Normen
AVG §67a Abs1 Z2;
AVG §67a Abs3;
AVG §67a Abs4 idF 1995/471 impl;
AVG §67c Abs4;
B-VG Art129a Abs1 Z2;
PersFrSchG 1988 Art2 Abs1 Z5;
SPG 1991 §46;
SPG 1991 §88 Abs1;
SPG 1991 §88;
UbG §10 Abs1;
UbG §10;
UbG §11;
UbG §18;
UbG §2;
UbG §3;
UbG §4;
UbG §5;
UbG §6;
UbG §7;
UbG §8;
UbG §9;
VwRallg;
AVG §67a Abs1 Z2;
AVG §67a Abs3;
AVG §67a Abs4 idF 1995/471 impl;
AVG §67c Abs4;
B-VG Art129a Abs1 Z2;
PersFrSchG 1988 Art2 Abs1 Z5;
SPG 1991 §46;
SPG 1991 §88 Abs1;
SPG 1991 §88;
UbG §10 Abs1;
UbG §10;
UbG §11;
UbG §18;
UbG §2;
UbG §3;
UbG §4;
UbG §5;
UbG §6;
UbG §7;
UbG §8;
UbG §9;
VwRallg;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin wurde am 16. September 1993 im Zuge einer von Wohnungsnachbarn veranlaßten polizeilichen Intervention von zwei Sicherheitswachebeamten der Bundespolizeidirektion Wien einem Arzt dieser Behörde und nach Ausstellung einer Bescheinigung gemäß § 8 Unterbringungsgesetz - UbG, BGBl. Nr. 155/1990, durch den Krankenbeförderungsdienst in das Psychatrische Krankenhaus der Stadt Wien - Baumgartner Höhe (im folgenden: Krankenhaus) gebracht, wo sie in der Folge aufgenommen und bis 23. September 1993 stationär behandelt wurde. Die Beschwerdeführerin erhob dagegen Beschwerde an die belangte Behörde, in der sie beantragte, ihre Festnahme, Einweisung und Anhaltung im Krankenhaus für rechtswidrig zu erklären.
Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung erließ die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid, laut dessen Spruch die Beschwerde gemäß § 67c Abs. 3 AVG wegen behaupteter Verletzung des Grundrechts auf persönliche Freiheit "infolge Festnahme" als unzulässig zurückgewiesen, "wegen Einweisung" in das Krankenhaus als unbegründet abgewiesen und "wegen Anhaltung" im Krankenhaus als unzulässig zurückgewiesen wurde. In der Begründung legte die belangte Behörde dar, daß sie aufgrund der Zeugenaussagen der beiden Sicherheitswacheorgane und des Polizeiarztes sowie der Krankengeschichte des Krankenhauses das Vorliegen der Unterbringungsvoraussetzungen des § 3 UbG bei Vorführung und Einweisung der Beschwerdeführerin als erwiesen ansehe. Die Beschwerdeführerin sei somit zu Recht dem Polizeiarzt vorgeführt und sodann in das Krankenhaus eingewiesen worden. Eine "Festnahme" sei aber entgegen ihrer Behauptung nicht erfolgt; der Wille der Sicherheitsorgane sei nämlich nicht auf eine "Festnahme", sondern lediglich auf die Vorführung der Beschwerdeführerin zum Polizeiarzt zwecks Untersuchung auf das Vorliegen der Unterbringungsvoraussetzungen gerichtet gewesen.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin insoweit, als er ihre Vorführung zum Polizeiarzt und "Verbringung" in das Krankenhaus zum Gegenstand hat, Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte mit Beschluß vom 26. September 1994, B 1009/94, die Behandlung der Beschwerde ab und trat diese gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
Im ergänzenden Schriftsatz an den Verwaltungsgerichtshof macht die Beschwerdeführerin die Verletzung ihrer Rechte auf meritorische Erledigung der Maßnahmenbeschwerde sowie darauf, daß ihre Vorführung zum Polizeiarzt und "Verbringung" in das Krankenhaus für rechtswidrig erklärt werde, geltend. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung hätte die belangte Behörde die Vorführung zum Amtsarzt als Maßnahme im Sinne des § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG ansehen und eine meritorische Entscheidung dahin fällen müssen, daß auch die Festnahme mangels Vorliegens der Unterbringungsvoraussetzungen des § 3 UbG rechtswidrig gewesen sei. Das Vorliegen der Unterbringungsvoraussetzung nach § 3 Z. 2 UbG sei überhaupt nicht geprüft worden. Die Beschwerdeführerin stellt den Antrag, den angefochtenen Bescheid im bekämpften Umfang wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben und ihr die Kosten des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof zuzusprechen.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt. Die Beschwerdeführerin hat darauf mit einem Schriftsatz repliziert.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gegenstand der Beschwerde ist nicht auch die Unterbringung der Beschwerdeführerin im Krankenhaus. Der Verwaltungsgerichtshof hat daher den angefochtenen Bescheid nur insoweit zu prüfen, als dieser die Vorführung der Beschwerdeführerin zum Polizeiarzt und die "Verbringung" in das Krankenhaus betrifft. Diese sicherheitspolizeilichen Maßnahmen unterliegen - anders als die Unterbringung im Krankenhaus - der Kontrolle durch den unabhängigen Verwaltungssenat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Jänner 1994, Zlen. 93/11/0035, 0036 = Slg. Nr. 13.994/A).
2. Zu dem von der vorliegenden Beschwerde erfaßten Inhalt des angefochtenen Bescheides ist vorweg festzuhalten:
Dieser umfaßt den GESAMTEN in Beschwerde gezogenen Vorgang der Vorführung der Beschwerdeführerin (zum Polizeiarzt und sodann in das Krankenhaus). Der angefochtene Bescheid ist nämlich unter Berücksichtigung der beigegebenen Begründung trotz des auf Zurückweisung der Beschwerde "infolge Festnahme" lautenden ersten Teilabspruches dahin zu verstehen, daß damit die Beschwerde auch in Ansehung der Vorführung zum Polizeiarzt als unbegründet abgewiesen wird. Dem auf Zurückweisung lautenden Teilabspruch liegt ein spezifisches (in der Begründung näher dargelegtes, hier nicht näher zu prüfendes) Verständnis des Begriffes "Festnahme" zugrunde. Die belangte Behörde brachte damit nur zum Ausdruck, daß eine Festnahme in diesem Sinne nicht erfolgt und auch nicht beabsichtigt gewesen sei, somit die in der Maßnahmenbeschwerde behauptete Verletzung des Rechtes auf Schutz der persönlichen Freiheit mangels "Festnahme" der Beschwerdeführerin nicht gegeben sei. Die Begründung zeigt aber insgesamt, daß die belangte Behörde dessen ungeachtet nicht etwa eine Prüfung der Rechtmäßigkeit der Vorführung der Beschwerdeführerin zum Polizeiarzt verweigert hat. Im Gegenteil: In der Begründung ist ausdrücklich davon die Rede, daß die Unterbringungsvoraussetzungen vorgelegen seien und die Beschwerdeführerin daher "völlig zu Recht dem Amtsarzt vorgeführt" worden sei (Seite 13). Für das dargelegte umfassende Verständnis des angefochtenen Bescheides spricht auch, daß laut Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 21. März 1994 der Verhandlungsleiter ohne weitere Differenzierung die Abweisung der Beschwerde als unbegründet verkündet hat.
Die Beschwerdeführerin wurde daher nicht im Recht auf meritorische Erledigung der Maßnahmenbeschwerde verletzt.
3. Gemäß § 3 UbG darf in einer Anstalt (im Sinne des § 2 UbG) nur untergebracht werden, wer
- 1. an einer psychischen Krankheit leidet und im Zusammenhang damit sein Leben oder seine Gesundheit oder das Leben oder die Gesundheit anderer ernstlich und erheblich gefährdet, und
- 2. nicht in anderer Weise, insbesondere außerhalb einer Anstalt, ausreichend ärztlich behandelt oder betreut werden kann.
Nach § 8 UbG darf eine Person gegen oder ohne ihren Willen nur dann in eine Anstalt gebracht werden, wenn ein im öffentlichen Sanitätsdienst stehender Arzt oder ein Polizeiarzt sie untersucht und bescheinigt, daß die Voraussetzungen der Unterbringung vorliegen. In der Bescheinigung sind im einzelnen die Gründe anzuführen, aus denen der Arzt die Voraussetzungen der Unterbringung für gegeben erachtet.
Gemäß § 9 Abs. 1 UbG sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes berechtigt und verpflichtet, eine Person, bei der sie aus besonderen Gründen die Voraussetzungen der Unterbringung für gegeben erachten, zur Untersuchung zum Arzt (§ 8) zu bringen oder diesen beizuziehen. Bescheinigt der Arzt das Vorliegen der Voraussetzungen der Unterbringung, so haben die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes die betroffene Person in eine Anstalt zu bringen oder dies zu veranlassen. Wird eine solche Bescheinigung nicht ausgestellt, so darf die betroffene Person nicht länger angehalten werden. Nach § 9 Abs. 2 UbG können die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes bei Gefahr im Verzug die betroffene Person auch ohne Untersuchung und Bescheinigung in eine Anstalt bringen.
Voraussetzung für eine Unterbringung im Sinne des UbG ist somit - kumulativ - eine psychische Krankheit, eine damit im Zusammenhang stehende ernstliche und erhebliche Gefährdung des (eigenen oder fremden) Lebens oder der Gesundheit sowie der Mangel ausreichender ärztlicher Behandlungs- oder Betreuungsmöglichkeiten außerhalb einer Anstalt. Diese materiellen Unterbringungsvoraussetzungen des § 3 UbG müssen sowohl für eine Unterbringung auf Verlangen (§§ 4 bis 7) als auch für eine Unterbringung ohne Verlangen (§§ 8 ff) gegeben sein. Bei ihrem Fehlen darf eine Person auch nicht mit ihrem Willen in den geschlossenen Bereich einer Anstalt aufgenommen werden (in diesem Sinne auch Hopf/Aigner, Unterbringungsgesetz, Anm. 2 zu § 3; Kopetzki, Unterbringungsrecht II, 475 f, 595).
Aus den §§ 8 und 9 UbG ergibt sich, daß eine Beurteilung, ob die Unterbringungsvoraussetzungen des § 3 UbG gegeben sind, nicht erst bei der Aufnahme in die Anstalt, sondern schon bei der Vorführung zum Arzt bzw. der "Verbringung" in die Anstalt vorzunehmen ist. Das Gesetz läßt allerdings erkennen, daß diese Beurteilung in unterschiedlicher Intensität zu erfolgen hat. Es normiert nämlich erst für die Aufnahme in die Anstalt das Erfordernis einer von zwei Fachärzten unabhängig von einander vorzunehmenden Untersuchung des Betreffenden (§ 10 Abs. 1) und verlangt für dessen "Verbringung" in die Anstalt - vom Ausnahmefall des § 9 Abs. 2 UbG abgesehen - nur die Untersuchung durch einen Arzt, der nicht Facharzt des einschlägigen Sonderfaches sein muß, bzw. - im besagten Ausnahmefall - nicht einmal die Untersuchung durch einen Arzt. Das bedeutet, daß dann, wenn sich nachträglich das Vorliegen der Unterbringungsvoraussetzungen herausstellt, die Erklärung der Vorführung zum Arzt bzw. die "Verbringung" in die Anstalt für rechtswidrig grundsätzlich nicht in Betracht kommt (sofern nicht ausnahmsweise davon auszugehen ist, daß diese Voraussetzungen nicht schon von Anfang an, sondern erst später vorgelegen sind). Stellt sich hingegen heraus, daß die Unterbringungsvoraussetzungen nicht vorgelegen sind (was insbesondere dann der Fall sein wird, wenn es nicht zu einer Unterbringung in der Anstalt kommt oder der Arzt die Ausstellung einer Bescheinigung nach § 8 UbG verweigert), so ist die Vorführung einer Person durch Sicherheitsorgane nicht schon deshalb jedenfalls für rechtswidrig zu erklären. Vielmehr ist einem solchen Fall vom unabhängigen Verwaltungssenat zu prüfen, ob die Sicherheitsorgane zumindest vertretbar das Vorliegen der Unterbringungsvoraussetzungen annehmen konnten. Nur wenn selbst diese Minimalvoraussetzung zu verneinen ist, wird die Maßnahme für rechtswidrig zu erklären sein.
4. Die Auffassung der belangten Behörde, im Beschwerdefall seien die Unterbringungsvoraussetzungen des § 3 UbG vorgelegen, ist nicht als rechtswidrig zu erkennen:
Die (unbekämpfte) Annahme des Bestehens einer psychischen Erkrankung der Beschwerdeführerin zur Vorfallszeit ergibt sich aus der vom Polizeiarzt ausgestellten Bescheinigung nach § 8 UbG, aus dessen Aussage vor der belangten Behörde und insbesondere auch aus der Krankengeschichte des Krankenhauses ("akute psychotische Episode"; nach der Aktenlage sind der gegenständlichen Aufnahme bereits vier stationäre Aufenthalte der Beschwerdeführerin im gegenständlichen Krankenhaus vorangegangen). Der belangten Behörde kann auch insofern nicht entgegengetreten werden, als sie eine mit dieser Erkrankung im Zusammenhang stehende ernstliche und erhebliche Gefährdung im Sinne des § 3 Z. 1 UbG angenommen hat. Die belangte Behörde konnte sich insoweit unbedenklich auf die von ihr als glaubwürdig erachteten Aussagen der Sicherheitswachebeamten stützen, die bei ihrer Vernehmung als Zeugen angegeben hatten, Mitbewohner im Haus der Beschwerdeführerin hätten ihnen von einem schon ca. eine Stunde andauernden Randalieren der Beschwerdeführerin durch Herumschreien und Läuten an Wohnungstüren, von wiederholt wahrgenommenem Gasgeruch aus der Wohnung der Beschwerdeführerin sowie von einem "sehr weiten Hinauslehnen (der Beschwerdeführerin) aus dem Fenster" ihrer im dritten Stock des Hauses gelegenen Wohnung und der Befürchtung, sie werde hinausfallen, berichtet. Die in diesem Zusammenhang mit Schriftsatz vom 2. Juni 1997 vorgebrachte Verfahrensrüge, die belangte Behörde habe die von der Beschwerdeführerin zum Beweis dafür, daß sie weder gelärmt noch herumgeschrien noch "wirres Zeug" geredet habe, angebotene Zeugin E.K. nicht vernommen und auch nicht begründet, warum sie davon abgesehen habe, ist schon deshalb nicht geeignet, Bedenken gegen die gegenständliche Annahme der belangten Behörde zu erwecken, weil die Beschwerdeführerin selbst nicht behauptet, die genannte Person habe mit den Sicherheitswachebeamten gesprochen und ihnen ein wesentlich anderes Bild vom Verhalten der Beschwerdeführerin in der fraglichen Zeit vermittelt, als es sich ihnen aufgrund der Mitteilungen sonstiger Hausbewohner geboten habe.
Keine Bedenken bestehen auch gegen die Annahme der belangten Behörde betreffend das Fehlen alternativer Behandlungs- oder Betreuungsmöglichkeiten. Abgesehen davon, daß die Beschwerde selbst nichts Gegenteiliges behauptet, erscheint diese Annahme mit Rücksicht auf den von den Zeugen geschilderten damaligen Zustand der Beschwerdeführerin als durchaus nachvollziehbar. Nach den Aussagen der Sicherheitswacheorgane sprach sie "lauter wirres Zeug". In der Bescheinigung des Polizeiarztes nach § 8 UbG wird ihr Zustand als "sichtlich verwirrt" beschrieben. "Es sei ihr Beruf, bei der Polizei zu sitzen Sonst keine Antwort auf die vom Amtsarzt gestellten Fragen." Demnach war aufgrund des damaligen Zustandes der Beschwerdeführerin offensichtlich ein zielführendes Gespräch über ihren Zustand und dessen Behandlungsbedürftigkeit gar nicht möglich. Damit fehlte es an einer notwendigen Voraussetzung für eine ärztliche Behandlung oder Betreuung außerhalb einer Anstalt, nämlich ihre Einsicht in die Notwendigkeit einer solchen Behandlung oder Betreuung und ihre Einwilligung dazu. Angesichts dessen geht der Vorwurf der Beschwerdeführerin, es sei vor der Einweisung in das Krankenhaus die Möglichkeit einer alternativen Behandlung oder Betreuung gar nicht geprüft worden, ins Leere.
Da sich die Beschwerde als unbegründet erwiesen hat, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
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