VwGH 97/05/0058

VwGH97/05/005827.5.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Pallitsch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde des J in W, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 29. November 1996, Zl. UVS-04/A/40/00023/96, betreffend Übertretung der Bauordnung für Wien (weitere Partei: Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:

Normen

BauO Wr §129 Abs2;
BauO Wr §135;
BauRallg;
EO §156;
EO §158;
EO §159;
EO §161;
EO §349;
VStG §5 Abs1;
VStG §9 Abs1;
BauO Wr §129 Abs2;
BauO Wr §135;
BauRallg;
EO §156;
EO §158;
EO §159;
EO §161;
EO §349;
VStG §5 Abs1;
VStG §9 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 29. November 1996 wurde dem Beschwerdeführer als handelsrechtlichem Geschäftsführer und somit zur Vertretung nach außen Berufenen der I-P Gesellschaft mbH als Eigentümerin des Hauses Wien, G-Gasse 18, zur Last gelegt, er habe es zu verantworten, daß diese Gesellschaft in der Zeit vom 9. Juni 1995 bis 3. August 1995 insoferne nicht dafür gesorgt habe, daß diese Baulichkeit in gutem, der Baubewilligung und den Vorschriften der Bauordnung für Wien entsprechendem Zustand erhalten wurde, als bestimmte - im Straferkenntnis der Strafbehörde erster Instanz näher aufgezählte - Instandsetzungsarbeiten nicht durchgeführt worden seien. Dem Beschwerdeführer wurde die Übertretung des § 129 Abs. 2 in Verbindung mit § 135 Abs. 1 und 3 der Bauordnung für Wien zur Last gelegt und über ihn gemäß § 135 Abs. 1 leg. cit. eine Geldstrafe von S 20.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 10 Tage) verhängt. Die belangte Behörde stellte hiezu fest, die vom Beschwerdeführer vertretene Gesellschaft habe das gegenständliche Gebäude im Rahmen einer Zwangsversteigerung durch Zuschlag am 8. Juni 1995 erworben. Das Vorliegen der festgestellten Mängel im Tatzeitraum sei auch vom Beschwerdeführer nicht bestritten worden. Durch den Geschäftsführer der hausverwaltenden I-C sei der Beschwerdeführer noch vor Zuschlagserteilung über den Zustand des Hauses und das Vorhandensein der Bauaufträge in Kenntnis gesetzt worden. Die Reaktion des Beschwerdeführers sei die Hoffnung gewesen, daß eine andere Person (über dem Mindestpreis) das Objekt ersteigern werde bzw. im Falle des Erwerbes durch I-P das Bestreben bestünde, dieses möglichst schnell weiter zu veräußern. Mit dem Zuschlag sei die I-P Eigentümerin des beschwerdegegenständlichen Projektes geworden. Als Vertreterin der Eigentümerin sei daher der Beschwerdeführer ab dem Zuschlagsdatum verpflichtet gewesen, alles in seinen Kräften Stehende (Ausschöpfung der tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten) zu unternehmen, um die Baugebrechen innerhalb kürzester Zeit zu beseitigen; das bloße Einholen von Kostenvoranschlägen entspräche dieser Verpflichtung nicht. Für den Beschwerdeführer wäre die Erfüllung dieser Verpflichtung umso leichter gewesen, als er erwiesenermaßen schon vor dem Eigentumserwerb in Kenntnis über die gegenständlichen Baumängel und sogar über die dazu ergangenen Bauaufträge gewesen sei und die von ihm vertretene Gesellschaft auch über genügend finanzielle Mittel zur Beseitigung zumindest der verfahrensgegenständlichen Baugebrechen verfügt habe. Der Beschwerdeführer wäre zufolge § 135 Abs. 3 der Bauordnung für Wien verpflichtet gewesen, seinen Hausverwalter ausreichend dahingehend zu überwachen, daß dieser mit dem ihm zur Verfügung gestandenen Finanzierungsvolumen auch tatsächlich die Baugebrechen beseitige. Daß dies - erwiesenermaßen mit Einverständnis des Beschwerdeführers - nicht erfolgt sei, sei darauf zurückzuführen gewesen, daß man nicht einzelne Sanierungsmaßnahmen bruchstückhaft vorwegnehmen habe wollen. Damit sei das Verschulden des Beschwerdeführers sogar in Form des Vorsatzes erwiesen, da er das Bestehen der Baumängel in Kauf genommen habe, um den für ihn vorrangigen Zweck der finanziellen Schadensminimierung der finanzierenden I-Bank (deren Vorstandsmitglied er gleichzeitig sei) zu erreichen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht, nicht bestraft zu werden, verletzt. Er macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Beschwerdeführer replizierte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 135 Abs. 1 der Bauordnung für Wien (BO) werden Übertretungen der Vorschriften dieses Gesetzes und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Verordnungen mit Geld bis zu 300.000 S oder mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen bestraft.

Gemäß Abs. 3 dieser Gesetzesstelle ist, wer die Verwaltung eines Gebäudes ausübt, für Verletzungen der dem Eigentümer durch dieses Gesetz oder eine dazu erlassene Verordnung auferlegten Pflichten an dessen Stelle verantwortlich, wenn die Tat ohne Veranlassung und Vorwissen des Eigentümers begangen wurde. Der Eigentümer ist neben dem Verwalter verantwortlich, wenn er es bei dessen Auswahl oder Beaufsichtigung an der nötigen Sorgfalt fehlen ließ.

Gemäß § 129 Abs. 2 BO hat der Eigentümer (jeder Miteigentümer) dafür zu sorgen, daß die Gebäude und die baulichen Anlagen (Gärten, Hofanlagen, Einfriedungen und dgl.) in gutem, der Baubewilligung und den Vorschriften dieser Bauordnung entsprechendem Zustand erhalten werden. Für Gebäude in Schutzzonen besteht darüber hinaus die Verpflichtung, das Gebäude, die dazugehörigen Anlagen und die baulichen Ziergegenstände in stilgerechtem Zustand und nach den Bestimmungen des Bebauungsplanes zu erhalten.

Die Instandhaltungspflicht gemäß § 129 Abs. 2 BO wird verletzt, wenn der Eigentümer (Miteigentümer) eines Gebäudes oder eines sonstigen Bauwerkes auftretende Baugebrechen nicht beseitigt. Die Verletzung der Instandhaltungspflicht ist ein Unterlassungsdelikt. Es handelt sich bei dieser Verwaltungsübertretung um ein Ungehorsamsdelikt im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 2 VStG. Schon das bloße Nichterfüllen des Gebotes, Gebäude und deren Anlagen in gutem Zustand zu erhalten, also die Verletzung der gesetzlichen Instandhaltungspflicht, zieht die Strafe nach sich, wenn der Eigentümer nicht aufzuzeigen vermag, daß er während des ihm angelasteten Tatzeitraumes alles in seinen Kräften Stehende (Ausschöpfung der tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten) unternommen hat, um das Baugebrechen innerhalb kürzester Zeit zu beseitigen (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom 10. Oktober 1995, Zl. 95/05/0225, und vom 20. Juni 1995, Zl. 95/05/0132, u.v.a.).

Die Bauordnung verpflichtet den Eigentümer einer Baulichkeit zur Beseitigung von Baugebrechen auch dann, wenn diese zu einem Zeitpunkt entstanden sind, in dem er noch gar nicht Eigentümer war. Selbst ein Auftrag an einen Gewerbetreibenden zur Behebung der Baugebrechen sowie Urgenzen reichen allein nicht aus, ein Verschulden in Abrede zu stellen. Es trifft ihn auch ein gewisses Maß an Überwachungspflicht hinsichtlich der Durchführung der Arbeiten (vgl. hiezu die bei Geuder-Hauer, Wiener Bauvorschriften, 2. Auflage, Seite 624, unter Z. 15 zu § 135 BO wiedergegebene hg. Rechtsprechung).

Gemäß § 9 Abs. 1 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder Personengemeinschaften ohne Rechtspersönlichkeit, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs. 2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.

Die belangte Behörde ging ohne Rechtsirrtum davon aus, daß die I-P Gesellschaft mbH, deren handelsrechtlicher Geschäftsführer der Beschwerdeführer ist, mit der Erteilung des Zuschlages - auflösend bedingt (siehe hiezu Karollus, Zur Rechtsstellung des Liegenschaftserstehers in JBl. 1989, Seite 23 ff, mit weiteren Nachweisen) - das Eigentum an der Liegenschaft (Durchbrechung des Intabulationsprinzips) erworben hat (vgl. Koziol-Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechts, 2. Band, 10. Auflage, Seite 91). Auch aufgrund eines durch Zuschlag in einem Verfahren auf Zwangsversteigerung von Liegenschaften nach der Exekutionsordnung (§§ 133 ff EO) erworbenen Grundeigentums hat der Ersteher als nunmehriger Eigentümer der Liegenschaft die in § 129 Abs. 2 BO normierten Verpflichtungen zu erfüllen.

Eine Bestrafung infolge einer Übertretung des § 129 Abs. 2 BO erfordert jedoch - unter Berücksichtigung der im § 5 Abs. 1 Satz 2 VStG normierten Beweislastumkehr - den Nachweis eines Verschuldens des Grundeigentümers oder derjenigen Person, die für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften gemäß § 9 Abs. 1 VStG strafrechtlich verantwortlich ist.

Der Beschwerdeführer hat das ihm zur Last gelegte Verschulden im Verfahren vor den Strafbehörden mit dem Hinweis in Frage gestellt, er wäre nicht in der Lage gewesen, innerhalb weniger Tage jahrzehntelange Untätigkeit eines früheren Eigentümers durch entsprechende Sanierungsmaßnahmen wettzumachen. Innerhalb kurzer Zeit habe er vielmehr sämtliche Baugebrechen beheben lassen. Die belangte Behörde wiederum hat mit dem Hinweis, der Beschwerdeführer sei vor dem Eigentumserwerb über die Baumängel in Kenntnis gewesen und hätte im Hinblick auf die genügend vorhandenen finanziellen Mittel die Beseitigung derselben verfügen können, ein Verschulden bejaht. Auch hätte er "seinen Hausverwalter ausreichend" dahingehend überwachen müssen, daß dieser mit dem ihm zur Verfügung gestandenen Finanzierungsvolumen auch tatsächlich die Baugebrechen beseitige.

Ausgehend davon erweist sich der angefochtene Bescheid in der Annahme, aufgrund des vorliegenden Sachverhaltes träfe den Beschwerdeführer ein Verschulden, weil er im Sinne der hg. Rechtsprechung nicht alles in seinen Kräften Stehende innerhalb kürzester Zeit unternommen habe, um die Baugebrechen zu beseitigen, aus folgenden Gründen als rechtswidrig:

Der Ersteher einer Liegenschaft im Rahmen eines Zwangsversteigerungsverfahrens von Liegenschaften nach der Exekutionsordnung erwirbt zwar mit dem Zuschlag Eigentum, die Rechtsstellung des Erstehers wird aber durch § 156 EO näher ausgestaltet. Wenn ihm nicht nach der Zuschlagserteilung die einstweilige Verwaltung der Liegenschaft bewilligt wird (§§ 158 Abs. 2, 161 EO), erfolgt die Übergabe an ihn erst nach vollständiger Erfüllung der Versteigerungsbedingungen (§ 156 Abs. 2 EO). Gemäß § 156 Abs. 2 EO ist die Übergabe der Liegenschaft nach den Bestimmungen des § 349 EO zu vollziehen. Der Ersteher kann nur auf diese Weise gegen den Willen des Verpflichteten in den Besitz der Liegenschaft gelangen (vgl. hiezu Feil, Exekutionsordnung, 4. Auflage, Seite 457, Rz 8 zu § 156). Der Ersteher der Liegenschaft, dessen Eigentumsrecht noch nicht einverleibt ist und dem die Liegenschaft noch nicht im Sinne des § 156 Abs. 2 EO übergeben wurde, kann daher keine Verwaltungshandlungen vornehmen (vgl. das Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 16. Dezember 1992, 3 Ob 572/92 = JusExtra/Z/1993/1261; Feil, a.a.O., Seite 457). Solange also die Liegenschaft gemäß § 156 Abs. 2 EO noch nicht an den Ersteher übergeben wurde, bedarf es - soweit erforderlich - der Bestellung eines einstweiligen Verwalters nach § 158 EO, auf welchen gemäß § 159 EO die Vorschriften über die Zwangsverwaltung anzuwenden sind (vgl. hiezu MietSlg. 45.796/37).

Mangels entsprechender Feststellungen ist aufgrund des - den vorgelegten Verwaltungsakten zu entnehmenden - Sachverhaltes für den Verwaltungsgerichtshof nicht zu erkennen, ob der Beschwerdeführer im hier relevanten Zeitraum (9. Juni 1995 bis 3. August 1995) im Hinblick auf die durch § 156 Abs. 2 EO bestehende Rechtslage die Möglichkeit hatte, die festgestellten Instandsetzungsarbeiten während des Tatzeitraumes durchzuführen.

Infolge des auf einem Rechtsirrtum beruhenden Fehlens der rechtserheblichen Feststellungen belastete die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid daher mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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