Normen
AufG 1992 §13 Abs1;
AufG 1992 §6 Abs2;
MRK Art8;
AufG 1992 §13 Abs1;
AufG 1992 §6 Abs2;
MRK Art8;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesministerium für Inneres) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer beantragte mit Schriftsatz vom 18. Februar 1994 die "Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung mit einer Gültigkeit von 12 Monaten ab positiver Erledigung dieses Antrags". Er stellte den Antrag vom Inland aus. Er führte im Antrag aus, daß er sich "seit Juli 1988 ständig in Österreich" aufhalte und polizeilich gemeldet sei. Er habe die vierjährige Touristische Hotelmittelschule der Polytechnischen Akademie in Wien besucht. Gemeinsam mit ihm befinde sich seine leibliche Mutter seit Juli 1988 ständig in Österreich, diese besitze einen Befreiungsschein. Weiters befinde sich seine Schwester und deren drei Kinder in Österreich, sie seien österreichische Staatsbürger.
Die Behörde erster Instanz wies diesen Antrag mit Bescheid vom 26. Mai 1994 gemäß § 13 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz (AufG) ab, weil der letzte Sichtvermerk des Beschwerdeführers bereits am 31. Jänner 1992 abgelaufen sei und er sich seither nicht mehr rechtmäßig in Österreich befinde. Zur Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz käme daher nur mehr eine Erstantragstellung vor der Einreise vom Ausland aus in Betracht (§ 6 Abs. 2 AufG).
In der dagegen erhobenen Berufung wiederholte der Beschwerdeführer im wesentlichen seine Antragsangaben.
Mit dem Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 29. November 1994 wurde die Berufung gemäß § 6 Abs. 2 iVm § 13 Abs. 1 AufG abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe nach der auf seinen eigenen Angaben beruhenden Aktenlage den Antrag nicht vor der Einreise, mit der sein derzeitiger Aufenthalt begonnen habe, gestellt. Da sein letzter Sichtvermerk am 31. Jänner 1992 abgelaufen sei, habe er sich zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Aufenthaltsgesetzes (1. Juli 1993) nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten, weshalb § 13 Abs. 1 AufG auf ihn keine Anwendung finden könne. Aus diesem Grunde und infolge der Verfahrensvorschrift des § 6 Abs. 2 AufG sei die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ausgeschlossen und es sei auf das Vorbringen des Beschwerdeführers - "auch im Zusammenhang mit Ihren persönlichen Verhältnissen" - nicht weiter einzugehen gewesen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die zunächst an den Verfassungsgerichtshof gerichtete Beschwerde, der mit Beschluß vom 29. Juni 1995, B 2746/94-6, deren Behandlung ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat, nach deren Ergänzung erwogen:
Nach ständiger Rechtsprechung ist für die Beurteilung der im § 6 Abs. 2 AufG umschriebenen Erfolgsvoraussetzung der Antragstellung vom Ausland aus ungeachtet des Zeitpunktes der Antragstellung die Rechtslage im Zeitpunkt der Bescheiderlassung maßgeblich (vgl. dazu z.B. das hg. Erkenntnis vom 10. Dezember 1996, Zl. 95/19/0578). Demnach hatte die belangte Behörde im vorliegenden Fall im Hinblick auf die Zustellung des angefochtenen Bescheides (13. Dezember 1994) § 6 Abs. 2 AufG in der Fassung vor der Aufenthaltsgesetz-Novelle BGBl. Nr. 351/1995 anzuwenden. Dieser ordnet an, daß der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen ist.
Der Beschwerdeführer tritt der Sachverhaltsannahme der belangten Behörde, sein letztgültiger Sichtvermerk sei am 31. Jänner 1992 abgelaufen und er habe den gegenständlichen Antrag nicht vor der Einreise, mit der sein derzeitiger Aufenthalt begonnen habe, vom Ausland aus gestellt, nicht entgegen. Er bringt jedoch in tatsächlicher Hinsicht Gründe vor, weshalb er zwischen dem 31. Jänner 1992 und der Antragstellung am 18. Februar 1994 untätig geblieben ist. Diesen Ausführungen ist entgegenzuhalten, daß die Gründe, die dazu führten, daß der Beschwerdeführer im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Aufenthaltsgesetzes über keine Berechtigung zum Aufenthalt im Inland verfügte, für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 AufG vorliegen oder nicht, bedeutungslos sind (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 1996, Zl. 95/19/1061).
Der Beschwerdeführer verweist aber auch auf seine - bereits im Antrag dargestellten - privaten und familiären Interessen in Österreich. Ihm ist beizupflichten, daß bei einer auf § 6 Abs. 2 AufG aF gestützten Entscheidung grundsätzlich auf die durch Art. 8 MRK geschützten Rechte des Fremden Bedacht zu nehmen ist. In diesem Zusammenhang sind nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis vom 16. Juni 1995, B 1611-1614/94, u.a.), der sich der Verwaltungsgerichtshof angeschlossen hat (vgl. die
hg. Erkenntnisse vom 29. Februar 1996, Zl. 95/18/0759, und vom 10. Dezember 1996, Zl. 95/19/0578, u.a.), solche Fremde geschützt, die sich seit vielen Jahren rechtmäßig in Österreich aufgehalten haben.
Im konkreten Fall hat der Beschwerdeführer bereits im Antrag - wenn auch nicht in zweifelsfreier Weise - auf seinen rechtmäßigen Aufenthalt seit dem Jahre 1987 hingewiesen. Die Behörde erster Instanz begründete - ohne zur Gesamtdauer des rechtmäßigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers Ermittlungen aktenkundig zu machen - die Abweisung des Antrages damit, daß "der LETZTE Sichtvermerk der antragstellenden Partei bereits am 31. Jänner 1992 abgelaufen ist". Die belangte Behörde hat ihrerseits zum rechtmäßigen Voraufenthalt des Beschwerdeführers keine Ermittlungen angestellt.
Träfe es tatsächlich zu, daß sich der Beschwerdeführer seit seiner Einreise im Juli 1988 ständig rechtmäßig in Österreich aufgehalten hat, so könnte die Intensität seiner privaten und familiären Interessen in Österreich bei Vornahme einer Interessenabwägung im Sinne des Art. 8 Abs. 2 MRK zu einem anderen Bescheid führen.
Die belangte Behörde ist im angefochtenen Bescheid der Ansicht, daß sie auf das Vorbringen des Beschwerdeführers im Zusammenhang mit seinen persönlichen Verhältnissen "nicht weiter einzugehen" habe. Damit hat sie es in Verkennung der Rechtslage unterlassen, Ermittlungen über den gegebenenfalls (im Sinne der gemäß Art. 8 Abs. 2 MRK durchzuführenden Erforderlichkeitsprüfung) relevanten rechtmäßigen Voraufenthalt des Beschwerdeführers anzustellen. Sie hat den angefochtenen Bescheid daher mit einem sekundären Verfahrensmangel belastet.
Deshalb erweist sich der angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die anläßlich der Beschwerdeerhebung an den Verfassungsgerichtshof zu entrichtenden Stempelgebühren nicht im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof zu ersetzen sind.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
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