VwGH 95/18/1126

VwGH95/18/11262.10.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Rigler, Dr. Handstanger und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerde der H in Wien, vertreten durch Dr. Wolfgang Rainer, Rechtsanwalt in Wien VII, Neubaugasse 12-14, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 19. Jänner 1995, Zl. Fr 4135/94, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1991 §7;
AsylG 1991 §9;
FrG 1993 §17 Abs2 Z4;
FrG 1993 §17 Abs2 Z6;
AsylG 1991 §7;
AsylG 1991 §9;
FrG 1993 §17 Abs2 Z4;
FrG 1993 §17 Abs2 Z6;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich (der belangten Behörde) vom 19. Jänner 1995 wurde die Beschwerdeführerin, eine irakische Staatsangehörige, gemäß "§ 17 Abs. 2 Z. 4 und Abs. 3" des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ausgewiesen.

Die Beschwerdeführerin sei am 11. November 1994 ohne gültigen Reisepaß und ohne das für irakische Staatsbürger erforderliche Visum in das Bundesgebiet eingereist. Ihr am 16. November 1994 gestellter Asylantrag sei mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 30. November 1994 abgewiesen worden. Eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung gemäß § 7 Asylgesetz 1991 komme der Beschwerdeführerin nicht zu, weil sie sich vor der Einreise in das Bundesgebiet mehrere Tage in Bulgarien aufgehalten habe und in diesem Staat vor Verfolgung sicher gewesen sei. Die Beschwerdeführerin sei ihrer Verpflichtung, von sich aus initiativ darzulegen, über die notwendigen Unterhaltsmittel zu verfügen, nicht nachgekommen. Daran ändere auch die Tatsache nichts, daß sie von der Caritas versorgt werde, weil sie auf die Unterstützung durch diese Organisation keinen Rechtsanspruch habe.

Die Beschwerdeführerin sei somit unter Mißachtung der Bestimmungen des zweiten Teiles des Fremdengesetzes eingereist, binnen einem Monat betreten worden und habe innerhalb eines Monats nach der Einreise den Besitz der Mittel zu ihrem Unterhalt nicht nachweisen können. Es seien somit sämtliche Tatbestandsmerkmale "der zitierten gesetzlichen Bestimmungen" erfüllt. In diesem Fall habe die Behörde die Ausweisung zu erlassen. Ein Ermessen sei ihr hiebei nicht eingeräumt.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Soweit sich die Beschwerdeführerin auf das vorläufige Aufenthaltsrecht gemäß § 7 Asylgesetz 1991 beruft, ist ihr - abgesehen davon, daß eine Ausweisung gemäß § 17 Abs. 2 FrG nicht zur Vorausetzung hat, daß sich der Fremde unrechtmäßig in Österreich aufhält - zu entgegnen, daß das Asylverfahren nach ihrem eigenen Vorbringen durch den Bescheid des Bundesasylamtes vom 30. November 1994 rechtskräftig abgeschlossen wurde und lediglich ein Wiedereinsetzungsverfahren anhängig ist, wobei nicht vorgebracht wurde, daß dem Wiedereinsetzungsantrag die aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde. Eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach § 7 Asylgesetz 1991 kommt daher schon nach Abs. 3 dieser Bestimmung nicht in Betracht.

1.2. Gemäß § 17 Abs. 2 Z. 4 FrG in der hier maßgeblichen Fassung vor der Novelle BGBl. 436/1996 können Fremde mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn sie innerhalb eines Monates nach der Einreise den Besitz der Mittel zu ihrem Unterhalt nicht nachzuweisen vermögen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes obliegt es dem Fremden, von sich aus (initiativ) den Nachweis für den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt zu erbringen (vgl. etwa das zur insofern gleichlautenden Bestimmung des § 18 Abs. 2 Z. 7 FrG ergangene Erkenntnis vom 6. Mai 1997, Zl. 96/18/0601).

1.3. Die Beschwerdeführerin vermeint, daß der Tatbestand des § 17 Abs. 2 Z. 4 FrG nicht erfüllt sei, weil sie im Verwaltungsverfahren eine Unterstützungserklärung der Caritas vorgelegt habe, wonach sie von dieser Organisation in gleichem Umfang wie nach dem Bundesbetreuungsgesetz unterstützt werde.

Die im Verwaltungsakt erliegende Unterschützungserklärung der Caritas vom 23. Dezember 1994 hat folgenden Wortlaut:

"Wir bestätigen, daß wir bereit sind, Herrn R und Frau H, beide irakische Staatsangehörige und derzeit wohnhaft im Caritas-Übergangswohnheim in 1150 Wien, Robert Hamerling-Gasse 7, weiterhin hinsichtlich der Bereitsstellung einer kostenlosen Unterkunft und Versorgung mit dem Lebensnotwendigen zu unterstützen und diese Unterstützung gegebenenfalls solange aufrecht zu erhalten, bis sie ihrer nicht mehr länger bedürfen.

Im Bedarfsfall erhalten Herr R und Frau H über unsere Stelle kostenlose medizinische Betreuung vermittelt, darüberhinaus werden ihnen im notwendigen Ausmaß Sachzuwendungen (Kleidung, Hygieneartikel, Fahrscheine u.ä.) zur Verfügung gestellt."

Bereits aus dem Wortlaut dieser Erklärung, wonach die Caritas "bereit" ist, die Beschwerdeführerin "zu unterstützen", ergibt sich, daß diese nicht auf Grundlage einer gesetzlichen Verpflichtung abgegebene Erklärung keinen Rechtsanspruch der Beschwerdeführerin auf Unterhaltsleistung begründen kann.

Die belangte Behörde ist daher zu Recht zu dem Ergebnis gekommen, daß die Beschwerdeführerin mangels Rechtsanspruch auf Unterstützung durch die Caritas auch durch die vorgelegte Unterstützungserklärung die Mittel zu ihrem Unterhalt nicht nachgewiesen hat (vgl. abermals das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 6. Mai 1997).

Die Frage, inwiefern durch die Aufnahme in die Bundesbetreuung die Sicherung des Unterhalts gegeben ist, braucht vorliegend nicht gelöst zu werden.

2.1. Gemäß § 17 Abs. 2 Z. 6 FrG in der anzuwendenden Fassung können Fremde mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn sie unter Mißachtung der Bestimmungen des zweiten Teiles des Fremdengesetzes oder unter Umgehung der Grenzkontrolle eingereist sind und binnen einem Monat betreten werden.

Aus der Begründung des angefochtenen Bescheides (siehe oben, Punkt I. 1.) ergibt sich eindeutig, daß die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid auch auf diese Gesetzesstelle gestützt hat und deren Zitierung im Spruch nur irrtümlich unterblieben ist. Auch die Beschwerde geht davon aus, daß die belangte Behörde die Ausweisung auch auf § 17 Abs. 2 Z. 6 FrG gestützt hat.

2.2. Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, unter Mißachtung des zweiten Teiles des Fremdengesetzes eingereist zu sein, bringt jedoch vor, daß sie aufgrund der Verfolgung in ihrer Heimat nicht in der Lage gewesen sei, die entsprechenden Vorschriften einzuhalten, es sei "wohl auch kaum vom Gesetzgeber beabsichtigt, Asylwerber mit diesen Auflagen zu versehen".

2.3. Diesem Vorbringen ist einerseits zu erwidern, daß es nach dem Wortlaut des § 17 Abs. 2 Z. 6 FrG keinen Unterschied macht, aus welchen Gründen die Bestimmungen des zweiten Teiles des Fremdengesetzes mißachtet wurden, und andererseits entgegenzuhalten, daß das Asylgesetz 1991 in seinem § 9 Vorsorge dafür trifft, daß - zum vorläufigen Aufenthalt berechtigte - Asylwerber nicht ausgewiesen werden.

2.4. Soweit die Beschwerdeführerin meint, sie sei nicht "betreten" worden, weil sie "selbst unter Deklaration ihres Asylwunsches den ersten möglichen Kontakt mit österreichischen Behörden benutzt (hat), um sich diesen zu stellen", ist ihr zu entgegnen, daß für die Erfüllung des Tatbestandes des § 17 Abs. 2 Z. 6 zwar erforderlich ist, daß der Fremde innerhalb eines Monats nach illegaler Einreise entdeckt wird, der Anlaß des Entdecktwerdens hingegen ohne rechtliche Bedeutung ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 29. Juni 1995, Zl. 95/18/1099).

3.1. Bei Anwendung des § 17 Abs. 2 FrG ist der Behörde nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Ermessen eingeräumt (vgl. etwa das Erkenntnis vom 9. November 1995, Zl. 94/18/0494). Die belangte Behörde verkannte dies zwar im vorliegenden Fall; ihre insoweit unrichtige Rechtsansicht bewirkte allerdings keine Verletzung von Rechten der Beschwerdeführerin. Denn im Hinblick darauf, daß den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Befolgung durch die Normadressaten aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung ein hoher Stellenwert zukommt und zudem bei mittellosen Fremden die Gefahr der illegalen Beschaffung der Unterhaltsmittel besteht, hat die Beschwerdeführerin durch ihr Verhalten die öffentliche Ordnung keinesfalls nur geringfügig beeinträchtigt (vgl. auch dazu das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 9. November 1995).

Die belangte Behörde ist daher zu Recht zu dem Ergebnis gekommen, daß die Tatbestände des § 17 Abs. 2 Z. 4 und 6 FrG erfüllt sind.

3.2. Soweit die Beschwerde auf § 19 FrG und damit im Zusammenhang auf Art. 8 MRK Bezug nimmt, ist ihr zu entgegnen, daß im Fall einer Ausweisung gemäß § 17 Abs. 2 FrG - anders als im Fall einer Ausweisung nach § 17 Abs. 1 leg. cit. - auf § 19 leg. cit. nicht Bedacht zu nehmen ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 29. Februar 1996, Zl. 94/18/0746).

3.3. Dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, die belangte Behörde hätte vor Erlassung des angefochtenen Bescheides die Frage der Zulässigkeit der Abschiebung in den Irak prüfen müssen, ist die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entgegenzuhalten, wonach mit einer Ausweisung nicht darüber abgesprochen wird, daß der Fremde in ein bestimmtes Land auszureisen hat oder daß er (allenfalls) abgeschoben wird (vgl. etwa das Erkenntnis vom 24. Oktober 1996, 95/18/0449).

4. Als Verfahrensmängel rügt die Beschwerdeführerin, die belangte Behörde habe die Frage der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz (und die Asylgründe) nicht ausreichend geprüft, die Unterstützungserklärung der Caritas nicht ausreichend berücksichtigt, die Rechtsgrundlage der Einreise der Beschwerdeführerin in das Bundesgebiet nicht geklärt sowie den angefochtenen Bescheid nicht schlüssig, nachvollziehbar und rechtskonform begründet.

Diesem Vorbringen ist im Hinblick auf die vorstehenden Ausführungen zur Frage der inhaltlichen Rechtmäßigkeit (vgl. oben, Punkt II. 1.1. bis 3.3.) der Boden entzogen.

5. Da nach dem Gesagten dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung, BGBl. Nr. 416/1994.

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