Normen
BauO Stmk 1968 §3;
BauO Stmk 1968 §4 Abs1;
BauO Stmk 1968 §62;
B-VG Art119a Abs5;
GdO Stmk 1967 §94 Abs6;
BauO Stmk 1968 §3;
BauO Stmk 1968 §4 Abs1;
BauO Stmk 1968 §62;
B-VG Art119a Abs5;
GdO Stmk 1967 §94 Abs6;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben dem Land Steiermark zu gleichen Teilen Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 4.565,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 12.740,-- jeweils binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführer sind Miteigentümer eines Grundstückes im Gemeindegebiet der mitbeteiligten Marktgemeinde. Auf diesem Grundstück waren zwei Bauobjekte errichtet. Als Verbindung zwischen diesen Bauwerken wurde ein Verbindungsbau errichtet, der als geschlossener Gang mit einer Länge von etwa 8 m bei einer größten Breite von 2,80 m ausgeführt wurde. Die Breite dieses Ganges verringert sich Richtung Osten bis zu einer Breite von 1,30 m. Die Gangverbindung besteht nur im Obergeschoß. Der geringste Abstand des Ganges zum südlich angrenzenden Grundstück, welches im Eigentum der erstmitbeteiligten Partei steht, beträgt 3,45 m. Da der Gang nicht parallel zur Grundstücksgrenze verläuft, vergrößert sich der Abstand gegen die Grundstücksgrenze Richtung Westen.
Hinsichtlich dieses Verbindungsganges wurde zunächst ein WIDMUNGSVERFAHREN nach der Steiermärkischen Bauordnung durchgeführt, in dem es zunächst zur Aufhebung des letztinstanzlichen Gemeindebescheides auf Grund einer Vorstellung der nunmehrigen Beschwerdeführer kam. In weiterer Folge erhob die erstmitbeteiligte Partei gegen den im fortgesetzten Verfahren erlassenen letztinstanzlichen Gemeindebescheid Vorstellung, die jedoch mit Bescheid der belangten Behörde vom 31. Oktober 1995 als unbegründet abgewiesen wurde. Begründet wurde diese Entscheidung unter Hinweis darauf, daß dem Nachbarn im Bau- bzw. Widmungsverfahren nur ein insofern beschränktes Mitspracherecht zustehe, als sich das Mitspracherecht nur auf subjektiv-öffentliche Rechte im Sinne des § 61 Abs. 2 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 erstrecke und überdies sowohl die Berufungsbehörde als auch die Vorstellungsbehörde durch eine gemäß § 42 AVG eingetretene Präklusion gebunden seien. Da im Widmungsverfahren die erstmitbeteiligte Partei keine Einwendungen erhoben hätte, sei infolge eingetretener Präklusion durch die angefochtene Entscheidung der Gemeindebehörde keine Verletzung von subjektiven Rechten der erstmitbeteiligten Partei gegeben.
Im BAUBEWILLIGUNGSVERFAHREN hinsichtlich des gegenständlichen Verbindungsganges wurde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung von der Behörde erster Instanz mit Bescheid vom 7. Oktober 1993 die Bewilligung erteilt. Begründet wurde dieser Bescheid insbesondere damit, daß der Verbindungsgang zwischen den beiden Objekten einen selbständigen Baukörper darstelle, der aber zur Grundgrenze in diesem Bereich einen Abstand von über 4 m einhalte und somit § 4 Abs. 1 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 entspreche. Jener Bauteil, der beim Wohnhaus (Haupthaus) an der südseitigen Front angebaut worden sei und bei dieser Front um 1,35 m auskrage, sei als Gebäudevorsprung (Erker) dieses Hauses anzusehen, der keine außergewöhnlichen Abmessungen habe. Bei Ermittlung des Seitenabstandes nach § 4 Abs. 1 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 sei daher vom aufgehenden Mauerwerk des Haupthauses auszugehen und nicht vom Gebäudevorsprung. Insoweit sei der erforderliche Seitenabstand gemäß § 4 Abs. 1 Steiermärkische Bauordnung 1968 eingehalten. Auf Grund einer Berufung der erstmitbeteiligten Partei wurde dieser Bescheid vom Gemeinderat der zweitmitbeteiligten Marktgemeinde ersatzlos aufgehoben. Begründet wurde dies mit Hinweis auf die in der Zwischenzeit erfolgte Aufhebung der Widmungsbewilligung durch die belangte Behörde. Im fortgesetzten Verfahren wurde die Baubewilligung mit Bescheid vom 28. November 1995 des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde neuerlich erteilt. Begründend wird in diesem Bescheid im wesentlichen ausgeführt, daß der in Rede stehende Bauteil als Erker zu betrachten sei. Nach Wiedergabe von Ausführungen aus Hans Köpf, Bildwörterbuch der Architektur, wird geschlossen, daß auch im vorliegenden Fall ein Erker vorliege, da der Bauteil nicht vom Erdboden aufsteige und durch Auskragungen oder Konsolen getragen werde und ein eingeschoßiger geschlossener Anbau an der Fassade gegeben sei.
Die erstmitbeteiligte Partei erhob Berufung gegen diesen Bescheid. Diese Berufung wurde vom Gemeinderat der mitbeteiligten Marktgemeinde als unbegründet abgewiesen. Auf Grund einer Vorstellung der erstmitbeteiligten Partei erging der nunmehr ANGEFOCHTENE BESCHEID, in dem die belangte Behörde den BESCHEID DES GEMEINDERATES AUFHOB und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die Gemeindebehörden verwies. Begründend wird dazu nach Wiedergabe des wesentlichen Inhaltes des § 4 Abs. 1 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 ausgeführt, daß es zutreffend sei, daß nicht nur jener Bereich des Verbindungsganges isoliert zu betrachten sei, der in den Mindestabstand hineinrage. Der Verbindungsgang sei als gesamtes Bauwerk (Bauteil), das eine Verbindung zwischen zwei Gebäuden schaffen soll, zu sehen. Sei die Gebäudeeigenschaft und darüberhinaus die Abstandsrelevanz des Bauwerkes zu bejahen, so sei diese auch dann hinsichtlich einer Verletzung des Mindestabstandes maßgeblich, wenn der Mindestabstand auch nur in einem geringen Teilbereich unterschritten werde. Der Bauteil sei als Verbindungsbau im Bereich des Obergeschoßes zwischen dem nordost- und dem südwestseitigen Wohnhaus schon begrifflich kein Balkon. Es sei daher zu prüfen, ob der Verbindungsgang als Erker anzusehen sei, der nicht abstandsbegründend wirke. Ein Erker sei jedoch nach der Definition im Bildwörterbuch der Architektur, Hans Köpf, Seite 135 ff, ein ein- oder mehrgeschoßiger Anbau an der Fassade oder Ecke eines Gebäudes, der durch Auskragungen oder von Konsolen getragen wird. Es handle sich also um einen raumbildenden Vorsprung der Außenwand eines Gebäudes. Der verfahrensgegenständliche Verbindungsgang könne jedoch nicht als Erker gewertet werden, da er nicht nur einen Gebäudevorsprung darstelle, sondern eine darüber hinausgehende selbständige Funktion aufweise. Es sollten mit diesem Bauteil zwei Gebäude miteinander verbunden werden. Es handle sich um einen Zubau zu den bestehenden Bauwerken. Wenngleich der Verwaltungsgerichtshof (etwa im Erkenntnis vom 15. Juni 1989, Zl. 87/06/0051) erkannt habe, daß die Abstandsvorschriften des § 4 Abs. 1 und 2 Steiermärkische Bauordnung 1968 nur auf Gebäude, nicht aber auf Bauten, die keine Gebäude seien, zu beziehen seien, und die Abstände von der Nachbargrundgrenze grundsätzlich nicht von vorspringenden Bauteilen, wie einer Balkonplatte, sondern vom aufgehenden Bauwerk aus zu bemessen seien, ergebe sich im Beschwerdefall, daß auf Grund eines Schlusses e contrario davon auszugehen sei, daß der gegenständliche Verbindungsgang eben wegen seines Raumcharakters für die Abstandsberechnung maßgebend sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der unter dem Gesichtspunkt der inhaltlichen Rechtswidrigkeit insbesondere die Mißachtung der Bindungswirkung der Vorstellungsentscheidung vom 9. März 1994, in der die belangte Behörde den Verbindungsgang nicht als eigenes Gebäude beurteilt habe, und die Auffassung der belangten Behörde, daß der Verbindungsgang keinen Erker darstelle, bekämpft wird.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und, ebenso wie die mitbeteiligte Partei, eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Zur Bindungswirkung der Vorstellungsentscheidung vom 9. März 1994:
Mit der Vorstellungsentscheidung vom 9. März 1994 hob die belangte Behörde auf Grund der Vorstellung der Beschwerdeführer den Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 30. September 1993 betreffend die WIDMUNGSBEWILLIGUNG auf. Die Beschwerdeführer hatten sich gegen die erteilte Widmungsbewilligung dahingehend gewendet, daß die neuerliche Festsetzung eines Seitenabstandes nicht erforderlich gewesen wäre.
Die belangte Behörde hob den bei ihr bekämpften Gemeindebescheid deshalb auf, weil weder aus der Begründung des Bescheides der Behörde erster Instanz, noch aus der Begründung des bei ihr bekämpften Bescheides hervorgegangen sei, ob die Handhabung des Planungsermessens gemäß § 3 Abs. 3 Steiermärkische Bauordnung 1968 sachlich begründet sei. Zur Frage, auf welchen Teil des Grundstückes sich die Widmungsbewilligung beziehen hätte dürfen, führt die belangte Behörde - entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer im damaligen Vorstellungsverfahren - aus, daß sich der Antrag eindeutig auf das gesamte Grundstück Nr. .61/1, KG A, bezogen habe. Insoweit sei der Bescheid des Gemeinderates nicht rechtswidrig gewesen. Im Zusammenhang mit dem von den Beschwerdeführern befürchteten Entzug der Widmungsbewilligung der bereits bestehenden Bauten führte die belangte Behörde aus, daß dem Institut der einmal erlangten Rechtskraft derart großes Gewicht zukomme, daß durch nachfolgende baurechtliche Bewilligungen auf Grund expliziter gesetzlicher Anordnung (dazu wird auf § 50a Steiermärkische Bauordnung 1968 verwiesen) niemals in einen bestehenden Baukonsens eingegriffen werde, "mag Konsens in Form einer rechtskräftigen Bewilligung oder in Form eines konsentierten Altbestandes gegeben sein".
Durch Festsetzungen in Widmungsbewilligungsverfahren vermöge es auch nicht zu Beschränkungen zukünftiger Bauführungen auf dem Widmungsgrundstück zu kommen. Die Widmungsbewilligung sei kein unveränderbarer Verwaltungsakt. Der Grundeigentümer könne jederzeit eine Widmungsänderung (und damit auch neue Festsetzungen gemäß § 3 Abs. 3 Steiermärkische Bauordnung 1968) erwirken. Dies bedeute, daß eine einmal getroffene Abstandsbestimmung für ein bestimmtes Objekt hinsichtlich einer zukünftigen anderen Bauführung durchaus unterschiedlich festgesetzt werden könne. Im Anschluß an die resümierende Feststellung, daß im Hinblick darauf, daß eine Verletzung von Rechten der Vorstellungswerber nicht ausgeschlossen werden könne, der Bescheid jedoch aufzuheben gewesen sei, wird ergänzend im Hinblick auf das weitere Verfahren ausgeführt, daß es "vor einer neuerlichen Entscheidungsfindung ... empfehlenswert sein" werde, sich eines Sachverständigen bei der Festsetzung der Auflagen zu bedienen. Darüberhinaus wird darauf hingewiesen, daß zur Klarstellung, daß durch eine neue Widmung der Altbestand nicht rechtswidrig werde, die Neufestlegungen mit dem Hinweis "ausgenommen Bestand" zu treffen seien. Im Anschluß an diese Erläuterungen findet sich die von den Beschwerdeführern nunmehr herangezogene Feststellung, daß der im ersten Obergeschoß angeordnete Verbindungsgang nicht als eigenes Gebäude, sondern als Erweiterungsbau des Altbestandes einzustufen sei. Für ihn gälten daher nicht isoliert die Abstandserfordernisse. Es sei vielmehr zu überprüfen, inwieweit der Altbestand dadurch abstandsrelevant verändert werde.
Es ist den Beschwerdeführern zuzugestehen, daß nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die eine Aufhebung eines Gemeindebescheides durch die Vorstellungsbehörde tragenden Gründe Bindungswirkung für das fortgesetzte Verfahren entfalten (vgl. zB. das hg. Erkenntnis vom 22. Oktober 1971, Slg. Nr. 8091/A). Diese Bindung besteht jedoch nur hinsichtlich jenes Verfahrens, in dem der von der Vorstellungsbehörde aufgehobene Bescheid ergangen ist. Tragender Aufhebungsgrund der Entscheidung vom 9. März 1994 war zudem - wie aus den obigen Ausführungen deutlich wird -, daß weder aus dem Bescheid der Behörde erster Instanz, noch aus dem bei der Vorstellungsbehörde bekämpften Bescheid hervorgegangen sei, ob die Handhabung des Planungsermessens im Sinne des § 3 Abs. 3 Steiermärkische Bauordnung 1968 sachlich begründet sei. Die weiteren Ausführungen der belangten Behörde für das fortgesetzte Verfahren sind für diese Aufhebung keine Voraussetzung. Eine Bindungswirkung dieser Ausführungen ist daher - wie die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zutreffend ausgeführt hat - schon deshalb nicht gegeben. Die Bindungswirkung der im Widmungsverfahren ergangenen Entscheidung könnte sich auch nicht auf das Baubewilligungsverfahren erstrecken.
Es ist daher insoweit keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides gegeben.
2. Zur rechtlichen Qualifikation des Verbindungsganges:
Strittig ist im Beschwerdefall, ob die Berechnung des Seitenabstandes gemäß § 4 Abs. 1 Steiermärkische Bauordnung 1968, der im Beschwerdefall noch anzuwenden ist (§ 119 Abs. 2 Steiermärkisches Baugesetz 1995, LGBl. Nr. 59), zur südlichen Grundstücksgrenze vom aufgehenden Mauerwerk des Altbestandes des Wohnhauses auf dem Grundstück der Beschwerdeführer vorzunehmen ist, oder ob hiefür die durch den Verbindungsgang geschaffene Front (die nur im Obergeschoß zutage tritt) heranzuziehen ist.
Der Verwaltungsgerichtshof kann in dieser Hinsicht der belangten Behörde nicht entgegentreten, wenn diese den Verbindungsgang als einheitlichen Bauteil bewertet und nicht als Erker qualifiziert hat. Dies ergibt sich - wie die belangte Behörde zutreffend hervorgehoben hat - nicht zuletzt daraus, daß der Verbindungsgang einen einheitlichen Bauteil, der die beiden bestehenden Objekte miteinander verbindet, darstellt. Er entspricht somit keinesfalls der Begriffsbestimmung eines Erkers. Dieser Bauteil ist schon deshalb weder ein Balkon noch ein Erker, weil er nicht nur in unüblichem Ausmaß vor die Gebäudefront der beiden Gebäude vorspringt, sondern darüber hinaus über eine Länge von mehreren Metern gleich einer umhausten Brücke die Verbindung zwischen zwei Gebäuden herstellt.
Daß der Verbindungsgang auch keinen Balkon darstellt, ist auf Grund der geschlossenen Ausführung mit mehreren Fenstern ersichtlich. Es liegt somit keine der in der Judikatur als vertretbar angesehenen Ausnahmen für Balkone bzw. balkonähnliche Bauteile vor (vgl. zB. das hg. Erkenntnis vom 22. Jänner 1987, Zl. 84/06/0181, oder zur Tiroler Bauordnung das hg. Erkenntnis vom 23. Jänner 1992, Zl. 91/06/0184, in dem es ebenfalls um die Schließung einer Wand eines balkonähnlichen Teiles lediglich in einer Geschoßebene ging; der Verwaltungsgerichtshof wertete diese Gestaltung ebenfalls einerseits nicht als offenen Balkon, andererseits nicht als Erker).
Die Beurteilung der belangten Behörde, daß der in Rede stehende Verbindungsgang die gemäß § 4 Abs. 1 Steiermärkische Bauordnung 1968 erforderlichen Abstände einzuhalten gehabt hätte, war daher zutreffend. Die Aufhebung des bei der belangten Behörde bekämpften Gemeindebescheides erfolgte daher zu Recht (mag auch die Abstandsverletzung nur auf einer geringen Strecke gegeben sein).
3. Die geltend gemachten Rechtsverletzungen liegen somit nicht vor. Die vorliegende Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)