VwGH 96/21/0393

VwGH96/21/039317.12.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Julcher, über die Beschwerde der SD (geboren am 18. September 1974), vertreten durch

Dr. Robert Galler, Rechtsanwalt in Salzburg, Künstlerhausgasse 1, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg vom 6. März 1996, Zl. Fr-6182/1/95, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §58 Abs2;
FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z2;
EMRK Art8 Abs2;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §58 Abs2;
FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z2;
EMRK Art8 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.740,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die vorliegende Beschwerde ist gegen einen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg vom 6. März 1996 gerichtet, mit welchem gegen die Beschwerdeführerin, eine tschechische Staatsbürgerin, gemäß § 18 Abs. 1 Z. 1 und 2 und Abs. 2 Z. 2 i.V.m. §§ 19 und 20 des Fremdengesetzes (FrG) ein mit fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen wurde. Diese Entscheidung wurde im wesentlichen damit begründet, daß die Beschwerdeführerin ihren eigenen Angaben zufolge am 7. September 1995 in das österreichische Bundesgebiet eingereist sei und sich durchgehend bis zum Zeitpunkt einer Niederschrift beim Gendarmerieposten Saalfelden am 5. Oktober 1995 dort im "Haus Jasmin" aufgehalten habe. Für diesen Zeitraum sei eine ordnungsgemäße Anmeldung beim Gemeindeamt Saalfelden erfolgt. An der genannten Adresse habe sich die Beschwerdeführerin ihrer eigenen Angabe zufolge bereits ein halbes Jahr zuvor für eine Woche aufgehalten. Diese Angabe entspreche nicht den Tatsachen, weil die Beschwerdeführerin aufgrund von mehreren fremdenpolizeilichen Kontrollen auch z.B. am 2. November 1994 und am 28. Mai 1995 an eben derselben Adresse angetroffen worden sei. Wegen dieser Umstände seien zwei rechtskräftige Bestrafungen nach dem Meldegesetz durch die Bezirkshauptmannschaft Zell am See erfolgt. Ebenso sei bereits im Jahre 1994 eine rechtskräftige Bestrafung nach dem Meldegesetz durch die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck erfolgt. Bei drei rechtskräftigen Bestrafungen nach dem Meldegesetz sei der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG erfüllt, ohne daß es dazu noch weiterer Erhebungen bedürfe. Zwar habe die Beschwerdeführerin in ihrer Berufung ausgeführt, derartige Bescheide seien ihr niemals zugestellt worden. Nach der Aktenlage habe die Beschwerdeführerin ihre Abgabestelle gemäß § 4 Zustellgesetz jedoch seit Mai 1995 über einen längeren Zeitraum hinweg nicht verlassen. Die diesbezüglichen Bestrafungen seien rechtskräftig. Auch sei eine rechtskräftige Bestrafung wegen einer Übertretung nach dem Fremdengesetz deswegen erfolgt, weil die Beschwerdeführerin in das österreichische Bundesgebiet zur Arbeitsaufnahme eingereist sei, ohne im Besitz eines gültigen Sichtvermerkes zu sein. Jenen Bestimmungen, welche die Ein- und Ausreise bzw. den Aufenthalt von Fremden regelten, komme im Interesse der öffentlichen Sicherheit ein hoher Stellenwert zu. Der Entscheidung über das Aufenthaltsverbot sei das Gesamtverhalten der Beschwerdeführerin zugrundegelegt worden. Insgesamt drei

rechtskräftige Bestrafungen nach dem Meldegesetz und eine

rechtskräftige Bestrafung nach dem Fremdengesetz zeigten, daß sie nicht gewillt sei, sich der österreichischen Rechtsordnung anzupassen. Demnach sei die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe und Ordnung unbedingt geboten. Die Beschwerdeführerin habe keinerlei familiäre Bindungen zu Österreich; durch die Erlassung des Aufenthaltsverbotes werde daher in ihr Privat- oder Familienleben nicht eingegriffen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid der Behörde erster Instanz auch insoferne abgewiesen, als durch diese der Berufung die aufschiebende Wirkung aberkannt worden war. Insoferne wurde der angefochtene Bescheid damit begründet, daß die vorzeitige Vollstreckung des Aufenthaltsverbotes im Interesse des öffentlichen Wohles wegen Gefahr im Verzuge im Hinblick auf das von der Beschwerdeführerin gesetzte strafbare Verhalten und den damit verbundenen illegalen Aufenthalt dringend geboten sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit welcher die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt wird.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin hält den angefochtenen Bescheid deswegen für rechtswidrig, weil ihr Bescheide, mit welchen sie wegen Übertretungen des Meldegesetzes bestraft worden wäre, nicht zugestellt worden seien. Sie habe bereits in ihrer Berufung ausgeführt, daß derartige Bescheide gegen sie nicht erlassen worden wären, diesbezüglich sei der angefochtene Bescheid de facto ohne Ermittlungsergebnisse erlassen worden. Auch sei von ihr niemals eine Sicherheitsleistung erlegt und sei sie zu den behaupteten rechtskräftigen Verurteilungen nach dem Meldegesetz nicht vernommen worden. Das Verfahren sei auch deswegen mangelhaft, weil ihrer Vernehmung vom 10. Jänner 1996 vor der Bezirkshauptmannschaft Zell am See kein Dolmetsch beigezogen worden sei, obgleich sie der deutschen Sprache nicht mächtig sei.

Damit zeigt die Beschwerdeführerin im Ergebnis einen relevanten Verfahrensmangel auf: Die belangte Behörde ist im vorliegenden Fall nämlich nicht auf mängelfreie Weise zu dem Schluß gekommen, daß im Falle der Beschwerdeführerin der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG erfüllt sei. Die Beschwerdeführerin läßt die Feststellungen der belangten Behörde zwar insoferne unbestritten, als darin ausgeführt wird, sie sei einmal wegen einer Übertretung nach dem Fremdengesetz bestraft worden. Bezüglich der übrigen, im angefochtenen Bescheid festgestellten Bestrafungen der Beschwerdeführerin hat diese bereits in ihrer Berufung ausgeführt, derartige Bescheide seien ihr nicht zugestellt worden. Die belangte Behörde hätte es im Verwaltungsverfahren daher nicht mit einer bloßen Einsicht in das Verwaltungsstrafregister sowie in der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht mit einem bloßen Hinweis auf die Anwesenheit der Beschwerdeführerin bei ihrer Abgabestelle, wo sie Schriftstücke empfangen habe können, sein Bewenden lassen dürfen. Sie hätte vielmehr konkrete Erhebungen dahingehend anstellen müssen, ob die von ihr angesprochenen Strafbescheide der Beschwerdeführerin rechtswirksam zugestellt worden sind.

Der angefochtene Bescheid ist aber auch insoferne rechtswidrig, als die belangte Behörde nicht ausreichend begründet hat, aufgrund welcher bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt sei, daß der Aufenthalt der Beschwerdeführerin die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährde oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderlaufe. Voraussetzung für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes ist nach § 18 Abs. 1 FrG nämlich die auf bestimmte Tatsachen gegründete Prognose, daß der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit oder die in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen erheblich gefährdet. § 18 Abs. 1 FrG ordnet an, daß eine Beurteilung dahingehend vorzunehmen ist, ob in concreto die umschriebene Annahme in Form einer Gefährlichkeitsprognose gerechtfertigt ist, wobei hiefür nicht nur das Vorliegen von rechtskräftigen Bestrafungen oder Verurteilungen, sondern das diesen zugrundeliegende Verhalten des Fremden maßgeblich ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 12. März 1997, Zl. 95/21/1032). Auch damit hat sich die belangte Behörde nicht ausreichend auseinandergesetzt. Im übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 41 Abs. 1 VwGG den angefochtenen Bescheid aufgrund des von der belangten Behörde angenommenen Sachverhaltes zu überprüfen.

Der angefochtene Bescheid ist auch insoferne rechtswidrig, als durch ihn der Ausspruch der Behörde erster Instanz bestätigt wurde, daß einer Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid gemäß § 64 Abs. 2 AVG die aufschiebende Wirkung aberkannt werde. Weder im Bescheid der Behörde erster Instanz noch im angefochtenen Bescheid wurde nämlich begründet, aus welchen konkreten Gründen die vorzeitige Vollstreckung im Interesse des öffentlichen Wohles wegen Gefahr im Verzug dringend geboten sei.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war im Hinblick darauf abzuweisen, daß in den in der genannten Verordnung angegebenen Pauschalbeträgen die Umsatzsteuer bereits enthalten ist.

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