VwGH 95/10/0126

VwGH95/10/012629.1.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Bumberger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fichtner, über die Beschwerde der Stiftung XY in K, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 5. April 1995, Zl. 18.326/02-IA8/95, betreffend Bannlegung (mitbeteiligte Partei: Österreichische Bundesbahnen, 1010 Wien, Elisabethstraße 9, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1011 Wien, Singerstraße 17-19), zu Recht erkannt:

Normen

ForstG 1975 §27 Abs1 idF 1987/576;
ForstG 1975 §27 Abs2 litg idF 1987/576;
ForstG 1975 §27 Abs1 idF 1987/576;
ForstG 1975 §27 Abs2 litg idF 1987/576;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.950,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführende Stiftung beantragte bei der Bezirkshauptmannschaft Leoben (BH), näher bezeichnete Teilflächen von in ihrem Eigentum stehenden Grundstücken in Bann zu legen. Es habe sich eine Windwurfkatastrophe ereignet, von deren Folgen die genannten Flächen betroffen seien. Diese lägen unmittelbar oberhalb des Gleises der Bahnlinie S-M. Der Beschwerdeführerin sei es nicht zumutbar, die Folgen des Windwurfes selbst zu beseitigen.

Mit Bescheid vom 19. August 1993 legte die BH näher umschriebene Flächen der der Beschwerdeführerin gehörenden Grundstücke Nr. 794/1, 794/2, 794/3, 802, 803/1, 803/2 und (von Amts wegen) das Bahngrundstück Nr. 794/4 in Bann. Den Österreichischen Bundesbahnen als Begünstigten wurde gemäß § 28 Abs. 2, 3 und 4 iVm § 29 ForstG die Errichtung eines Steinschlagnetzes sowie eine Reihe von bringungstechnischen und waldbaulichen Maßnahmen vorgeschrieben. Begründend wurde zunächst unter Hinweis auf Befund und Gutachten eines forsttechnischen Amtssachverständigen dargelegt, die Flächen seien vom außerordentlichen Sturmschadenereignis des 5. Juli 1993 betroffen gewesen. Die zahlreichen ausgerissenen Wurzelkörper, der flächenhaft verwundete Boden, die offenliegenden Steine und die wirr übereinanderliegenden und ineinander verspannten Baumstämme bedeuteten eine Gefahr für die Anlagen und den Verkehr auf der Bahnstrecke. Wegen dieser Gefahrensituation sowie aus Gründen des Forstschutzes und der Forstwirtschaft müsse das Schadholz aufgearbeitet und aus der Schadensfläche gerückt werden. Es könne nicht ausgeschlossen werden, daß es dabei - auch bei fachgerechter Durchführung der Arbeiten und Beachtung umfassender Sicherungsmaßnahmen - zu einer Gefährdung bzw. Schädigung der Bahnanlagen durch abgleitende Baumstämme, Stammteile, Wurzelkörper oder gelockerte Steine käme. Die Errichtung eines Steinschlagschutznetzes reiche zur Gefahrenabwehr nicht aus. Es könne zum Abrutschen von Stämmen, Wurzelkörpern und Steinen sowie zu flächenhaften Hanganbrüchen und Hangrutschungen kommen, die durch das Schutznetz nicht aufgehalten werden könnten. Nach Hinweisen auf die Rechtslage vertrat die Behörde sodann die Auffassung, die Flächen seien Wald im Sinne des ForstG; der Ausnahmetatbestand des § 1 Abs. 4 lit. e leg. cit. liege nicht vor, weil die Flächen nicht dem unmittelbaren Betrieb einer Eisenbahn dienten. Bestockte Flächen, die im Sinne der zitierten Vorschrift dem unmittelbaren Betrieb einer Eisenbahn dienten, seien Bahntrassen, Bahnböschungen und Standorte von Signalen und Fahrleitungsmasten. Die im Gefährdungsbereich einer Eisenbahn gelegenen, aber nicht dem unmittelbaren Betrieb einer Eisenbahn dienenden Flächen unterlägen nicht dem § 1 Abs. 4 lit. e ForstG. § 41 Abs. 2 EisbG bedeute nicht, daß im Gefährdungsbereich einer Eisenbahn das ForstG nicht anzuwenden wäre. Die Grundstücke Nr. 794/1 und 802 seien bereits mit Bannwalderkenntnis aus dem Jahre 1877 in Bann gelegt worden. Mit Bescheid der BH vom 20. Februar 1981 sei gemäß § 184 Z. 4 ForstG die Weitergeltung dieses Bannwalderkenntnisses festgestellt worden. Dieses schütze die Bahnlinie jedoch nur vor jenen Gefahren, die im Zuge der ordentlichen Waldnutzung bzw. normalen Bewirtschaftung entstünden. Gefahrenquellen, die infolge von Elementarereignissen entstanden seien, seien nicht berücksichtigt worden. Auch für die mit dem Bannwalderkenntnis in Bann gelegten Flächen seien daher neue Vorschreibungen erforderlich. Die Bannlegung der "vom Windwurf weniger betroffenen Grundstücke" Nr. 802, 803/1 und 803/2 liege in der Steilheit des Geländes begründet; diese lasse bereits bei Holznutzung im Zuge der ordentlichen Waldbewirtschaftung eine Gefährdung der Bahnanlage befürchten.

In ihrer gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung vertraten die Österreichischen Bundesbahnen die Auffassung, die Bannlegung sei zu Unrecht erfolgt. Sie brachten (zusammengefaßt) vor, nach § 1 Abs. 4 lit. e ForstG iVm §§ 39 und 41 EisbG gelte eine Grundfläche, die im Gefährdungsbereich einer Eisenbahn liege, nicht als Wald. Dies sei in Ansehung der Grundstücke 794/2, 794/3, 794/4, 803/1 und 803/2 der Fall, weil die von der Bannlegung erfaßten Flächen innerhalb jenes 40 m von der Mitte des äußersten Gleises umfassenden Bereiches lägen, in dem eine unmittelbare Gefahr für die Bahnlinie durch Baumwürfe bestehe. Die Grundstücke 803/1 und 803/2 betreffend vertrat die Mitbeteiligte weiters (offenbar im Widerspruch zum soeben Gesagten) die Auffassung, diese lägen zum Großteil unter dem Niveau der Bahnlinie; von ihnen gehe daher keine Gefahr für die Bahn aus. Von einer Gefahr, die schon auf Grund der Steilheit des Geländes bestehe, könne nicht die Rede sein. Das Bahngrundstück 794/4 und die Grundstücke 794/2 und 794/3 seien nicht bestockt, stünden nicht in forstbetrieblichem Zusammenhang mit Wald und dienten auch nicht der Bewirtschaftung eines Waldes, sondern jener der Bahnanlage. Die Bannlegung sei auch unter dem Gesichtspunkt unzulässig, daß die Errichtung einer Steinschlagverbauung zur Gewährleistung der Sicherheit der Bahnlinie ausreiche. Damit werde im Sinne des § 41 EisbG die Gefährdung beseitigt; darüber hinausgehende Maßnahmen seien für den Bannzweck nicht erforderlich. Durch die mit dem bekämpften Bescheid vorgeschriebenen Bewirtschaftungs-, Bringungs- und Aufforstungsmaßnahmen werde aus dem Begünstigten ein Benachteiligter, der fremde Waldgrundstücke auf eigene Kosten, aber zugunsten des Waldeigentümers bewirtschaften müsse.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die im Devolutionsweg zuständig gewordene belangte Behörde der Berufung Folge, hob den bekämpften Bescheid der BH auf und wies den Bannlegungsantrag der Beschwerdeführerin ab. Begründend vertrat die belangte Behörde nach zusammenfassenden Hinweisen auf die §§ 27 bis 29 ForstG die Auffassung, im vorliegenden Fall ergebe sich die Gefahr, die von der Verkehrsanlage abgewendet werden solle, aus dem Wald selbst; die Bannlegung diene jedoch der Abwehr von Gefahren, die nicht aus dem Wald selbst kämen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und - ebenso wie die Mitbeteiligte - eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 27 Abs. 1 ForstG sind Wälder, die der Abwehr bestimmter Gefahren von Menschen, menschlichen Siedlungen und Anlagen oder kultiviertem Boden dienen, sowie Wälder, deren Wohlfahrtswirkung gegenüber der Nutzwirkung (§ 6 Abs. 2) ein Vorrang zukommt, durch Bescheid in Bann zu legen, sofern das zu schützende volkswirtschaftliche oder sonstige öffentliche Interesse (Bannzweck) sich als wichtiger erweist als die mit der Einschränkung der Waldbewirtschaftung infolge der Bannlegung verbundenen Nachteile (Bannwald).

Nach § 27 Abs. 2 ForstG sind Bannzwecke im Sinne des Abs. 1 insbesondere

a) der Schutz vor Lawinen, Felssturz, Steinschlag, Schneeabsitzern, Erdabrutschung, Hochwasser, Wind oder ähnlichen Gefährdungen,

...

e) die Sicherung der Benützbarkeit von Verkehrsanlagen und energiewirtschaftlichen Leitungsanlagen,

...

g) der Schutz vor Gefahren, die sich aus dem Zustand des Waldes oder aus seiner Bewirtschaftung ergeben.

Im Erkenntnis vom 27. März 1995, Zl. 94/10/0106, hat der Verwaltungsgerichtshof dargelegt, daß dem Ziel der Abwehr der in § 27 Abs. 1 ForstG genannten Gefahren für die dort erwähnten Schutzobjekte auch ein Wald dient, der durch Bannlegung - und die damit im Zusammenhang stehenden Maßnahmen und Unterlassungen - in einen solchen Zustand gebracht wird, daß von diesem Wald keine Gefahren für die in § 27 Abs. 1 leg. cit. genannten Schutzobjekte ausgehen können. Eine Bannlegung kann daher auch zum Schutz vor Gefahren, die sich aus dem Wald selbst bzw. seinem Zustand ergeben, erfolgen. Des näheren wird auf die Entscheidungsgründe des genannten Erkenntnisses verwiesen.

Die Abweisung des Bannlegungsantrages durch die belangte Behörde beruht nach der Begründung des angefochtenen Bescheides allein auf der gegenteiligen Auffassung. Zum Vorbringen der Berufung der Mitbeteiligten hat die belangte Behörde keine Sachverhaltsfeststellungen getroffen; solche wären jedoch - insbesondere im Zusammenhang mit der Waldeigenschaft der fraglichen Flächen im Sinne des § 1 Abs. 1, 4 lit. a ForstG, der Frage, ob von diesen dem § 27 ForstG zu subsumierende Gefahren für die Bahnlinie ausgehen, der Erforderlichkeit der vorgeschriebenen Maßnahmen bzw. der Möglichkeit, die Sicherheit der Bahnlinie durch Maßnahmen des Betreibers der Verkehrsanlage zu gewährleisten (vgl. hiezu das Erkenntnis vom 29. Mai 1995, Zl. 94/10/0115) erforderlich gewesen.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

Im Hinblick auf die Beendigung des Beschwerdeverfahrens erübrigt sich eine Entscheidung über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

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