Normen
BDG 1979 §44 Abs1;
BDG 1979 §44 Abs3;
BDG 1979 §91;
BDG 1979 §44 Abs1;
BDG 1979 §44 Abs3;
BDG 1979 §91;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 10.440,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer steht als Bezirksinspektor (Beamter der Bundesgendarmerie) in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Er war am 31. März 1994 (Tatzeit der ihm zur Last gelegten Dienstpflichtverletzung) Postenkommandant des Gendarmerieposten G (Niederösterreich).
Mit Disziplinarerkenntnis der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres (Senat 45) vom 8. Februar 1995 wurde der Beschwerdeführer dahingehend schuldig erkannt, er sei am 31. März 1994, um ca. 17.50 Uhr in den Amtsräumen des Gendarmeriepostens G einer bereits zum zweiten Mal erfolgten Weisung des Bezirksgendarmeriekommandanten, Oberleutnant (jetzt Major) E, ihm zum Zweck eines vertraulichen Mitarbeitergespräches in die Kanzlei des Postenkommandanten zu folgen, mit der Erklärung, zu diesem Gespräch nur in Anwesenheit eines Personalvertreters bereit zu sein, nicht nachgekommen. Er habe dadurch seine Dienstpflichten nach § 44 Abs. 1 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 (BDG 1979) zur Befolgung von Weisungen im Sinne des § 91 leg. cit. schuldhaft verletzt. Über den Beschwerdeführer wurde mit dem genannten Disziplinarerkenntnis gemäß § 92 Abs. 1 Z. 1 BDG 1979 die Disziplinarstrafe des Verweises verhängt.
Der dagegen erhobenen Berufung des Beschwerdeführers gab die belangte Behörde mit dem im Instanzenzug ergangenen, nunmehr angefochtenen Disziplinarerkenntnis vom 6. Juni 1995 keine Folge und bestätigte damit die erstinstanzliche Entscheidung der Disziplinarkommission.
Zur Begründung führte die belangte Behörde nach Darlegung des bisherigen Verfahrensgeschehens und der Bestimmung des § 44 BDG 1979 aus, der Beschwerdeführer habe gegen die ihm erteilte Weisung den auf Seite 4 der Niederschrift der Verhandlung vor der ersten Instanz festgehaltenen Einwand erhoben. Zweifel an der Rechtmäßigkeit der dem Beschwerdeführer erteilten Weisung seien aus diesem Einwand nicht zu erblicken. Aus der Ablehnung einer Weisung aus angeblichen Zweckmäßigkeitsgründen könne keine Ablehnung wegen rechtlicher Bedenken abgeleitet werden. Erkennbar erteilte Weisungen seien grundsätzlich bindend und könnten nicht aus eigener Beurteilung als ungerechtfertigt oder unzumutbar zurückgewiesen werden. Ungehorsam drücke sich normalerweise in der gezielten Ablehnung oder in der nachlässigen Außerachtlassung einer Anordnung auf Grund bedingten Vorsatzes oder Fahrlässigkeit aus. Dabei komme es nicht darauf an, aus welchen persönlichen oder sachlichen Gründen (insbesondere wegen sachlicher Kritik an der Zweckmäßigkeit) die Befolgung der Weisung unterlassen werde. In der Nichtbefolgung der erteilten Weisung sei eine schuldhafte Verletzung der von Dienstvorgesetzten erlassenen verbindlichen Pflichtenregelung als gegeben anzunehmen. Die belangte Behörde sehe sich zu der Äußerung veranlaßt, daß das Instrumentarium des Disziplinarrechts das dienstrechtliche Instrumentarium im Rahmen der Mitarbeiterführung nicht ersetzen könne.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht "auf Straffreiheit" verletzt. Er beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer macht im wesentlichen geltend, er habe dem Vorgesetzten (Major E) erklärt, zur Befolgung der Weisung - sofort ein Mitarbeitergespräch zu führen - nur bereit zu sein, wenn ein Personalvertreter bei dem Gespräch anwesend sei. Damit habe er seine Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Befolgung der Weisung aus anderen Gründen im Sinne des § 44 Abs. 3 BDG mitgeteilt, weil er die Rechtsauffassung vertreten habe, einem solchen Gespräch einem Personalvertreter beiziehen zu dürfen. Der Vorgesetzte habe die Weisung daraufhin nicht schriftlich erteilt, sodaß diese als zurückgezogen gegolten habe. Er habe daher nicht gegen eine Weisung verstoßen und demnach kein disziplinarrechtlich relevantes Verhanlten gesetzt.
Dieses Vorbringen ist im Ergebnis berechtigt.
Die Bestimmung des § 44 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (BDG 1979) über die Dienstpflichten gegenüber Vorgesetzten lautet:
"(1) Der Beamte hat seine Vorgesetzten zu unterstützen und ihre Weisungen, soweit verfassungsgesetzlich nicht anderes bestimmt ist, zu befolgen. Vorgesetzter ist jeder Organwalter, der mit der Dienst- oder Fachaufsicht über den Beamten betraut ist.
(2) Der Beamte kann die Befolgung einer Weisung ablehnen, wenn die Weisung entweder von einem unzuständigen Organ erteilt worden ist oder die Befolgung gegen strafgesetzliche Vorschriften verstoßen würde.
(3) Hält der Beamte eine Weisung eines Vorgesetzten Beamten aus einem anderen Grund für rechtswidrig, so hat er, wenn es sich nicht wegen Gefahr im Verzug um eine unaufschiebbare Maßnahme handelt, vor Befolgung der Weisung seine Bedenken dem Vorgesetzten mitzuteilen. Der Vorgesetzte hat eine solche Weisung schriftlich zu erteilen, widrigenfalls sie als zurückgezogen gilt."
Wie der Verwaltungsgerichtshof zu der dargestellten Rechtslage bereits wiederholt dargelegt hat (vgl. in dieser Hinsicht etwa die hg. Erkenntnisse vom 1. Juli 1993, Zl. 92/09/0171, und vom 21. Februar 1991,
Zlen. 90/09/0064, 0080) muß die Ausübung des Remonstrationsrechtes im Sinne des § 44 Abs. 3 leg. cit. erkennen lassen, welche rechtlichen Bedenken der Beamte gegen die ihm erteilte Weisung hat und womit er seinen Standpunkt vertreten zu können glaubt. Die Bedenken dürfen jedoch kein mutwilliges, geradezu rechtsmißbräuchliches Vorbringen darstellen. Ob die geäußerten Bedenken des Beamten rechtlich zutreffen oder nicht, ist für den Eintritt der im § 44 Abs. 3 leg. cit. vorgesehenen Rechtsfolge ohne Bedeutung. Hat ein Beamter (Weisungsempfänger) seine denkmöglichen und hinreichend begründeten Bedenken dem Vorgesetzten (Weisungsgeber) mitgeteilt, so hat dies - wenn es sich nicht wegen Gefahr im Verzug um eine unaufschiebbare Maßnahme handelt - zur Folge, daß bis zu einer schriftlichen Erteilung der Weisung für den Beamten keine Pflicht zur Befolgung der von ihm für gesetzwidrig gehaltenen Weisung besteht (vgl. in dieser Hinsicht auch das hg. Erkenntnis vom 30. März 1989, Zl. 86/09/0110; und Hanns Waas, Remonstrationspflicht und -recht des öffentlich Bediensteten in FS Gerhard Schnorr, 1988, Seite 601ff, insbesondere 622f).
Angesichts der rechtmäßigen Remonstration eines Beamten hat ein Vorgesetzter (Weisungsgeber) demnach zu entscheiden, ob er die Suspendierung seiner Weisung dadurch beendet, daß er dem Beamten die Weisung schriftlich erteilt, oder die Rechtsvermutung der Zurückziehung seiner Weisung akzeptiert. Die Unterlassung des für die Aufrechterhaltung der Weisung notwendigen Formgebots der schriftlichen Erteilung der Weisung vermag demnach weder eine Befolgungspflicht des Beamten auszulösen noch die gemäß § 44 Abs. 3 leg. cit. eingetretene Fiktion der Zurückziehung (der Weisung) zu beseitigen.
Im Beschwerdefall ist (sachverhaltsmäßig) unbestritten, daß der Beschwerdeführer der Weisung des Vorgesetzten, sich einem Mitarbeitergespräch in der Kanzlei des Postenkommandanten zu unterziehen, mit der Begründung entgegentrat, nur in Anwesenheit eines Personalvertreters zu diesem Gespräch (mit diesem Vorgesetzten) bereit zu sein.
Entgegen der Rechtsansicht der belangten Behörde hat der Beschwerdeführer mit seinem Verlangen auf Beiziehung eines Personalvertreters zu dem Gespräch nicht ausschließlich Bedenken gegen die Zweckmäßigkeit der ihm erteilten Weisung mitgeteilt. Denn ungeachtet der Frage der Zweckmäßigkeit dieses befohlenen Mitarbeitergespräches bestand zudem (auch) die vom Beschwerdeführer aufgeworfene Rechtsfrage, ob dem Beschwerdeführer als öffentlich Bedienstetem auf Grund des Bundes-Personalvertretungsgesetzes (PVG) über sein Verlangen das Recht zustand, die Beiziehung eines Personalvertreters (einer Vertrauensperson) zu verlangen, oder ob das Gespräch auch ohne eine derartige Beiziehung zulässig und rechtmäßig gewesen wäre. Die Rechtsfrage, ob der Beschwerdeführer sich im Ergebnis rechtlich fehlerfrei auf das Bundes-Personalvertretungsgesetz (denkbar wären etwa die Bestimmungen der §§ 2 und 9 PVG bzw. allenfalls auch in Verbindung mit den §§ 30 und 31 leg. cit.) oder sich allenfalls auch auf eine andere Rechtsgrundlage (vgl. etwa § 7 AVG in Verbindung mit § 105 Z. 1 BDG 1979) stützen konnte bzw. ob eine eingehende rechtliche Prüfung seiner Bedenken letztlich zu dem Ergebnis geführt hätte, daß seinem Verlangen auf Beiziehung eines Personalvertreters zu entsprechen gewesen wäre, brauchten die Disziplinarbehörden im vorliegenden Disziplinarverfahren allerdings nicht abschließend zu beantworten. Denn das Remonstrationsrecht (im Sinne des § 44 Abs. 3 BDG 1979) wird durch die Mitteilung zumindest denkmöglicher (auf vertretbarer Rechtsansicht beruhenden) Bedenken wirksam ausgeübt. Nur eine ganz und gar unvertretbare Rechtsansicht (vgl. in dieser Hinsicht etwa sinngemäß auch die zum Verschulden gemäß § 1 Amtshaftungsgesetz wiedergegebene Rechtsprechung in Dietrich/Tades, ABGB, 34. Auflage, Seite 2275, E 258ff) indiziert den Vorwurf eines mutwilligen, geradezu mißbräuchlichen Vorbringens und vermag derart den Eintritt der im § 44 Abs. 3 BDG 1979 vorgesehenen Rechtsfolge (der Aussetzung der Befolgungspflicht) nicht zu rechtfertigen.
Eine solche Fallkonstellation liegt dem Beschwerdefall allerdings nicht zugrunde. Daß die vorgebrachten Bedenken des Beschwerdeführers (auf Beiziehung eines Personalvertreters als Vertrauensperson) nach den konkreten Umständen als mutwillig oder mißbräuchlich angesehen werden müßten, hat weder die belangte Behörde festgestellt noch ergibt sich dafür ein Anhaltspunkt in den vorgelegten Verwaltungsakten. Die Disziplinarkommission (Disziplinarbehörde erster Instanz) hat in ihrem Disziplinarerkenntnis vom 8. Februar 1995 vielmehr ausdrücklich festgestellt, daß das Verlangen des Beschwerdeführers (im Hinblick auf die bisherigen dienstlichen Vorkommnisse) "einigermaßen verständlich erschien". Dazu kommt, daß der Vorgesetzte (und Weisungsgeber) nach dem Inhalt eines Aktenvermerkes vom 1. April 1994 (welcher im vorgelegten Akt der Disziplinarbehörde erster Instanz erliegt) dem Landesgendarmeriekommando für Niederösterreich auch selbst seine Befangenheitserklärung in Ansehung des Beschwerdeführers meldete. Nur der Vollständigkeit halber ist zudem auszuführen, daß die Beiziehung eines Personalvertreters (einer Vertrauensperson) im Hinblick auf die zeitliche Lagerung des Beschwerdefalles auch nicht auf Grund der (am 19. Juli 1994 kundgemachten) Bestimmung des § 45a Abs. 3 BDG 1979 in der Fassung des Besoldungsreform-Gesetzes 1994 (BGBl. Nr. 550/1994) unzulässig war, weil diese für ein "Mitarbeitergespräch" vorgesehene Regelung zufolge § 278 Abs. 12 Z. 3 leg. cit. erst mit dem 1. Jänner 1998 in Kraft tritt.
Im Beschwerdefall hat der Vorgesetzte angesichts der (wirksamen) Remonstration des Beschwerdeführers seine Weisung nicht schriftlich erteilt, was den Eintritt der im § 44 Abs. 3 BDG 1979 aufgestellten Fiktion der Zurückziehung der Weisung nach sich zieht. Solcherart hat der Vorgesetzte aber nicht auf Befolgung seiner Weisung bestanden, sodaß der Beschwerdeführer die ihm zur Last gelegte Verletzung der Gehorsamspflicht (nach § 44 Abs. 1 leg. cit.) nicht begehen konnte.
Da die belangte Behörde in dieser Hinsicht die Rechtslage verkannte und zu Unrecht eine Dienstpflichtverletzung angenommen hat, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Auf Ersatz der Eingabengebühr für eine nicht erforderliche dritte Ausfertigung der Beschwerde und auf Ersatz der Beilagengebühr für das mit der Beschwerde vorgelegte Disziplinarerkenntnis der Behörde erster Instanz besteht kein Anspruch, da Stempelgebühren nur im gebührenden Ausmaß (§ 59 Abs. 3 VwGG) zuzusprechen sind. Der Beschwerdeführer hat in seiner Beschwerde ausdrücklich Schriftsatzaufwand nach der Pauschalierungsverordnung BGBl. Nr. 206/1989 angesprochen. Demnach konnte ihm nur der solcherart tatsächlich beantragte Ersatzbetrag (in Höhe von S 10.110,--) zuerkannt werden (vgl. hiezu auch de bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit,
3. Auflage, Seite 687 wiedergegebene hg. Judikatur).
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