Normen
FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z2;
FrG 1993 §20 Abs1;
KFG 1967 §64 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z2;
FrG 1993 §20 Abs1;
KFG 1967 §64 Abs1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.620,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol (der belangten Behörde) wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 FrG ein Aufenthaltsverbot in der Dauer von fünf Jahren erlassen.
In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde aus, daß der Beschwerdeführer seit 1990 sieben rechtskräftige gerichtliche Verurteilungen aufweise. Die Verurteilungen wegen vorsätzlicher und fahrlässiger Körperverletzung vom 10. April und 6. August 1990 einerseits und wegen Unterschlagung, Verletzung der Unterhaltspflicht und Betrug andererseits erfüllten als mehr als einmalige Verurteilung wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen den Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 vierter Fall FrG. Mit Strafverfügung des Bezirksgerichtes Telfs vom 10. April 1990 sei der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB zu einer bedingten Geldstrafe verurteilt worden, weil er (am 15. Februar 1990) einer namentlich genannten Person (seiner damaligen Lebensgefährtin) mehrere Ohrfeigen versetzt habe, wodurch jene Schwellungen leichten Grades mit Druckschmerzhaftigkeit im Bereich der rechten Schläfe und des Jochbeines erlitten habe.
Am 6. August 1990 sei der Beschwerdeführer vom Bezirksgericht Innsbruck wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs. 1 und Abs. 4 erster Fall StGB zu einer Geldstrafe verurteilt worden, weil er als Lenker eines PKW durch mangelnde Vorsicht und Aufmerksamkeit über den rechten Straßenrand geraten sei und dadurch die im PKW mitfahrenden Personen schwere Körperverletzungen davongetragen hätten.
Vom Bezirksgericht Telfs sei der Beschwerdeführer am 24. Februar 1992 wegen des Vergehens der Unterschlagung nach § 134 StGB zu einer Geldstrafe verurteilt worden, weil er sich am 14. Dezember 1990 ein von ihm gefundenes fremdes Gut mit dem Vorsatz zugeeignet habe, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern.
Das Bezirksgericht Landeck habe den Beschwerdeführer am 12. Juni 1992 wegen des Vergehens des Betruges nach § 146 StGB zu einer Geldstrafe verurteilt, weil der Beschwerdeführer dadurch andere Personen an ihrem Vermögen schädigte, daß er am 7. Jänner 1992 eine namentlich genannte Person durch die Behauptung, Schiausrüstung und -bekleidung zu bezahlen, zur Übergabe von Gegenständen im Wert von S 8.530,-- verleitet habe; Anfang März 1990 habe er eine weitere Person durch die Behauptung, in Kürze wieder über Geld zu verfügen, zur Gewährung eines Darlehens von S 2.500,-- und schließlich am 18. März 1992 eine genannte Person durch die Behauptung, er werde noch bis Ende März für diese Person arbeiten, zur Ausbezahlung eines Vorschusses von S 10.000,--, der mit S 4.442,-- aushafte, verleitet.
Mit Urteil des Bezirksgerichtes Telfs vom 18. März 1993 sei der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Wochen verurteilt worden, wobei der Vollzug der Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen worden sei. Dem Urteil liege zugrunde, daß der Beschwerdeführer von Februar 1992 bis August 1992 sowie von Oktober 1992 bis Jänner 1993 für seine Tochter keinerlei Zahlungen geleistet habe und er dadurch seine Unterhaltspflicht gröblich verletzt und dadurch bewirkt habe, daß der Unterhalt seines Kindes ohne Hilfe von anderer Seite gefährdet gewesen wäre.
Mit Urteil des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 11. August 1993 sei der Beschwerdeführer wiederum wegen des Vergehens des Betruges nach § 146 StGB zu einer Geldstrafe verurteilt worden, weil er am 21. November 1992 gegenüber einem Tankstellenpächter seine Zahlungswilligkeit und Zahlungsfähigkeit vorgetäuscht habe und diesen zur Durchführung mehrerer Arbeiten verleitet habe, wodurch dem Tankstellenpächter ein Schaden von S 2.263,-- entstanden sei und darüber hinaus der Beschwerdeführer am 8. Februar 1993 durch Nicht- bzw. Falschbonierungen und Einbehalten der entsprechenden Geldbeträge seinen damaligen Arbeitgeber in unbestimmter Höhe geschädigt habe.
Mit weiterem Urteil des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 3. April 1995 sei der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des Betruges nach § 146 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von einem Monat verurteilt worden. Dieser Verurteilung liege zugrunde, daß der Beschwerdeführer unter Vortäuschung seiner Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit andere zu Handlungen verleitet habe, die sie am Vermögen geschädigt hätten und zwar indem er am 28. Juni 1993 einen Verfügungsberechtigten eines Elektrogeschäftes zur Überlassung einer Waschmaschine und eines Staubsaugers, wobei ein Schaden in Höhe von S 3.639,-- eingetreten sei, im Oktober 1993 eine namentlich genannte Person zur Überlassung eines Darlehens in Höhe von S 15.400,-- und im Dezember 1993 wiederum eine namentlich genannte Person zur Zuzählung eines Darlehens in Höhe von S 4.000,-- verleitet habe.
Das Verwaltungsstrafregister des Beschwerdeführers enthalte seit 1990 eine Vielzahl von rechtskräftigen Bestrafungen wegen Übertretungen der Straßenverkehrsordnung und des KFG, zuletzt am 9. Jänner 1996 wegen Übertretung des § 64 Abs. 1 KFG zu einer Geldstrafe von S 5.000,--.
In der Häufigkeit und Schwere der Übertretungen des Beschwerdeführers komme deutlich seine negative Einstellung gegenüber den österreichischen Rechtsvorschriften zum Ausdruck. Der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers stelle eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit dar.
Das Aufenthaltsverbot stelle einen schweren Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers dar. Dieser Eingriff sei aber im Hinblick auf die aus den Übertretungen des Beschwerdeführers ersichtlichen Neigung zu Straftaten zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele des Schutzes der öffentlichen Ordnung, zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen und zum Schutz der Grundrechte anderer dringend geboten.
Die Kriterien des § 20 Abs. 1 FrG seien beim Beschwerdeführer in einem hohen Ausmaß erfüllt. Der Beschwerdeführer halte sich erlaubterweise seit etwa Mitte der Siebziger Jahre im Bundesgebiet auf und gehe einer erlaubten Arbeit (seit Mai 1995 als Hausmeister in einem Hotel) nach. Die Eltern des Beschwerdeführers seien seit ca. 20 Jahren erlaubterweise als Gastarbeiter in Österreich. Es bestehe eine intensive Bindung des Beschwerdeführers zu seiner Familie. Auch zwei Brüder des Beschwerdeführers lebten erlaubterweise im Bundesgebiet.
Der Beschwerdeführer habe zwei minderjährige Kinder im Bundesgebiet, für die er unterhaltspflichtig sei. Er lebe mit den Müttern dieser Kinder jedoch nicht im gemeinsamen Haushalt. Seit ca. zwei Jahren lebe der Beschwerdeführer mit einer österreichischen Staatsbürgerin in Lebensgemeinschaft, die Hochzeit und gemeinsame Kinder seien geplant. Es sei daher von einer dementsprechenden großen Integration des Beschwerdeführers auszugehen, wobei die soziale Komponente dieser Integration aufgrund seiner unzähligen Straftaten seit 1990 dennoch beeinträchtigt sei. Diese persönlichen und privaten Interessen des Beschwerdeführers wögen im Hinblick auf den seit 1990 zutage getretenen Hang zu Straftaten nicht schwerer als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes. Zu bedenken sei, daß die vom Beschwerdeführer konkret ausgehende große Gefahr für die Grundrechte anderer (z.B. auch Vermögen) für völlig unbeteiligte Dritte bestehe. Das Gewicht der privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers am weiteren Aufenthalt wöge daher höchstens gleich schwer wie die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes, sodaß die Erlassung desselben auch im Grunde des § 20 Abs. 1 FrG zulässig sei.
Der Hinderungsgrund des § 20 Abs. 2 FrG liege nicht vor. Die Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes im Sinne des § 20 Abs. 2 FrG bestehe in der fünfmaligen rechtskräftigen Verurteilung wegen Vermögensdelikten in den Jahren 1992, 1993 und 1995. Bereits vor Verwirklichung dieses Zeitpunktes sei beim Beschwerdeführer der Aufenthaltsverbotsgrund des § 18 Abs. 2 Z. 1 vierter Fall FrG vorgelegen. Es liege das Verleihungshindernis des § 10 Abs. 1 Z. 6 Staatsbürgerschaftsgesetz vor, sodaß die Erlassung des Aufenthaltsverbotes auch im Grunde des § 20 Abs. 2 FrG zulässig sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die der Sache nach Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer meint, die Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 FrG seien gegeben, weil ihm vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes jedenfalls die Staatsbürgerschaft hätte verliehen werden können. Er habe sich bereits vor der ersten Straftat im Jahre 1990 vierzehn Jahre lang im Inland aufgehalten und sei zu diesem Zeitpunkt unbescholten gewesen.
Mit diesem Vorbringen kann der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzeigen. Die belangte Behörde hat als maßgeblichen Sachverhalt im Sinne des § 20 Abs. 2 FrG die den fünf rechtskräftigen Verurteilungen des Beschwerdeführers wegen Vermögensdelikten in den Jahren 1992, 1993 und 1995 zugrundeliegenden strafbaren Handlungen angenommen. Die vor Verwirklichung dieses Sachverhaltes erfolgten gerichtlichen Verurteilungen und verwaltungsbehördlichen Bestrafungen wurden als Verleihungshindernis im Sinne des § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG angesehen. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 19. Juni 1996, Zl. 95/21/0132, m.w.N.) dürfen als für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes "maßgeblicher Sachverhalt" im Sinne des § 20 Abs. 2 FrG nur solche Umstände herangezogen werden, die zu einem Zeitpunkt eingetreten sind, in welchem der Fremde die Voraussetzungen für die Verleihung der Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 StbG nicht mehr erfüllt hat. Bei Fremden, die die Voraussetzungen für die Verleihung der Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 StbG erfüllt haben, ist gemäß § 20 Abs. 2 FrG die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes daher nur dann zulässig, wenn es bei Anwendung der §§ 18 bis 20 Abs. 1 FrG auch unter Außerachtlassung jener Umstände verhängt werden dürfte, die zum Wegfall der Voraussetzungen für die Verleihung der Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 StbG geführt haben. Andererseits kann dieser maßgebliche Sachverhalt wiederum nicht als Verleihungshindernis im Sinne des Staatsbürgerschaftsgesetzes herangezogen werden (so etwa mißverständlich die belangte Behörde in Seite 5 des Bescheides). Die im Bescheid angeführten beiden rechtskräftigen Verurteilungen des Beschwerdeführers im Jahre 1990 und die bis zur Begehung der strafbaren Handlungen, die den folgenden gerichtlichen Verurteilungen zugrundelagen - das ist der 14. Dezember 1991 - erfolgten verwaltungsbehördlichen Bestrafungen in neun Fällen sind von der belangten Behörde zu Recht als Verleihungshindernis gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG gewertet worden. Die nach diesem Fehlverhalten gesetzten strafbaren Handlungen, die zu den fünf rechtskräftigen Verurteilungen durch die genannten Gerichte und zu weiteren verwaltungsbehördlichen Bestrafungen geführt haben, reichten bei Zugrundelegung der §§ 18 und 19 FrG zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes aus. Der Beschwerdeführer bringt gegen die - zutreffende - Auffassung der belangten Behörde, daß durch diese genannten gerichtlichen Verurteilungen und die der Art und Zahl nach angeführten verwaltungsbehördlichen Bestrafungen der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 verwirklicht, die in § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt und die Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 19 zulässig ist, nichts vor. Auch der Verwaltungsgerichtshof hegt dagegen keine Bedenken.
Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung hat die belangte Behörde die für die Vornahme einer Interessenabwägung gemäß § 20 Abs. 1 FrG notwendigen Tatumstände festgestellt. Der Beschwerdeführer bekämpft aber zu Recht die im Grunde des § 20 Abs. 1 FrG vorgenommene Interessenabwägung. Gemäß § 20 Abs. 1 FrG darf ein Aufenthaltsverbot nicht erlassen werden, wenn seine Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung. Bei dieser Abwägung ist auf folgende Umstände Bedacht zu nehmen:
- 1. die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen;
- 2. die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen.
Um dennoch ein Aufenthaltsverbot gegen den Beschwerdeführer erlassen zu können, müßten aufgrund der im § 20 Abs. 1 FrG enthaltenen Regelung die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes zumindest gleich schwer wiegen. Ausgehend von den im Bescheid festgestellten privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet kann nicht gesagt werden, daß der vom Beschwerdeführer für die öffentliche Ordnung und Sicherheit ausgehenden Gefahr ein solches Gewicht zukommt wie den Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers. Der Beschwerdeführer setzte seine letzte strafbare Handlung, die zu einer gerichtlichen Verurteilung führte, im Dezember 1993. Etwa seit diesem Zeitpunkt lebt der Beschwerdeführer nach den Feststellungen mit einer österreichischen Staatsangehörigen in Lebensgemeinschaft und ist gerichtlich nicht mehr straffällig geworden. Die im Jänner 1996 erfolgte Bestrafung wegen Übertretung des § 64 Abs. 1 KFG hat nicht dieses Gewicht, das ihr von der Behörde zugemessen wird. Nach Ausweis der vorgelegten Akten verfügte der Beschwerdeführer bis 10. Oktober 1995 über einen befristeten Führerschein und versäumte lediglich die Antragstellung für die Neuausstellung, zu der es am 13. November 1995 gekommen ist. Den privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers kommt daher aufgrund seines bereits über 20-jährigen Aufenthaltes im Bundesgebiet ein größeres Gewicht zu als den gegenläufigen öffentlichen Interessen an der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes.
Aus diesen Gründen belastete die belangte Behörde ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Der angefochtene Bescheid war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht im Rahmen des geltend gemachten Anspruches auf den §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)