VwGH 95/10/0118

VwGH95/10/011827.10.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Bumberger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Suda, über die Beschwerde der I in Egg, vertreten durch Brandstetter, Politzer & Pritz, Rechtsanwaltspartnerschaft in 1010 Wien, Herrengasse 5, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten vom 5. Mai 1995, betreffend Bannlegung (mitbeteiligte Partei: Republik Österreich - Bundesstraßenverwaltung), zu Recht erkannt:

Normen

ForstG 1975 §21;
ForstG 1975 §22;
ForstG 1975 §27 Abs1 idF 1987/576;
ForstG 1975 §27 Abs1;
ForstG 1975 §27 Abs2 lite;
ForstG 1975 §27 idF 1987/576;
ForstG 1975 §28;
ForstG 1975 §29;
StVO 1960 §91 Abs1;
ForstG 1975 §21;
ForstG 1975 §22;
ForstG 1975 §27 Abs1 idF 1987/576;
ForstG 1975 §27 Abs1;
ForstG 1975 §27 Abs2 lite;
ForstG 1975 §27 idF 1987/576;
ForstG 1975 §28;
ForstG 1975 §29;
StVO 1960 §91 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin beantragte bei der Bezirkshauptmannschaft die Bannlegung bestimmter, in einem angeschlossenen Plan bezeichneter Teilflächen ihres Waldgrundstückes Nr. 615/1 KG M., die oberhalb der Bundesstraße 111 gelegen seien.

Mit Bescheid vom 7. März 1994 wies die BH den Antrag ab. Begründend verwies die Behörde zunächst auf Befund und Gutachten des forstlichen Amtssachverständigen. Dieser habe u. a. dargelegt, die betreffende Waldfläche bilde einen nach Süden steil zur Bundesstraße abfallenden Hang, der teilweise durch Stützmauern gesichert sei. Die Hangneigung auf der Fläche betrage zwischen 60 und 95 %, im Mittelbereich ca. 75 %. Es sei laufend mit Schadholzanfall zu rechnen. Das Schadholz müsse laufend aufgearbeitet werden, um die Gefährdung des Verkehrs in Grenzen zu halten. Durch die Schadholznutzungen im Winter 1992/93 seien im Bestand unmittelbar nördlich der Bundesstraße Lücken aufgetreten. Im Zuge der Aufarbeitung des Holzes müsse die Bundesstraße aus Sicherheitsgründen gesperrt werden. Das anfallende Holz müsse talwärts zur Bundesstraße gebracht werden, weil eine Seilbringung bergwärts auf Grund fehlender Verankerungsmöglichkeiten für Seilgeräte nicht möglich sei. Die nächste nördlich der Bundesstraße verlaufende Bringungsanlage verlaufe in einem Abstand von ca. 200 m horizontaler Distanz. Nach Hinweisen auf die Rechtslage und das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Oktober 1992, Zl. 89/10/0183, vertrat die Behörde (zusammengefaßt) die Auffassung, im vorliegenden Fall seien Vorschreibungen im Sinne des § 28 ForstG nicht erforderlich. Der Straßenerhalter habe nämlich dargelegt, daß sich seiner Meinung nach bisher aus dem Zustand des Waldes der Beschwerdeführerin keine besondere Gefahr ergeben habe. Damit fehle die Grundvoraussetzung für eine Bannlegung. Eine Bannlegung wäre nur dann erforderlich, wenn sich der Wald in einem so schlechten Zustand befände, daß nur mit entsprechender Bewirtschaftung der in § 29 ForstG beschriebene Waldzustand erreicht werden könne. Dies habe der forstliche Amtssachverständige nicht als notwendig erachtet. Die vom Sachverständigen vorgeschlagenen Maßnahmen dienten nicht der Änderung des Waldzustandes, sondern der Sicherung des Straßenverkehrs. Im Hinblick auf Lage und Gestaltung des Geländes käme dem Wald Schutzwaldcharakter zu. Dies bedeute, daß auch ohne Bannlegung eine entsprechende Waldstruktur herbeigeführt werden müsse. Wenn aber der Bannzweck durch die Bewirtschaftung als Schutzwald erreicht werden könne, käme die Bannlegung nicht in Betracht.

Die Beschwerdeführerin erhob Berufung. Sie legte im wesentlichen dar, der Amtssachverständige habe - von der Bundesstraßenverwaltung unwidersprochen - einen für Straße und Verkehr gefährlichen Waldzustand (laufender Schadholzanfall oberhalb der Straße) sowie das Bestehen einer mit der Bewirtschaftung verbundenen Gefahr für die Straße festgestellt. Die Bannzwecke lägen daher vor. Der Hinweis auf die Vorschriften über die Schutzwaldbewirtschaftung könne den bekämpften Bescheid nicht tragen. § 22 ForstG bezwecke nicht die Abwehr der vom Anfall von Schadhölzern ausgehenden Gefährdung von Verkehrsanlagen. Die wirtschaftliche Zumutbarkeit der Schutzwaldbewirtschaftung sei nicht geprüft worden. Es werde bestritten, daß unter den derzeitigen Preis-Kostenverhältnissen auf dem betreffenden Standort eine Leistungspflicht des Waldeigentümers nach § 22 ForstG bestehe.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Nach Hinweisen auf den Verfahrensgang und die Rechtslage vertrat die belangte Behörde begründend die Auffassung, § 27 Abs. 2 lit. g ForstG stelle auf Gefahren einer fachlich nicht einwandfreien Bewirtschaftung ab, nicht jedoch auf Gefahren, die sich im Zusammenhang mit einzelnen Bewirtschaftungsmaßnahmen (z.B. Abrollen von Hölzern bzw. Steinen infolge von Schlägerungen) ergäben. Daß solche Gefahren im gegebenen Zusammenhang nicht dieser Vorschrift zu unterstellen seien, ergebe sich auch aus § 29 ForstG, der bezüglich Waldarbeiten zum Zweck der Sicherung der Benützbarkeit von Verkehrsanlagen im Abs. 1, 3 und 4 Sonderregelungen enthalte. Zu verweisen sei auch auf § 23 Abs. 2 des Bundesstraßengesetzes. Aus dieser - näher dargelegten - Vorschrift ergebe sich, daß der vorliegende Antrag in § 27 Abs. 2 lit. g ForstG keine Deckung finde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 27 Abs. 1 ForstG sind Wälder, die der Abwehr bestimmter Gefahren von Menschen, menschlichen Siedlungen und Anlagen oder kultiviertem Boden dienen, sowie Wälder, deren Wohlfahrtswirkung gegenüber der Nutzwirkung (§ 6 Abs. 2) ein Vorrang zukommt, durch Bescheid in Bann zu legen, sofern das zu schützende volkswirtschaftliche oder sonstige öffentliche Interesse (Bannzweck) sich als wichtiger erweist als die mit der Einschränkung der Waldbewirtschaftung infolge der Bannlegung verbundenen Nachteile (Bannwald). Bannzwecke im Sinne des Abs. 1 sind nach der beispielsweisen Aufzählung in Abs. 2 leg. cit. unter anderem der Schutz vor Lawinen, Felssturz, Steinschlag, Schneeabsitzung, Erdabrutschung, Hochwasser, Wind oder ähnlichen Gefährdungen (lit. a), die Sicherung der Benützbarkeit von Verkehrsanlagen und energiewirtschaftlichen Leitungsanlagen (lit. e) und der Schutz vor Gefahren, die sich aus dem Zustand des Waldes oder aus seiner Bewirtschaftung ergeben (lit. g).

Nach § 28 Abs. 1 ForstG besteht die Bannlegung in der Vorschreibung der nach dem Bannzweck und den örtlichen Verhältnissen erforderlichen Maßnahmen und Unterlassungen, sowie in der bestmöglichen Gewährleistung der Durchführung der Maßnahmen.

Die Bannlegung knüpft somit an die besondere Funktion des betreffenden Waldes an, bestimmte Gefahren von bestimmten Schutzobjekten abzuwehren; die Wirkung der Bannlegung richtet sich nach den gemäß § 28 ForstG vorgeschriebenen Maßnahmen, die den Inhalt der Bannlegung ausmachen. Dem Ziel der Abwehr der in § 27 Abs. 1 ForstG genannten Gefahren für die dort erwähnten Schutzobjekte dient auch ein Wald, der durch die Vorschreibungen, die die Bannlegung ausmachen, in einen solchen Zustand gebracht wird, daß von diesem Wald keine Gefahren für die Schutzobjekte ausgehen können. Eine Bannlegung kann daher auch zum Schutz vor Gefahren, die sich aus dem Wald selbst bzw. seinem Zustand ergeben, erfolgen (vgl. die Erkenntnisse vom 27. März 1995, Zl. 94/10/0106, vom 29. Jänner 1996, Zl. 95/10/0126, und vom 6. Mai 1996, Zl. 94/10/0069).

Der Antrag der Beschwerdeführerin wurde auf eine Gefährdung der Bundesstraße durch das vermehrte Auftreten von Schadholz in ihrem Waldbestand begründet. Der Amtssachverständige hat dargelegt, daß das im Waldbestand der Beschwerdeführerin stehende Schadholz umgehend aufgearbeitet werden müsse, um die Gefährdung des Verkehrs auf der Bundesstraße hintanzuhalten; im Zuge der Beseitigung des Schadholzes seien bestimmte Vorkehrungen aus Sicherheitsgründen erforderlich. Entsprechende Feststellungen könnten die Beurteilung tragen, es bestünden "Gefahren, die sich aus dem Zustand des Waldes oder aus seiner Bewirtschaftung ergeben"; diesfalls wäre der Bannzweck des § 27 Abs. 2 lit. g ForstG verwirklicht und die Behörde verpflichtet, unter Bedachtnahme auf § 29 ForstG die im Sinne des § 28 leg. cit. erforderlichen Maßnahmen anzuordnen.

Der angefochtene Bescheid beruht auf der Auffassung, der von der Beschwerdeführerin behauptete - und vom Amtssachverständigen im Befund beschriebene - Sachverhalt sei nicht geeignet, den Bannzweck im Sinne des § 27 Abs. 2 lit. g ForstG zu verwirklichen. Von dieser - nach dem Gesagten vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilten - Rechtsauffassung ausgehend hat die belangte Behörde keine Feststellungen über den Zustand des in Rede stehenden Waldes und die Frage von im Zuge der Bewirtschaftung allenfalls zur Abwehr von Gefahren für die Bundesstraße erforderlichen Maßnahmen getroffen. Dem ist hinzuzufügen, daß auch der Bescheid der ersten Instanz insoweit widersprüchlich ist; zwar wird einerseits der Befund des Amtssachverständigen referiert, andererseits baut die Beurteilung aber offenbar auf dem Vorbringen des Straßenerhalters auf, wonach "seiner Meinung nach keine besondere Gefahr aus dem Zustand des angrenzenden Waldes ... bisher vorhanden war". Auch bei Bedachtnahme auf den Inhalt des mit dem angefochtenen Bescheid bestätigten erstinstanzlichen Bescheides fehlen somit Feststellungen, die eine abschließende rechtliche Beurteilung der Sache ermöglichen.

Aus Gründen der Verfahrensökonomie ist darauf zu verweisen, daß nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. hiezu das bereits erwähnte Erkenntnis vom 6. Mai 1996, Zl. 94/10/0069) nicht allgemein gesagt werden kann, die Eigenschaft eines Waldbestandes als Schutzwald stünde einer Bannlegung entgegen. Die (ex lege eintretende) Eigenschaft als Schutzwald einerseits und die Bannlegung andererseits knüpfen an verschiedene Voraussetzungen an, dienen unterschiedlichen Zielsetzungen in Ansehung des jeweiligen Schutzobjektes und sind mit verschiedenen Auswirkungen verbunden. Aus diesem System des Gesetzes folgt, daß die Eigenschaft als Schutzwald und die Bannlegung einander nicht ausschließen; dies bedeutet, daß die Vorschriften der §§ 21 ff über den Schutzwald und die Vorschriften der §§ 27 ff über den Bannwald nebeneinander anzuwenden sind, wenn in Ansehung des in Rede stehenden Waldes die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen sowohl der Schutzwaldeigenschaft als auch der Bannlegung vorliegen. Zur Frage, ob dem Waldeigentümer im Zuge der Bannlegung - und daher verbunden mit der Entschädigungsregelung des § 31 ForstG - solche Maßnahmen auferlegt werden dürfen, zu denen er (ebenso) auf Grund der Eigenschaft des betreffenden Waldes als Schutzwald verpflichtet ist, wird ebenfalls auf die Entscheidungsgründe des soeben erwähnten Erkenntnisses vom 6. Mai 1996 verwiesen.

Im Hinblick darauf, daß im Bescheid der ersten Instanz die Frage des Verhältnisses der Bannlegungsvorschriften zu straßenrechtlichen Vorschriften angesprochen wurde, ist weiters auf folgendes hinzuweisen:

Der Verwaltungsgerichtshof hat - unter anderem unter Hinweis auf § 91 Abs. 1 StVO 1960 - die Auffassung vertreten, es fehle die Erforderlichkeit des Schutzes der Verkehrsanlage durch eine Bannlegung, wenn mit jenen Maßnahmen das Auslangen gefunden werden kann, die straßen- bzw. eisenbahnrechtliche Vorschriften dem Grundeigentümer bzw. dem Erhalter der Verkehrsanlage vorschreiben (vgl. die Erkenntnisse vom 27. März 1995, Zl. 94/10/0106, und vom 29. Mai 1995, Zl. 94/10/0115). Daß ein entsprechender Sachverhalt hier vorläge, wurde allerdings nicht festgestellt.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

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