Normen
AufG 1992 §6 Abs3;
AVG §62 Abs4;
AVG §66 Abs4;
VwRallg;
AufG 1992 §6 Abs3;
AVG §62 Abs4;
AVG §66 Abs4;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund (Bundesministerium für Inneres) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Landeshauptmann von Wien wies den Antrag des Beschwerdeführers vom 1. Juni 1994 auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 6 Abs. 3
Aufenthaltsgesetz (AufG) "zurück", weil der Antrag nicht spätestens vier Wochen vor Ablauf der Geltungsdauer der dem Beschwerdeführer erteilten letztgültigen Bewilligung (1. Juli 1994) gestellt worden sei.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 4. April 1995, zugestellt am 14. April 1995, wurde die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 4 Abs. 1 und § 6 Abs. 1 AufG, BGBl. Nr. 466/1992, abgewiesen.
Die belangte Behörde begründete den angefochtenen Bescheid folgendermaßen:
"Sie haben am 01.06.1994 bei der MA 62 einen Antrag auf Erteilung (Verlängerung) der Aufenthaltsbewilligung gestellt, der mit ... Bescheid vom 29.06.1994 abgewiesen wurde.
Aufgrund Ihrer rechtzeitig eingebrachten Berufung wurde wie folgt erwogen:
Ihren Ausführungen in der Berufung über die fristgerechte Antragstellung wird gefolgt.
Gemäß § 4 Abs. 1 AufG kann Fremden eine Aufenthaltsbewilligung erteilt werden. Im Gegensatz zu § 3 Abs. 1 AufG ("Familienzusammenführung) besteht für alle anderen Gruppen von Fremden Ermessen der Behörde zur Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung.
Gemäß § 6 Abs. 1 AufG ist in dem Antrag auf Aufenthaltsbewilligung der Zweck des vorgesehenen Aufenthaltes in Österreich genau anzugeben und glaubhaft zu machen, daß kein Ausschließungsgrund (§ 5) vorliegt.
Der Antrag vom 01.06.1994 bezeichnete den Aufenthalt zum Zwecke der Aufnahme eines Studiums an der Technischen Universität Wien. Dem Antrag wurde eine Inskriptionsbestätigung als außerordentlicher Hörer für das Sommersemester 1994 angeschlossen.
Im von der Berufungsbehörde durchgeführten Ermittlungsverfahren wurde erhoben, daß mit Bescheid der Technischen Universität Wien vom 18.08.1993 festgestellt wurde, daß Sie bei Nachweis ausreichender Deutschkenntnisse zum Studium der Studienrichtung Architektur zugelassen werden. Sie haben zuletzt im Sommersemester 1994 als außerordentlicher Hörer inskribiert. Der Zulassungsbescheid vom 18.08.1993 ist durch Nichterfüllung der Voraussetzungen außer Kraft gesetzt.
Die Voraussetzung einer gültigen Zulassung für ein Studium an einer Universität wurde im gegenständlichen Fall nicht erfüllt."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Aufgrund der Zustellung des angefochtenen Bescheides am 14. April 1995 hatte die belangte Behörde das Aufenthaltsgesetz in der Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 351/1995 anzuwenden.
Der Beschwerdeführer bringt vor, die Behörde erster Instanz habe seinen Antrag zurückgewiesen, wohingegen die belangte Behörde über seine Berufung in der Sache selbst erkannt habe, wodurch die funktionelle Zuständigkeit verletzt worden sei.
§ 6 Abs. 3 AufG in der Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 351/1995 lautete:
"Anträge auf Verlängerung einer Bewilligung sind so rechtzeitig zu stellen, daß darüber vor Ablauf der Geltungsdauer der Bewilligung entschieden werden kann; solche Anträge sind jedenfalls spätestens vier Wochen vor diesem Zeitpunkt zu stellen. Wird über einen solchen Antrag nicht rechtzeitig vor Ablauf der Geltungsdauer der Bewilligung entschieden, so verlängert sich die Geltungsdauer bis zum Zeitpunkt der Entscheidung, längstens aber um sechs Wochen".
Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung zu § 6 Abs. 3 AufG erkennt, handelt es sich bei der in dieser Norm genannten Frist um eine materiell-rechtliche Frist, deren Versäumung den Untergang des Anspruches des Fremden auf Verlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung bewirkt (vgl. zB. das hg. Erkenntnis vom 31. August 1995, Zl. 95/19/0216). Ein nach Ablauf dieser Frist gestellter Antrag wäre sohin abzuweisen.
Der Charakter einer verwaltungsbehördlichen Entscheidung als Sacherledigung ist aus dem Gesamtinhalt des Bescheides abzuleiten. Ein Vergreifen im Ausdruck (Zurückweisung statt Abweisung) ist nicht entscheidend (vgl. das hg. Erkenntnis vom 10. Dezember 1996, Zl. 95/19/0411, ergangen zu der vergleichbaren Bestimmung des § 13 Abs. 1 AufG). Ein solcher Fall liegt beim erstinstanzlichen Bescheid vom 29. Juni 1994 vor, weil die Behörde erster Instanz ihre Entscheidung auf eine vermeintliche Versäumung der zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung geltenden Frist des § 6 Abs. 3 AufG für die Stellung eines Antrages auf Verlängerung einer Bewilligung gestützt hat. Die Behörde erster Instanz hat damit in Wahrheit eine Sachentscheidung getroffen, weshalb die behauptete Unzuständigkeit der belangten Berufungsbehörde nicht vorliegt, weil die Berufungsbehörde ihre Entscheidung "in der Sache" des Verwaltungsverfahrens getroffen hat (das ist die Entscheidung über den Antrag des Beschwerdeführers, ihm eine Aufenthaltsbewilligung zu erteilen).
Der Beschwerdeführer rügt des weiteren, die belangte Behörde habe einen anderen Abweisungsgrund gebraucht als die Behörde erster Instanz, ohne ihm hiezu Parteiengehör einzuräumen. Ebenso sei ihm ein Aktenvermerk über ein von der belangten Behörde geführtes Telefonat mit der Technischen Universität am 30. März 1995 nicht vorgehalten worden. Bei Gewährung des Parteiengehörs hätte der Beschwerdeführer vorgebracht, daß er am 30. August 1994 eine österreichische Staatsbürgerin geehelicht habe; die Ehe sei aufrecht. Er habe "mittlerweile sogar den Deutschkurs für Ausländer 2 absolviert". Er verfüge über ausreichende Deutschkenntnisse für sein Architekturstudium. Diesbezüglich legte der Beschwerdeführer eine "Teilnahmebestätigung" für den Kurs "Deutsch für Ausländer 2" vom 10. November 1994 bis 23. Dezember 1994 beim Institut "T-Ges.m.b.H. in W" vor.
Zudem habe er die Eingehung der Ehe und "die Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit" (ohne nähere Konkretisierung in der Beschwerde) im Jänner 1995 der MA 62 per Post mitgeteilt. Dies habe die belangte Behörde nicht berücksichtigt, "da sie ausweislich der von meiner umseits ausgewiesenen Vertreterin vorgenommenen Akteneinsicht keine Kenntnis von diesen Veränderungen erlangt hat".
Gemäß § 66 Abs. 4 AVG ist die Berufungsbehörde berechtigt, sowohl im Spruch als auch in der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern. Im gegenständlichen Fall durfte die Berufungsbehörde im Rahmen der "Sache" sohin andere Abweisungsgründe heranziehen als die Erstbehörde. Damit war sie aber verpflichtet, Parteiengehör einzuräumen.
Dem Beschwerdeführer ist daher beizupflichten, daß die belangte Behörde das Parteiengehör verletzt hat. Somit verstößt das in der Beschwerde erstmals enthaltene Sachverhaltsvorbringen nicht gegen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot des § 41 Abs. 1 VwGG.
Eine Verletzung von Verfahrensvorschriften führt nicht auf jeden Fall zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides, sondern nur dann, wenn der Verfahrensmangel im zu prüfenden Fall möglicherweise von Einfluß auf den Inhalt des angefochtenen Bescheides sein könnte.
Gemäß § 3 Abs. 1 AufG ist Ehegatten von österreichischen Staatsbürgern eine Bewilligung zu erteilen, sofern kein Ausschließungsgrund (§ 5 Abs. 1 AufG) vorliegt. Gemäß § 3 Abs. 2 setzt die Erteilung einer Bewilligung gemäß Abs. 1 für Ehegatten voraus, daß die Ehe zum ZEITPUNKT DER ANTRAGSTELLUNG bereits mindestens ein Jahr besteht. Gemäß § 3 Abs. 3 AufG kann die Frist des Abs. 2 verkürzt werden, wenn der Ehegatte im gemeinsamen Haushalt gelebt hat und sein Lebensunterhalt und die Unterkunft ausreichend gesichert sind.
Der Beschwerdeführer verkennt, daß die Begünstigungen des § 3 dann nicht eintreten können, wenn die Eheschließung, wie im gegenständlichen Fall, erst nach der Antragstellung auf Erteilung (Verlängerung) einer Aufenthaltsbewilligung (hier: 1. Juni 1994) vor der Eheschließung (hier: 30. August 1994) liegt.
Der Hinweis auf den Besuch des Kurses "Deutsch für Ausländer 2" führt die Beschwerde angesichts des Bescheides der Technischen Universität Wien vom 18. August 1993 auch nicht zum Erfolg. Denn in diesem Bescheid ist ausgeführt, daß der Beschwerdeführer gemäß § 7 Abs. 4 des Allgemeinen Hochschul-Studiengesetzes bei - in seinem Fall aufgrund des Ergebnisses der Feststellungsprüfung aus Deutsch vorliegenden - unzureichenden Deutschkenntnissen gemäß § 28 Abs. 5 leg. cit. die Hochschul-Sprachprüfung aus Deutsch beim VORSTUDIENLEHRGANG DER WIENER UNIVERSITÄTEN in 1160 Wien, Ludo-Hartmannplatz 7, bis ZU BEGINN DES WINTER-SEMESTERS 1994/95 abzulegen habe. Der Beschwerdeführer kann mit dem Hinweis auf den Abschluß des Kursbesuches "Deutsch für Ausländer 2" bei dem Institut "T-Ges.m.b.H." die Erfüllung der Bescheidbedingung für die Zulassung zum Studium an der Technischen Universität Wien nicht darlegen.
Da der gegenständliche Antrag des Beschwerdeführers zunächst ausschließlich auf das von ihm angestrebte Studium an der Technischen Universität Wien gerichtet war, er aber auch nach seinem Beschwerdevorbringen die im Bescheid der Technischen Universität Wien vom 18. August 1993 genannten Bedingungen für die Zulassung zum Studium an der Technischen Universität Wien nicht erfüllt, und der Bescheid auch beinhaltete, daß der Bescheid nach Ablauf der für die Ablegung der Hochschul-Sprachprüfung aus Deutsch eingeräumten Frist (Beginn des Winter-Semesters 1994/95) seine Gültigkeit verliert, kann der Beschwerdeführer diesen von ihm angestrebten Zweck seines Aufenthaltes nicht mehr erreichen.
Durch den nicht dem Neuerungsverbot unterliegenden Hinweis auf seine vor Erlassung des angefochtenen Bescheides erfolgte Eheschließung mit einer österreichischen Staatsbürgerin im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof hat der Beschwerdeführer aber einen weiteren angestrebten Zweck seines Aufenthaltes - nämlich Familiengemeinschaft mit seiner österreichischen Gattin - angegeben und damit die Relevanz der Verletzung des Parteiengehörs durch die belangte Behörde aufgezeigt.
§ 6 Abs. 1 zweiter Satz AufG idF vor der Novelle BGBl. Nr. 351/1995 lautete:
"In dem Antrag ist der Zweck des vorgesehenen Aufenthaltes in Österreich genau anzugeben, und glaubhaft zu machen, daß kein Ausschließungsgrund (§ 5) vorliegt."
Damit war eine Änderung des Aufenthaltszweckes (anders als in dem nach der Rechtslage nach der Novelle BGBl. Nr. 351/1995 zu beurteilenden, dem hg. Erkenntnis vom 14. März 1996, Zl. 95/19/0526, zugrundegelegenen Fall) im Verwaltungsverfahren nicht unzulässig.
Infolge der Verletzung des Parteiengehörs hat die belangte Behörde diesen mit der Eheschließung dargetanen Aufenthaltszweck nicht berücksichtigt. Da die belangte Behörde bei Berücksichtigung dieses Umstandes zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert sind, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
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