VwGH 96/12/0075

VwGH96/12/007517.12.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Germ, Dr. Höß, Dr. Riedinger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde des I in W, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Dr. Peter Ringhofer, Dr. Martin Riedl und Dr. Georg Riedl, Rechtsanwälte in Wien I, Franz Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 29. Jänner 1996, Zl. 103.936/1-Pr/A/3/96, betreffend Anrechnung von Karenzurlaubszeiten, zu Recht erkannt:

Normen

BDG 1979 §75 Abs2;
BDG 1979 §75 Abs3 idF 1990/447;
B-VG Art130 Abs2;
BDG 1979 §75 Abs2;
BDG 1979 §75 Abs3 idF 1990/447;
B-VG Art130 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.800,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht als Rat in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund; seine Dienststelle ist das Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten, bei dem er in der Energiesektion tätig ist.

Seit 14. September 1992 ist der Beschwerdeführer als Mitarbeiter in der Energieverwertungsagentur (EVA) karenziert; für den ersten Bewilligungszeitraum bis 13. September 1995 wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 25. November 1992 gemäß § 75 Abs. 3 BDG 1979 verfügt, daß die gemäß Abs. 2 der genannten Bestimmung verbundenen Folgen mit diesem Karenzurlaub nicht eintreten. Die Begründung dieses Bescheides enthielt keine Angaben über die Tatsachengrundlage, sondern nur die rechtliche Bemerkung, daß andere als private Interessen für die Karenzurlaubsgewährung maßgeblich gewesen seien und berücksichtigungswürdige Gründe vorlägen und daß der Bundeskanzler sowie der Bundesminister für Finanzen der Nachsichterteilung zugestimmt hätten.

Mit Eingabe vom 31. Mai 1995 ersuchte der Beschwerdeführer um Verlängerung seines Karenzurlaubes bis 13. September 1997 und neuerliche Verfügung im Sinne des § 75 Abs. 3 BDG 1979.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 26. Juli 1995 wurde die Verlängerung des Karenzurlaubes antragsgemäß bewilligt, mit dem angefochtenen Bescheid der Antrag auf Verfügung gemäß § 75 Abs. 3 BDG 1979 aber abgewiesen.

Zur Begründung gibt die belangte Behörde vorerst den Antrag des Beschwerdeführers wieder. Demnach habe der Beschwerdeführer vorgebracht, seine Tätigkeit bei der EVA liege im öffentlichen Interesse. Dies ergebe sich formal aus der Mitgliederstruktur, insbesondere aus der Tatsache, daß sich das Präsidium aus dem Bundekanzler, dem Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten sowie dem Vorsitzenden der Landeshauptleutekonferenz zusammensetze. Daraus wäre ersichtlich, daß andere als private Interessen maßgebend seien und berücksichtigungswürdige Gründe vorliegen würden. Materiell ergebe sich ein öffentliches Interesse eindeutig aus der konkreten Tätigkeit bei der EVA, welche im überwiegenden Ausmaß die Unterstützung von Bundesdienststellen umfasse.

Diesbezüglich habe der Beschwerdeführer insbesondere die Erstellung diverser Studien und von Wirtschaftlichkeitsberechnungen angeführt, welche als Grundlage für die Stellungnahme der österreichischen Bundesregierung zum Atomkraftwerk Mochovce dienten, die Ausarbeitung von Arbeitsunterlagen für das Bundesministerium für Finanzen, die Erstellung einer energiewirtschaftlichen Analyse von alternativen Stromerzeugungsprojekten zum Atomkraftwerk Temelin, vorbereitende Arbeiten zur Programmbegleitung der EU-Programme "SAVE" und "ALTENER" sowie die Mitarbeit an einer Studie hinsichtlich der Energieeffizienzsteigerung in der tschechischen und slowakischen Republik. Darüber hinaus wäre der Beschwerdeführer mit Beginn des Jahres 1995 innerhalb der EVA mit der Leitung des Bereiches "Umsetzung" betraut worden, wodurch es ihm - auf Grund der Erfahrungen in der öffentlichen Verwaltung - möglich wäre, bei der Bearbeitung der Aufträge in den von ihm geleiteten Bereichen bestmöglich den Interessen und Notwendigkeiten der Auftraggeber, die zum Großteil aus dem öffentlichen Bereich kommen würden, zu entsprechen. Daraus ließen sich insbesondere deshalb berücksichtigungswürdige Gründe für eine Verlängerung des Karenzurlaubes ableiten, weil ein vorzeitiger Abbruch dieser Aufbauarbeiten für die Öffentlichkeit von geringem Nutzen wäre.

Der beantragten Verlängerung des Karenzurlaubes sei - so die belangte Behörde weiter in der Begründung des angefochtenen Bescheides - mit Bescheid vom 26. Juli 1995 mit der Maßgabe stattgegeben worden, daß der Antrag hinsichtlich einer Verfügung gemäß § 75 Abs. 3 BDG 1979 einer gesonderten Erledigung vorbehalten geblieben sei. Gleichzeitig sei dem Beschwerdeführer im Rahmen des Parteiengehörs Gelegenheit gegeben worden, die Gründe für die von ihm beantragte Verfügung gemäß § 75 Abs. 3 BDG 1979 darzulegen. Hievon habe der Beschwerdeführer Gebrauch gemacht, seine bereits dargelegten Argumente neuerlich vorgebracht und zusammenfassend ausgeführt, daß er im Rahmen des nunmehr verlängerten Karenzurlaubes Aufgaben durchführe, für die bereits mit Bescheid vom 25. November 1992 verfügt worden wäre, daß dafür andere als private Interessen maßgebend seien und berücksichtigungswürdige Gründe vorliegen würden. Hiezu komme ein zukünftig höherer Grad der Verantwortung und der Steuerungsmöglichkeit durch den Beschwerdeführer in Form der Bereichs- bzw. Projektleistung. Dies lasse sich insbesondere anhand der von ihm mit September 1995 übernommenen Aufträge, nämlich dem Aufbau einer "Energiepartnerschaft" zwischen Österreich und der slowakischen Republik im Auftrag des Bundeskanzleramtes sowie einer Untersuchung der "Regulierung leitungsgebundener Branchen am Beispiel der Elektrizitätswirtschaft" in der Europäischen Union und den USA im Auftrag des Bundesministeriums für öffentliche Wirtschaft und Verkehr dokumentieren.

Nach Wiedergabe der Rechtslage führt die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides im wesentlichen weiter aus, dem vom Beschwerdeführer behaupteten Vorliegen eines öffentlichen Interesses, das sich formal aus der Mitgliederstruktur der EVA sowie materiell aus seiner konkreten Tätigkeit bei der genannten Institution ergebe, könne insofern "keine Folge gegeben werden", als dem unbestimmten Gesetzesbegriff "öffentliches Interesse" nach der Judikatur der Höchstgerichte des öffentlichen Rechts normativer Charakter zukomme. Der konkrete Gehalt, der einem unbestimmten Gesetzesbegriff in einem Zusammenhang zukomme, könne nicht durch einen von Beweggründen geleiteten Willensakt einer Behörde festgelegt, sondern nur durch eine von den Gesetzen der Logik beherrschten Gedankenoperation, durch Auslegung, ermittelt werden, die, wie jede wissenschaftliche Tätigkeit, unter der Richtigkeit im Sinne eines zureichenden Erkenntnisgrundes stehe. Bei der Auslegung eines unbestimmten Gesetzesbegriffes sei daher in erster Linie das anzuwendende Gesetz heranzuziehen. Das bedeute, daß für die Auslegung des Begriffes "öffentliches Interesse" im Sinne der dienstrechtlichen Vorschriften nicht irgendein tatsächliches oder fingiertes Interesse der Öffentlichkeit (Allgemeinheit) oder eines Teiles dieser maßgebend sein könne, sondern daß der Inhalt des gegenständlichen Begriffes aus dem Zusammenhang der dienstrechtlichen Vorschriften ermittelt werden müsse.

Im Rahmen des seinerzeitigen Arbeitsplatzes des Beschwerdeführers im Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten sei er mit folgenden Aufgaben befaßt gewesen:

Daraus sei ersichtlich, daß die vom Beschwerdeführer angeführten Tätigkeiten bei der EVA bei einer Gegenüberstellung mit dem konkreten, auf seinem Arbeitsplatz im Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten wahrzunehmenden Aufgaben nicht jene Deckung fänden, wie dies das Vorliegen eines vom Beschwerdeführer behaupteten öffentlichen Interesses erfordern würde. Da das Vorliegen der vom Beschwerdeführer darüber hinaus angeführten berücksichtigungswürdigen Gründe sich einerseits im Bestehen eines "öffentlichen Interesses" gründe, andererseits die Wahrnehmung des neuen Aufgabengebietes des Beschwerdeführers im Bereich der EVA nicht an eine Verfügung gemäß Abs. 3 der genannten Bestimmung gebunden sei, könne auch hier keine Voraussetzung für die beantragte Personalmaßnahme gesehen werden. Auch der Hinweis des Beschwerdeführers in seiner Stellungnahme vom 22. August 1995, wonach er im Rahmen des Bescheides vom "26. November 1995" (richtig wohl: 26. Juli 1995) verlängerten Karenzurlaubes Aufgaben durchführe, für die bereits mit Bescheid vom 25. November 1992 verfügt worden wäre, daß andere als private Interessen maßgebend und berücksichtigungswürdige Gründe vorliegen würden, sei nicht dazu geeignet, die in Rede stehende Maßnahme gerechtfertigt erscheinen zu lassen. Diese Feststellung gründe sich vor allem auf den Umstand, daß nach Ablauf eines Zeitraumes von mehr als drei Jahren, in welchem der Beschwerdeführer bei der EVA tätig gewesen sei, ein weiterer "Zugewinn" an Erfahrungen und Tätigkeiten außerhalb des Bundesdienstes - wie dies anläßlich der erstmaligen Karenzierung des Beschwerdeführers im Jahre 1992 nicht von vornherein ausgeschlossen habe werden können - nicht mehr in dem vom Gesetzgeber geforderten überwiegenden Ausmaß gegeben sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der kostenpflichtige Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt wird.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verfahrens (- verspätet -) vorgelegt, keine Gegenschrift erstattet und keinen Kostenantrag gestellt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Beschwerdefall ist § 75 BDG 1979 in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 61/1997 anzuwenden.

§ 75 BDG 1979, BGBl. Nr. 333 (Abs. 3 in der Fassung der BDG-Novelle 1990, BGBl. Nr. 447; Abs. 6 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 24/1991), lautet auszugsweise:

"(1) Dem Beamten kann auf sein Ansuchen ein Urlaub unter Entfall der Bezüge (Karenzurlaub) gewährt werden, sofern nicht zwingende dienstliche Gründe entgegenstehen.

(2) Die Zeit des Karenzurlaubes ist für Rechte, die von der Dauer des Dienstverhältnisses abhängen, nicht zu berücksichtigen, soweit in den Besoldungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist.

(3) Sind für die Gewährung eines Karenzurlaubes andere als private Interessen des Beamten maßgebend und liegen berücksichtigungswürdige Gründe vor, so kann die zuständige Zentralstelle mit Zustimmung des Bundeskanzlers und des Bundesministers für Finanzen verfügen, daß die gemäß Abs. 2 mit der Gewährung des Karenzurlaubes verbundenen Folgen nicht oder nicht im vollen Umfang eintreten."

Der Beschwerdeführer sieht sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht auf (gesetzmäßige Entscheidung über die) Berücksichtigung der Zeit eines Karenzurlaubes für die von der Dauer des Dienstverhältnisses abhängigen Rechte nach § 75 Abs. 2 und 3 BDG 1979 durch unrichtige Anwendung dieser Normen sowie der Vorschriften über die Sachverhaltsermittlung, das Parteiengehör und die Bescheidbegründung verletzt.

Er bringt als Rechtswidrigkeit im wesentlichen vor, der angefochtene Bescheid enthalte keine Angaben hinsichtlich der Bedeutung der EVA für die öffentliche Verwaltung. Es werde keine Relation zwischen seinem "Beamtenarbeitsplatz" und seiner Verwendung in der EVA hergestellt. Aus der Arbeitsplatzbeschreibung gehe hervor, daß für die Beamtentätigkeit die Befassung mit dem auf biochemischer Grundlage beruhenden Energiesektor vorgesehen sei, also von solchen Energieträgern, die auf fossilen Brennstoffen (Kohle, Erdöl, Gas) und auf der Biomasse beruhten. Andererseits betreffe der Teil der EVA-Verwendung des Beschwerdeführers, welchen die belangte Behörde in ihrer ausschnittsweisen Wiedergabe des Vorbringens des Beschwerdeführers erwähnte, hauptsächlich die Elektrizität, speziell auch die Atomkraftwerke Mochovce und Temelin. Möglicherweise sei daher die Auffassung der belangten Behörde, es bestehe zwischen den beiden Aufgabengebieten keine ausreichende Übereinstimmung (Deckung) auf die Annahme zurückzuführen, daß der Beschwerdeführer bei der EVA immer mit elektrischer Energie zu tun habe, während seine Agenden am "Beamtenarbeitsplatz" die biochemischen Energieformen beträfen. Eine solche Betrachtungsweise sei jedoch verfehlt, weil ein großer Teil des elektrischen Stromes - vor allem in Zeiten des erhöhten Bedarfes - mit Hilfe von fossilen Brennstoffen erzeugt werde und diese Erzeugungsart (in Verbindung mit der fortgeschrittenen Technologie zur Reinigung der Abgase) regelmäßig als Alternative für die Atomstromerzeugung in Frage komme. Die einzige andere derzeit in wirtschaftlichen Dimensionen zur Verfügung stehende Alternative der Wasserkraft stehe auf Grund der natürlichen Gegebenheiten nicht oder nur beschränkt zur Verfügung oder stoße auch ihrerseits auf ökologische bzw. naturschützerische Bedenken. Wenn daher entsprechend dem Vorbringen des Beschwerdeführers in der Bescheidbegründung die alternativen Stromerzeugungsprojekte zum Atomkraftwerk Temelin angeführt würden, so sei es von vornherein klar, daß es hiebei auch um die Verwertung von fossilen Brennstoffen gehe. Unerwähnt lasse die belangte Behörde das Vorbringen des Beschwerdeführers über die Hauptaufgaben im Rahmen des von ihm geleiteten Bereiches "Umsetzung" in der EVA. Hätte sie diesem Vorbringen Beachtung geschenkt, so hätte sie erkennen müssen, daß hier erst recht eine weitgehende Übereinstimmung mit den Agenden des "Beamtenarbeitsplatzes" bestehe. Wenn letzteren Agenden etwa die Schaffung systematischer Übersichten über die für die energiepolitischen Zielsetzungen relevanten preis- und versorgungspolitischen Strukturen zukomme, weiters Versorgungsmodelle und energiepolitische Zielsetzungen sowie Zielstrategien hinsichtlich Forschung und Entwicklung auf dem Gebiet der Brenn- und Treibstoffwirtschaft zu erstellen seien, so sei unmittelbar die Bedeutung ersichtlich, die für eine solche Tätigkeit die intensive Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten des Energiesparens sowie der Alternativen bezüglich der Erzeugung und des Einsatzes von Energie zukomme. Gleiches gelte für eine Reihe weiterer Einzelagenden des "Beamtenarbeitsplatzes", aber auch für diesen insgesamt, sodaß sich in sachgemäßer Betrachtungsweise ganz eindeutig ergeben hätte, in welch hohem Maße die EVA-Verwendung des Beschwerdeführers geeignet sei, in konkreter technisch-projektbezogener Arbeit Kenntnisse und Erfahrungen zu erwerben, die von essentieller Bedeutung für die planende Tätigkeit auf dem "Beamtenarbeitsplatz" seien. Dies umsomehr, als noch hinzukomme, daß die Tätigkeit des Beschwerdeführers in einer leitender Stellung erst 1995 begonnen habe, sodaß der daraus resultierende Ausbildungseffekt für seine künftige Weiterverwendung als Beamter auf dem derzeitigen - oder auch auf einem anderen - Arbeitsplatz weiterhin gegeben sei. Im übrigen sei aus rechtlicher Sicht nicht nur dieser Zusammenhang zwischen den beiden Aufgabenkomplexen maßgeblich. Davon ausgehend wäre die nähere Darstellung der EVA und der dortigen Verwendung des Beschwerdeführers aus dem Blickwinkel der öffentlichen Interessen erforderlich gewesen. Schon die Zusammensetzung des Präsidiums und des Vorstandes der EVA zeige die öffentliche Bedeutung, weil das Präsidium aus dem Bundeskanzler, dem Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten und dem Vorsitzenden der Landeshauptleutekonferenz bestehe. Der Vorstand sei aus den Präsidiumsmitgliedern, dem Landeshauptmann für Tirol und einer Reihe wichtiger Institutionen in der Spannbreite des Vereines für Konsumentenschutz bis zur OMV zusammengesetzt. Im Energiebericht der österreichischen Bundesregierung aus dem Jahre 1993 sei ausgeführt worden, daß sich die Bundesregierung der EVA als zentraler energiepolitischen Anlaufstelle und Umsetzungshilfe bedienen wolle und daß ihr (nach erfolgter Reorganisation) sowohl bei der Erstellung und Realisierung von Energiekonzepten, insbesondere aber auch in der Kooperation mit analogen Einrichtungen auf Landesebene und bei Erbringung von energiebezogenen Informationsdienstleistungen eine wichtige Funktion zukomme. Die EVA sei dementsprechend ein Instrument der Energiepolitik, ein Bindeglied zwischen Verwaltung, Ökonomie und Ökologie, in dieser zentralen Stellung einzigartig und von dementsprechend erstrangiger Bedeutung für das gesamte Energiewesen.

Daß die belangte Behörde das öffentliche Interesse an der "Karenzurlaubsgewährung" in Verbindung mit der Verwendung des Beschwerdeführers bei der EVA verneine, sei nicht nur zweifellos unrichtig, sondern auch geradezu unverständlich. Allein die vorher dargestellte Bedeutung der EVA in ihrer Gesamtheit habe bereits zwingend das öffentliche Interesse an der Karenzurlaubsgewährung zur Folge. Dies zumindest unter der Voraussetzung, daß der Beschwerdeführer dort bereits eine substantielle Arbeit leiste, die für die Tätigkeit der EVA relevant sei. Daß der Beschwerdeführer bei der EVA auch ganz konkret eine aus der öffentlichen Interessenssicht wertvolle Arbeit leiste, könne keine Frage sein. In bezug auf die von ihm ins Treffen geführten Einzelprojekte, wie diejenigen betreffend Mochovce und Temelin, erscheine angesichts der breiten öffentlichen Diskussion keinerlei weitere Erörterung erforderlich. Bezüglich der EU-Programme "SAVE" und "ALTENER" mit ihrer Bedeutung für die Ausschöpfung von Förderungsmitteln zugunsten österreichischer Projekte sei das öffentliche Interesse ebenfalls ganz klar gegeben und auch was die Energiewirtschaft und deren Effizienzsteigerung in Tschechien sowie in der slowakischen Republik betreffe, liege das österreichische Interesse auf der Hand. Hinsichtlich der Tätigkeit des Beschwerdeführers als Leiter des Bereiches "Umsetzung" liege die öffentliche Bedeutung gleichfalls auf der Hand. Hier werde auf das Energiesparen gezielt, das sich selbstverständlich nicht auf elektrischen Strom beschränke, sondern auch die anderen Energieformen umfasse. Obwohl die Meinungen darüber auseinandergingen, was durch derartige Maßnahmen realistischerweise erreichbar sei, stehe doch unzweifelhaft ein Potential im Ausmaß von volkswirtschaftlichen Dimensionen fest. Daß hier überhaupt eine rechtliche Auseinandersetzung in der gegebenen Konstellation zu erfolgen habe, sei die Folge eines Systemmankos. Ein Aufgeben der im öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis erworbenen Rechtsstellung durch Austritt aus diesem Dienstverhältnis sei dem Einzelnen kaum zumutbar. Es müsse daher zu einer Hilfskonstruktion mit Karenzurlaub im Sinne der gegenständlichen Vorgangsweise Zuflucht genommen werden. Umsomehr sei es angebracht, in dem so vorgegebenen Rahmen wenigstens weitere als die von den Gesetzen unbedingt vorgezeichneten Nachteile hintanzuhalten. Es sprächen daher in der Tat öffentliche Interessen und berücksichtigungswürdige Gründe dafür, daß durch den Karenzurlaub kein nachhaltiger Schaden im fortzusetzenden öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis eintrete. Es sei dazu auch noch zu bemerken, daß der Beschwerdeführer bei der EVA netto nur etwa um 10 % mehr verdiene, als es seinem Grundgehalt als Beamter entsprechen würde, sodaß unter Berücksichtigung allfälliger Zulagen oder Nebengebühren bei gleicher dortiger Arbeitsleistung kein Entgeltvorteil angenommen werden könne. Es gehe daher einzig und allein darum, daß der Beschwerdeführer wenigstens nicht zu Schaden komme. Die Voraussetzungen dafür seien entsprechend den vorigen Ausführungen dadurch gegeben, daß die Erfordernisse für die Anrechnung der Karenzurlaubszeit im Sinne der Abs. 2 und 3 des § 75 BDG 1979 erfüllt seien. Für die Karenzurlaubsgewährung sprächen andere als private, nämlich öffentliche Interessen, und daß die belangte Behörde dies verneine, sei Folge einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung. Eine weitere Tätigkeit bei der EVA bringe vielmehr eine weitere Vermehrung der Erfahrungen und Kenntnisse des Beschwerdeführers auf dem Gebiet des Energiesektors mit sich, die auch eine deutliche Steigerung seiner Beamtenverwendbarkeit erwirke. Daß die belangte Behörde dies nicht richtig erkannt habe, gehe teilweise auf Fehler in der Sachverhaltsermittlung zurück. Abgesehen davon seien ein öffentliches Interesse und berücksichtigungswürdige Gründe wegen der Bedeutung der EVA und der dortigen Tätigkeit des Beschwerdeführers zu bejahen.

Die Beschwerde ist aus folgenden rechtlichen Überlegungen berechtigt:

§ 75 Abs. 3 BDG 1979 in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung sieht eine im freien Ermessen liegende Personalmaßnahme vor, bei der die Ermessensübung allerdings an zwei - in rechtlicher Gebundenheit zu beurteilende - Voraussetzungen geknüpft ist, nämlich

  1. 1. daß für die Gewährung des Karenzurlaubes andere als private Interessen des Beamten maßgebend (überwiegend) sind und
  2. 2. berücksichtigungswürdige Gründe für die Nachsichtsgewährung vorliegen (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 6. Juni 1990, Zl. 89/12/0182).

Fehlt auch nur eine dieser beiden Tatbestandsvoraussetzungen, ist die Nachsicht von den Rechtsfolgen nach § 75 Abs. 2 BDG 1979 nicht zu gewähren. Nur wenn beide genannten Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind, kann es überhaupt zu einer (rechtlich zulässigen) Ermessensübung kommen, wobei - wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 24. September 1997, Zl. 97/12/0178, ausgeführt hat - der Gesetzgeber der Behörde Ermessen nur betreffend das Ausmaß der Nachsicht eingeräumt hat. Es besteht demnach bei Vorliegen der beiden Tatbestandsvoraussetzungen des § 75 Abs. 3 BDG 1979, bei denen es sich um unbestimmte Gesetzesbegriffe handelt, ein Anspruch des Beamten auf Nachsicht. Die genannte Bestimmung enthält also nur insofern eine Ermessensregelung, als es sich um das Ausmaß der Nachsicht handelt. Hiebei ist bestimmende Richtlinie für das auf das Ausmaß der Nachsicht beschränkte Ermessen nach § 75 Abs. 3 BDG 1979 die Tatbestandsvoraussetzung der "berücksichtigungswürdigen Gründe", der sowohl im gebundenen Bereich, nämlich ob Nachsicht zusteht, als auch im Ermessensbereich hinsichtlich des Umfanges der Nachsicht entscheidende Bedeutung zukommt.

Im Beschwerdefall verneint die belangte Behörde das Vorliegen eines "öffentlichen Interesses" (offensichtlich als "Komplementärbegriff" für "andere als private Interessen" verwendet), weil die vom Beschwerdeführer angeführten Tätigkeiten bei der EVA nicht mit seinen Aufgaben auf seinem Arbeitsplatz deckungsgleich seien. Dafür, daß ein öffentliches Interesse nur bei einer solchen Aufgabenidentität anzunehmen wäre, sieht der Verwaltungsgerichtshof keinen rechtlichen Ansatz und bleibt auch die belangte Behörde eine Ableitung aus dem Gesetz schuldig (vgl. zur Maßgeblichkeit anderer als privater Interessen des Beamten für die Gewährung des Karenzurlaubes und dem daraus nur teilweise zutreffend abgeleiteten "Komplementärbegriff" des öffentlichen Interesses das Erkenntnis vom 14. September 1994, Zl. 94/12/0004). Wäre dieser Ansatz der belangten Behörde richtig, so wäre im übrigen bereits die seinerzeit gewährte Nachsicht rechtswidrig gewesen.

Letztlich meint die belangte Behörde nach der Begründung des angefochtenen Bescheides - unter Einbeziehung der Determinante der berücksichtigungswürdigen Gründe -, daß nach Ablauf von mehr als drei Jahren der Karenzierung ein weiterer "Zugewinn" an Erfahrungen außerhalb des Bundesdienstes "nicht mehr in dem vom Gesetzgeber geforderten überwiegenden Ausmaß gegeben ist".

Auch dann, wenn der Kenntnis- und Erfahrungszugewinn aus jener Tätigkeit, für die der Karenzurlaub gewährt wurde, und seine Verwertbarkeit bei der Rückkehr des Beamten in eine Verwendung in seinem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis einen (wenn auch nicht den einzigen) berücksichtigungswürdigen Grund im Sinne des § 75 Abs. 3 BDG 1979 darstellt, hätte mangels eines allgemeinen Erfahrungssatzes der Art, daß eine Bedeutungsrückwirkung nach drei Jahren nicht mehr gegeben ist, im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände geprüft und dargelegt werden müssen, aus welchen Gründen ein solcher Erfahrungszugewinn nicht mehr gegeben sein soll (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 24. September 1997, Zl. 97/12/0178). Abgesehen davon enthält der § 75 Abs. 3 BDG 1979 keinen Anhaltspunkt dafür, daß berücksichtigungswürdige Gründe für die Nachsicht ausschließlich unter dem Gesichtspunkt der Wiederverwendung des Beamten in seinem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis, und zwar gerade auf seinem seinerzeitigen Arbeitsplatz, maßgeblich sein sollen. Dem Gesetz ist weiters nicht zu entnehmen, daß die berücksichtigungswürdigen Gründe nur aus der Warte der Interessen des Dienstgebers zu beurteilen sind (vgl. auch dazu das schon genannte Erkenntnis vom 24. September 1997, Zl. 97/12/0178).

Der angefochtene Bescheid erweist sich daher als inhaltlich rechtswidrig und war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG - ungeachtet der aufgezeigten Verfahrensmängel - aufzuheben.

Zur Klarstellung weist der Verwaltungsgerichtshof darauf hin, daß nach der Übergangsbestimmung des § 241 a BDG 1979 (eingefügt durch Art. I Z. 79 der 1. BDG-Novelle 1997, BGBl. I Nr. 61) im fortgesetzten Verfahren die bis zu dieser Novelle geltende Rechtslage anzuwenden ist, weil dem Beschwerdeführer der Karenzurlaub vor dem 30. Juni 1997 gewährt wurde.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Stichworte