VwGH 97/03/0050

VwGH97/03/005018.6.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Sauberer und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gruber, über die Beschwerde des J K in S, vertreten durch Dr. U, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 20. Jänner 1997, Zl. UVS 303.11-26/96-19, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §45 Abs2;
StVO 1960 §5 Abs1;
AVG §45 Abs2;
StVO 1960 §5 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer wegen der Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 1 lit. a in Verbindung mit § 5 Abs. 1 StVO 1960 mit einer Geldstrafe von S 16.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 14 Tage) bestraft. Die Tat wurde im Spruchpunkt 3) des mit dem angefochtenen Bescheid bestätigten erstinstanzlichen Straferkenntnisses wie folgt umschrieben:

"Sie haben am 08.09.1994 um ca. 21.50 den PKW mit dem Kennzeichen WZ-nnnn auf der Landesstraße 114 im Gemeindegebiet von Stanz i.M. ca. bei Str.Km. 17,3 in Fahrtrichtung Fischbach und weiter bis zum Hause 8192 Strallegg, F nn gelenkt und befanden sich dabei als Lenker des oben angeführten KFZ in alkoholisiertem Zustand. Der Alkoholgehalt der Atemluft betrug zum Zeitpunkt der Alkomatmessung, das war um 23.16 Uhr des 08.09.1994 am GP Birkfeld, 0,72 mg/l."

Die belangte Behörde stellte im wesentlichen fest, daß der Beschwerdeführer am Abend des 8. September 1994 von seiner Arbeitsstätte in Kindberg mit seinem Pkw nach Hause gefahren sei. Um ca. 21.50 Uhr habe er die L 114 im Gemeindegebiet von Stanz im Mürztal bei Str.Km. 17,3 in Fahrtrichtung Fischbach befahren. Von Fischbach sei er weiter über den Schindergraben zur B 72 gefahren; von der B 72 sei er in Richtung Süden abgebogen "und dann in den Bründlweg zu seinem Wohnhaus in Strallegg, F nn," wo er gegen 22.15 Uhr eingetroffen sei. Um

22.12 Uhr habe C bei der Bezirksleitzentrale in Weiz bei Bezirksinspektor W F angerufen und einen Verkehrsunfall mit Fahrerflucht gemeldet. Aufgrund einer Zulassungsabfrage habe F eruieren könne, daß das von C angegebene Fahrzeug auf den Beschwerdeführer zugelassen sei. Daraufhin habe F die Sektorstreife angerufen und die Gendarmeriebeamten H und F F zum Wohnhaus des Beschwerdeführers dirigiert. Zwischen

22.30 Uhr und 22. 45 Uhr seien die beiden Beamten beim Wohnhaus des Beschwerdeführers eingetroffen. Nachdem die Mutter des Beschwerdeführers die Tür geöffnet hätte, hätten die beiden Beamten den Beschwerdeführer im Wohnzimmer auf einer Couch schlafend angetroffen. Nachdem sie den Beschwerdeführer aufgeweckt hätten, hätten sie bei ihm deutliche Alkoholierungssymptome (deutlicher Geruch der Atemluft nach Alkohol, lallende Sprache, deutliche Rötung der Bindehäute) erkennen können. Abteilungsinspektor H habe den Beschwerdeführer zur Ablegung eines Alkotests aufgefordert. Der Beschwerdeführer sei dann mit den beiden Beamten auf den Gendarmerieposten Ratten gefahren. Dort sei der Alkotest um

23.16 Uhr durchgeführt worden. Er habe beim Beschwerdeführer einen Alkoholgehalt der Atemluft von 0,72 mg/l ergeben. Im Zuge der Durchführung des Alkotests am Gendarmerieposten Ratten habe der Beschwerdeführer erstmals angegeben, daß er zu Hause vor dem Eintreffen der Gendarmeriebeamten zwei Flaschen Bier getrunken habe. Bei diesem Vorbringen handle es sich jedoch um eine Schutzbehauptung. Bei der Strafbemessung wertete die belangte Behörde als erschwerend eine einschlägige Vorstrafe gemäß § 99 Abs. 1 lit. a in Verbindung mit § 5 Abs. 1 StVO (Straferkenntnis vom 23. Jänner 1992 - Geldstrafe von S 24.000,--). Milderungsgründe lägen nicht vor. Hinsichtlich des Verschuldens sei davon auszugehen, daß der Beschwerdeführer vor Fahrtantritt eine beträchtliche Menge alkoholischer Getränke zu sich genommen und dann mit seinem Fahrzeug nach Hause gefahren sei. Es sei daher von einem erheblichen Verschulden auszugehen. Bei der Berufungsverhandlung habe der Beschwerdeführer angegeben, daß er über ein monatliches Nettoeinkommen von S 21.000,-- verfüge, für drei Kinder und die Ehegattin sorgepflichtig sei und weder Schulden noch Vermögen habe. Aufgrund des Unrechtsgehaltes der Verwaltungsübertretung, des Erschwerungsgrundes einer einschlägigen Vorstrafe, des Verschuldens, des Strafrahmens und der persönlichen und finanziellen Verhältnisse des Beschwerdeführers sei die über ihn verhängte Geldstrafe von S 16.000,-- durchaus als schuld- und tatangemessen anzusehen. Auch aus spezial- und generalpräventiven Erwägungen sei eine Geldstrafe in diesem Ausmaß unbedingt erforderlich.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Veraltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsstrafverfahrens durch die belangte Behörde erwogen:

Entgegen der Ansicht der belangten Behörde ist die Beschwerde nicht als verspätet eingebracht zurückzuweisen. Der angefochtene Bescheid wurde dem Beschwerdevertreter am 29. Jänner 1997 zugestellt. Die Beschwerde wurde vom Beschwerdevertreter am 12. März 1997, also am letzten Tag der sechswöchigen Frist des § 26 Abs. 1 Z. 1 VwGG, im Wege der Telekopie, also in einer gemäß § 13 Abs. 1 zweiter Satz AVG in Verbindung mit § 62 Abs. 1 VwGG zulässigen Form, eingebracht. Damit war die Beschwerdefrist gewahrt, sodaß der erst am 13. März 1997 erfolgten Postaufgabe der Beschwerde keine rechtserhebliche Bedeutung für die Rechtzeitigkeit der Beschwerde mehr zukommt.

Der Beschwerdeführer wendet Verfolgungsverjährung ein, weil der ihm angelastete Tatvorwurf nicht Gegenstand einer innerhalb der sechsmonatigen Verfolgungsverjährungsfrist gesetzten Verfolgungshandlung gewesen sei. Damit ist er nicht im Recht. Der entsprechende Tatvorwurf war in der von der erstinstanzlichen Behörde am 8. März 1995 zur Post gegebenen Aufforderung zur Rechtfertigung vom 7. März 1995 enthalten. Diese Aufforderung zur Rechtfertigung stellt eine innerhalb der sechsmonatigen Frist des § 31 Abs. 2 VStG ergangene Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs. 2 leg. cit. dar. Gemäß § 32 Abs. 2 AVG (§ 24 VStG) enden nach Monaten bestimmte Fristen mit dem Ablauf desjenigen Tages des letzten Monates, der durch seine Zahl dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat. Im Beschwerdefall begann die Frist am 8. September 1994 und endete daher mit Ablauf des 8. März 1995. Zum gleichen Ergebnis führen die Bestimmungen der Art. 3 Abs. 1 und 4 Abs. 2 des Europäischen Übereinkommens über die Berechnung von Fristen samt Erklärung der Republik Österreich, BGBl. Nr. 254/1983.

Dem Beschwerdeführer kann nicht gefolgt werden, wenn er meint, daß der von der belangten Behörde bestätigte Spruch "im Umfang der Fahrtstrecke und der Fahrzeit der Gesetzesvorschrift des § 44a VStG widerspricht, da ein Fahrzeuglenken um "ca. " 21:50 Uhr bei km 17,3 der L 114 und "bis zum Haus 8192 Strallegg, F nn" zwei räumlich und zeitlich derart weit auseinanderliegende Orte betrifft, die ein gleichzeitiges Fahrzeuglenken an beiden Orten jedenfalls ausschließt". Bei verständiger Würdigung unterliegt es nämlich keinem Zweifel, daß sich die Zeitangabe "ca. 21.50 Uhr" bloß auf das Lenken des Pkws "ca. bei Str.Km. 17,3 in Fahrtrichtung Fischbach" bezieht, die Zeit des Lenkens "weiter bis zum Haus 8192 Strallegg, F nn" jedoch nicht einschließt. Trotz des Fehlens dieser Zeitangabe entspricht die Tatumschreibung dem Konkretisierungsgebot des § 44a Z. 1 VStG. Durch den zeitlich fixierten Beginn der inkriminierten Tathandlung in Verbindung mit der Anführung der von diesem Zeitpunkt an weiter zurückgelegten Fahrtstrecke wurde die Tat so konkret umschrieben, daß der Beschwerdeführer einerseits in die Lage versetzt wurde, im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren und gegebenenfalls im außerordentlichen Verfahren (Wiederaufnahmeverfahren) auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und andererseits davor geschützt wird, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 13. Juni 1984, Slg. Nr. 11466/A).

Der Beschwerdeführer vermag auch nicht mit Erfolg aufzuzeigen, daß die Beweiswürdigung der belangten Behörde mit vom Verwaltungsgerichtshof im Rahmen seiner Kontrolle (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) warzunehmenden Mängel belastet sei. Entgegen seinem Vorbringen hat die belangte Behörde, was die Feststellung der Tatzeit anlangt, in der Begründung ihres Bescheides die Aussage der Zeugin S K keineswegs mit Stillschweigen übergangen; sie hat vielmehr ausführlich dargelegt, aus welchen Gründen den Aussagen der Zeugen C, K sowie W F mehr Glauben zu schenken sei. Daß - wie der Beschwerdeführer geltend macht - mit dem Schreiben des Gendarmeriepostens Ratten vom 10. September 1994 (Beilage ./A) die Rechtfertigung des Beschwerdeführers "urkundlich bestätigt" werde, ist nicht nachvollziehbar, wird doch in dem erwähnten Schreiben, soweit für die Feststellung der Tatzeit erheblich, lediglich angegeben, daß am 8. September 1994 gegen 22.10 Uhr von der "BLZ Weiz" der Sektorstreife Birkfeld ein Verkehrsunfall mit Sachschaden und Fahrerflucht angezeigt worden sei und daß der Beschwerdeführer um 22.45 Uhr zu Hause habe angetroffen werden können. Ferner wurden die Angaben des Beschwerdeführers - ohne jegliche Würdigung ihres Wahrheitsgehaltes - wiedergegeben. Auch mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe seinen Arbeitsplatz in Kindberg um

21.15 Uhr verlassen, hat sich die belangte Behörde auseinandergesetzt und durchaus schlüssig ausgeführt, daß, selbst wenn man von der Richtigkeit dieses Vorbringens ausginge, damit noch nicht erwiesen sei, daß der Beschwerdeführer ohne Zwischenstopp direkt nach Hause gefahren sei. Für die belangte Behörde bestand daher auch keine Veranlassung zur Vernehmung eines namentlich genannten Zeugen darüber, wann der Beschwerdeführer die Montagestelle in Kindberg verlassen habe. Wenn die belangte Behörde ausgehend von dem vom Beschwerdeführer nicht bestrittenen Zeitpunkt der telefonischen Anzeigeerstattung um 22.12 Uhr aufgrund der Aussagen der Zeugen C und K über den seit der Begegnung mit dem Beschwerdeführer bis zur Anzeigeerstattung verstrichenen Zeitraum den Zeitpunkt der Begegnung der Fahrzeuge des Beschwerdeführers und des Zeugen Schöngrundner mit

"ca. 21.50 Uhr" angenommen hat, so begegnet dies keinen Bedenken. Die vom Beschwerdeführer dagegen vorgebrachten Einwände beruhen auf bloßen, nicht stichhältig untermauerten Behauptungen und Vermutungen, die nicht geeignet sind, die Beweiswürdigung der belangten Behörde als unschlüssig erscheinen zu lassen.

Der belangten Behörde kann des weiteren nicht entgegengetreten werden, wenn sie, weil der Beschwerdeführer die Behauptung des Nachtrunkes nicht bei erster sich bietender Gelegenheit, nämlich bereits als er zu Hause vom Gendarmeriebeamten H zum Alkotest aufgefordert worden sei, sondern erst im Zuge des Alkotests auf dem Gendarmerieposten Ratten aufgestellt habe, dieser Behauptung die Glaubwürdigkeit versagte. Sie handelte dabei im Einklang mit der

hg. Rechtsprechung (vgl. das Erkenntnis vom 24. Jänner 1997, Zl. 96/02/0579). Unerheblich ist es daher, ob die Gendarmeriebeamten im Wohnhaus des Beschwerdeführers nach leeren Bierflaschen Ausschau hielten und solche hätten entdecken müssen. Ein Eingehen auf das entsprechende Vorbringen in der Beschwerde erübrigte sich somit.

Gegen die Strafbemessung wendet der Beschwerdeführer ein, die belangte Behörde habe die verhängte Strafe "unzulässig überhöht gebilligt. Während die Behörde I. die Strafe von S 16.000,-- mit 2 Vorstrafen als erschwerend begründete, ist eine Vorstrafe - aus nicht nachvollziehbaren Gründen - begründungslos weggefallen, was zwangsläufig auch zu einer Herabsetzung der Geldstrafe führen muß, widrigenfalls die Berufungsentscheidung dem Verschlimmerungsverbot nicht entspricht." Dem ist entgegenzuhalten, daß der Beschwerdeführer mit dem erstinstanzlichen Straferkenntnis nicht nur wegen der Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs. 1 StVO 1960, sondern auch wegen der Verwaltungsübertretungen nach § 4 Abs. 1 lit. a und § 4 Abs. 5 leg. cit. bestraft wurde. Wenn die erstinstanzliche Behörde als erschwerend "eine einschlägige Vorstrafe nach § 99

(1) StVO sowie eine Vorstrafe nach § 4 (1) lit. a StVO" gewertet hat, so ist die Berücksichtigung der "Vorstrafe nach § 4 (1) lit. a StVO" nur auf die Bestrafungen wegen der auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Verwaltungsübertretungen nach § 4 Abs. 1 lit. a und § 4 Abs. 5 StVO 1960 (§ 33 Z. 1 StGB in Verbindung mit § 19 Abs. 2 VStG) zu beziehen. Ferner bemängelt der Beschwerdeführer, daß in der Berufungsverhandlung "die zur Beischaffung beantragten Akten genausowenig wie irgendeine Vorstrafenauskunft oder Kartei verlesen oder sonstwie zum Verfahrensgegenstand des Berufungsverfahrens gemacht" worden seien. Dieses Vorbringen vermag der Beschwerde schon deshalb nicht zum Erfolg zu verhelfen, weil es der Beschwerdeführer unterlassen hat, die Relevanz der geltendgemachten Verfahrensmängel im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG darzutun, zumal er das Vorliegen einer Vorstrafe wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 1 StVO 1960 in der Berufung selbst eingeräumt hat. Der Beschwerdeführer zeigt somit nicht auf, daß die belangte Behörde das ihr eingeräumte Ermessen bei der Strafbemessung überschritten hätte; solches vermag auch der Verwaltungsgerichtshof im Hinblick auf den Unrechts- und Schuldgehalt der dem Beschwerdeführer angelasteten Tat unter Berücksichtigung der einschlägigen Vorstrafe und Bedachtnahme auf die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschwerdeführers nicht zu erkennen.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Eine Kostenentscheidung entfiel, da von der belangten Behörde keine Kostenersatz angesprochen wurde.

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