VwGH 97/06/0118

VwGH97/06/011826.6.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. König, in der Beschwerdesache der Gemeinde O, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in S, betreffend

1. Wiedereinsetzungsantrag gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 8. Jänner 1997, Zl. 1/02/33.872/31-1997, betreffend eine Bausache (mitbeteiligte Partei: C-Ges.m.b.H. in S) und 2. betreffend die Beschwerde gegen den genannten Bescheid vom 8. Jänner 1997, den Beschluß gefaßt:

Normen

VwGG §46 Abs1;
VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

1. Der Wiedereinsetzungsantrag wird gemäß § 46 Abs. 1 VwGG abgewiesen.

2. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Mit Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. April 1997 wurde die Beschwerde der Gemeindevertretung der Gemeinde O, Gemeindeamt, vertreten durch die genannten Rechtsanwälte, zurückgewiesen, weil die Beschwerdelegitimation aus Art. 119a B-VG der Gemeinde als Gebietskörperschaft zukomme, wobei die Gemeinde ein subjektives Recht auf Selbstverwaltung und demzufolge ein Abwehranspruch gegenüber rechtswidrigen, aufsichtsbehördlichen Verwaltungsakten habe. Der Gemeindevertretung als Berufungsbehörde sei jedoch weder durch das B-VG noch durch eine andere Rechtsnorm eine Beschwerdelegitimation vor dem Verwaltungsgerichtshof in Angelegenheiten der Durchsetzung des Rechtes der Gemeinde auf Selbstverwaltung eingeräumt. Im Beschwerdefall könne auch nicht davon ausgegangen werden, daß die Gemeindevertretung anstelle der Gemeinde einschreiten wollte und es sich nur um eine irrtümliche Anführung der Gemeindevertretung als Beschwerdeführerin gehandelt habe, da überdies die Gemeinde, vertreten durch den Bürgermeister, ausdrücklich in der Beschwerde als erstmitbeteiligte Partei angeführt sei, ohne daß die angegebene Stellung als erstmitbeteiligte Partei etwa auf den Umstand zurückzuführen gewesen wäre, daß es sich um ein Bauvorhaben der Gemeinde gehandelt habe, von Verfahrensanordnungen der "erstmitbeteiligten Partei" die Rede sei und die einschreitende Beschwerdeführerin daher bewußt die "Gemeindevertretung" von der "Gemeinde" als der "erstmitbeteiligten Partei" unterschieden habe. Da der Gemeindevertretung ein selbständiges Beschwerderecht gegen aufsichtsbehördliche Bescheide nicht eingeräumt sei, sei die Beschwerde mangels Parteistellung zurückzuweisen gewesen.

Unter Bezugnahme auf diesen Beschluß, der der Gemeinde am 6. Mai 1997 zugestellt wurde, hat die Gemeinde O, "vertreten durch die Gemeindevertretung, diese vertreten durch Dr. P", einen Wiedereinsetzungsantrag eingebracht, gleichzeitig die Beschwerde gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung erhoben und einen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde eingebracht.

Der Wiedereinsetzungsantrag wurde damit begründet, daß die nunmehrige Beschwerdeführerin erst durch die Zustellung des Zurückweisungsbeschlusses vom 24. April 1997 Kenntnis davon erlangt habe, daß die Bezeichnung des vertretungsbefugten Organes einer Gemeinde als Beschwerdeführerin anstelle der gemeindlichen Selbstverwaltungskörperschaft zur Zurückweisung der Beschwerde führe. Die bisherige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes habe es als gleichwertig erachtet, ob als Beschwerdeführerin das letztinstanzlich eingeschrittene Organ oder (wie offenbar numehr richtigerweise) die Beschwerdeführerin durch die Bezeichnung der Gebietskörperschaft individualisiert sei. Der Beschwerdevertreter habe in Kenntnis und im Vertrauen auf die bisherige, veröffentlichte, einhellige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gehandelt. So sei im Erkenntnis vom 16. November 1993, Zl. 93/05/0181, wörtlich ausgeführt worden, daß "zu dem Umstand, daß im vorliegenden Fall der Gemeinderat und nicht die Stadtgemeinde ... Beschwerde erhoben hat, festzustellen ist, daß bei einer vom Gemeinderat erhobenen Beschwerde eine Organhandlung vorliegt, die dem Rechtsträger der Gemeinde zuzurechnen ist, weshalb die Anführung des Gemeinderates als Beschwerdeführer nicht zur Zurückweisung der Beschwerde mangels Beschwerdelegitimation führt"; dies sei unter Hinweis auf das Erkenntnis vom 7. September 1993, Zl. 93/05/0038, erfolgt, dieses Judikat zitierte eine Vorentscheidung und zwar das Erkenntnis vom 10. November 1992, Zlen. 92/05/0053, 92/05/0137, 0138.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Ad 1.:

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist dann, wenn eine Partei durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen.

Als Wiedereinsetzungsgrund wurde hier die von der Beschwerdeführerin angenommene, hier erstmals zutage getretene Judikaturdivergenz zwischen dem 5. und 6. Senat des Verwaltungsgerichtshofes geltend gemacht.

Die Zurückweisung der Beschwerde mit Beschluß vom 24. April 1997 beruhte auf der mangelnden Rechtskenntnis oder dem Rechtsirrtum der Einschreiterin, der darin begründet lag, die Gemeindevertretung für die Gemeinde als beschwerdelegitimiert anzusehen, und die Gemeinde gleichzeitig als "erstmitbeteilgte Partei" anzuführen.

Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt festgestellt hat, sind mangelnde Rechtskenntnis oder Rechtsirrtum nicht als ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis zu werten, das die Voraussetzung für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bilden könnte. Das ergebe schon die einfache Überlegung, daß die rein subjektive Beurteilung einer bestimmten Rechtslage den Beschwerdeführer niemals hindern könne, sich vorsorglich bei Rechtskundigen zu informieren (vgl. die hg. Beschlüsse vom 26. November 1980, Slg. Nr. 10.003/A, vom 25. Jänner 1985, Zl. 84/04/0234, 0235, vom 22. Jänner 1986, Zl. 85/09/0284, 0285, u.a.).

Mit der Argumentation, die Spruchdivergenz des Senates 06 in seinem Beschluß vom 24. April 1997 zur Judikatur des Senates 05 (Erkenntnisse vom 16. November 1993, vom 7. September 1993 sowie vom 10. November 1992) sei der Wiedereinsetzungsgrund, verkennt die Beschwerdeführerin zweierlei: zum einen liegen diesen Erkenntnissen Beschwerden zugrunde, in welchen IRRTÜMLICH (im Sinne einer Fehlbezeichnung) der Gemeinderat als Beschwerdeführer angegeben wurde (dies wird im Erkenntnis vom 10. November 1992, Zlen. 92/05/0053, 92/05/0137, 0138, ausdrücklich angeführt, die anderen Erkenntnisse stützen sich auf dieses Erkenntnis). In diesen Beschwerdefällen wurde jedoch nicht zusätzlich die Gemeinde selbst als mitbeteiligte Partei bezeichnet, sodaß tatsächlich von einem Irrtum ausgegangen werden konnte, während im Beschwerdefall bewußt zwischen der einschreitenden Gemeindevertretung als Beschwerdeführerin und der Gemeinde als "erstmitbeteiligte Partei" unterschieden wurde, weshalb sich der Senat 06 auch veranlaßt sah, in seinem Zurückweisungsbeschluß vom 24. April 1997 ausdrücklich darauf hinzuweisen, daß es sich hier nicht um einen Irrtum handeln könne. Zum anderen wird im Wiedereinsetzungsantrag nicht dargelegt, was die Beschwerdeführerin gehindert hätte, anstelle der "Gemeindevertretung" die Gemeinde als Beschwerdeführerin anzusehen.

Der angegebene Rechtsirrtum ist daher nicht geeignet, einen tauglichen Wiedereinsetzungsgrund zu bilden, weshalb sich die Frage, ob ein minderes Verschulden vorliegt, nicht stellt.

Ad 2.:

Die am 16. Mai 1995 zur Post gegebene Beschwerde gegen den Bescheid, der der Gemeinde am 10. Jänner 1997 zugestellt wurde, war im Sinne des § 26 Abs. 1 VwGG als verspätet zurückzuweisen.

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