VwGH 92/09/0171

VwGH92/09/01711.7.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die die Hofräte Mag. Meinl, Dr. Fürnsinn, Dr. Germ und Dr. Höß als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Mag. Fritz, über die Beschwerde des F in W, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt vom 13. Mai 1992, Zl. 19/15-DOK/92, betreffend Disziplinarstrafe (Verweis), zu Recht erkannt:

Normen

BDG 1979 §43 Abs1;
BDG 1979 §44 Abs1;
BDG 1979 §44 Abs2;
BDG 1979 §44 Abs3;
BDG 1979 §91;
B-VG Art20 Abs1;
Geo §171;
Geo §436;
BDG 1979 §43 Abs1;
BDG 1979 §44 Abs1;
BDG 1979 §44 Abs2;
BDG 1979 §44 Abs3;
BDG 1979 §91;
B-VG Art20 Abs1;
Geo §171;
Geo §436;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Er war zu dem im Beschwerdefall maßgebenden Zeitpunkt Leiter der Geschäftsabteilung 9 des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien.

Mit Disziplinarerkenntnis vom 28. Jänner 1992 erkannte die Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Justiz (kurz DK) den Beschwerdeführer schuldig, er habe als Geschäftsabteilungsleiter des Arbeits- und Sozialgerichts W.

1. am 13. August 1991 einer am Amtstag vorsprechenden Partei die erbetene Auskunft mit dem Hinweis verweigert, daß er mit der Partei nicht rede, weil sie sich über ihn beschwert habe und

2. vier Ersuchen der Wiener Gebietskrankenkasse (im folgenden WGKK) um Aktenübersendung betreffend die Verfahren 9 Cga 2630/88, 9 Cga 2617/88, 9 Cga 2610/88, 9 Cga 2572/88 und 9 Cga 1532/88, bei Gericht eingelangt am 25. Juni 1991, 16. Juli 1991, 18. Juli 1991 und 19. Juli 1991 bis 5. August 1991 keiner Erledigung zugeführt und an diesem Tag die Befolgung der mündlichen Weisung des Vorstehers der Geschäftsstelle des Gerichtes, die Aktenübersendung vorzunehmen, verweigert.

Der Beschwerdeführer habe hiedurch zu 1.) gegen seine allgemeine Dienstpflicht nach § 43 Abs. 3 (richtig wohl Abs. 1) des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 (BDG 1979), § 52 der Geschäftsordnung für die Gerichte I. und II. Instanz (Geo) und zu 2.) gegen seine allgemeinen Dienstpflichten nach §§ 43 Abs. 1 und 44 Abs. 1 BDG 1979 verstoßen und hiedurch Dienstpflichtverletzungen im Sinne des § 91 BDG 1979 begangen.

Die DK verhängte über den Beschwerdeführer gemäß § 92 Abs. 1 Z. 1 in Verbindung mit § 126 Abs. 2 BDG 1979 die Disziplinarstrafe des Verweises. Hingegen sprach sie den Beschwerdeführer von drei weiteren Anschuldigungspunkten frei.

Soweit es aus der Sicht des Beschwerdefalles von Bedeutung ist - der Beschwerdeführer bekämpft in seiner Beschwerde nur den Punkt 2 des Schuldspruches - traf die DK aufgrund der Disziplinaranzeige, des Tatsachengeständnisses des Beschwerdeführers und der Aussage dieses als Zeugen einvernommenen Vorstehers der Geschäftsstelle des Arbeits- und Sozialgerichtes W. folgende Tatsachenfeststellungen:

In der vom Beschwerdeführer geleiteten Geschäftsabteilung seien am 25. Juni, 16. Juli, 18. und 19. Juli 1991 vier Ersuchen der WGKK um Übersendung von (im Spruch näher genannten) Akten eingelangt. Der Beschwerdeführer habe gewußt, daß sich diese Akten noch in seiner Geschäftsabteilung befunden hätten und sie noch nicht an das Aktenlager übergeben worden seien. Derartige Aktenübersendungsersuchen seien häufig gewesen und seien bis zu diesem Zeitpunkt auch vom Beschwerdeführer erledigt worden. Der Beschwerdeführer sei der Auffassung gewesen, durch den Verbleib von Akten in seiner Geschäftsabteilung, die bereits an das Aktenlager hätten abgegeben werden können, erwachse den (betroffenen) Geschäftsabteilungsleitern eine Mehrarbeit und werde der Büroraum eingeengt. Er habe auf dem ersten Aktenübersendungsersuchen vom 25. Juni 1991 vermerkt "Abteilung 9 unzl.", um damit zum Ausdruck zu bringen, er sei seiner Ansicht nach nicht für die Aktenübersendung zuständig. Er habe auf dem üblichen Weg des internen Aktenlaufes die Aktenübersendungsersuchen dem Leiter des Aktenlagers übermittelt, der sie jedoch wieder zurückgeschickt habe. Die Übersendungsersuchen seien bis 5. August 1991 unerledigt geblieben. An diesem Tag habe der Beschwerdeführer dem nachfragenden Vorsteher der Geschäftsstelle erklärt, die betreffenden Akten sollten eigentlich schon im Aktenlager sein und er fühle sich für die Erledigung (der Ansuchen) nicht zuständig. Der Vorsteher der Geschäftsstelle habe dem Beschwerdeführer mündlich die Weisung erteilt, die Aktenübersendung sofort vorzunehmen. Der Beschwerdeführer habe die Befolgung der Weisung verweigert und erklärt, er werde die Aktenübersendung nur aufgrund einer schriftlichen Weisung vornehmen. Er habe seinen Standpunkt auch zunächst anläßlich einer Einvernahme in Anwesenheit des Vizepräsidenten des Arbeits- und Sozialgerichtes (am 6. August 1991) wiederholt, sich jedoch dann bereit erklärt, die Aktenübersendung vorzunehmen, falls ihm eine Kopie des über das Gespräch angefertigten Protokolls überreicht werde (was nach der Aktenlage erfolgte).

Gemäß § 436 Geo seien Ersuchen um Aktenübersendung so lange von der zuständigen Geschäftsabteilung zu erledigen, bis die Akten an das Aktenlager abgegeben worden seien. Diese Bestimmung sei eindeutig; ihre Kenntnis könne vom Beschwerdeführer aufgrund der von ihm abgelegten Dienstprüfungen sowie seiner langjährigen Tätigkeit als Geschäftsabteilungsleiter auch erwartet werden. Von den vier Aktenübersendungsersuchen abgesehen, die Gegenstand des Disziplinarverfahrens seien, habe der Beschwerdeführer auch jeweils die Aktenübersendungen vorgenommen. Im vorliegenden Fall habe der Beschwerdeführer durch die Nichterledigung der Aktenübersendungsanträge dagegen protestieren wollen, ihm erwachse durch die Nichtüberführung der Akten in das Aktenlager eine Arbeit, die ansonsten vom Leiter des Aktenlagers zu erledigen gewesen wäre. Mit der Nichterledigung habe der Beschwerdeführer gegen seine allgemeinen Dienstpflichten nach § 43 Abs. 1 BDG 1979 verstoßen.

Nach Wiedergabe des § 44 BDG 1979 führte die DK ferner aus, der Vorsteher der Geschäftsstelle des Arbeits- und Sozialgerichtes sei zuständiger Vorgesetzter des Beschwerdeführers gewesen. Die von ihm dem Beschwerdeführer erteilte mündliche Weisung sei im Hinblick auf die eindeutige Regelung des § 436 Geo inhaltlich eine Erinnerung an die mit dem Arbeitsplatz des Beschwerdeführers verbundenen Aufgaben und Pflichten gewesen. Der Beschwerdeführer habe auch in der mündlichen Verhandlung nicht anzugeben vermocht, warum seiner Meinung nach die mündliche Weisung des Vorstehers der Geschäftsstelle hätte rechtswidrig sein sollen. Der Beschwerdeführer habe vor und nach den vorliegenden Vorfällen Aktenübersendungsersuchen erledigt. Sein Begehren auf Erteilung einer schriftlichen Weisung sei keinem Irrtum entsprungen, der in seinem Fall wegen der abgelegten Dienstprüfungen auch nicht entschuldbar wäre, sondern einer Protesthaltung. Es handle sich um ein mutwilliges Vorgehen. Es könne nicht hingenommen werden, daß Bedienstete die Aufgaben ihres Arbeitsplatzes nach Belieben nur dann erfüllen wollten, wenn ihnen jeweils eine schriftliche Weisung erteilt werden würde, zumal dies zur Folge hätte, daß überhaupt jeder Dienstbetrieb praktisch lahmgelegt werden könnte. Der Beschwerdeführer sei daher auch eines Verstoßes gegen seine allgemeine Dienstpflicht gegenüber Vorgesetzten nach § 44 Abs. 1 BDG 1979 für schuldig zu erkennen gewesen.

Die DK begründete auch näher ihre Strafbemessung: Wegen des Vorliegens zweier zeitlich abgesondert begangener Dienstpflichtverletzungen und der Schwere der Dienstpflichtverletzung unter Punkt 2 des Schuldspruches sei ein Absehen von der Strafe nach § 115 BDG 1979 nicht möglich gewesen zumal bei Bedachtnahme auf die näheren Umstände, insbesondere auch den in der mündlichen Verhandlung gewonnenen unmittelbaren Eindruck der DK vom Beschwerdeführer.

In seiner Berufung, die sich ohne Einschränkung gegen den Schuld- und Strafausspruch des erstinstanzlichen Bescheides richtete, brachte der Beschwerdeführer unter anderem gegen Punkt 2 des Schuldspruches im wesentlichen vor, § 171 Abs. 1 Geo ordne an, daß nach rechtskräftiger Beendigung eines Verfahrens oder wenn ein Verfahren zum Stillstand gekommen und die Sache im Register abgestrichen worden sei, der Akt von der Geschäftsstelle durch Ausscheidung der Vorakten und durch Ausfolgung der Beilagen zur Abgabe an das Aktenlager vorzubereiten sei. Solche Akten könnten je nach Bedarf und verfügbarem Raum noch bis zu zwei Jahren im Amtszimmer der Gerichtsabteilung verbleiben (was in seinem Fall immer geschehen sei), seien aber dann an das Aktenlager abzuliefern. Es bestehe eine klare Bestimmung, die eine Verpflichtung zur Ablieferung der Akten an das Aktenlager normiere. Dieser Bestimmung entspreche eine Verpflichtung des Aktenlagers, diese Akten zu übernehmen; schließlich sei für das Aktenlager ein eigener Dienstposten vorgesehen. Die Register habe der Beschwerdeführer bereits übergeben, die Akten seien durch ihn zur Abgabe an das Aktenlager vorbereitet worden; es habe an der Abholung in das Aktenlager gemangelt. Er sei seiner Meinung nach zu Recht davon ausgegangen, daß der Mißstand (Verbleib der Akten in seiner Kanzlei entgegen § 171 Abs. 1 Geo) zu einer arbeitsmäßigen Mehrbelastung seiner Kanzlei geführt habe, die durch die klare Bestimmung des § 171 Abs. 1 Geo nicht gerechtfertigt gewesen sei. Ersuchen um Verbesserung der Situation hätten nichts gefruchtet. Sein Aufgabenbereich sei klar umrissen gewesen. Die Übertragung von Aufgaben an einen Beamten, die nicht in seinen Aufgabenbereich fielen, stelle eine gesetzwidrige Weisung dar (hier: Verstoß gegen § 171 Abs. 1 Geo). Den Dienstgeber treffe eine Fürsorge- und Unterstützungspflicht; Weisungen, mit denen der Dienstgeber dem Beschwerdeführer beliebige Aufgaben anderer Beamte zur Miterledigung zuteile, verstießen dagegen. Der Beschwerdeführer sei seiner Meinung nach zu Recht - und wenn zu Unrecht, dann durch einen entschuldbaren Rechtsirrtum, der durch den von ihm vorgelegten Artikel von Stifter ("Sind rechtswidrige Weisungen zu befolgen?" in der Zeitschrift "Der öffentliche Dienst") veranlaßt worden sei - der Auffassung gewesen, die § 171 Abs. 1 Geo widersprechende Weisung, dem Aktenlager zugehörige Akten übersenden zu müssen, schriftlich zu verlangen. Es handle sich auch um keine wegen Gefahr im Verzug unaufschiebbare Maßnahme. Der Beschwerdeführer sei vom 1. bis 19. Juli 1991 auf Urlaub gewesen; in seiner Urlaubsabwesenheit hätten sich die Ersuchen der WGKK angehäuft und wären nicht von seinem Urlaubsvertreter erledigt worden. Im August habe er selbst wegen einer Urlaubsvertretung zwei Abteilungen führen müssen.

Mit dem nun angefochtenen Bescheid vom 13. Mai 1992 gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge. In der Begründung führte sie im wesentlichen - soweit dies im Beschwerdefall von Bedeutung ist - nach Wiedergabe des bisherigen Verwaltungsgeschehens aus, der Beschwerdeführer sei im September 1977 als Vertragsbediensteter in den Justizdienst eingetreten, habe die erste Kanzleiprüfung sowie die Grundbuchsführerprüfung abgelegt, sei seit 1. Juni 1985 Beamter der Verwendungsruppe C und verfüge über eine langjährige Erfahrung als Geschäftsabteilungsleiter in Zivilsachen. Nach Wiedergabe der §§ 171 Abs. 1 und 436 Geo wies sie daraufhin, es sei unbestritten, daß sich die Akten, um deren Übersendung ersucht worden sei, zu diesem Zeitpunkt im Amtszimmer der Geschäftsabteilung des Beschwerdeführers befunden hätten und noch nicht an das Aktenlager abgegeben worden wären. Der Beschwerdeführer werde daher mit Rücksicht auf die eindeutige Zuständigkeitsregelung des § 436 Abs. 1 Geo - ungeachtet der Bestimmung des § 171 Geo, die lediglich die Voraussetzungen für die Abgabe von Akten an das Aktenlager und die in diesem Zusammenhang erforderliche Vorgangsweise für die Geschäftsstelle regle - verpflichtet gewesen, dem Ersuchen zu entsprechen. Auch habe der Beschwerdeführer ansonsten alle (auch anderen) Aktenübersendungsersuchen im Sinne des § 436 Geo behandelt. Die belangte Behörde teile daher die Auffassung der DK, der Beschwerdeführer habe durch die Nichterledigung der Aktenübersendungsanträge dagegen protestieren wollen, daß ihm durch die Nichtüberführung der Akten in das Aktenlager eine Arbeit erwachsen sei, die ansonsten von einem anderen Beamten zu besorgen gewesen wäre. Zutreffend sei das Verhalten des Beschwerdeführers als Verstoß gegen § 43 Abs. 1 BDG 1979 gewertet worden; im übrigen sei es zu vermeiden, daß vorübergehende und durchaus beherrschbare Organisationsschwierigkeiten einer Behörde störende Auswirkungen auf die Tätigkeit anderer Behörden haben. Das mutwillige Protestverhalten des Beschwerdeführers habe zu einer solchen Störung geführt.

Auch die Bewertung als Verstoß gegen § 44 Abs. 1 BDG 1979 sei zu Recht erfolgt. Unbestritten sei der Vorsteher der Geschäftsstelle des Arbeits- und Sozialgerichtes W. zuständiger Vorgesetzter des Beschwerdeführers. Er sei berechtigt gewesen, dem Beschwerdeführer die Weisung zu erteilen, Aktenübersendungen sofort vorzunehmen. Die Weisung habe auch § 436 Geo entsprochen und sei daher nicht rechtswidrig gewesen. Gehe man von der Kenntnis des Beschwerdeführers bezüglich der in Frage kommenden Bestimmungen aus, müsse man zu dem Schluß gelangen, er habe die Befolgung der ihm erteilten mündlichen Weisung ganz bewußt und in Kenntnis, daß er sich im Unrecht befinde, abgelehnt. Es habe sich um ein mutwilliges Verhalten, eine Protesthaltung, gehandelt. Daß der Beschwerdeführer bei der Beurteilung der ihm erteilten Weisung einem Rechtsirrtum unterlegen sei, könne ihm bei seiner beruflichen Erfahrung in Verbindung mit den von der DK in einwandfreier Weise getroffenen Feststellungen nicht zugebilligt werden. Auch zähle eine gewisse Arbeitsüberlastung in diesem Zusammenhang nicht. Im übrigen schloß sich die belangte Behörde vollinhaltlich den Erwägungen der DK zur Strafbemessung an.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, soweit er den Schuldspruch der DK unter Punkt 2 bestätigte.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift jedoch Abstand genommen und dementsprechend ein auf die Aktenvorlage eingeschränktes Kostenbegehren für den Fall der beantragten Abweisung gestellt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 44 BDG 1979 lautet:

"Dienstpflichten gegenüber Vorgesetzten

§ 44. (1) Der Beamte hat seine Vorgesetzten zu unterstützen und ihre Weisungen, soweit verfassungsgesetzlich nicht anderes bestimmt ist, zu befolgen. Vorgesetzter ist jeder Organwalter, der mit der Dienst- oder Fachaufsicht über den Beamten betraut ist.

(2) Der Beamte kann die Befolgung einer Weisung ablehnen, wenn die Weisung entweder von einem unzuständigen Organ erteilt worden ist oder die Befolgung gegen strafgesetzliche Vorschriften verstoßen würde.

(3) Hält der Beamte eine Weisung eines vorgesetzten Beamten aus einem anderen Grund für rechtswidrig, so hat er, wenn es sich nicht wegen Gefahr im Verzug um eine unaufschiebbare Maßnahme handelt, vor Befolgung der Weisung seine Bedenken dem Vorgesetzten mitzuteilen. Der Vorgesetzte hat eine solche Weisung schriftlich zu erteilen, widrigenfalls sie als zurückgezogen gilt."

Gemäß § 171 Abs. 1 Geo ist, wenn das Verfahren in einer Sache rechtskräftig beendet oder zum Stillstand gekommen und die Sache im Register abgestrichen ist (§ 367), der Akt von der Geschäftsstelle durch Ausscheidung der Vorakten und durch Ausfolgung von Beilagen (§ 169 Abs. 2) zur Abgabe an das Aktenlager vorzubereiten. Solche Akten können je nach Bedarf und verfügbarem Raum noch bis zu zwei Jahren im Amtszimmer der Geschäftsabteilung verbleiben (Handlager), sind aber dann an das Aktenlager abzuliefern.

Nach § 436 Abs. 1 Geo ist das Ersuchen um Übersendung eines Aktes zunächst der Abteilung zu übergeben, wo der Akt anhängig ist, anhängig war oder nach der Geschäftsverteilung anhängig sein könnte. Befindet er sich hier, so ist das Ersuchen zum Akt zu nehmen. Im Falle der Übersendung des Aktes ist das Rücklangen durch das Abgangsverzeichnis (§ 526) zu überwachen. Nach Abs. 2 dieser Bestimmung ist dann, wenn der gesuchte Akt in der Abteilung nicht vorkommt oder bereits in das Aktenlager abgegeben ist, das Ersuchen an die Rechtshilfeabteilung zu leiten und in einem eigenen Abschnitt des Hc-Registers einzutragen. Ob ein Akt übersendet wird, entscheidet der Richter, bei dem die Sache anhängig ist, bei Sachen, die schon in das Aktenlager abgegeben sind, der Leiter der Rechtshilfeabteilung (Abs. 4 1. Satz).

Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem "sich aus § 44 Abs. 3 BDG 1979 ergebenden Recht, meine Bedenken gegen die Weisung des Vorgesetzten zu äußern und eine schriftliche Weisung zu verlangen, welches § 44 Abs. 3 ausdrücklich vorsieht, in Verbindung mit meinem sich aus § 171 Abs. 1 Geo ergebenden Recht auf Übernahme von seit mehr als zwei Jahren erledigten Akten durch das Aktenlager" verletzt.

In Ausführung dieses Beschwerdepunktes bringt er wie bereits im Verwaltungsverfahren im wesentlichen vor, er habe die Register für die die "Gebietskrankenkassenübersendung" betreffenden Akten schon dem Aktenlager übergeben und die dazugehörigen Akten zur Ablieferung an das Aktenlager vorbereitet, da die zwei Jahre im Sinn des § 171 Abs. 1 Geo längst verstrichen gewesen seien. Die Übergabe der Akten sei an der Übernahmebereitschaft und -fähigkeit des Aktenlagers gescheitert. Zum diesbezüglichen Mißstand sei es seit einigen Jahren gekommen; früher hätte die Übergabe an das Aktenlager geklappt; seit seinem Disziplinarverfahren funktioniere sie wieder. Von den Disziplinarbehörden seien Feststellungen darüber unterblieben, ob sich die Akten außerhalb der Zweijahresfrist des § 171 Abs. 1 Geo in seiner Kanzlei befunden hätten, ob sie von ihm zur Abgabe an das Aktenlager vorbereitet gewesen wären und daß er nicht mehr über die Register verfügt habe. Der Beschwerdeführer hätte (auch schon öfter vorher) eine Tätigkeit verrichten sollen, die bei ordnungsgemäßer Handhabung des Aktenlagers nicht mehr in seinen Kompetenzbereich gefallen wären. Wegen der Sommerurlaubszeit und dem Einlangen der Übersendungsansuchen während seines Urlaubes habe er sich erstmals geweigert, ohne schriftliche Weisung die Übersendung durchzuführen. Dies deshalb, weil er der Auffassung sei, daß sonst beliebige mündliche Weisungen zu Tätigkeiten außerhalb seines Kompentenzbereiches durch den Vorsteher der Geschäftsstelle, der ihm nicht wohlgesonnen sei, möglich gewesen wären. Da ihm klar gewesen sei, daß sein Vorgesetzter seine Weisung nicht zurückziehen werde, habe er seine Erklärung, das Aktenlager sei für diese Akten zuständig und nicht er, gleich mit der Aufforderung verbunden, ihm die Weisung schriftlich zu geben. Eine schriftliche Weisung sei nicht erfolgt, sondern erst im Rahmen des Protkolls vom 6. August 1991 habe der Beschwerdeführer erklärt, bei Erhalt einer Abschrift dieses Protokolles dies als schriftliche Weisung zur Aktenübersendung aufzufassen. Bezeichnenderweise sei das Aktenübersendungsersuchen auch zunächst in das Posteinlauffach des Aktenlagers gegeben worden, weil dort die Akten hätten sein sollen. Der Vorsteher der Geschäftsstelle habe in seiner Zeugeneinvernahme erklärt, der Betreuer des Aktenlagers sei bereits mündlich aufgefordert worden, die älteren Akten ins Aktenlager zu bringen. Man habe ein Jahr gebraucht, um Aktenstellagen zu bekommen; es habe aber auch personelle Probleme im Aktenlager gegeben. Deshalb habe es auch schon Beschwerden von Bediensteten im Haus gegeben. Die Säumigkeit des Aktenlagers und die Nichtbefolgung der mündlichen Weisung durch den Bediensteten des Aktenlagers hätten also zum Disziplinarverfahren gegen den Beschwerdeführer geführt: Darin sei eine mangelnde Fürsorge des Dienstgebers ihm gegenüber gelegen, ihn im Rahmen seiner Pflichten zu beschäftigen und ihm nicht weitere, bereits in die Kompetenz des Aktenlagers fallende Pflichten aufzutragen, noch dazu in einer Zeit der Urlaubsvertretung.

Der Beschwerde kommt keine Berechtigung zu.

Die dem Beschwerdeführer unter Punkt 2 des Schuldspruches zur Last gelegten Dienstpflichtverletzungen enthalten zwei Vorwürfe:

a) Den Vorwurf, der Beschwerdeführer habe vier (im Juni und Juli 1991 beim Gericht eingelangte) Ersuchen der WGKK, ihr bestimmte 1988 angefallene (und in der Zwischenzeit schon erledigte) Gerichtsakten zu übersenden, bis 5. August 1991 nicht erledigt (Verstoß gegen § 43 Abs. 1 BDG 1979) und

b) den Vorwurf, er habe die ihm am 5. August 1991 vom Vorsteher der Geschäftsstelle des Arbeits- und Sozialgerichtes erteilte mündliche Weisung, diese Aktenübersendungen vorzunehmen, verweigert (Verstoß gegen § 44 Abs. 1 BDG 1979).

Nach dem Beschwerdepunkt kann sich (wenn überhaupt) nur das vom Beschwerdeführer aus § 171 Abs. 1 Geo abgeleitete "Recht auf Übernahme der mehr als zweijährigen erledigten Akten" durch das Aktenlager auf den unter a) umschriebenen Vorwurf beziehen. Nach dem diesbezüglich unbestritten gebliebenen Sachverhalt, dem der Beschwerdeführer auch nicht in seiner Beschwerde entgegengetreten ist, befanden sich die von der WGKK angesprochenen Gerichtsakten im Zeitpunkt ihrer Ersuchen bis einschließlich 5. August 1991 in der Geschäftsabteilung des Beschwerdeführers, weil sie noch nicht an das Aktenlager abgeliefert (im Sinn von physisch übergeben) waren. Daraus ergibt sich aber nach der klaren Bestimmung des § 436 Geo die Zuständigkeit des Beschwerdeführers zur Erledigung der Übersendungsansuchen der WGKK; aus dieser Bestimmung ist nämlich abzuleiten, daß hiefür jene Abteilung, bei der der Akt anhängig ist, war (dieser Tatbestand trifft im Beschwerdefall zu) oder anhängig sein könnte, zur Erledigung des Ersuchens um Übersendung eines Aktes zuständig ist, wenn sich der Akt bei ihr befindet. Daran ändert auch die Bestimmung des § 171 Geo nichts, die lediglich die Voraussetzungen für die Abgabe von Akten an das Aktenlager und das Vorgehen der (betroffenen) Geschäftsabteilung regelt: So lange die Aktenabgabe an das Aktenlager nicht durchgeführt worden ist, berührt dies nicht die Zuständigkeit der Geschäftsabteilung nach § 436 Geo. Abgesehen davon läßt sich ein Recht des Beschwerdeführers auf Übernahme von Akten aus der organisatorische Abläufe regelnden Bestimmung des § 171 Geo nicht ableiten. Die in diesem Zusammenhang erhobenen Verfahrensrügen erweisen sich schon aus diesem Grund als rechtlich unerheblich.

Die Beschwerde wendet sich vor allem gegen die Nichtbefolgung der mündlich erteilten Weisung (Verstoß gegen § 44 Abs. 1 BDG 1979; oben als b) bezeichnet). Der Beschwerdeführer geht davon aus, aufgrund seines Verlangens auf schriftliche Erteilung der Weisung, dem der Vorgesetzte (jedenfalls am 5. August 1991) nicht nachgekommen sei, sei er am 5. August 1991 nicht zur Befolgung der Weisung verpflichtet gewesen.

Aus der Ablehnungsregelung nach § 44 Abs.2 BDG 1979, die inhaltlich Art. 20 Abs. 1 letzter Satz B-VG wiederholt, ist abzuleiten, daß in allen sonstigen Fällen eine Weisung - und daher auch eine (aus anderen als in § 44 Abs. 2 BDG 1979 genannten Gründen) gesetzwidrige Weisung - grundsätzlich zu befolgen ist.

Für den in Parenthese genannten Fall der "sonstigen Rechtswidrigkeit" einer Weisung enthält allerdings § 44 Abs. 3 BDG 1979 folgende Einschränkungen:

Zweifelt der Weisungsempfänger an der Rechtmäßigkeit (im obigen Sinn) der ihm erteilten Weisung, hat er, wenn es sich nicht wegen Gefahr im Verzug um eine unaufschiebbare Maßnahme handelt, seine RECHTLICHEN Bedenken gegen die Weisung mitzuteilen. Dies hat zur Folge, daß bis zur schriftlichen Bestätigung der erteilten Weisung durch den Vorgesetzten keine Pflicht des Beamten zur Befolgung besteht (siehe dazu insbesondere das zu einer inhaltlich vergleichbaren Rechtslage ergangene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. März 1989, Zl. 86/09/0110 = Slg. Nr. 12.894/A). In diesem (zu § 20a Wiener Dienstordnung) ergangenen Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof weiter dargelegt, daß der Regelungszweck des Remonstrationsrechtes in erster Linie in der Verwirklichung des auch für Weisungen geltenden Rechtsstaatsprinzipes zu sehen ist. Die Ausübung des Remonstrationsrechtes muß erkennen lassen, welche RECHTLICHEN BEDENKEN der Beamte gegen die ihm erteilte Weisung hat und womit er seinen Standpunkt vertreten zu können glaubt. Die Bedenken dürfen aber kein mutwilliges, geradezu rechtsmißbräuchliches Vorbringen darstellen. Ob die geäußerten Bedenken rechtlich zutreffen oder nicht, ist für den Eintritt der Rechtsfolge (keine Befolgungspflicht bis zur schriftlichen Bestätigung) ohne Bedeutung (vgl. dazu auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Februar 1991, Zlen. 90/09/0064, 0080).

Im Beschwerdefall ist die Vorgesetzteneigenschaft des Vorstehers der Geschäftsstelle des Arbeits- und Sozialgerichtes W. ebenso unbestritten, wie der Umstand, daß kein Fall des § 44 Abs. 2 BDG 1979 (= Art. 20 Abs. 1 B-VG) vorliegt. Strittig ist im Beschwerdefall, ob die in § 44 Abs. 3 BDG 1979 vorgesehene Rechtsfolge (keine Befolgungspflicht bis zur schriftlichen Bestätigung der Weisung) eingetreten ist oder nicht; denn nur bei Eintritt dieser Rechtsfolge wäre der Beschwerdeführer von der Verpflichtung zur Befolgung der gegenständlich mündlich erteilten Weisung rechtlich entbunden gewesen.

Vorauszuschicken ist, daß weder aus dem Wortlaut noch aus dem Sinn des § 44 BDG 1979 ein Recht des Weisungsempfängers auf die Erteilung einer Weisung in schriftlicher Form besteht.

Maßgebend für den Eintritt der im § 44 Abs. 3 BDG 1979 vorgesehenen Rechtsfolge (Aussetzung der Befolgungspflicht) ist,

1. daß es sich bei der erteilten Weisung nicht wegen Gefahr im Verzuge um eine unaufschiebbare Maßnahme handelt oder

2. daß der Weisungsempfänger vor Befolgung der Weisung seine RECHTLICHEN BEDENKEN dem Vorgesetzten mitteilt und

3. diese Bedenken kein mutwilliges geradezu rechtsmißbräuchliches Vorbringen darstellen.

Abgesehen von der Frage, ob im Beschwerdefall aufgrund des Sachverhaltes nicht schon die Voraussetzungen des Punktes 1 gegeben gewesen wären - diesbezüglich fehlen aber trotz entgegenstehender Behauptungen des Beschwerdeführers in seiner Berufung die entsprechenden Feststellungen in der Begründung des angefochtenen Bescheides - ist die belangte Behörde davon ausgegangen, der Beschwerdeführer habe die Befolgung der mündlichen Weisung seines Vorgesetzten ganz bewußt in Kenntnis, daß er sich im Unrecht befinde, abgelehnt (mutwilliges Verhalten aus Protesthaltung). Sie hat dies aus der Klarheit der Regelung des § 436 Geo, der Kenntnis dieser Bestimmung durch den Beschwerdeführer aufgrund seiner beruflichen Stellung und Erfahrung sowie aus seinem Verhalten vor und nach diesem Vorfall gefolgert und auch das Vorliegen eines Rechtsirrtums - einen solchen macht der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde nicht mehr geltend - ausgeschlossen. Im Rahmen der eingeschränkten Kontrolle der freien Beweiswürdigung durch den Verwaltungsgerichtshof ist dem nicht entgegenzutreten, zumal auch die Beschwerde unmißverständlich erkennen läßt, daß der Beschwerdeführer eine Tätigkeit nicht mehr länger verrichten wollte, die bei einer dem § 171 Geo entsprechenden Vorgangsweise nicht mehr in seine Zuständigkeit gefallen wäre. Damit hat er aber selbst eingeräumt, daß er auch nach eigener Auffassung bis zur Übergabe der Akten an das Aktenlager zur Bearbeitung der gegenständlichen Übersendungsansuchen der WGKK zuständig war und sein Mißbehagen an diesem Zustand ausschlaggebend für sein Verlangen auf Erteilung einer schriftlichen Weisung war. Die Unterlassung einer ordnungsgemäßen Führung des Aktenlagers, die zur Beibehaltung der Zuständigkeit des Beschwerdeführers zur weiteren Bearbeitung von Ersuchen betreffend Übersendung alter schon erledigter Akten (hier: aus 1988) führte, rechtfertigt für sich allein im Beschwerdefall noch nicht, die Rechtmäßigkeit der mündlich erteilten Weisung, diese Aufgabe in bestimmten Fällen wahrzunehmen, in Zweifel zu ziehen. Besondere Umstände, wie eine bedeutende Arbeitsbelastung durch diese Agenden, die den Beschwerdeführer an der Erfüllung seiner primär und auf Dauer von ihm als Geschäftsabteilungsleiter zu vollziehenden Aufgaben erheblich behindert hätten, hat der Beschwerdeführer nicht vorgebracht. Im übrigen hat er selbst in seiner Beschwerde auf die im Disziplinarverfahren abgelegte Zeugenaussage des Vorstehers der Geschäftsstelle hingewiesen, der (vorübergehende) Mängel in der Führung des Aktenlagers auf sachliche (Anlieferungszeit für benötigte Stellagen) und personelle Schwierigkeiten zurückführte.

Es war daher nicht rechtswidrig, wenn die belangte Behörde auch bezüglich des Vorwurfes der Nichtbefolgung der mündlich erteilten Weisung auf Grund der besonderen Umstände des Einzelfalles davon ausging, der Beschwerdeführer habe ungeachtet seines Verlangens auf Erteilung einer schriftlichen Weisung seine Dienstpflicht nach § 44 Abs. 1 BDG 1979 verletzt.

Die Beschwerde erweist sich daher zur Gänze als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Kostenausspruch gründet sich im Rahmen des eingeschränkten Begehrens auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991.

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