Normen
KOVG 1957 §4 Abs1;
KOVG 1957 §4 Abs1;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der im Jahr 1915 geborene Beschwerdeführer bezieht auf Grund des Bescheides des Landesinvalidenamtes für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 28. Dezember 1981 eine Beschädigtengrundrente nach dem Kriegsopferversorgungsgesetz 1957 (KOVG 1957) nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 40 v.H. Mit diesem Bescheid wurden folgende Leiden als Dienstbeschädigungen (§ 4 KOVG 1957) anerkannt:
"Reaktionslose Narbe an der Stirne und an der Oberlippe rechts.
Geringgradige Innenohrschwerhörigkeit beiderseits. Verlust von drei Zähnen.
Mit Höhenreduktion knöchern geheilter Kompressionsbruch des 6. Halswirbelkörpers mit sekundären Veränderungen der benachbarten Zwischenwirbelverbunden und knöchener Einengung der Zwischenwirbellöcher C 5/6 und C 6/7."
Mit Eingabe vom 11. Juni 1993 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Neubemessung seiner Beschädigtenrente mit der Begründung, daß sich der Zustand des anerkannten Leidens "hochgradige Innenohrschwerhörigkeit beiderseits" verschlimmert habe.
Mit Bescheid des Landesinvalidenamtes für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 17. Jänner 1994 wurde dieser Antrag des Beschwerdeführers im wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, daß nach dem eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten vom 23. September 1993 gegenüber dem Vergleichsbefund keine maßgebende Änderung im Leidenszustand der anerkannten Dienstbeschädigung eingetreten sei. Die eingetretene Hörverschlechterung sei altersbedingt und daher akausal.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung. Er machte darin geltend, sein Wirbelsäulenleiden habe im Bereich der Halswirbel zu einer deutlichen Zunahme der Bewegungseinschränkung geführt. Die Hörbehinderung (an beiden Ohren) habe deutlich zugenommen. Selbst eine Versorgung mit einem Hörapparat am rechten Ohr habe keine wesentliche Verbesserung gebracht.
Die belangte Behörde holte im Berufungsverfahren mehrere ärztliche Sachverständigengutachten ein.
Der Facharzt für HNO-Erkrankungen Dr. N kam in seinem Gutachten vom 6. Juli 1994 zu dem Ergebnis, daß eine hochgradige Innenohrstörung beidseits bestehe. Die deutliche, symmetrische Zunahme der Hörstörung seit Einstufung der Hörleistung im Jahr 1981 sei zweifelsfrei altersbedingt und daher nicht kausal.
Der Facharzt für Chirurgie Dr. K stellte in seinem Gutachten vom 23. Juni 1994 im Ergebnis fest, daß sich der medizinische Befund im anerkannten Leidenszustand (Halswirbelsäule) nicht geändert habe (der Beschwerdeführer kommt in seiner Beschwerde auf diesen Leidenszustand nicht mehr zurück, sodaß der weitere Verfahrensverlauf in dieser Hinsicht außer Betracht bleiben kann).
Zu dem genannten Ergebnis des Ermittlungsverfahrens nahm der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 24. August 1994 Stellung. Er bestritt darin - soweit für das Beschwerdeverfahren relevant - die Beurteilung seiner Hörbehinderung. Mit Eingabe vom 13. Jänner 1995 ergänzte der Beschwerdeführer diese Stellungnahme dahin, daß unter Bedachtnahme auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. März 1977, Zl. 2155/76, seine gesamte Hörschädigung als Dienstbeschädigung anzuerkennen wäre, obwohl es sich bei der Altersschwerhörigkeit um eine akausale Schädigung handle.
Der Facharzt für HNO-Erkrankungen Dr. N ergänzte daraufhin sein Gutachten mit Stellungnahme vom 29. März 1995 (auszugsweise) wie folgt:
"Im gegenständlichen Fall ist es als höchstwahrscheinlich anzusehen, daß die Verschlechterung der Hörleistung seit 1981 auch eingetreten wäre, wenn die Dienstbeschädigung nicht vorhanden wäre. Es liegt hier ein Zeitverlauf vor, der typisch für die altersbedingten Hörstörungen ist. Die Verschlechterung seit 1981 ist daher nicht kausal und kann auch nicht als mittelbare DB angesehen werden."
Zu diesen Ausführungen des medizinischen Sachverständigen nahm der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 12. Juli 1995 Stellung. Er wendete darin im wesentlichen ein, der genannte Facharzt für HNO-Erkrankungen habe seinen Kompetenzbereich überschritten, da er in die rechtliche Beurteilung eingegriffen habe. Daß die fragliche Hörschädigung eine Altersschwerhörigkeit und somit akausal sei, habe sein Vertreter ohnedies selbst ausgeführt. Der zitierten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes könne aber entnommen werden, daß diese Schädigung trotzdem eine mittelbare Dienstbeschädigung darstelle. Es wäre "zweckmäßig", sich mit dem genannten Erkenntnis im Ermittlungsverfahren auseinanderzusetzen.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 22. September 1995 gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid. Zur Begründung führte die belangte Behörde nach Darstellung des Sachverhaltes und des Verwaltungsgeschehens - soweit für die Behandlung der Beschwerde relevant - aus, für die Einstufung der Dienstbeschädigung sei nach wie vor die Hörleistung von 1981 maßgebend. Die Zunahme der Hörstörung seit diesem Zeitpunkt sei zweifelsfrei altersbedingt und daher nicht kausal. Als "Nicht-Dienstbeschädigung" liege eine Presbyakusis (darunter versteht man die Altersschwerhörigkeit) beiderseits vor. Die gesamte Hörschädigung sei auch nicht auf Grund des vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes als mittelbare Dienstbeschädigung anzuerkennen. Eine akausale Verschlimmerung sei eine Veränderung, die auch eingetreten wäre, wenn das Dienstbeschädigungs-Leiden gar nicht bestünde. Im Falle des Beschwerdeführers sei es als höchstwahrscheinlich anzusehen, daß die Verschlechterung seiner Hörleistung seit 1981 AUCH eingetreten wäre, wenn die Dienstbeschädigung nicht vorhanden wäre. Es liege ein Zeitverlauf vor, der typisch für altersbedingte Hörstörungen sei. Die Hörverschlechterung seit 1981 sei somit akausal und könne nicht als mittelbare Dienstbeschädigung anerkannt werden. Die Voraussetzungen für die Neubemessung der Grundrente (im Sinne von § 52 KOVG 1957) seien nicht gegeben.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht auf "richtige Anwendung der Bestimmungen des KOVG 1957 sowie des Verwaltungsverfahrensgesetzes 1950" und nach seinem gesamten Vorbringen erkennbar wohl auch in dem Recht auf Neubemessung der ihm zuerkannten Grundrente verletzt. Er beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Der Beschwerdeführer macht im wesentlichen geltend, die belangte Behörde habe - wie sich aus Seite 4 vorletzter Absatz der Bescheidbegründung ergebe - das von ihm ins Treffen geführte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes unrichtig ausgelegt. Daß die darin dargelegten Grundsätze nur dann anwendbar seien, wenn zwei verschiedene Schädigungen vorlägen, sei unzutreffend. Der Facharzt für HNO-Erkrankungen habe - wie auch in dem angezogenen hg. Erkenntnis - insofern "verschiedene Leiden" festgestellt, als eine kausale Innenohrstörung und eine akausale Altersschwerhörigkeit diagnostiziert worden seien. Die Altersschwerhörigkeit sei erst nach der Kriegsschädigung entstanden. Beide Leiden habe der Sachverständige getrennt beurteilen können. Demnach würden zwei sich auf die Hörleistung auswirkende Gesundheitsschädigungen vorliegen. Die Feststellung, daß eine andere Schädigung bestehen müsse, entbehre jeder Grundlage. Es sei widersinnig, die rechtliche Beurteilung bzw. die Auslegung eines Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes durch einen Ohrenfacharzt durchführen zu lassen. Dieser Sachverständige habe die Theorie aufgestellt, daß das von ihm (dem Beschwerdeführer) herangezogene Erkenntnis eine andere Schädigung voraussetze. Das Ermittlungsverfahren hätte unbedingt fortgesetzt werden müssen, um eine Klärung darüber herbeizuführen, was mit einer "anderen Schädigung" gemeint sei. Vermutlich wäre dann eine Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes nicht notwendig gewesen. Die belangte Behörde habe seinen Einwendungen nicht Rechnung getragen und "wesentliche Fragen" ungeklärt gelassen.
Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, die Beschwerde zum Erfolg zu führen.
Das vom Beschwerdeführer herangezogene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. März 1977, Zl. 2155/76, betraf einen Bescheid, mit dem ein Antrag auf Gewährung einer Beschädigtenrente und Anerkennung weiterer Dienstbeschädigungsfolgen gemäß § 68 Abs. 1 AVG 1950 in Verbindung mit § 86 Abs. 1 KOVG 1957 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurde. In diesem Erkenntnis wurde unter anderem auch folgendes dargelegt:
"Für eine Anerkennung gemäß § 4 Abs. 1 KOVG 1957 und eine Versorgung kommen aber auch mittelbare Folgen einer Dienstbeschädigung in Betracht. Eine mittelbare Dienstbeschädigung liegt nicht nur dann vor, wenn die als Dienstbeschädigung anerkannte Gesundheitsschädigung die unmittelbare Ursache einer anderen Gesundheitsschädigung bildet, sondern auch dann, wenn infolge der Dienstbeschädigung eine Verschlimmerung eines vorbestandenen Leidens eintritt. Dieselbe rechtliche Beurteilung hat auch Platz zu greifen, wenn eine Dienstbeschädigung ein erst danach entstandenes alters- oder schicksalsbedingtes akausales Leiden verschlechtert."
Auch wenn man von diesen Rechtsgrundsätzen (des vom Beschwerdeführer zur Stützung seines Standpunktes herangezogenen Erkenntnisses) ausgeht, kann der belangten Behörde im Ergebnis keine Rechtswidrigkeit vorgeworfen werden. Denn der Beschwerdeführer verkennt, daß er das Fehlen eines Kausalzusammenhanges zwischen seiner (kriegsbedingten) Innenohrschädigung und seiner Altersschwerhörigkeit auch nach seinem eigenen Vorbringen annimmt bzw. ausdrücklich zugesteht. In sachverhaltsmäßiger Hinsicht kann daher keine Rede davon sein, daß die beim Beschwerdeführer seit 1981 aufgetretene Altersschwerhörigkeit als Verschlimmerung eines "vorbestandenen Leidens" - eine vor dem Krieg beim Beschwerdeführer bestehende Altersschwerhörigkeit wird jedenfalls nicht behauptet - eingetreten sei, oder daß der als Dienstbeschädigung anerkannte Leidenszustand der Innenohrschädigung das seit 1981 aufgetretene alters- und schicksalsbedingte Leiden der Altersschwerhörigkeit "verschlechtert" hätte. Daß die belangte Behörde ihrer Entscheidung in dieser Hinsicht die Feststellung des Facharztes für HNO-Erkrankungen, wonach die seit 1981 aufgetretene Verschlechterung der Hörleistung auch eingetreten wäre, wenn die Dienstbeschädigung nicht vorhanden wäre, in freier (nicht als unschlüssig zu erkennender) Beweiswürdigung zugrundelegen durfte, wird vom Beschwerdeführer nicht bezweifelt.
Solcherart fehlt aber dem Leidenzustand "Altersschwerhörigkeit" sowohl nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers als den dem angefochtenen Bescheid zugrundegelegten Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens der für eine Entschädigung nach dem KOVG 1957 erforderliche ursächliche Zusammenhang (vgl. in dieser Hinsicht etwa das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 1992, Zl. 92/09/0216, u.a.).
Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung dargelegt hat, ist im Falle einer Verschlimmerung (einer existenten Gesundheitsschädigung) nur derjenige Anteil des Leidenszustandes zu entschädigen, der der Kriegseinwirkung zur Last fällt. Im Falle der Auslösung einer Anlagebereitschaft (durch die Kriegseinwirkung) kommt es darauf an, ob die Krankheit ohne Kriegseinwirkung existent geworden oder ob sie ohne Kriegseinwirkung nicht aufgetreten wäre (vgl. in dieser Hinsicht etwa die hg. Erkenntnisse vom 25. September 1992, Zl. 92/09/0132, und vom 21. Jänner 1994, Zl. 93/09/0373).
Es war daher nicht rechtswidrig, wenn die belangte Behörde im Beschwerdefall die (unbestrittenermaßen) weder anlage- oder kriegsbedingt, sondern ausschließlich altersbedingt aufgetretene Hörverschlechterung nicht als eine mittelbare Dienstbeschädigung anerkannte.
Ob der Sachverständige (für HNO-Erkrankungen) mit den in der Beschwerde kritisierten Ausführungen den ihm zukommenden Kompetenzbereich überschritten hat, oder ob er seine gutachterliche Aussage durch nicht fallbezogene Beispiele verdeutlichen wollte, braucht nicht weiter untersucht zu werden, weil der Beschwerdeführer nicht aufzeigt, inwieweit eine Vermeidung der gerügten Beurteilung ("Theorie") allein geeignet gewesen wäre, die belangte Behörde angesichts der übrigen Ermittlungsergebnisse zu einem anderen Bescheid zu führen. Auch die in diesem Zusammenhang in der Beschwerde behauptete Ergänzungsbedürftigkeit des Berufungsverfahrens kann demnach nicht als relevant angesehen werden.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
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