatzvornahme vorzunehmen. Die neuerliche bescheidmäßige Vorschreibung eines Betrages von nunmehr S 600.000,-- sei jedenfalls rechtswidrig. Dem Bescheid der belangten Behörde vom 20. Juli 1995, mit dem die Vorauszahlung eines Betrages von S 7.000,-- angeordnet worden sei, seien die Beschwerdeführerinnen nachgekommen, die Behörde sei seit mehr als einem Jahr im Besitz dieses Betrages.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 17. Juli 1997 hat die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerinnen gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Feldbach vom 11. November 1996 abgewiesen. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, aufgrund des nunmehr in Geltung stehenden Baugesetzes sei die gegenständliche Halle in der Form, in der sie genutzt werde, nicht als genehmigt anzusehen. Es sei daher nicht nachvollziehbar, weshalb der gegenständliche Titelbescheid nicht vollstreckbar sei. Der neue baupolizeiliche Auftrag der Marktgemeinde Gnas beziehe sich auf die Beseitigung der Kottrocknungsanlage und nicht auf die Räumung des Kotkellers. Zum Vorbringen, daß bereits einmal über die Vorauszahlung der Kosten der Ersatzvornahme entschieden worden sei und die Berufungsbehörde den Betrag mit S 7.000,-- festgesetzt habe, sei auszuführen, daß sich in der Angelegenheit der Sachverhalt grundlegend geändert habe. Im ersten Bescheid und bei den diesen zugrundeliegenden Kostenvoranschlägen sei man davon ausgegangen, daß die Hühner auch einen materiellen Wert darstellten und ein Verkauf möglich sei und daher lediglich Kosten für die Untersuchung auf Salmonellenfreiheit anfielen. Wie sich aber aus dem dem Verfahren zugrundeliegenden Sachverhalt eindeutig ergebe, werde für die zu entsorgenden Hühner nunmehr kein materieller Wert erzielt, weshalb sich die für die Entfernung der Hühner und in der Folge für die Schlachtung die in den Kostenvoranschlägen enthaltene Kosten ergäben. Zum Zeitpunkt der Entscheidung vom 20. Juli 1995 wäre ein Kaufpreis für die Hühner erzielt worden, im Gegensatz zur gegenwärtigen Sachlage, sodaß nun die vollen Kosten zu tragen seien. Die Kosten seien ausreichend ermittelt worden, die belangte Behörde habe Auskünfte von verschiedenen Firmen eingeholt und dies den Beschwerdeführerinnen zur Kenntnis gebracht. Hinsichtlich der behaupteten preislichen Unangemessenheit habe der Verpflichtete den Beweis zu erbringen. Anläßlich einer Erhebung durch den Gendarmerieposten Gnas am 8. April 1997 um 15 Uhr sei festgestellt worden, daß sich keine Hühner in der Halle 7 befunden hätten. Die betreffende Halle sei nach Angaben des ehemaligen Geschäftsführers in der letzten Februarwoche 1997 geräumt worden. Vor dieser Woche seien ca. 60.000 Hühner in der angeführten Halle gewesen. Mit Schreiben des Gendarmeriepostens Gnas vom 25. Juni 1997 sei berichtet worden, daß die Halle Nr. 7 seit 6. Juni 1997 wiederum mit ca. 60.000 Hühnern belegt sei. Die beabsichtigte Vollstreckung sei sehr wohl möglich, da die Handlungen durch einen Dritten ohne weiteres zu bewerkstelligen seien.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Wenn sich der Sachverhalt seit der Erlassung eines Kostenvorauszahlungsauftrages so geändert hat, daß ein Dritter die erforderlichen Maßnahmen nicht mehr zu den seinerzeitigen Bedingungen durchführen kann, so spricht im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG nichts gegen die neuerliche Erlassung eines Kostenvorauszahlungsauftrages (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. Juni 1993, Zl. 93/05/0012).

Eine Unzulässigkeit der Vollstreckung liegt dann vor, wenn der mittels Verwaltungszwanges herbeizuführende Zustand bereits eingetreten ist oder wenn sich seit Zustellung des Titelbescheides der Sachverhalt mit der Wirkung in wesentlicher Weise geändert hat, daß bei Vorliegen des neuen Sachverhaltes nicht mehr ein im Spruch gleichlautender Bescheid erlassen werden könnte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. März 1994, Zlen. 91/07/0162, 93/07/0073, und die dort zitierte Vorjudikatur).

Der Titelbescheid vom 16. August 1994 gründete sich darauf, daß keine Widmungsänderungsbewilligung vorhanden sei. Nach Inkrafttreten des Steiermärkischen Baugesetzes, LGBl. Nr. 59/1995, mit 1. September 1995, ist keine Widmungsbewilligung mehr erforderlich. Eine Benützungsbewilligung ist nicht mehr in jedem Fall erforderlich, sondern nur in Fällen des § 19 Z. 1, 3 und 5 und § 20 Z. 1 des Baugesetzes. Mit dem schon in der Berufung der Beschwerdeführerinnen vorgetragenen Berufungsgrund, der Titelbescheid sei wegen Änderung der Rechtslage keine taugliche Grundlage mehr für eine Vollstreckung, hat sich die belangte Behörde nicht ausreichend auseinandergesetzt: die konkret angesprochene Frage, weshalb trotz Wegfalles des Erfordernisses einer Widmungsänderungsbewilligung (bei Vorliegen einer Baubewilligung) der Titelbescheid Rechtswirkungen entfaltet, hat die belangte Behörde nicht beantwortet. Dadurch belastete die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, da nicht ausgeschlossen ist, daß sie bei eingehender Erörterung dieser Frage zu einem anderen Bescheidergebnis gelangt wäre.

Zur Höhe der vorgeschriebenen Kosten der Ersatzvornahme ist folgendes auszuführen:

§ 10 Abs. 1 VVG bestimmt, daß auf das Vollstreckungsverfahren, soweit sich aus dem gegenwärtigen Gesetz nichts anderes ergibt, die Vorschriften des ersten und vierten Teiles des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes sinngemäß Anwendung finden, woraus folgt, daß die Bestimmungen des zweiten Teiles über das Ermittlungsverfahren und damit auch über das Parteiengehör nicht anzuwenden sind. Die Einschränkungen des § 10 VVG beziehen sich jedoch nur auf das Vollstreckungsverfahren im engeren Sinn, das heißt auf das Verfahren, das auf die Erlassung der Vollstreckungsverfügung abzielt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 10. Dezember 1986, Zl. 85/09/0077). Bei dem Kostenvorauszahlungsauftrag gemäß § 4 Abs. 2 VVG handelt es sich, wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 6. Juni 1989, Slg. Nr. 12942/A, ausgesprochen hat, um keine Vollstreckungsmaßnahme, vielmehr ist der Kostenvorauszahlungsauftrag ein Vollstreckungstitel.

Für den Beschwerdefall ergibt sich daher, daß die Behörde in diesem Verfahren auch dem Grundsatz des Parteiengehörs zu beachten hatte (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 10. Dezember 1986). Nach dieser Rechtslage war die belangte Behörde verpflichtet, sich mit dem Berufungsvorbringen, die vorgeschriebenen Kosten seien nicht überprüfbar und nicht angemessen, auseinanderzusetzen und in einer auch für die Beschwerdeführerinnen nachprüfbaren Weise die Angemessenheit der Kosten für die Ersatzvornahme darzulegen, dies unter Berücksichtigung des Ermittlungsergebnisses, wonach bei wöchentlicher Entsorgung von 5.000 - 10.000 Hühnern zumindest ein Preis von S 2,90 pro kg erzielt werden könnte.

Da die Behörde dies unterlassen hat, belastete sie auch aus diesem Grund den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Bei der gegebenen Sachlage war auf das weitere Beschwerdevorbringen nicht einzugehen.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Mit der Erledigung der Beschwerde ist der Antrag, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, gegenstandslos geworden.

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