VwGH 96/04/0175

VwGH96/04/01758.10.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Sulyok und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerden 1. der G L, 2. der M L und 3. des R L alle in G, alle vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 1. Juni 1995, Zl. 314.761/1-III/A/2a/95, betreffend Verfahren gemäß § 77 GewO 1994 (mitbeteiligte Partei: K in G, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in G), zu Recht erkannt:

Normen

GewO 1994 §148 Abs1;
GewO 1994 §74 Abs2;
GewO 1994 §77 Abs1;
GewO 1994 §148 Abs1;
GewO 1994 §74 Abs2;
GewO 1994 §77 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 13.040,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Hinsichtlich der Verfahrensvorgänge bis zur Erlassung des hg. Erkenntnisses vom 25. Mai 1993, Zlen. 93/04/0013, 0014, wird auf die diesbezüglichen Darlegungen in diesem Erkenntnis verwiesen.

Mit dem nunmehr als Ersatzbescheid für den mit dem genannten Erkenntnis aufgehobenen Bescheid vom 9. November 1992 ergangenen Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 1. Juni 1995 wurde der mitbeteiligten Partei neuerlich die gewerbebehördliche Bewilligung zur Errichtung und zum Betrieb der in Rede stehenden gastgewerblichen Betriebsanlage unter Vorschreibung zahlreicher Auflagen mit einer gegenüber dem Bescheid vom 9. November 1992 teilweise abgeänderten Betriebsbeschreibung erteilt. Aus dieser Betriebsbeschreibung ergibt sich, daß der Zugang zu dieser Betriebsanlage von der Straßenecke N-Weg/X-Straße über 13 Stufen zur Terrasse und von hier aus in den Gastraum an der Südwestecke führt. Davon ausgehend führte der Bundesminister in der Begründung des angefochtenen Bescheides aus, auf die vom Terrassenbetrieb ausgehenden Lärmimmissionen sei nicht einzugehen, da dieser der gesetzlichen Betriebszeitengarantie des § 148 Abs. 1 GewO 1994 teilhaftig werde.

Gegen diesen Bescheid richten sich die vorliegenden in drei getrennten Schriftsätzen, die alle die Unterschrift desselben Rechtsanwaltes aufweisen, erhobenen Beschwerden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen. Die mitbeteiligte Partei beantragte in ihrer Gegenschrift ebenfalls die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Bei Behandlung der Beschwerden sind beim Verwaltungsgerichtshof Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 148 Abs. 1 GewO 1994 entstanden. Der Verwaltungsgerichtshof stellte daher an den Verfassungsgerichtshof gemäß Art. 140 Abs. 1 B-VG den Antrag, § 148 Abs. 1 GewO 1994 als verfassungswidrig aufzuheben.

Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 27. Juni 1996, Zl. G 211/1994-12 u.a., hob der Verfassungsgerichtshof § 148 Abs. 1 zweiter Satz GewO 1994 mit Ablauf des 1. Juni 1997 als verfassungswidrig auf und ordnete an, daß frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Wirksamkeit träten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die drei voliegenden Beschwerden zur gemeinsamen Beratung und Beschlußfassung verbunden und darüber erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachten sich die Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in den Rechten verletzt, daß von einer bewilligten Betriebsanlage keine Gefährdung der Gesundheit und keine unzumutbare Belästigung der Beschwerdeführer durch Lärm, Geruch, Rauch und ähnliches ausgeht. Die Erst- und Zweitbeschwerdeführer erachten sich überdies in dem Recht verletzt, daß von einer bewilligten Betriebsanlage keine Beeinträchtigung des Unterrichts in Schulen über das zumutbare Maß erfolgt. In Ausführung des so formulierten Beschwerdepunktes machen die Beschwerdeführer in ihren im wesentlichen übereinstimmenden Beschwerden geltend, der Bundesminister sei in dem als Ersatzbescheid ergangenen angefochtenen Bescheid den im aufhebenden Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Mai 1993, Zl. 93/04/0013, 0014, enthaltenen Aufträgen des Verwaltungsgerichtshofes nicht nachgekommen. Ausgehend von einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung des Sachverhaltes habe er überdies sämtliche Messungen der Lärmimmissionen, die dadurch bedingt seien, daß die Betriebsanlage auch auf der Terrasse betrieben werde, unterlassen. Hätte er derartige Feststellungen getroffen, so hätte er schon allein wegen der unmittelbaren Nähe zur Liegenschaft der Beschwerdeführer einen Betrieb im Freien untersagen müssen. Dies umsomehr, als die Zweitbeschwerdeführerin in ihrer Eingabe vom 7. Dezember 1993 ausdrücklich darauf hingewiesen habe, daß die Terrasse nicht an der öffentlichen Verkehrsfläche liege, sondern in das Betriebsobjekt mit teilweiser Überdachung integriert sei.

Gemäß § 148 Abs. 1 GewO 1994 dürfen Gastgärten, die sich auf öffentlichem Grund befinden oder an öffentliche Verkehrsflächen angrenzen, jedenfalls von 8.00 bis 22.00 Uhr, vom 15. Juni bis einschließlich 15. September bis 23.00 Uhr, betrieben werden, wenn sie ausschließlich der Verabreichung von Speisen und dem Ausschank von Getränken dienen, lautes Sprechen, Singen und Musizieren in ihnen vom Gastgewerbetreibenden untersagt ist und auf dieses Verbot hinweisende Anschläge dauerhaft und von allen Zugängen vom Gastgarten deutlich erkennbar angebracht sind. Nachdem zweiten, vom Verfassungsgerichtshof in dem zitierten Erkenntnis aufgehobenen Satz dieser Gesetzesstelle gilt dieser erste Satz auch für bereits bestehende sonstige Gastgärten.

Der Verwaltungsgerichtshof teilt im Hinblick auf die im angefochtenen Bescheid enthaltene und von den Beschwerdeführern nicht in Zweifel gezogene Darstellung der räumlichen Situation der Betriebsanlage die Rechtsansicht der belangten Behörde, daß es sich bei der zur gegenständlichen Betriebsanlage gehörenden Terrasse um einen Gastgarten i.S.d. § 148 Abs. 1 GewO 1994 handelt. Daran vermag der in den Beschwerden enthaltene Hinweis, die Terrasse sei "in das Betriebsobjket mit teilweiser Überdachung integriert" nichts zu ändern. Eine bloß teilweise Überdachung steht der Qualifikation einer Betriebsfläche als Gastgarten nicht entgegen.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag aber die Rechtsansicht der belangten Behörde, § 148 Abs. 1 GewO 1994 enthalte eine Betriebsgarantie für Gastgärten dergestalt, daß diese innerhalb der im Gesetz genannten Betriebszeiten ohne Rücksicht auf die im § 74 Abs. 2 Z. 1 bis 5 GewO 1994 genannten Schutzinteressen betrieben werden dürften, nicht zu teilen. Wenn auch der Verfassungsgerichtshof die Bedenken des Verwaltungsgerichtshofes gegen die Verfassungsgemäßigkeit dieser Gesetzesstelle nicht teilte, so ändert dies nichts daran, daß, wie auch der Verfassungsgerichtshof in seinem zitierten Erkenntnis ausgeführt hat, der dem § 148 Abs. 1 GewO 1994 unterliegende Gastgartenbetrieb unter den Voraussetzungen des § 74 GewO 1994 genehmigungspflichtig ist und er daher gemäß § 77 Abs. 1 leg. cit. "erforderlichenfalls" - wenn auch nicht hinsichtlich der durch § 148 Abs. 1 GewO 1994 festgelegten Betriebszeiten - unter Auflagen zu genehmigen ist. Das bedeutet, daß der Betrieb eines solchen Gastgartens nur genehmigt werden kann, wenn durch die gleichzeitige Vorschreibung allenfalls erforderlicher Auflagen sicher gestellt ist, daß ausgehend von den im Gesetz festgelegten Betriebszeiten die im § 74 Abs. 2 Z. 1 bis 5 genannten Gefährdungen, Belästigungen, Beeinträchtigungen oder sonstigen nachteiligen Einwirkungen vermieden werden können.

Da die belangte Behörde in Verkennung dieser Rechtslage im vorliegenden Fall der mitbeteiligten Partei die in Rede stehende gewerbebehördliche Genehmigung ohne Rücksicht auf die vom Terrassenbetrieb ausgehenden Lärmimmissionen erteilte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Er war daher schon aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne daß auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen gewesen wäre.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 53 Abs. 2 VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Stempelgebührenaufwand betreffende Mehrbegehren war abzuweisen, weil für die in dreifacher Ausfertigung vorzulegende Beschwerde Eingabengebühr lediglich in der Höhe von S 360,-- zu entrichten war.

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