VwGH 96/01/0773

VwGH96/01/07733.9.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Bachler, Dr. Rigler und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Mag. Unterer, über die Beschwerde 1. des N, 2. der H und 3. der V, alle in D und vertreten durch Mag. G, Rechtsanwalt in F, gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 17. Juni 1996, Zl. Ia 370-307/92, betreffend Verleihung der Staatsbürgerschaft und Erstreckung derselben, zu Recht erkannt:

Normen

StbG 1985 §10 Abs1 Z6;
StbG 1985 §20;
StbG 1985 §10 Abs1 Z6;
StbG 1985 §20;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 7. September 1993 hatte die belangte Behörde dem Erstbeschwerdeführer gemäß § 20 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, BGBl. Nr. 311 (StbG), die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft sowie seiner Ehegattin (Zweitbeschwerdeführerin) und seiner am 21. Dezember 1977 geborenen Tochter (Drittbeschwerdeführerin) die Erstreckung der Verleihung der Staatsbürgerschaft für den Fall zugesichert, daß die Beschwerdeführer binnen zwei Jahren das Ausscheiden aus dem Verband ihres bisherigen Heimatstaates nachwiesen. Die Beschwerdeführer haben daraufhin die jeweils am 23. August 1994 ausgestellten Schreiben des türkischen "Ministerium des Inneren" vorgelegt, wonach ihnen jeweils die Aufgabe der türkischen Staatsangehörigkeit zwecks "Übernahme" der österreichischen Staatsangehörigkeit genehmigt wurde.

Ohne den Zusicherungsbescheid ausdrücklich zu widerrufen, hat die belangte Behörde mit Bescheid vom 17. Juni 1996 den Antrag des Erstbeschwerdeführers auf Verleihung "gemäß §§ 10, 11a, 12, 13 und 14" StbG und die Anträge der Zweit- und Drittbeschwerdeführerinnen auf Erstreckung der Verleihung der Staatsbürgerschaft gemäß §§ 16, 17 und 18 StbG abgewiesen.

Die Beschwerdeführer seien türkische Staatsangehörige. Der Erstbeschwerdeführer habe seit 25. Mai 1976 seinen Hauptwohnsitz in Österreich; die Zweitbeschwerdeführerin sei 1973 nach Österreich gekommen; die Drittbeschwerdeführerin sei hier geboren. Der Erstbeschwerdeführer sei mit Urteil des Landesgerichtes F vom 11. November 1986 wegen des Vergehens des versuchten schweren Diebstahles zu einer bedingten Geldstrafe von 150 Tagessätzen verurteilt worden. Vom Bezirksgericht D sei er jeweils wegen des Vergehens der (vorsätzlichen) Körperverletzung am 10. Dezember 1992 zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen und am 25. März 1994 zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen rechtskräftig verurteilt worden. Die Körperverletzungen habe der Erstbeschwerdeführer "in zahlreichen Angriffen und mit besonderer Aggressivität" begangen. Die zweite Verurteilung wegen Körperverletzung beruhe auf einer am 27. Oktober 1993 begangenen Tat. Dieses Verhalten des Erstbeschwerdeführers lasse den Schluß zu, daß er auch in Zukunft wesentliche, zur Abwehr und Unterdrückung von Gefahren für Leben, Gesundheit, Sicherheit sowie öffentliche Ruhe und Ordnung erlassene Vorschriften mißachten werde. Es könne derzeit nicht davon ausgegangen werden, daß der Erstbeschwerdeführer Gewähr dafür biete, keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit zu bilden. Er erfülle daher nicht die Verleihungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG.

Aufgrund der Abweisung des Verleihungsantrages des Erstbeschwerdeführers seien auch die Erstreckungsanträge der Zweit- und Drittbeschwerdeführerinnen abzuweisen gewesen.

Über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Nach § 20 Abs. 1 StbG ist einem Fremden bei Vorliegen der in den Z. 1 bis 3 näher umschriebenen Voraussetzungen die Verleihung (Erstreckung der Verleihung) zunächst für den Fall zuzusichern, daß er binnen zwei Jahren das Ausscheiden aus dem Verband seines bisherigen Heimatstaates nachweist. Gemäß dem § 20 Abs. 2 StbG ist die Zusicherung zu widerrufen, wenn der Fremde auch nur eine der für die Verleihung der Staatsbürgerschaft (Erstreckung der Verleihung) erforderlichen Voraussetzungen nicht mehr erfüllt.

Vorliegend hat die belangte Behörde die Verleihung der Staatsbürgerschaft an den Erstbeschwerdeführer und die Erstreckung der Verleihung auf die Zweit- und Drittbeschwerdeführerinnen zunächst zugesichert und mit dem angefochtenen Bescheid die Anträge auf Verleihung bzw. Erstreckung der Verleihung abgewiesen, ohne vorher den Zusicherungsbescheid ausdrücklich zu widerrufen. Durch diese - in der Beschwerde nicht bekämpfte - Vorgangsweise wurden die Beschwerdeführer nicht in Rechten verletzt. Der Zusicherungsbescheid ist nämlich auch ohne ausdrücklichen Widerruf durch die - auf nachträglich eingetretenen Umständen basierende - Abweisung der Anträge auf Verleihung bzw. Erstreckung der Staatsbürgerschaft gegenstandslos geworden (vgl. das hg. Erkenntis vom 23. April 1986, Zl. 86/01/0026, und Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft, Band II, Wien 1990, S. 271 f, der in diesem Fall eine materielle Derogation annimmt). Eine Rechtsverletzung liegt auch deshalb nicht vor, weil - wie unten dargestellt - tatsächlich ein Widerrufsgrund vorliegt, was die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides insofern zum Ausdruck brachte, als sie darauf hinwies, daß der Erstbeschwerdeführer die zweite Körperverletzung am 27. Oktober 1993 (somit nach Erlassung des Zusicherungsbescheides) begangen hat, und die Beschwerdeführer somit bei rechtskonformem Verhalten der belangten Behörde - diesfalls wäre die Zusicherung zu widerrufen gewesen - nicht besser gestellt wären.

Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG darf die österreichische Staatsbürgerschaft einem Fremden nur dann verliehen werden, wenn er nach seinem bisherigen Verhalten Gewähr dafür bietet, daß er zur Republik Österreich bejahend eingestellt ist und keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit bildet. Bei der gemäß dieser Gesetzesstelle vorzunehmenden Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen für die Verleihung der Staatsbürgerschaft ist - wie die belangte Behörde richtig ausgeführt hat - vom Gesamtverhalten des Einbürgerungswerbers, welches durch das sich aus den vom ihm begangenen Straftaten ergebende Charakterbild bestimmt ist, auszugehen. Hiebei stellt der Gesetzgeber nicht auf formelle Gesichtspunkte ab, sondern ist es lediglich maßgebend, ob es sich um Rechtsbrüche handelt, die den Schluß rechtfertigen, der Betreffende werde auch in Zukunft wesentliche, zum Schutz vor Gefahren für das Leben, die Gesundheit, die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit erlassene Vorschriften mißachten (vgl. z. B. das hg. Erkenntnis vom 29. Jänner 1997, Zl. 96/01/0173).

Der Erstbeschwerdeführer hat nicht nur im Jahre 1986 einen versuchten schweren Diebstahl begangen, sondern nunmehr auch zwei vorsätzliche Körperverletzungen. Die belangte Behörde hat zu Recht darauf verwiesen, daß den Verurteilungen wegen Körperverletzung jeweils mehrere, mit besonderer Aggressivität begangene Angriffe zugrunde liegen. (Aus den beim Akt erliegenden Strafverfügungen ist ersichtlich, daß der Erstbeschwerdeführer am 7. und 8. September 1992 seiner Gattin durch einen Faustschlag gegen das Gesicht und - als sie am Boden lag - mehrere Fußtritte gegen den Körper sowie seiner Tochter am 27. Oktober 1993 durch mehrere Schläge mit einer Krücke Verletzungen zufügte.) Nach Erlassung des Zusicherungsbescheides ist durch die zweite Verurteilung wegen eines auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Delikts deutlich zutage getreten, daß zum Charakterbild des Erstbeschwerdeführers auch eine Neigung zu derartigen Gewalttaten gehört. Daran ändert die von der Beschwerde vorgebrachte Tatsache, daß der Beschwerdeführer die Körperverletzungen bisher nur im Familienkreis begangen hat, nichts. Wenn der Erstbeschwerdeführer in diesem Zusammenhang vorbringt, bei ihm träten aufgrund einer unklaren epileptischen Erkrankung Dämmerzustände auf, in denen er sinnlose Handlungen setze, ist ihm einerseits entgegenzuhalten, daß er jeweils wegen vorsätzlicher Körperverletzung verurteilt wurde, und andererseits, daß diese Dämmerzustände - sollten sie tatsächlich vorliegen - nicht geeignet sind, die vom Beschwerdeführer ausgehende Gefahr geringer erscheinen zu lassen.

Die belangte Behörde kam daher zu Recht zu dem Ergebnis, daß der Erstbeschwerdeführer die Verleihungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG (nach Erlassung des Zusicherungsbescheides) nicht (mehr) erfüllt.

Soweit die Zweit- und Drittbeschwerdeführerinnen vorbringen, die belangte Behörde habe auf ihre persönlichen und familiären Verhältnisse nicht Bedacht genommen, ist ihnen zu entgegnen, daß die Erstreckung der Verleihung an den Ehegatten (§ 16 StbG) und die minderjährigen Kindern (§ 17 StbG) eines Fremden gemäß § 18 StbG nur gleichzeitig mit der Verleihung der Staatsbürgerschaft und nur mit demselben Erwerbungszeitpunkt verfügt werden darf. Mangels Verleihung der Staatsbürgerschaft an den Erstbeschwerdeführer hat die belangte Behörde die Erstreckungsanträge der Zweit- und Drittbeschwerdeführerinnen jedenfalls zu Recht abgewiesen. Eine Überprüfung der Frage, ob die Erstreckungswerberinnen selbst die Verleihungsvoraussetzungen erfüllen, war dazu nicht notwendig.

Sollte dieses Vorbringen so zu verstehen sein, daß die Zweit- und Drittbeschwerdeführerinnen der Ansicht sind, ihre Anträge seien (auch) als eigene Verleihungsanträge anzusehen, sind sie darauf zu verweisen, daß die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid nicht über derartige Anträge abgesprochen hat. Eine Verletzung des Rechts auf Verleihung der Staatsbürgerschaft an die Zweit- und Drittbeschwerdeführerinnen kann daher durch den angefochtenen Bescheid gar nicht erfolgt sein.

Die sich sohin als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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