VwGH 95/19/1311

VwGH95/19/131121.5.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens,

Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerde

1. der KH, und 2. des TH, beide in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres jeweils vom 12. September 1995, Zl. 108.328/2-III/11/94 (zu 1.) und Zl. 108.328/3-III/11/94 (zu 2.), beide betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

AufG 1992 §6 Abs1;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
FrG 1993 §10 Abs1 Z6;
AufG 1992 §6 Abs1;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
FrG 1993 §10 Abs1 Z6;

 

Spruch:

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund (Bundesministerium für Inneres) Aufwendungen in der Höhe von jeweils S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführer (Mutter und Sohn) stellten am 11. Mai 1995 beim Landeshauptmann von Wien Anträge auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung und gaben als Aufenthaltszweck "Familienzusammenführung bzw. Familiengemeinschaft" mit dem Ehemann bzw. Vater an. Der Landeshauptmann von Wien wies diese Anträge mit Bescheiden vom 29. August 1994 gemäß § 6 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) ab. Die dagegen gerichteten Berufungen wurden mit Bescheiden des Bundesministers für Inneres vom 12. September 1995, zugestellt am 14. September 1995, gemäß § 5 Abs. 1 AufG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 6 des Fremdengesetzes (FrG) abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, bei der Beurteilung der Anträge sei maßgeblich, daß § 5 Abs. 1 AufG zwingend die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ausschließe, wenn ein Sichtvermerksversagungsgrund im Sinne des Fremdengesetzes vorliege. Nach § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG liege ein solcher vor, wenn der Sichtvermerk zeitlich an einen Touristensichtvermerk anschließen oder nach sichtvermerksfreier Einreise erteilt werden solle.

Trotz Aufforderung hätten die Beschwerdeführer keinerlei Angaben zu ihrem derzeitigen Aufenthaltsort machen können, es werde daher davon ausgegangen, daß die Beschwerdeführer sich noch immer im Bundesgebiet aufhielten. Im Hinblick auf die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vom 1. Juli 1993, B 338/93 und B 445/93, erübrige sich das Eingehen auf eventuelle private und familiäre Interessen, "da das Vorliegen des § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG einen zulässigen Eingriff in das durch Art. 8 MRK geschützte Grundrecht" darstelle.

Die Beschwerdeführer bekämpfen diese Bescheide wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Begründend führen die Beschwerdeführer im wesentlichen aus, es sei aus ihren Anträgen ersichtlich gewesen, daß sie eine Wohnadresse in Bratislava innehätten. Es sei daher nicht nachvollziehbar, weshalb die belangte Behörde zu dem Schluß gekommen sei, die Beschwerdeführer hätten sich zum Zeitpunkt der Antragstellung und auch danach in Österreich aufgehalten. Die Beschwerdeführer seien weder sichtvermerksfrei in das Bundesgebiet eingereist, noch hielten sie sich "zur Zeit" illegal in Österreich auf, weshalb die Entscheidung keinen zulässigen Eingriff in das durch Art. 8 MRK geschützte Grundrecht darstelle. Da der Ehemann bzw. Vater der Beschwerdeführer bereits seit vier Jahren in Österreich lebe, hätten die Beschwerdeführer einen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 3 Abs. 1 Z. 2 AufG. Des weiteren hätte die Berufungsbehörde gemäß § 45 Abs. 3 AVG den Beschwerdeführern das Ergebnis ihres Erkenntnisverfahrens mitteilen müssen. Daß sie dies nicht getan habe, stelle einen Verfahrensmangel dar.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte, die Beschwerde abzuweisen und den Beschwerdeführern den Ersatz der Prozeßkosten aufzuerlegen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerden erwogen:

Im Hinblick auf das Datum der Erlassung der angefochtenen Bescheide hatte die belangte Behörde das AufG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 351/1995 anzuwenden. In der Fassung dieser Novelle lauteten die maßgeblichen Bestimmungen des AufG sowie des FrG (auszugsweise) wie folgt:

§ 3 Abs. 1 Z. 2 AufG:

" § 3. (1) Ehelichen und außerehelichen minderjährigen Kindern und Ehegatten

...

2. von Fremden, die auf Grund einer Bewilligung, eines vor dem 1. Juli 1993 ausgestellten Sichtvermerkes oder sonst gemäß § 1 Abs. 3 Z. 1 bis 5 rechtmäßig seit mehr als zwei Jahren ihren Hauptwohnsitz in Österreich haben, ist nach Maßgabe des § 2 Abs. 3 Z. 3 und 4 eine Bewilligung zu erteilen, sofern kein Ausschließungsgrund (§ 5 Abs. 1) vorliegt."

§ 5 Abs. 1 AufG:

"§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt), ..."

§ 10 Abs. 1 Z. 6 FrG:

"§ 10. (1) Die Erteilung eines Sichtvermerkes ist zu versagen, wenn

...

6. der Sichtvermerk zeitlich an einen Touristensichtvermerk anschließen oder nach sichtvermerksfreier Einreise (§ 12 Aufenthaltsgesetz oder § 14) erteilt werden soll;"

Anders als die Behörde erster Instanz, die die Anträge der Beschwerdeführer gemäß § 6 Abs. 2 AufG abgewiesen hatte, stützte sich die belangte Behörde auf den Sichtvermerksversagungsgrund gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG. Da die in § 6 Abs. 1 AufG verankerte Pflicht des Antragstellers, glaubhaft zu machen, daß kein Ausschließungsgrund vorliegt, nicht so weit reicht, auch das Nichtvorliegen eines Sichtvermerksversagungsgrundes im Sinne des § 10 Abs. 1 FrG darzutun, durfte die belangte Behörde § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG nur nach Durchführung eines entsprechenden Ermittlungsverfahrens heranziehen, in dessen Rahmen sie von Amts wegen zu prüfen hatte, ob die Beschwerdeführer sich weiterhin in Österreich aufhielten. Die Parteien traf dabei die Pflicht, an den Feststellungen des maßgeblichen Sachverhaltes mitzuwirken (vgl. Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts6, Rz. 321).

Aus der im Verwaltungsakt enthaltenen Kopie des Reisepasses der Beschwerdeführer ist ein Touristensichtvermerk gültig bis 24. April 1994 ersichtlich. Da in den am 3. Mai 1994 eingereichten Antragsformularen in der Rubrik "derzeitiger Wohnsitz" jeweils eine Adresse in Bratislava (Slowakei) und als "gesicherte Unterkunft in Österreich" jeweils eine Adresse im

16. Wiener Gemeindebezirk angegeben war, an diese Wiener Adresse am 5. September 1994 die erstinstanzlichen Bescheide (durch Hinterlegung) zugestellt wurden und in den gegen diese Bescheide vom Rechtsvertreter der Beschwerdeführer am 14. September 1994 erhobenen Berufungen keine Angaben über die Adressen bzw. den damaligen Aufenthaltsort der Beschwerdeführer enthalten waren, forderte die belangte Behörde den Rechtsvertreter der Beschwerdeführer am 10. August 1995 auf, binnen zwei Wochen eine Kopie des gesamten Reisepasses der Beschwerdeführer vorzulegen sowie deren Aufenthaltsort (unter Angabe der genauen Adresse) bekannt zu geben. Bei fruchtlosem Verstreichen der Frist würde das Verfahren aufgrund der Aktenlage fortgeführt werden.

Mit dem als Antwort darauf ergangenen Schriftsatz vom 17. August 1995 legte zwar der Rechtsvertreter der Beschwerdeführer eine vollständige Kopie des Reisepasses vor und führte die Rechtsmeinung der Beschwerdeführer zum Inhalt des § 6 Abs. 2 AufG aus, doch enthielt weder der Kopf des Schriftsatzes noch sein Textteil Angaben über den Aufenthaltsort (die genaue Adresse) der Beschwerdeführer. Da sie es somit unterließen, der Aufforderung der belangten Behörde nach Bekanntgabe ihres Aufenthaltsortes nachzukommen, sind die Beschwerdeführer ihrer oben dargelegten Pflicht, an der Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhaltes mitzuwirken, nicht nachgekommen. Aufgrund dieser Verletzung der Mitwirkungspflicht war die belangte Behörde befugt, das diesbezügliche Verhalten der Beschwerdeführer in ihre Beweisüberlegungen einzubeziehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. März 1997, Zl. 95/19/0792 mwN). Ihre darauf gegründete Annahme, die Beschwerdeführer hätten Österreich nach Ablauf ihres Touristensichtvermerkes nicht verlassen, kann daher nicht als verfehlt angesehen werden.

Die belangte Behörde gelangte daher auch zu Recht zu ihrer Schlußfolgerung, daß der Sichtvermerksversagungsgrund nach § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG vorlag.

Wenn in den Beschwerden vorgebracht wird, daß die belangte Behörde es unterlassen hätte, "das Ergebnis ihres Erkenntnisverfahrens" mitzuteilen, somit die mangelnde Einräumung von Parteiengehör gerügt wird, so kann damit schon deswegen kein relevanter Verfahrensmangel aufgezeigt werden, weil die Beschwerdeführer nicht vorbringen, was sie bei Vorhalt der Sachverhaltsannahme der belangten Behörde hätten entgegenhalten können. Auch in der Beschwerde selbst wird nämlich nur ausgeführt, daß die Beschwerdeführer weder sichtvermerksfrei in das Bundesgebiet eingereist seien noch sich "zur Zeit" in Österreich aufhielten. Damit wird jedoch nicht dargetan, daß die Feststellung der belangten Behörde, die Beschwerdeführer hätten sich im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (weiterhin) in Österreich aufgehalten, unrichtig sei. Es liegt somit kein Verfahrensmangel vor, bei dessen Vermeidung die Behörde in den hier maßgeblichen Punkten zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann entgegen dem Beschwerdevorbringen auch die Rechtsansicht der belangten Behörde, eine Bedachtnahme auf private und familiäre Interessen des Fremden komme bei einer auf § 10 Abs. 1 Z. 6 gestützten Entscheidung aus den vom Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 1. Juli 1993, B 338/93, B 445/93, Slg. Nr. 13.497, dargelegten Gründen nicht in Frage, nicht als verfehlt erachtet werden (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 14. Februar 1997, Zl. 95/19/0715).

Es trifft schließlich auch nicht zu, daß die Beschwerdeführer gemäß § 3 Abs. 1 Z. 2 AufG einen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung hätten, weil § 3 Abs. 1 Z. 2 AufG die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung an minderjährige Kinder und Ehegatten von Fremden jeweils davon abhängig macht, daß kein Ausschließungsgrund gemäß § 5 Abs. 1 AufG vorliegt. Da im gegenständlichen Fall nach dem bisher Gesagten der Ausschließungsgrund des § 5 Abs. 1 AufG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG verwirklicht wurde, besteht der behauptete Rechtsanspruch nicht.

Die Beschwerden waren daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm Art. I der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert werden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

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