VwGH 96/10/0028

VwGH96/10/00283.6.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Mizner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fichtner, über die Beschwerde des K in I, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 11. Dezember 1995, Zl. 15/52-5/1995, betreffend Übertretung des Lebensmittelgesetzes, zu Recht erkannt:

Normen

LMG 1975 §1 Abs2;
LMG 1975 §63 Abs2 Z1;
LMG 1975 §7 Abs1 litc;
LMG 1975 §74 Abs1;
LMG 1975 §8 litf;
VStG §32 Abs2;
VStG §44a Z1;
VStG §5 Abs1;
VStG §9 Abs2;
LMG 1975 §1 Abs2;
LMG 1975 §63 Abs2 Z1;
LMG 1975 §7 Abs1 litc;
LMG 1975 §74 Abs1;
LMG 1975 §8 litf;
VStG §32 Abs2;
VStG §44a Z1;
VStG §5 Abs1;
VStG §9 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Unter dem Datum des 29. März 1995 erließ der Bürgermeister der Landeshauptstadt Innsbruck gegen den Beschwerdeführer ein Straferkenntnis, dessen Spruch folgenden Wortlaut hat:

"Durch die X-GmbH wurden in deren Niederlassung, G-Weg 4, am 18. 2. 1993 Lebensmittel mit der Bezeichnung Putenflügel, deren Bezeichnung das Abpackungsdatum 18. 2. 1993 aufgewiesen hat, falsch bezeichnet im Sinne des § 8 lit. f des Lebensmittelgesetzes durch Feilhalten in der dortigen SB-Verkaufskühlvitrine in Verkehr gebracht. Das Ende der Aufbrauchsfrist war mit 20. 2. 1993 angegeben, dieses Lebensmittel wies aber am 20. 2. 1993 (trotz bis dahin erfolgter ordnungsgemäßer gekühlter Lagerung) Anzeichen eines beginnenden Verderbs auf. Sie haben dadurch in ihrer Eigenschaft als für die Einhaltung der lebensmittelrechtlichen Bestimmungen durch die vorangeführte Unternehmung im Sinne des § 9 Abs. 2 und Abs. 4 VStG bestellter verantwortlicher Beauftragter eine Verwaltungsübertretung nach § 74 Abs. 1 in Verbindung mit § 8 lit. f und § 7 Abs. 1 lit. c des Lebensmittelgesetzes, BGBl. Nr. 86/1975, begangen."

Über den Beschwerdeführer wurde eine Geldstrafe in Höhe von S 2.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 2 Tage) verhängt. Der Beschwerdeführer berief.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 11. Dezember 1995 wurde die Berufung mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, daß anstelle der Bezeichnung "X-GmbH" die Bezeichnung "XY-GmbH & Co." tritt. In der Begründung heißt es u.a., seitens der Firma XY-GmbH & Co sei der Beschwerdeführer für die X-Verbrauchermarktfiliale n1 in Innsbruck, G-Weg, bezüglich der Metzgerei als Metzgereileiter bestellt und seinem Aufgabenbereich die Überwachung der Produkte des Frischfleischsortiments sowie des Fisch- und Geflügelsortiments zugewiesen worden. Er sei daher für die gegenständliche Übertretung verantwortlich. Ob die X-GmbH oder die XY-GmbH & Co die gegenständliche Filiale betrieben habe, sei kein Tatbestandsmerkmal der vorgeworfenen Übertretung; aus diesem Grunde habe eine Änderung des Spruches erfolgen können.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden:

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bringt vor, es sei unzulässig, daß die belangte Behörde die Bezeichnung des Unternehmens, für das der Beschwerdeführer als verantwortlicher Beauftragter tätig gewesen sei, gegenüber dem erstinstanzlichen Straferkenntnis ausgetauscht habe. Die Bezeichnung dieser Unternehmung sei ein wesentliches Tatbestandsmerkmal, was zur Folge habe, daß dem Beschwerdeführer im angefochtenen Bescheid erstmals vorgehalten worden sei, daß er die Tat als verantwortlicher Beauftragter der XY-GmbH & Co begangen habe. Es sei daher Verjährung eingetreten. Außerdem habe ihm die belangte Behörde vor dem Austausch der Unternehmensbezeichnung kein Parteiengehör gewährt und sie habe auch keine mündliche Verhandlung durchgeführt.

Im Beschwerdefall geht es darum, ob eine von der Verwaltungsstrafbehörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung eine Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs. 2 VStG darstellt, wenn die juristische Person oder Personengesellschaft des Handelsrechts, für die der Beschuldigte als verantwortlicher Beauftragter gehandelt hat, nicht oder nicht richtig bezeichnet wurde und ob die belangte Behörde befugt war, diese Bezeichnung im angefochtenen Bescheid gegenüber dem Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses zu ändern.

Beides ist zu bejahen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ändert es nichts an der Tauglichkeit einer behördlichen Handlung als Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs. 2 VStG, wenn die Behörde die juristische Person oder Personengesellschaft des Handelsrechts, deren verantwortlicher Beauftragter ein Beschuldigter ist, unrichtig bezeichnet und damit dieses die Verantwortlichkeit des Beschuldigten betreffende Merkmal unzutreffend angibt, muß doch das die Verantwortlichkeit des individuell bestimmten Beschuldigten im Sinne des § 9 VStG betreffende Merkmal in der Verfolgungshandlung überhaupt nicht angeführt werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Juli 1992, Zl. 92/18/0211 bis 0218, u. a.).

Da im Beschwerdefall innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist von der Verwaltungsstrafbehörde gegen den Beschwerdeführer Amtshandlungen gerichtet wurden, denen trotz der unrichtigen Bezeichnung jenes Unternehmens, für das der Beschwerdeführer als verantwortlicher Beauftragter tätig wurde, die Eigenschaft von Verfolgungshandlungen zukam, ist Verjährung nicht eingetreten.

Im Spruch des Straferkenntnisses ist das Tatbestandsmerkmal der Verantwortlichkeit des Beschuldigten als verantwortlicher Beauftragter für eine bestimmte juristische Person (Personengesellschaft des Handelsrechts) richtig und vollständig anzugeben (vgl. dazu u.a. auch das vom Beschwerdeführer angeführte hg. Erkenntnis vom 27. November 1995, Zl. 93/10/0136). Die Berufungsbehörde ist daher berechtigt - und verpflichtet - eine unrichtige Angabe dieses Tatbestandsmerkmales im erstinstanzlichen Straferkenntnis richtig zu stellen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 30. Juli 1992, Zlen. 92/18/0211 bis 0218; vom 13. Dezember 1994, Zl. 94/11/0283, 0284, u.a.).

Der Beschwerdeführer erläutert nicht, was er vorgebracht hätte, wenn ihm die belangte Behörde vor Erlassung des angefochtenen Bescheides Gelegenheit gegeben hätte, zu ihrer Absicht Stellung zu nehmen, die Bezeichnung des Unternehmens, für welches der Beschwerdeführer tätig wurde, zu ändern. Der Beschwerdeführer bestreitet auch nicht, daß die von der belangten Behörde bezeichnete Unternehmung jene ist, für die er als verantwortlicher Beauftragter tätig wurde. Es fehlt daher an der Relevanz des vom Beschwerdeführer behaupteten Verfahrensmangels.

Der Durchführung einer mündlichen Verhandlung bedurfte es nicht, da lediglich eine Geldstrafe in Höhe von S 2.000,-- verhängt wurde und nach § 51e Abs. 2 VStG dann, wenn im bekämpften Bescheid eine 3.000 S nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, eine Verhandlung unterbleiben kann, es sei denn, daß eine Partei die Durchführung einer Verhandlung ausdrücklich verlangt. Ein solches ausdrückliches Verlangen wurde vom Beschwerdeführer nicht gestellt.

Der Beschwerdeführer meint, die belangte Behörde habe die ihm angelastete Tat rechtlich unrichtig beurteilt. Im Spruch des angefochtenen Bescheides sei von "beginnendem Verderb" die Rede. Sollte damit eine verdorbene Ware gemeint sein, dann handle es sich um eine gerichtlich strafbare Handlung und es käme daher die Subsidiäritätsklausel des § 74 Abs. 1 LMG zur Anwendung. Sollte der Tatwurf aber ein unrichtig angegebenes Ablaufdatum meinen, dann handle es sich um eine Übertretung der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung.

Im Beschwerdefall wurden Putenflügel in Verkehr gebracht, wobei das Ende der Aufbrauchsfrist mit 20. Februar 1993 angegeben war. Diese Putenflügel wiesen aber schon vor Ablauf dieser Aufbrauchsfrist Anzeichen eines beginnenden Verderbes auf, was bedeutet, daß sie mit unrichtigen Angaben über ihre Haltbarkeit versehen werden, weil sie schon vor Ablauf der Aufbrauchsfrist nicht mehr die durch die Angabe der Aufbrauchsfrist suggerierten und vom Konsumenten erwarteten Eigenschaften, insbesondere entsprechende Frische und Mangel an Beeinträchtigung, aufwiesen. Durch das Inverkehrbringen von Lebensmitteln, die unrichtige Angaben über ihre Haltbarkeit enthalten, wird der Tatbestand des Inverkehrbringens falsch bezeichneter Lebensmittel nach § 74 Abs. 1 in Verbindung mit

§ 7 Abs. 1 lit. c und § 8 lit. f LMG verwirklicht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. August 1995, Zlen. 95/10/0056 bis 0059, u. a.).

§ 74 Abs. 1 LMG, der das Inverkehrbringen falsch bezeichneter Lebensmittel unter Strafe stellt, enthält eine Subsidiäritätsklausel lediglich gegenüber § 63 Abs. 2 Z. 1 LMG. Nach dieser Bestimmung ist mit Geldstrafe bis zu

180 Tagessätzen zu bestrafen, wer entgegen im Österreichischen Lebensmittelbuch darüber bestehenden Bestimmungen Lebensmittel, Verzehrprodukte oder Zusatzstoffe wissentlich falsch bezeichnet oder Lebensmittel, Verzehrprodukte oder Zusatzstoffe in Verkehr bringt, von denen er weiß (§ 5 Abs. 3 StGB), daß sie falsch bezeichnet sind, sofern darüber im Österreichischen Lebensmittelbuch Bestimmungen bestehen.

Eine Bestrafung nach § 63 Abs. 2 Z. 1 LMG setzt demnach Wissentlichkeit voraus. Die belangte Behörde hat - vom Beschwerdeführer unbestritten - in seinem Fall Fahrlässigkeit angenommen. Schon aus diesem Grund kommt § 63 Abs. 2 Z. 1 LMG und damit auch die Subsidiäritätsklausel des § 74 Abs. 1 LMG nicht zur Anwendung.

Schließlich bringt der Beschwerdeführer vor, die belangte Behörde habe keine Feststellungen darüber getroffen, ob die Anzeichen des beginnenden Verderbs überhaupt erkennbar gewesen seien und es sohin überhaupt objektiv rechtswidrig sein könne, die Aufbrauchsfrist mit dem angegebenen Datum anzubringen und dadurch eine Täuschungshandlung zu setzen.

§ 74 Abs. 1 LMG enthält keine Bestimmung über das Verschulden. Zum Tatbestand des Inverkehrbringens eines falsch bezeichneten Lebensmittels gehört weder der Eintritt eines Schadens noch einer Gefahr. Es handelt sich somit um ein sogenanntes Ungehorsamsdelikt. Dies bedeutet, daß der Beschwerdeführer glaubhaft zu machen hatte, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden traf. Dies hat der Beschwerdeführer nicht getan.

Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte