VwGH 96/09/0352

VwGH96/09/03521.10.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Blaschek und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde des Bundesministers für Arbeit und Soziales (nunmehr für Arbeit, Gesundheit und Soziales) gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 5. September 1996, Zl. 13/193-3/1996, betreffend Einstellung eines Verwaltungsstrafverfahrens wegen Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (mitbeteiligte Partei: W, vertreten durch Dr. Bernhard Hainz, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Ebendorferstraße 3), zu Recht erkannt:

Normen

AuslBG §28a Abs1;
B-VG Art131 Abs2;
B-VG Art7;
VwGG §26 Abs1 Z2;
VwGG §26 Abs1 Z4;
AuslBG §28a Abs1;
B-VG Art131 Abs2;
B-VG Art7;
VwGG §26 Abs1 Z2;
VwGG §26 Abs1 Z4;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Begründung

Das Arbeitsinspektorat für den 14. Aufsichtsbezirk beantragte mit Schreiben vom 22. Jänner 1996 die Einleitung des Verwaltungsstrafverfahrens gemäß §§ 26 bis 29a VStG iVm § 28 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) gegen den gemäß § 9 VStG strafrechtlich Verantwortlichen der W-OHG, Herrn W, wegen Beschäftigung dreier Ausländer im Hotel A während näher genannter Tatzeiträume, obwohl für diese Ausländer weder eine Beschäftigungsbewilligung erteilt worden sei noch sie über eine Arbeitserlaubnis oder einen Befreiungsschein verfügt hätten.

Die Bezirkshauptmannschaft Schwaz führte ein Ermittlungsverfahren durch und stellte das Strafverfahren mit dem Bescheid vom 12. Juni 1996 gemäß § 45 Abs. 1 Z. 2 VStG ein. Die wesentliche Begründung lautet, daß Frau E und nicht der Mitbeteiligte als eventueller Arbeitgeber der illegal beschäftigten Ausländer anzusehen sei. Selbst wenn davon auszugehen wäre, daß die W-OHG im vorliegenden Falle Arbeitgeberin der drei fraglichen Ausländer wäre, könnten dem Mitbeteiligten als einem der beiden persönlich haftenden und vertretungsbefugten Gesellschafter die Übertretungen nicht zum Vorwurf gemacht werden, da er von der Beschäftigung der fraglichen Ausländer offensichtlich keine Kenntnis gehabt habe und somit die subjektive Tatseite mangels Verschuldens nicht erfüllt worden sei.

Dagegen erhob das anzeigende Arbeitsinspektorat Berufung mit der Begründung, daß es zur Sorgepflicht des Unternehmers gehöre, für die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen im Rahmen der Gewerbeausübung Sorge zu tragen und die entsprechenden Kontrollen dahingehend durchzuführen.

Nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung erließ die belangte Behörde den nunmehr angefochtenen Bescheid, mit dem sie die Berufung als unbegründet abwies. Sie begründete im wesentlichen, aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens könne mit strafrechtlich ausreichender Sicherheit nicht festgestellt werden, daß die drei Ausländer tatsächlich gearbeitet hätten bzw. die Aufforderung zu arbeiten von Frau E gekommen wäre. Selbst wenn die Ausländer gearbeitet hätten, wäre die Verwaltungsübertretung Frau E zuzurechnen, weil zwischen den beiden persönlich haftenden Gesellschaftern der W-OHG eine klare Aufgabenteilung erfolgt sei und ein ausreichendes Kontrollsystem vorläge, das sicherstelle, daß gesetzliche Bestimmungen eingehalten würden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende (Amts-)Beschwerde.

Die belangte Behörde und die mitbeteiligte Partei erstatteten Gegenschriften, in welchen sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die mitbeteiligte Partei rügt zunächst die Verspätung der Beschwerde, weil der angefochtene Bescheid dem Arbeitsinspektorat für den 14. Aufsichtsbezirk am 17. September 1996 zugestellt worden sei, der Bundesminister die Beschwerde jedoch erst am 12. November 1996 eingebracht habe. Die Bestimmung des § 26 Abs. 1 Z. 2 VwGG verlängere in unzulässiger Weise die ansonsten geltende sechswöchige Frist zur Erhebung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Für den Fall, daß nicht dem zuständigen Bundesminister zugestellt worden sei, sehe das Gesetz keine Frist vor, binnen derer die Behörde, an die der Bescheid zugestellt worden sei, diesen an den zuständigen Bundesminister weiterzuleiten habe. Es stehe im Belieben jener Behörde, an welche der Bescheid zugestellt worden sei, diesen an den zuständigen Bundesminister auch lange nach Ablauf der ansonsten gültigen sechswöchigen Frist weiterzuleiten. Dies stelle eine unsachgemäße Bevorzugung von Behörden gegenüber anderen Parteien dar, weshalb angeregt werde, der Verwaltungsgerichtshof möge den Antrag beim Verfassungsgerichtshof auf Überprüfung der Wortfolge "sonst mit dem Zeitpunkt, zu dem der zuständige Bundesminister von dem Bescheid Kenntnis erlangt hat;" in § 26 Abs. 1 Z. 2 VwGG wegen Bedenken gegen dessen Verfassungsmäßigkeit aufgrund der Verletzung des Gleichheitssatzes stellen.

Nach von der belangten Behörde und dem Mitbeteiligten unbestrittener Angabe des beschwerdeführenden Bundesministers langte der angefochtene Bescheid nach Übermittlung durch das Arbeitsinspektorat für Bauarbeiten am 2. Oktober 1996 im Bundesministerium für Arbeit und Soziales ein. Damit erweist sich die am 12. November 1996 beim Verwaltungsgerichtshof eingebrachte Beschwerde als rechtzeitig. Der Verwaltungsgerichtshof kann in der Bestimmung des § 26 Abs. 1 Z. 2 VwGG die von der beteiligten Partei vorgebrachte unsachliche Differenzierung aus dem Grund nicht erblicken, daß das Beschwerderecht des Bundesministers gemäß § 28a Abs. 1 zweiter Satz AuslBG, welcher am vorangegangenen Verwaltungsstrafverfahren nicht als Partei beteiligt ist, ein objektives Beschwerderecht ist. Das heißt, daß der Bundesminister die Beschwerde sowohl zum Vorteil als auch zum Nachteil der beschuldigten Partei erheben kann. Die Beschwerdelegitimation ist daher ein von den Parteien des Verfahrens und den beteiligten Behörden losgelöstes Kontrollinstrument, ob der angefochtene Bescheid in objektiver Weise rechtmäßig ist. Dieses Kontrollinstrument kann von jeder Verfahrenspartei durch Übersendung des Bescheides eines unabhängigen Verwaltungssenates angeregt werden, wobei jedoch keiner der Verfahrensparteien ein Rechtsanspruch darauf besteht, daß der zuständige Bundesminister tatsächlich Beschwerde erheben werde.

Nach dem gemäß § 67 AVG auch von der Berufungsbehörde anzuwendenden § 60 leg. cit. sind in der Begründung des Berufungsbescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Demnach muß in der Bescheidbegründung in einer eindeutigen, die Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichenden und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes zugänglichen Weise dargetan werden, welcher Sachverhalt der Entscheidung zugrundegelegt wurde, aus welchen Erwägungen die Behörde zu der Ansicht gelangte, daß gerade dieser Sachverhalt vorliege und aus welchen Gründen sie die Subsumtion dieses Sachverhaltes unter einen bestimmten Tatbestand als zutreffend erachtete (vgl. u.a. die hg. Erkenntnisse vom 30. Mai 1985, Zl. 84/08/0047, vom 28. Juni 1988, Zl. 87/11/0066, und vom 26. Juli 1995, Zl. 94/20/0722). Diesen Erfordernissen wird der angefochtene Bescheid insoweit nicht gerecht, als er jegliche Ausführungen darüber vermissen läßt, aus welchen Erwägungen die Behörde zu ihrer Annahme gelangte, daß mit strafrechtlich ausreichender Sicherheit nicht festgestellt werden könne, daß die drei im Spruch des angefochtenen Bescheides genannten Ausländer während der genannten Zeiträume im Hotel tatsächlich gearbeitet hätten bzw. die Aufforderungen zu arbeiten von E gekommen wären. Der beschwerdeführende Bundesminister weist zu Recht darauf hin, daß der Zeugin E in der öffentlichen mündlichen Verhandlung ihre niederschriftlichen Angaben vom 19. Jänner 1996 vorgehalten wurden, weil ihre Aussage in der öffentlichen mündlichen Verhandlung von diesen niederschriftlichen Angaben in wesentlichen Punkten abwich (§ 51g Abs. 3 Z. 2 VStG). In dieser Niederschrift vom 19. Jänner 1996 hatte die Zeugin angegeben, daß der drittangezeigte Ausländer "seit ca. vier bis fünf Tagen im Haus" sei und in dieser Zeit "in der Küche als Hilfskraft" ausgeholfen habe "gegen freie Kost und Logis", wenn auch nur für "sehr kurze Zeit". Die beiden anderen Ausländerinnen hätten "ab Weihnachten bei Bedarf etwas mitgeholfen - ebenfalls Kost und Logis frei (ebenfalls nur kurze Zeit)". Des weiteren weist die belangte Behörde darauf hin, daß der - in der öffentlichen mündlichen Verhandlung nicht einvernommene - drittangezeigte Ausländer Anhaltspunkte für seine aushilfsweise Beschäftigung im Hotel A geliefert hat. Solche Anhaltspunkte sind auch in der Zeugenaussage des Kontrollorganes Widmann anläßlich seiner Einvernahme in der öffentlichen mündlichen Verhandlung enthalten wie in der Aussage des Mitbeteiligten in der öffentlichen mündlichen Verhandlung, weil er darin hinsichtlich der zweitangezeigten Ausländerin angab, daß sie "erst mit 29.12.1995 tätig" gewesen seien, was eine vor Erteilung der Beschäftigungsbewilligung (5. Jänner 1996) liegende Beschäftigung ergäbe.

Aufgrund dieser - als Beispiele wiedergegebenen - Teile der Beweisergebnisse ist nicht auszuschließen, daß die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, wäre sie ihrer Pflicht zur Darlegung nachgekommen, aus welchen Erwägungen sie zur Ansicht gelangte, eine Beschäftigung der Ausländer während der genannten Zeiträume im Hotel A könne nicht mit strafrechtlich ausreichender Sicherheit festgestellt werden, sowie daß die Aufforderungen zu arbeiten von E gekommen wären.

Hinsichtlich der strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Mitbeteiligten begnügte sich die belangte Partei im Rahmen der Beweiswürdigung damit, die Aussagen des Mitbeteiligten und Frau E, der weiteren persönlich haftenden Gesellschafterin der W-OHG, als glaubwürdig und widerspruchsfrei zu bezeichnen. Daraus sei ausreichend abzuleiten, daß zwischen Frau E und dem Mitbeteiligten eine klare Aufgabenteilung erfolgt sei und daß auch ein ausreichendes Kontrollsystem vorliege, das sicherstelle, daß gesetzliche Bestimmungen, insbesondere die Bestimmungen nach dem AuslBG eingehalten würden.

Die Beschwerde geht insofern fehl, als sie damit argumentiert, daß Frau E nicht gemäß § 9 Abs. 2 VStG zum verantwortlichen Beauftragten bestellt worden sei, da die belangte Behörde nicht aus diesem Grund das Verschulden des Mitbeteiligten verneint hat, sondern weil ein ausreichendes Kontrollsystem bestanden habe.

Der angefochtene Bescheid leidet aber auch in diesem Punkt an einem Begründungsmangel. Die belangte Behörde unterläßt eine Auseinandersetzung mit den Angaben des Mitbeteiligten in der öffentlichen mündlichen Verhandlung, in der er unter anderem angab:

"Die Geschäfte führt die zweite persönlich haftende Gesellschafterin Frau E. ... Wenn ein Ausländer eingestellt wird, dann sorgt sich Frau E für die entsprechenden Bewilligungen nach dem AuslBG. Ich bin gleichzeitig Geschäftsführer der Kellerjochbahn, in meiner Schischule werden 80 Schilehrer beschäftigt, zudem bin ich Tourismusobmann, aufgrund dieser Tätigkeiten arbeite ich im Hotel kaum mit, mir sind auch wenige Einzelheiten bekannt, was in den Hotels auflauft. (Hervorhebung durch Unterstreichung durch den VwGH) ... Generell ist es so, daß Frau E nach Rücksprache mit mir das Personal einstellt. Wenn ich nicht anwesend bin, kann sie mich natürlich nicht fragen, diesbezüglich stellt sie Personal kurzfristig auch selber ein. Ich habe diesbezüglich relativ wenig Kontrolle über die Personaleinstellung, da ich wie gesagt, in der Führung des Hotels wenig beteiligt bin. Grundsätzlich ist es so, daß mir Frau E jedoch diesbezüglich Bescheid sagen würde. Frau E ist meine Lebensgefährtin. In dem Fall ist es so, daß mir Frau E offensichtlich nicht Bescheid gegeben hat."

Daß die belangte Behörde angesichts dieser Aussagenteile des Beschwerdeführers ohne nähere Begründung davon ausging, daß ein ausreichendes Kontrollsystem bestanden habe, ist dem Verwaltungsgerichtshof nicht nachvollziehbar. Hinzukommt, daß - wie bereits oben dargestellt - der Mitbeteiligte in dieser Aussage auch einen Hinweis auf eine vor Erteilung der Beschäftigungsbewilligung liegende Beschäftigung der zweitgenannten Ausländerin gab, wobei er in dieser Sache von Frau E informiert gewesen sei. Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde daher zu begründen haben, aus welchen Umständen sie im konkreten Fall ein funktionierendes Kontrollsystem, das vom Mitbeteiligten im konkreten Fall nachgewiesen worden sei, dergestalt, daß er Maßnahmen getroffen habe, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen, als gegeben erachte. Im vorliegenden Fall wurde im Verwaltungsverfahren nicht behauptet, daß Frau E gemäß § 9 Abs. 2 VStG als verantwortliche Beauftragte für die Einstellung ausländischer Arbeitskräfte bestellt gewesen wäre, weshalb sich die strafrechtliche Verantwortung (auch) des Mitbeteiligten gemäß § 9 Abs. 1 VStG ergibt. Als persönlich haftender Gesellschafter der W-OHG ist er demnach - ebenso wie Frau E - verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich, solange es ihm nicht gelingt, glaubhaft zu machen, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft, was im konkreten Fall nur durch Errichtung eines Kontrollsystems im dargelegten Umfang möglich wäre.

Da somit Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

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