VwGH 97/05/0121

VwGH97/05/012116.9.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde der Hsu & Tu GesmbH in Wien, vertreten durch Dr. Gerhard Millauer, Rechtsanwalt in Wien I, An der Hülben 1, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 19. Februar 1997, Zl. MD-VfR - B XIX - 74/96, betreffend einen Bauauftrag, zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §297;
ABGB §434;
ABGB §435;
BauO Wr §129 Abs10;
BauRallg;
UHG 1974 §19;
UHG 1974;
ABGB §297;
ABGB §434;
ABGB §435;
BauO Wr §129 Abs10;
BauRallg;
UHG 1974 §19;
UHG 1974;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit "Mietvertrag" vom 22. Mai 1978 hat Josef Carda als grundbücherlicher Alleineigentümer der Liegenschaft EZ 421, Katastralgemeinde Untersievering, Haus Nr. 61, Sieveringerstraße 118, mit den Grundstücken Nr. 29 Baufläche, Nr. 30/1 Garten und Nr. 234/1 Garten sämtliche Räume, die zu dem auf dieser Liegenschaft betriebenen Gastwirtschaftsunternehmen gehören, "vermietet". Die Bestandräumlichkeiten wurden umschrieben mit: "Schankraum, Gastraum, Extrazimmer, ehemaliges Espressostüberl, Weinlagerraum, Küche, WC im Ausmaß von rund 150 m2. Mitgemietet ist der Garten im Ausmaß von ca. 300 m2 und das sämtliche Inventar laut gesonderter Liste". Im Punkt V. dieses Vertrages wurde der Mieterin eingeräumt, "am Mietobjekt beliebige Investitionen, auch solche baulicher Art, vorzunehmen. Diese Investitionen gehen mit Beendigung des Mietverhältnisses entschädigungslos in das Eigentum des Vermieters über, sofern sie sich nicht ohne wesentliche Wertverminderung beheben lassen".

Mit Vereinbarung vom 7. September 1979 trat Anton Wagner als Mieter anstelle von Stefanie Rehwald in diesen Mietvertrag ein. Mit Vereinbarung vom 28. März 1985 trat die Beschwerdeführerin als Mieterin - nach einer zwischenzeitigen Abtretung der Mietrechte an Frau Ingeborg Halper und in der Folge an Helene Pumpler - in die vorgenannten Mietverträge ein. Mit Vereinbarung vom 26. Jänner 1990 wurde die letztgenannte Vereinbarung zwischen dem Grundeigentümer als Vermieter und der Beschwerdeführerin als Mieterin teilweise abgeändert und unter Punkt II.1. der Punkt I. des Vertrages vom 23. April 1985 insoweit geändert, als er zu lauten hat:

"Der Vermieter vermietet dem Mieter den im Hause Sieveringerstraße 118, 1190 Wien gelegenen Mietgegenstand, Geschäftsraum Top Nr. 1A, Nutzfläche derzeit 23,5 m2. Die Geschäftsräumlichkeit besteht aus: Lagerraum und Gang."

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 19. Februar 1997 wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien als "Eigentümer folgender Baulichkeiten" auf der Liegenschaft Wien 19, Sieveringerstraße 118, der Auftrag erteilt:

"Der im hinteren Bereich des rechten Hofes errichtete Keller, der Gang und der Kühlraum sind abzutragen und mit einwandfreiem Material zu verschütten."

In der Begründung wurde hiezu ausgeführt, der Keller samt Gang und Kühlraum im hinteren Bereich des Hofes sei vom Mieter Anton Wagner errichtet worden. Diese Baulichkeiten seien gemäß Punkt V. des Vertrages vom 9. Mai 1978, in den die Beschwerdeführerin eingetreten sei, nicht in das Eigentum des Grundeigentümers übergegangen. Durch den Eintritt in den Mietvertrag sei die Beschwerdeführerin Eigentümerin dieser Bauwerke geworden, ohne daß es hiefür einer Urkundenhinterlegung bedurft hätte, da das seinerzeitige Bestandverhältnis weiterhin aufrecht sei und das Formerfordernis der Hinterlegung nur für die Übertragung, nicht aber für den ursprünglichen Erwerb bestünde. Superädifikate seien in der Absicht des Erbauers errichtete Bauwerke, diese nicht dauernd auf dem Grund zu lassen. Diese maßgebliche Absicht könne insbesondere aus den Rechtsverhältnissen, die zwischen dem Grundeigentümer und dem Erbauer bestünden, erschlossen werden. Dabei liege ein Superädifikat auch dann vor, wenn laut Pachtvertrag das dem Pächter errichtete Gebäude nach Ende des Grundbenützungsverhältnisses Eigentum des Liegenschaftseigentümers werden soll. Es genüge also eine zeitliche Schranke dergestalt, daß das Bauwerk nur solange bleiben dürfe, als der Grundeigentümer aus welchem Rechtstitel auch immer das Grundstück zur Verfügung stelle, wobei aber die Superädifikatseigenschaft dadurch nicht beeinträchtigt werde, daß das Superädifikat nach Ende des Grundbenützungsverhältnisses in das Eigentum des Liegenschaftseigentümers übergehe. Der in Rede stehende Keller samt Gang stellte einen selbständigen Bau dar, an dem die Begründung selbständigen Eigentums möglich sei. Aufgrund der Bestimmungen im Mietvertrag handle es sich sohin um Superädifikate. Ein Beseitigungsauftrag sei stets an den Eigentümer des vorschriftswidrigen Baues zu richten. Bezüglich der vorgenannten Bauten sei dies die Beschwerdeführerin.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht auf Nichterteilung eines baupolizeilichen Auftrages verletzt. Sie macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin trägt im wesentlichen vor, nicht Eigentümerin der vom Bauauftrag umfaßten Baulichkeiten zu sein. Es handle sich hiebei um keine Superädifikate.

Gemäß § 297 ABGB gehören zu den unbeweglichen Sachen diejenigen, welche auf Grund und Boden in der Absicht aufgeführt werden, daß sie stets darauf bleiben sollen.

Gemäß § 435 ABGB sind Überbauten (Superädifikate) Bauwerke, die auf fremdem Grund in der Absicht aufgeführt werden, daß sie nicht stets darauf bleiben sollen. Entscheidend für die Qualifikation als Überbau ist somit in erster Linie die Absicht des Erbauers, das Bauwerk nicht dauernd auf dem Grund zu lassen; die Beschränkung des Grundbenützungsrechtes ist nur ein Indiz für diese Absicht (vgl. hiezu die bei Dittrich-Tades, ABGB, 33. Auflage, E.1 zu § 435 ABGB, Seite 393, referierte Rechtsprechung). Ein Superädifikat liegt also nur dann vor, wenn dem Erbauer erkennbar die Belassungsabsicht fehlt, welche im allgemeinen durch das äußere Erscheinungsbild des Bauwerkes hervortritt, aber auch aus anderen Umständen erschlossen werden kann. Selbst wenn von vornherein vereinbart wurde, daß das Gebäude nach Ablauf des Grundbenützungsverhältnisses dem Grundeigentümer zufallen soll, kann ein Überbau im Sinne des § 435 ABGB vorliegen, sofern die vorgenannten Voraussetzungen zutreffen. In seinem Urteil vom 24. September 1986 hat der Oberste Gerichtshof diesbezüglich ausgeführt, daß ein Superädifikat auch dann vorliegt, wenn laut Pachtvertrag das vom Pächter zu errichtende Gebäude nach Ende des Grundbenützungsverhältnisses Eigentum des Liegenschaftseigentümers werden soll (SZ 59/156; so auch das Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 9. Juli 1986, MietSlg. XXXVIII/29).

Ob die vom hier zu beurteilenden Auftrag gemäß § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien (BO) umfaßten baulichen Anlagen Superädifikate im Sinne des § 435 ABGB sind, kann jedoch im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, weil die Beschwerdeführerin aus folgenden Gründen nicht Eigentümerin dieser Baulichkeiten wurde und damit nicht Adressat eines solchen Bauauftrages sein durfte.

Gemäß § 434 ABGB muß zur Übertragung des Eigentums an Liegenschaften, die in keinem Grundbuche eingetragen sind, eine mit den Erfordernissen der §§ 432 und 433 versehene Urkunde bei Gericht hinterlegt werden. An die Stelle der Bewilligung der Einverleibung tritt die Erklärung der Einwilligung zur Hinterlegung der Urkunde. Das Formerfordernis der Hinterlegung besteht nur für die Übertragung, nicht für den ursprünglichen Erwerb (z.B. durch Errichtung von Baulichkeiten auf fremdem Grund mit Zustimmung des Grundeigentümers, wie von der belangten Behörde angenommen; vgl. die Urteile des Obersten Gerichtshofes vom 9. September 1959, Rz 1960, 14; vom 13. Februar 1985, SZ 58/53; Spielbüchler in Rummel, ABGB,

2. Auflage, Rz 1 zu § 435). Als einzig gültige Art für den Erwerb des Eigentums am Überbau - vom erstmaligen Eigentumserwerb, wie oben ausgeführt, abgesehen - kommt jedoch gemäß § 435 ABGB im Zusammenhang mit dem Urkundenhinterlegungsgesetz nur die Hinterlegung einer Urkunde über ein Bauwerk gemäß § 19 Urkundenhinterlegungsgesetz in Betracht (vgl. hiezu das Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 13. Februar 1985, SZ 58/23).

Die hier gegenständlichen Baulichkeiten wurden nach den unstrittigen Feststellungen im angefochtenen Bescheid vom damaligen Mieter Anton Wagner errichtet. Ein Eigentumserwerb dieser Baulichkeiten durch die Beschwerdeführerin im Wege der Urkundenhinterlegung im Sinne des Urkundenhinterlegungsgesetzes ist nicht erfolgt. Da die Beschwerdeführerin auch nicht Eigentümerin der Liegenschaft ist, auf welcher die abzutragenden baulichen Anlagen errichtet sind, und ein außerbücherlicher Erwerb der hier maßgeblichen Grundflächen durch die Beschwerdeführerin weder behauptet wurde noch durch die Aktenlage indiziert ist (vgl. in diesem Zusammenhang die Urteile des Obersten Gerichtshofes vom 22. März 1993, NZ 1994,15, und vom 13. Juli 1993, NZ 1994,140 Nr. 297, sowie Forster, Ausgewählte Fragen des österreichischen Superädifikatsrechtes, Seiten 74f und 265), durfte ihr gegenüber ein Bauauftrag nach § 129 Abs. 10 BO in bezug auf die im Bauauftrag genannten baulichen Anlagen nicht erteilt werden. Gemäß § 129 Abs. 10 leg. cit. sind nämlich Aufträge an den Eigentümer (jeden Miteigentümer) des Gebäudes oder der baulichen Anlage zu richten; im Falle des Wohnungseigentumes sind sie gegebenenfalls an den Wohnungseigentümer der betroffenen Nutzungseinheit zu richten.

Aus diesen Gründen ist der angefochtene Bescheid inhaltlich rechtswidrig und war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Im Hinblick auf die Erledigung des Beschwerdeverfahrens erübrigt sich eine Entscheidung über den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

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