Normen
AsylG 1991 §7 Abs3;
AufG 1992 §5 Abs1;
AufG 1992 §6 Abs2;
AVG §68 Abs1;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;
FrG 1993 §37 Abs1;
AsylG 1991 §7 Abs3;
AufG 1992 §5 Abs1;
AufG 1992 §6 Abs2;
AVG §68 Abs1;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;
FrG 1993 §37 Abs1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesministerium für Inneres) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.740,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer beantragte am 11. Mai 1994 die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 25./26. August 1994 gemäß § 9 Abs. 3 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) in seiner Fassung vor Inkrafttreten der Novelle BGBl. Nr. 351/1995 abgewiesen. Der Beschwerdeführer erhob Berufung.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 22. August 1995 wies der Bundesminister für Inneres diese Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 5 Abs. 1 AufG und § 10 Abs. 1 Z. 4 und 6 des Fremdengesetzes (FrG) ab. Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei "nach der auf seinen eigenen Angaben beruhenden Aktenlage eingereist" und habe seinen damit begonnenen Aufenthalt mit dem vorliegenden Antrag auf Aufenthaltsbewilligung verlängern wollen. Gemäß § 5 Abs. 1 AufG sei die Erteilung einer Bewilligung zu versagen, wenn ein Sichtvermerksversagungsgrund im Sinne des Fremdengesetzes vorliege. Nach § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG sei das dann der Fall, wenn der Sichtvermerk zeitlich an einen Touristensichtvermerk anschließen oder nach sichtvermerksfreier Einreise erteilt werden solle. Wie aus der Heiratsurkunde des Beschwerdeführers vom 15. Dezember 1994 und aus seiner Lohnbestätigung vom 30. Juni 1995 hervorgehe, gehe dieser in Österreich einer Beschäftigung nach und halte sich gemäß § 15 FrG unrechtmäßig im Bundesgebiet auf. Als Staatsangehöriger Pakistans sei er sichtvermerkspflichtig. Er verfüge über keine Aufenthaltsberechtigung, weshalb er zur Arbeitsaufnahme und zum Aufenthalt im Bundesgebiet nicht berechtigt sei. Dies stelle "im übrigen" den Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG dar.
Eine auf § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG gestützte Entscheidung stelle einen zulässigen Eingriff in das durch Art. 8 MRK geschützte Grundrecht dar.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, nach Ablehnung ihrer Behandlung durch den Verfassungsgerichtshof dem Verwaltungsgerichtshof abgetretene Beschwerde. Der Beschwerdeführer macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit dem Antrag geltend, den angefochtenen Bescheid aus diesen Gründen aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 5 Abs. 1 AufG lautet:
"§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist."
§ 10 Abs. 1 Z. 4 und 6 FrG lauten:
"§ 10. (1) Die Erteilung eines Sichtvermerkes ist zu versagen, wenn
...
4. der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde;
...
6. der Sichtvermerk zeitlich an einen Touristensichtvermerk anschließen oder nach sichtvermerksfreier Einreise (§ 12 Aufenthaltsgesetz oder § 14) erteilt werden soll;"
§ 37 Abs. 1 FrG lautet:
"§ 37. (1) Die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung eines Fremden in einen Staat ist unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, daß er Gefahr liefe, dort einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden."
Die Anwendung des Versagungsgrundes nach § 5 Abs. 1 AufG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG setzt voraus, daß die Bewilligung im Anschluß an einen Touristensichtvermerk oder an eine sichtvermerksfreie Einreise erteilt werden soll. Daß der Beschwerdeführer je über einen Touristensichtvermerk verfügte, wurde nicht festgestellt. Ein Abkommen zwischen Österreich und Pakistan, welches pakistanischen Staatsangehörigen, die - wie der Beschwerdeführer - nicht Inhaber von Diplomaten- oder Dienstpässen sind, die sichtvermerksfreie Einreise gestatten würde, besteht nicht. Auch eine Verordnung gemäß § 12 AufG, welche es Staatsangehörigen Pakistans gestattete, sichtvermerksfrei in das Bundesgebiet einzureisen, wurde nicht erlassen.
Aus diesen Erwägungen ist der angefochtene Bescheid in Ansehung des Versagungsgrundes nach § 5 Abs. 1 AufG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.
(Auch) den Versagungsgrund des § 5 Abs. 1 AufG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG zog die belangte Behörde erstmals heran. Ändert die Behörde gegenüber dem Bescheid der Vorinstanz den Versagungsgrund, so ist sie verpflichtet, dies dem Beschwerdeführer vorzuhalten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. März 1985, Zl. 84/07/0221). Diese Verfahrensvorschrift hat die belangte Behörde im vorliegenden Fall mißachtet.
Der Beschwerdeführer erstattet folgendes, nicht dem Neuerungsverbot im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unterliegendes Beschwerdevorbringen:
Er sei als Flüchtling in das österreichische Bundesgebiet eingereist. Nach rechtskräftiger (negativer) Beendigung seines Asylverfahrens habe er im Mai 1994 den gegenständlichen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gestellt. Er sei seit 15. Dezember 1994 mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet.
Der Beschwerdeführer könne aus rechtlichen und faktischen Gründen nicht abgeschoben werden. Er könne "als Flüchtling" weder in ein Drittland ausreisen noch in seinen Heimatstaat zurückkehren. Er liefe Gefahr, in Pakistan verhaftet, gefoltert und möglicherweise getötet zu werden.
Mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer in tauglicher Weise die Relevanz des der belangten Behörde unterlaufenen Verfahrensmangels auf.
Grundsätzlich ist der Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG auch dann verwirklicht, wenn ein Asylwerber nach rechtskräftigem Abschluß seines Asylverfahrens seinen Inlandsaufenthalt unrechtmäßig fortsetzt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. September 1996, Zl. 95/19/1075).
Droht einem Fremden - sei es auch aus nicht asylrelevanten Gründen - in seinem Heimatstaat eine unmenschliche Behandlung oder Strafe oder die Todesstrafe, so ist die Abschiebung des Fremden in einen solchen Staat gemäß § 37 Abs. 1 FrG unzulässig. Diesfalls kann dem Fremden auch nicht vorgeworfen werden, nach Beendigung des Asylverfahrens nicht wieder in seinen Heimatstaat zurückgekehrt zu sein. Ist dem Fremden auch eine Ausreise in ein Drittland nicht möglich, weil er dort keine Aufnahme findet, ist ihm sein unrechtmäßiger Aufenthalt im Bundesgebiet nicht vorwerfbar.
Ob ein solcher unrechtmäßiger Aufenthalt die öffentliche Ordnung stört, kann in diesem Zusammenhang dahingestellt bleiben, kommt es doch im Grunde des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG lediglich auf die Prognose an, der weitere, dann rechtmäßige Aufenthalt des Fremden werde die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden. Die Annahme, die Versagung einer Bewilligung sei erforderlich, um zu verhindern, daß der Beschwerdeführer während seines fortgesetzten Aufenthaltes aufgrund der zu erteilenden Bewilligung weitere Ordnungswidrigkeiten begehen werde, erwiese sich bei Zutreffen der Beschwerdebehauptungen nicht als gerechtfertigt, weil ihm - wie oben ausgeführt - die von seinem unberechtigten Inlandsaufenthalt allenfalls ausgehende Störung der Ordnung nicht vorwerbar wäre.
Daß eine Versagung der Bewilligungserteilung an den Beschwerdeführer aus generalpräventiven Gründen erforderlich wäre, weil sich Personen, auf die die in § 37 Abs. 1 FrG umschriebenen Voraussetzungen zutreffen, in beträchtlicher Zahl durch Stellung unberechtigter Asylanträge den Aufenthalt in Österreich verschaffen, ist den Bescheidfeststellungen nicht zu entnehmen.
Aus diesen Erwägungen ist der angefochtene Bescheid in Ansehung des Versagungsgrundes nach § 5 Abs. 1 AufG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet.
Zur Vermeidung von Mißverständnissen sieht sich der Verwaltungsgerichtshof allerdings veranlaßt klarzustellen, daß das Vorliegen der Voraussetzungen des § 37 Abs. 1 FrG lediglich der Annahme entgegensteht, schon allein aufgrund des unrechtmäßigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers sei der Versagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG gegeben. Keinesfalls ist damit aber ausgesagt, daß bei Vorliegen der in § 37 Abs. 1 FrG genannten Gründe die Versagung der Bewilligung aufgrund anderer Versagungstatbestände - etwa des von der belangten Behörde nicht herangezogenen § 6 Abs. 2 AufG (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1997, Zlen. 96/19/3402,
AW 96/19/1873) - unzulässig wäre, zumal sich das Recht auf Aufenthalt aufgrund einer Bewilligung nach dem AufG eben von dem Recht, gemäß § 37 Abs. 1 FrG nicht zurück- oder abgeschoben werden zu dürfen, unterscheidet.
Der angefochtene Bescheid war aus den dargelegten Gründen infolge der prävalierenden Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Von der beantragten Verhandlung wurde aus dem Grunde des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG Abstand genommen, weil die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen ließen, daß die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten läßt und Art. 6 Abs. 1 MRK dem nicht entgegensteht.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
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