VwGH 96/04/0243

VwGH96/04/024327.5.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Stöberl und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde des A und der B Z in H, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 15. November 1994, Zl. 317.341/1-III/A/2a/94, betreffend Verfahren gemäß § 77 GewO 1994 (mitbeteiligte Partei: J in H), zu Recht erkannt:

Normen

GewO 1994 §74 Abs2;
GewO 1994 §77 Abs1;
GewO 1994 §74 Abs2;
GewO 1994 §77 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 15. November 1994 erteilte der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten der mitbeteiligten Partei gemäß §§ 74, 77, 153 Abs. 1 und 353 ff GewO 1973 in Verbindung mit § 27 Abs. 2 Arbeitnehmerschutzgesetz, BGBl. Nr. 234/1972, die gewerbebehördliche Betriebsanlagengenehmigung für die Errichtung und den Betrieb eines Cafe-Restaurant mit Terrassenbewirtschaftung an einem näher bezeichneten Standort unter Vorschreibung zahlreicher Auflagen. Zur Begründung wurde nach Darstellung des Verfahrensganges im wesentlichen ausgeführt, im Rahmen des Verfahrens zweiter Instanz habe der gewerbetechnische Amtssachverständige auf Grund des zu hohen Beurteilungspegels und der daraus resultierenden Erhöhung der Gesamtschallimmission eine Sperrstunde mit 22.00 Uhr vorgeschlagen. Diese Aussage sei auch durch das anschließend eingeholte medizinische Sachverständigengutachten bestätigt worden. Im Zuge des Verfahrens vor dem Bundesminister sei festgestellt worden, daß die zur gegenständlichen Betriebsanlage gehörende Terrasse an einen Parkplatz grenze, der (aus näher dargestellten Gründen) als öffentliche Verkehrsfläche zu beurteilen sei. Es sei daher die Bestimmung des § 148 Abs. 1 GewO 1994 anzuwenden, wonach dem Konsenswerber hinsichtlich der Immissionsart Lärm bestimmte Betriebszeiten garantiert seien. Es dürften daher weder im Betriebsanlagengenehmigungsbescheid bezüglich dieser Immissionsart betriebsbeschränkende oder sonstige lärmmindernde Auflagen vorgeschrieben werden, noch dürfe das Genehmigungsansuchen aus diesem Grunde versagt werden.

Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluß vom 24. September 1996, Zl. B 113/95-12, ablehnte. Mit Beschluß vom 4. November 1996, Zl. B 113/95-14, trat der Verfassungsgerichtshof die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG ab.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachten sich die Beschwerdeführer nach ihrem gesamten Vorbringen in ihren aus der GewO 1994 erfließenden Nachbarrechten verletzt. In Ausführung des so zu verstehenden Beschwerdepunktes bringen sie vor, die belangte Behörde verstehe die Bestimmung des § 148 Abs. 1 GewO 1994 dahin, daß sich die Betriebszeit für alle betriebsanlagengenehmigten Gastgärten automatisch bis 23.00 Uhr verlängere, und zwar vollkommen unabhängig von den konkreten Verhältnissen und schützenswerten Rechten beeinträchtigter Nachbarn. Diesem Verständnis stehe aber die vom Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 27. Juni 1996 gewählte Auslegung dieser Bestimmung entgegen, wonach auch der dem § 148 Abs. 1 GewO 1994 unterliegende Gastgartenbetrieb unter den Voraussetzungen des § 74 leg. cit. genehmigungspflichtig sei und er gemäß § 77 Abs. 1 leg. cit. "erforderlichenfalls" - wenn auch nicht hinsichtlich der durch § 148 Abs. 1 leg. cit. festgelegten Betriebszeiten - unter Auflagen zu genehmigen sei und gemäß § 79 leg. cit. auch für einen genehmigten Gastgartenbetrieb nachträgliche zusätzliche Auflagen (auch im Interesse des Nachbarschutzes) vorzuschreiben seien. Im konkreten Fall habe die Behörde zweiter Instanz Gutachten eingeholt, aus denen sich übereinstimmend ergebe, daß der Terrassenbetrieb ab 22.00 Uhr einzustellen sei, um unzumutbare Lärmbelästigungen der Beschwerdeführer hintanzuhalten. Diese Gutachten seien immerhin so schlüssig, daß sich der Verfassungsgerichtshof veranlaßt gesehen habe, der Beschwerde der Beschwerdeführer aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Die belangte Behörde habe also nicht einfach die Betriebszeiten um eine Stunde verlängern dürfen, obwohl das medizinische Sachverständigengutachten die Unzumutbarkeit einer solchen Betriebsdauer für die Beschwerdeführer klargestellt habe. Sie hätte vielmehr prüfen müssen, ob die vom Gesetz her vorgegebene längere Betriebszeit durch entsprechende zusätzliche Auflagen soweit in ihren schädlichen Auswirkungen für die Nachbarn kompensiert werden könne, daß keine unzumutbaren Lärmbelästigungen der Nachbarn, darunter insbesondere auch der Beschwerdeführer, eintreten könnten. Im extremsten Fall hätte die belangte Behörde dann die Betriebsanlagengenehmigung überhaupt versagen müssen.

Gemäß § 77 Abs. 1 GewO 1994 ist die Betriebsanlage zu genehmigen, wenn nach dem Stand der Technik (§ 71a) und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zu erwarten ist, daß überhaupt oder bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden bestimmten geeigneten Auflagen die nach den Umständen des Einzelfalles voraussehbaren Gefährdungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1 leg. cit. vermieden und Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 2 bis 5 GewO 1994 auf ein zumutbares Maß beschränkt werden.

Nach § 148 Abs. 1 leg. cit. dürfen Gastgärten, die sich auf öffentlichem Grund befinden oder an öffentliche Verkehrsflächen angrenzen, jedenfalls von 8.00 bis 22.00 Uhr, vom 15. Juni bis einschließlich 15. September bis 23.00 Uhr, betrieben werden, wenn sie ausschließlich der Verabreichung von Speisen und dem Ausschank von Getränken dienen, lautes Sprechen, Singen und Musizieren in ihnen vom Gastgewerbetreibenden untersagt ist und auf dieses Verbot hinweisende Anschläge dauerhaft und von allen Zugängen zum Gastgarten deutlich erkennbar angebracht sind.

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 8. Oktober 1996, Zlen. 96/04/0175 bis 0177, unter Bezugnahme auch auf die in der Beschwerde zitierte Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes dargelegt hat, ändert die Bestimmung des § 148 Abs. 1 GewO 1994 nichts daran, daß ein dieser Bestimmung unterliegender Gastgartenbetrieb unter den Voraussetzungen des § 74 GewO 1994 genehmigungspflichtig ist und er daher gemäß § 77 Abs. 1 leg. cit. "erforderlichenfalls" - wenn auch nicht hinsichtlich der durch § 148 Abs. 1 leg. cit. festgelegten Betriebszeiten - unter Auflagen zu genehmigen ist. Das bedeutet, daß der Betrieb eines solchen Gastgartens nur genehmigt werden kann, wenn durch die gleichzeitige Vorschreibung allenfalls erforderlicher Auflagen sichergestellt ist, daß ausgehend von den im Gesetz festgelegten Betriebszeiten die im § 74 Abs. 2 Z. 1 bis 5 genannten Gefährdungen, Belästigungen, Beeinträchtigungen oder sonstigen nachteiligen Einwirkungen vermieden werden können.

Da die belangte Behörde in Verkennung dieser Rechtslage im vorliegenden Fall der mitbeteiligten Partei die in Rede stehende gewerbebehördliche Genehmigung ohne Rücksicht auf die vom Terrassenbetrieb ausgehenden Lärmimmissionen erteilte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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