Normen
AsylG 1991 §20;
AsylG 1991 §5 Abs1 Z3;
AVG §66 Abs4;
FlKonv Art1 AbschnC Z1;
FlKonv Art1 AbschnC Z5;
AsylG 1991 §20;
AsylG 1991 §5 Abs1 Z3;
AVG §66 Abs4;
FlKonv Art1 AbschnC Z1;
FlKonv Art1 AbschnC Z5;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.830,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Rumäniens, war mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Burgenland vom 22. Jänner 1991 als Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes (1968) anerkannt worden. Mit dem gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 15. Februar 1995 wurde jedoch in Erledigung der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 16. November 1994 gemäß § 5 Abs. 1 Z. 3 Asylgesetz 1991 festgestellt, daß hinsichtlich der Person des Beschwerdeführers die im Art. 1 Abschnitt C Z. 1 und 5 der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Tatbestände eingetreten seien.
Über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Gemäß § 5 Abs. 1 Z. 3 Asylgesetz 1991 verliert ein Flüchtling das Asyl, wenn festgestellt wird, daß hinsichtlich seiner Person einer der im Art. 1 Abschnitt C oder F lit. a oder c oder Art. 33 Abs. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Tatbestände eingetreten ist.
Gemäß Art. 1 Abschnitt C Z. 5 der Genfer Flüchtlingskonvention wird dieses Abkommen auf eine Person, die unter die Bestimmungen des Abschnittes A fällt, nicht mehr angewendet, wenn die Umstände, aufgrund deren sie als Flüchtling anerkannt worden ist, nicht mehr bestehen und sie es daher nicht weiterhin ablehnen kann, sich unter den Schutz ihres Heimatlandes zu stellen.
Nach Ausweis der Verwaltungsakten erfolgte die Anerkennung des Beschwerdeführers als Flüchtling aufgrund seiner Aussage, er sei nach einem Streik zur Erreichung besserer Arbeitsbedingungen von den rumänischen Behörden mehrmals verhört und dabei schwer mißhandelt worden.
Die Erstbehörde hielt dem Beschwerdeführer anläßlich der niederschriftlichen Vernehmung am 10. Oktober 1994 vor, daß die Zustände, aufgrund deren ihm Asyl gewährt worden sei, in Rumänien nicht mehr vorherrschten. Der Beschwerdeführer bestritt dies. In seiner Berufung führte er dazu näher aus, daß sich der rumänische Staat nach wie vor nicht "nach jenen Spielregeln" verhalte, die für demokratische Staaten selbstverständlich seien. Nach Meldungen in den Medien seien sogar österreichische Anwälte von Mordanschlägen des rumänischen Geheimdienstes bedroht. Der Beschwerdeführer lehne es aus wohlbegründeter Furcht nach wie vor ab, nach Rumänien zurückzukehren. Der Bruder des Beschwerdeführers sei nach der Rückkehr nach Rumänien verhaftet und so schwer mißhandelt worden, daß er an den Folgen gestorben sei. Zum Beweis für dieses Vorbringen berief sich der Beschwerdeführer unter anderem auf eine Anfrage an die österreichische Botschaft in Rumänien und die Einholung eines Berichtes von "Amnesty International" über die Menschenrechtslage in seiner Heimat.
Die belangte Behörde führte - ebenso wie die Erstbehörde - keinerlei Ermittlungsverfahren zur Frage der geänderten Umstände in Rumänien durch. Sie vertrat im angefochtenen Bescheid die Auffassung, das totalitäre Staatssystem in Rumänien existiere nicht mehr. Der Beschwerdeführer habe im gesamten Verfahren keine Umstände dargetan, aufgrund deren er im Falle seiner Rückkehr konkrete Verfolgungshandlungen seitens der rumänischen Behörden zu befürchten habe.
Die Durchführung von Ermittlungen über die tatsächliche Situation im Heimatland des Beschwerdeführers im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides wäre aber im Hinblick auf das bereits im Verwaltungsverfahren erstattete Vorbringen des Beschwerdeführers, die Verfolgungssituation in Rumänien habe sich - trotz Änderung des Staatssystems - nicht geändert, erforderlich gewesen (vgl. etwa das zur insoweit vergleichbaren Rechtslage des Asylgesetzes (1968) ergangene hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 1996, Zl. 95/01/0590, m.w.N.), wobei im Hinblick darauf, daß der Beschwerdeführer bereits bei seiner Vernehmung im erstinstanzlichen Verfahren eine Änderung der politischen Verhältnisse in seiner Heimat bestritten hat, unerörtert bleiben kann, ob die Bestimmung des § 20 Asylgesetz 1991 auch auf Verfahren nach § 5 Abs. 1 leg. cit. anwendbar ist.
Gemäß Art. 1 Abschnitt C Z. 1 der Genfer Flüchtlingskonvention wird dieses Abkommen auf eine Person, die unter die Bestimmungen des Abschnittes A fällt, nicht mehr angewendet, wenn sie sich freiwillig wieder unter den Schutz ihres Heimatlandes gestellt hat.
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes erfüllt auch die Rückkehr in den "Verfolgerstaat" den Tatbestand der "Unterschutzstellung" im Sinne dieser Norm (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 13. November 1996, Zl. 96/01/0912).
Diesen Grund für den Verlust des Asyls hat die belangte Behörde erstmals herangezogen. Dazu war sie im Rahmen der "Sache" gemäß § 66 Abs. 4 AVG berechtigt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 31. Mai 1995, Zl. 94/01/0795). Sie hat dazu festgestellt, daß sich der Beschwerdeführer nach der Auskunft einer nicht genannten Vertrauensperson im August 1994 gemeinsam mit seinem Sohn in Rumänien aufgehalten habe. Zur Einreise habe er ein "Papier" verwendet, das von der rumänischen Botschaft in Wien gegen Bezahlung von S 1.000,-- ausgestellt werde. Die Rückreise nach Rumänien habe auch der Sohn des Beschwerdeführers in einem Gespräch mit der zuständigen Sozialarbeiterin bestätigt. Am 20. Oktober 1994 habe diese Auskunftsperson angegeben, daß sich der Beschwerdeführer zuletzt etwa vor drei Wochen in Rumänien aufgehalten habe.
Diesbezüglich wurde dem Beschwerdeführer nur insoweit Parteiengehör eingeräumt, als ihm bei der niederschriftlichen Vernehmung vom 20. Oktober 1994 zur Kenntnis gebracht wurde, dem Bundesasylamt sei aufgrund der Aussage einer nicht genannten Auskunftsperson bekannt geworden, daß er sich bereits mehrmals in Rumänien aufgehalten habe, zuletzt vor drei Wochen, was er "entschieden in Abrede" gestellt hat.
Gemäß § 37 AVG ist es der Zweck des Ermittlungsverfahrens, den für die Erledigung einer Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt festzustellen und den Parteien Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben. Die Wahrung des Parteiengehörs ist von Amts wegen zu beachten und gehört zu den fundamentalen Grundsätzen der Rechtsstaatlichkeit der Hoheitsverwaltung. Es ist in förmlicher Weise zu gewähren (vgl. etwa die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, S. 234 f, E 34 ff zu § 37 AVG, zitierte hg. Rechtsprechung).
Vorliegend wurden dem Beschwerdeführer weder der Name der Auskunftsperson noch die - ansatzweise im angefochtenen Bescheid enthaltenen - näheren Umstände seiner angeblichen Rückreisen bekanntgegeben. Weiters wurde ihm nicht zur Kenntnis gebracht, daß auch sein Sohn die Tatsache seiner Rückkehr in seine Heimat bestätigt haben soll. Es wurde ihm daher nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes nicht ausreichend Gelegenheit gegeben, seine rechtlichen Interessen wahrzunehmen. Aufgrund der Anonymität der Auskunftsperson hatte er keine Möglichkeit auf allfällige Gründe für eine unberechtigte Anschuldigung durch diese Person hinzuweisen. Da ihm nicht bekanntgegeben wurde, auf welche konkreten Wahrnehmungen (der nicht genannten Auskunftsperson) sich die Feststellung seiner mehrmaligen Rückreisen stützt sowie unter welchen Umständen und zu welchen genauen Zeiten er in seine Heimat gereist sein soll, hatte er nicht ausreichend Gelegenheit, diesen Vorwurf durch entsprechend konkretes Vorbringen zu entkräften.
Es erweist sich somit, daß die belangte Behörde infolge der Versäumung gebotener Ermittlungen und der Unterlassung der Wahrung des Parteiengehörs den angefochtenen Bescheid mit Verfahrensmängeln belastet hat. Da der Sachverhalt somit in wesentlichen Punkten einer Ergänzung bedarf und Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
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