VwGH 87/06/0051

VwGH87/06/005115.6.1989

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte Mag. Onder, Dr. Würth, Dr. Leukauf und Dr. Giendl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hinterwirth, über die Beschwerde 1) des Dr. RS und 2) der FS, in G, beide vertreten durch Dr. Heinz Kallan, Rechtsanwalt in Graz, Radetzkystraße 29/1, gegen den Bescheid des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 26. Februar 1987, Zl. A 17‑K‑40/1986‑3, betreffend Einwendungen gegen eine Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: Dr. JN in G), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §8
BauO Stmk 1968 §15
BauO Stmk 1968 §21 Abs1
BauO Stmk 1968 §4 Abs1
BauO Stmk 1968 §4 Abs3
BauO Stmk 1968 §61 Abs2
BauO Stmk 1968 §8 Abs1
BauO Stmk 1968 §8 Abs2
BauRallg
BauRallg implizit
BebauungsdichteV Stmk 1975 §1 Abs6 idF 1979/024
MRK Art6 Abs1
ROG Stmk 1974 §23 Abs12

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1989:1987060051.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben der Landeshauptstadt Graz zu gleichen Teilen Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom 22. Juli 1985 suchte die mitbeteiligte Partei um die Baubewilligung für die Vergrößerung einer Balkonplatte im Hof des Hauses Graz, N Gasse 48, im ersten Obergeschoß an.

Nachdem die Grazer Altstadt‑Sachverständigenkommission am 28. August 1985 ein negatives Gutachten zu diesem Vorhaben abgegeben hatte, weil eine nachteilige Veränderung des Erscheinungsbildes und eine dauernde Wertminderung darunterliegender Wohnungen entstehe, änderte die mitbeteiligte Partei ihr Bauvorhaben dahingehend, daß die Balkonplatte nach einem gleichzeitig vorgelegten korrigierten Plan ausmaßmäßig reduziert werde, begehbare Glasflächen, zumindest über den darunterliegenden Türöffnungen, in die Platte eingebaut würden und anstelle von 5 vorgesehenen Stützen nur mehr eine Stütze angeordnet werde. Auf der Grundlage des solcherart geänderten Bauplanes erstattete die Grazer Altstadt‑Sachverständigenkommission am 28. November 1985 neuerlich ein Gutachten, in dem das Projekt positiv begutachtet wurde, weil keine den Bestimmungen des § 3 Abs. 1 bzw. des § 6 des Grazer Altstadterhaltungsgesetzes 1980 widersprechende nachteilige Veränderung des Erscheinungsbildes eintrete.

In weiterer Folge wurde am 9. Jänner 1986 eine mündliche Verhandlung durchgeführt, bei der der bautechnische Sachverständige ein positives Gutachten abgab. Die Beschwerdeführer als Nachbarn erhoben (schriftlich) Einwendungen, in denen sie vorbrachten, daß der Verwendungszweck des Bauvorhabens nicht deutlich gemacht werde, die Einhaltung des Mindestabstandes nicht gewährleistet sei, eine Abänderung der bestehenden östlichen Feuermauer vorliege, durch Lärmbelästigung Gesundheitsschäden auftreten könnten und im Brandfall eine Gefährdung des Nachbarhauses gegeben sei. Überdies seien durch die beabsichtigte Balkonerweiterung auch notwendige hofseitige Freiflächen nicht mehr gegeben und werde überdies die Bebauungsdichte durch die Bauführung überschritten. Es werde beantragt, dem Verfahren Sachverständige aus dem Bauwesen, dem Brandbekämpfungswesen, dem Lärmschutzwesen und dem Gesundheitswesen beizuziehen.

Die Behörde holte daraufhin gutachtliche Stellungnahmen der Feuerwehr der Stadt Graz, des Amtes für Umweltschutz und des Gesundheitsamtes ein, aus denen hervorgeht, daß durch die Vergrößerung der Balkonplatte keine Erschwerung der Brandbekämpfung eintrete, da der Hof mit Rettungsgeräten der Feuerwehr auch sonst nicht erreicht werden könne; aus lärmtechnischer Sicht wurde ausgeführt, daß bei einer Benützung des Balkones, welche dem Verwendungszweck des Gebäudes entspreche (allgemeines Wohngebiet), es zu keiner das ortsübliche Ausmaß übersteigenden Belästigung kommen könne. Darauf aufbauend stellte das Gesundheitsamt in seiner Stellungnahme fest, daß eine Gesundheitsgefährdung oder Gesundheitsschädigung durch übermäßige Schalleinwirkung hinsichtlich der geplanten Vergrößerung des Balkones bzw. dessen Benützung aus amtsärztlicher Sicht nicht zu erwarten sei. Diese Stellungnahmen wurden den Beschwerdeführern offenbar erst mit dem Bescheid der Behörde erster Instanz zugestellt.

Mit Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz vom 14. November 1986 wurde sodann die Bewilligung zur Vergrößerung zweier Balkonplatten (Vereinigung) hofseitig im ersten Obergeschoß des Hauses N Gasse 48, Grundstück Nr. nn, EZ 713 KG S, gemäß den §§ 57 und 62 der Stmk. Bauordnung 1968 (BO) unter bestimmten Auflagen erteilt. Die Einwendungen der Beschwerdeführer wurden teils als unzulässig zurückgewiesen, teils abgewiesen.

In ihrer Bescheidbegründung führte die Behörde aus, daß die Verfahrensrechte dem Nachbarn nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Durchsetzung materieller Rechte dienen und nicht Selbstzweck seien. Das Vorbringen der Beschwerdeführer hinsichtlich des Verwendungszweckes des Bauvorhabens sei als unzulässig zurückzuweisen gewesen, da ihm nicht einmal die Behauptung entnommen werden könne, daß und welches Nachbarrecht verletzt worden sein solle. Abstände seien nach der Stmk. Bauordnung vom aufgehenden Mauerwerk zu messen, weshalb die Einhaltung des Mindestabstandes gewährleistet sei, eine Abänderung der bestehenden Feuermauer erfolge nicht. Bei normaler Benützung des Balkones sei keine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung oder Gefährdung der Nachbarschaft zu erwarten. Dies gehe aus den Gutachten des Amtes für Umweltschutz und des Gesundheitsamtes hervor. Weiters kenne die Stmk. Bauordnung keinen allgemeinen Immissionsschutz. Im übrigen sei das Vorbringen bezüglich der behaupteten Gefährdung des Nachbarhauses im Brandfall als unzulässig zurückzuweisen gewesen, weil der Brandschutz in der Stmk. Bauordnung mit Ausnahme des hier nicht in Betracht kommenden § 21 Abs. 1 kein subjektiv‑öffentliches Nachbarrecht zum Inhalt habe. Außerdem sei in einer Stellungnahme der Feuerwehr mitgeteilt worden, daß durch eine Vergrößerung der Balkonplatte keine Erschwerung der Brandbekämpfung eintrete. Die Einwendungen bezüglich der hofseitigen Baugrenzlinie seien abzuweisen gewesen, weil sich die Baugrenzlinie nicht verändere. Die behauptete Erhöhung der Bebauungsdichte könne deshalb nicht eintreten, weil durch die Balkonerweiterung eine Geschoßflächenerhöhung (die für die Bebauungsdichteberechnung die maßgebliche Komponente darstelle) nicht eintrete.

Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer Berufung, in der sie vorbrachten, daß ihrem ausgewiesenen Vertreter eine Bescheidausfertigung des erstinstanzlichen Bescheides nicht zugemittelt worden sei, womit der Versuch gegeben scheine, ihnen unzulässigerweise die Berufungsfrist zu verkürzen. Weiters sei der Grundsatz des Parteiengehörs verletzt worden, da ihnen keine Möglichkeit eingeräumt worden sei, zu den von der Erstbehörde eingeholten Stellungnahmen des Gesundheitsamtes, des Amtes für Umweltschutz und der Feuerwehr der Stadt Graz eine Äußerung abzugeben. Bei dem gegenständlichen Bauvorhaben handle es sich nicht um die Vergrößerung zweier Balkone, sondern um den Zubau einer Terrasse von ca. 20 m2 Fläche und somit um die Außenverbindung zweier Großwohnungen durch einen Eckverbau. Da nicht ausgeschlossen werden könne, daß die Terrasse nicht nur privaten Zwecken, sondern auch gewerblichen Zwecken im weitesten Sinn diene, könne die Verletzung konkreter subjektiv‑öffentlicher Rechte erst nach genauer Kenntnis des Verwendungszweckes geltend gemacht werden. Überdies sei die Brandsicherheit nicht mehr gegeben. Entgegen der Auffassung der Behörde erster Instanz stünden dem Nachbarn subjektiv‑öffentliche Rechte im Hinblick auf den Brandschutz zu. Dies ergebe sich auch aus den die Bestimmungen über die Abstände nach § 4 Abs. 1 und 3 sowie § 8 Abs. 1 BO. Die Behörde habe, da ein Anwendungsfall des § 4 Abs. 3 vorliege, auf Grund der zu erwartenden Gefährdung von Objekten einen größeren Abstand festzulegen. Überdies gewährleiste § 4 Abs. 3 BO sehr wohl einen Immissionsschutz des Nachbarn; auf Grund der zu erwartenden Lärmbelästigung, die über das ortsübliche Ausmaß hinausgehe, sei das Bauvorhaben nicht zu bewilligen. Mindestens wäre jedoch ein größerer Abstand festzulegen gewesen. Die Einwendungen der Beschwerdeführer hinsichtlich der hofseitigen Baugrenzlinie seien zu Unrecht abgewiesen worden, da überhaupt keine hofseitigen Baugrenzlinien festgelegt worden seien. Eine solche Festlegung müsse in einem gesonderten Widmungsverfahren erfolgen. In diesem Verfahren stünde ihnen Parteistellung zu. Überdies werden bei Ausführung des Bauvorhabens die Bebauungsdichte und auch der Bebauungsgrad erheblich überschritten.

Der Vertreter der Beschwerdeführer teilte mit Schreiben vom 27. Jänner 1987 über Aufforderung der Behörde mit, daß ihm am 25. November 1986 eine Ausfertigung des Bescheides der Baubehörde erster Instanz übermittelt worden sei.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 26. Februar 1987 wurde die Berufung der Beschwerdeführer gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 als unbegründet abgewiesen und die Entscheidung der Behörde erster Rechtsstufe bestätigt. Es sei zwar richtig, daß der Bescheid erster Instanz den Beschwerdeführern und nicht deren Vertreter zugestellt worden sei; da der Bescheid dem Vertreter der Beschwerdeführer vor Einbringung der Berufung aber tatsächlich zugekommen sei, liege eine rechtswirksame Zustellung vor. Die gesetzwidrige Vorgangsweise der Behörde sei durch das tatsächliche Zukommen saniert, auch wenn der ausgewiesene Vertreter nicht als Empfänger bezeichnet worden sei. Hinsichtlich der Verletzung des Parteiengehörs wurde festgestellt, daß nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch der im erstinstanzlichen Verfahren unterlaufene Verfahrensmangel durch die Erhebung der Berufung als geheilt angesehen werden könne, da zumindest im Zeitpunkt der Erhebung der Berufung den Beschwerdeführern die Entscheidungsgrundlagen bekannt gewesen seien. Festgestellt werde auch, daß Verfahrensmängel nur soweit geltend gemacht werden könnten, als damit die Verfolgung eines subjektiv‑öffentlichen Rechtes beeinträchtigt werde; Verfahrensrechte könnten nie weiter gehen als die materiellen Rechte, deren Verteidigung sie dienen sollen. Hinsichtlich aller behaupteten Rechtsverletzungen, die keine subjektiv-öffentlichen Rechte betreffen, könne auch kein Verfahrensrecht auf Wahrung des Parteiengehörs bestehen und somit auch nicht verletzt werden. Zum behaupteten Mangel in der Beschreibung des Verwendungszweckes führte die belangte Behörde aus, daß die Vergrößerung einer Balkonplatte im Hof des Hauses Graz, N Gasse 48, 1. Stock, beantragt sei und sich im Akt kein Anhaltspunkt dafür ergebe, daß der Balkon für andere Zwecke verwendet werden solle, als sich bereits aus der Bezeichnung Balkon an einem Wohnobjekt ergebe. Eine gesonderte Angabe des Verwendungszweckes sei bei einem Balkon an einem Wohnhaus nur dann erforderlich, wenn diese Verwendung nicht in der aus der Bezeichnung selbst hervorgehenden und im Zusammenhang mit der Wohnnutzung üblichen Form erfolgen solle. Zur Realisierung eines von der üblichen Balkonnutzung abweichenden Verwendungszweckes wäre sowohl ein eigenes Widmungsbewilligungsverfahren als auch ein Baubewilligungsverfahren durchzuführen; der verfahrensgegenständliche Bescheid betreffe jedenfalls nur die Bewilligung zur Vergrößerung eines Balkons und der damit unmittelbar verbundenen und auf einem Balkon im Wohngebiet üblichen Nutzung. Der Antragsgegenstand sei somit auch hinsichtlich seines Verwendungszweckes eindeutig umschrieben. Die Berufungsbehörde könne nicht erkennen, worin in der Formulierung des Antragsgegenstandes ein Mangel gelegen sein sollte. Aus den Verwendungszwecküberlegungen der Beschwerdeführer könne weder eine Nachbarrechtsverletzung noch ein Anspruch darauf dargetan werden, welches Ausmaß das beantragte Bauvorhaben haben dürfe, dessen Ausmaß übrigens auch ausschließlich im Belieben des Antragstellers stehe.

Ebenso unzutreffend, aber für das rechtliche Schicksal des noch zu behandelnden Berufungsvorbringens von Bedeutung sei die Behauptung, daß es sich im Gegenstandsfall um den Zubau einer Terrasse handle. Das Bauvorhaben stelle sich nämlich in seiner plan- und beschreibungsgemäßen Form bereits auf Grund der bloßen Wortbedeutung des Begriffes Balkon im Vergleich zur Wortbedeutung des Begriffes Terrasse eindeutig als Balkon dar. Dies habe zur Folge, daß die Abstandsbestimmungen des § 4 Abs. 1 BO zur Anwendung gelangen und durch die vergrößerte Balkonfläche eine Überschreitung der Bebauungsdichte und damit eine mögliche Nachbarrechtsverletzung nicht eintreten könne, da keine für die Bebauungsdichteberechnung maßgebliche Geschoßflächenerhöhung eintrete. Ein Balkon stelle keine raumbildende Baulichkeit dar und sei somit nicht unter die zitierten Baulichkeiten zu subsumieren. So könne der verfahrensgegenständliche Balkon insbesondere auch nicht als Loggia bezeichnet werden, da diese im Gegensatz zum offenen Balkon raumbildend sei. Ob durch das beantragte Bauvorhaben im unteren Teil des Hauses ein loggienähnlicher Bau entstehe, sei für das Verfahren schon deshalb rechtlich ohne Bedeutung, weil Antragsgegenstand die Vergrößerung einer Balkonplatte im 1. Stock des Hauses und nicht der dadurch möglicherweise entstehende Hofeindruck im unteren Bereich desselben sei. Sämtliche Vorbringen bezüglich der Freihaltung von Freiflächen, der Sicherung von ausreichender Licht- und Luftzufuhr sowie des Brandschutzes seien mangels eines entsprechenden subjektiv-öffentlichen Rechtes zu Recht als unzulässig zurückgewiesen worden. Die hierauf Bezug habenden Vorschriften lägen ausschließlich im öffentlichen und nicht im Interesse des Nachbarn.

Unrichtig sei die Behauptung im Berufungsschriftsatz, die Erstbehörde habe ausgeführt, daß § 4 Abs. 3 BO keinen Immissionsschutz des Nachbarn gewährleiste. Vielmehr habe die Behörde erster Instanz festgestellt, daß die Stmk. Bauordnung keinen allgemeinen Immissionsschutz kenne. Die Unterbehörde habe in ihrer Entscheidung auch zum Ausdruck gebracht, daß auf Grund der zitierten Norm die Nachbarn dann einen Rechtsanspruch auf die Festsetzung größerer Abstände hätten, wenn davon auszugehen sei, daß durch die normalmäßige Benützung des Balkones entsprechend seinem Verwendungszweck eine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung der Nachbarschaft entstehen würde. Dies wurde jedoch unter Hinweis auf die Gutachten des Amtes für Umweltschutz sowie des Gesundheitsamtes verneint. Daß diese Aussage auch ohne die Durchführung von Schallmessungen der behördlichen Entscheidung zugrundezulegen sei, ergebe sich daraus, daß es sich um eine allgemein bekannte Tatsache handle, daß die dem Verwendungszweck eines Gebäudes entsprechende Balkonbenützung inmitten eines Wohngebietes ortsüblich sei. Es sei daher entbehrlich, darüber hinaus noch gesonderte Schallmessungen durchzuführen. Auch ein technischer oder medizinischer Amtssachverständiger sei berechtigt, eine allgemein bekannte Tatsache festzustellen, ohne sie zusätzlich durch Messungen bzw. umfangreiche weitere Begründungen zusätzlich untermauern zu müssen. Daß durch die beabsichtigte bauliche Herstellung der Vergrößerung einer Balkonplatte mit einer über dieses Maß hinausgehenden Beeinträchtigung zu rechnen sei, sei im Baubewilligungsverfahren nicht hervorgekommen. Es fehle jeder Hinweis auf eine geplante, nicht „normalmäßige“ Verwendung dieser Baulichkeit. Das Vorbringen hinsichtlich der Baugrenzlinie erweise sich im übrigen als präkludiert, da in der Verhandlungsschrift von der hofseitigen Baufluchtlinie die Rede sei, die Baugrenzlinie aber erstmals im Berufungsvorbringen geltend gemacht werde. Unabhängig davon könne jedoch durch die beiden offenbar verwechselten Begriffe keine Nachbarrechtsverletzung dargetan werden, da zum einen für den Hofbereich des verfahrensgegenständlichen Objektes weder eine Baugrenzlinie noch eine Baufluchtlinie bescheidmäßig festgelegt sei, noch es sich bei der Herstellung der Baulichkeit um eine raumbildende Maßnahme handle, deren Vorhandensein die Anwendung beider genannter Bebauungsgrundlagen erst ermöglichen würde. Aus den angeführten Gründen habe die Behörde erster Instanz zu Recht eine Verletzung subjektiv‑öffentlicher Rechte der Beschwerdeführer durch die beantragte Baubewilligung ausgeschlossen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die nunmehr vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde geltend gemacht werden. Die Beschwerdeführer erachten sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht auf Versagung der von der mitbeteiligten Partei angestrebten Baubewilligung und in ihrem Recht auf Einhaltung der Verfahrensvorschriften, sowie in ihrem Recht auf Entscheidung einer zuständigen Behörde in erster und zweiter Instanz verletzt.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 4 Abs. 1 und 3 der Stmk. Bauordnung 1968 (BO), hat folgenden Wortlaut:

„§ 4

Abstände

(1) Gebäude müssen entweder unmittelbar aneinander gebaut werden oder voneinander einen ausreichenden Abstand haben. Werden zwei Gebäude nicht unmittelbar aneinander gebaut, muß ihr Abstand mindestens so viele Meter betragen, wie die Summe der beiderseitigen Geschoßanzahl, vermehrt um 4, ergibt. Eine Gebäudefront, die nicht unmittelbar an einer Nachbargrundgrenze errichtet wird, muß von dieser mindestens so viele Meter entfernt sein, als die Anzahl der Geschosse, vermehrt um 2, ergibt. Bei Gebäuden ohne die übliche Geschoßeinteilung errechnet sich die Geschoßanzahl aus der Gebäudehöhe in Metern, geteilt durch 3.

......

(3) Läßt der Verwendungszweck von Bauten eine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung oder eine Gefährdung der Nachbarschaft erwarten, so kann die Baubehörde auch größere Abstände als die im Abs. 1 festgelegten, festsetzen.“

§ 8 Abs. 1 leg. cit. lautet:

„§ 8

Freiflächen

(1) Bei allen Bauführungen sind ausreichende, dem Verwendungszweck und der Lage des Baues entsprechende Freiflächen (Höfe, Gärten, Zufahrten, Abstellplätze für Kraftfahrzeuge, Kinderspielplätze u. dgl.) zu schaffen und zu erhalten.

.......“

§ 1 Abs. 6 der Bebauungsdichteverordnung, LGBl. Nr. 51/1975 in der Fassung LGB1. Nr. 24/1979, hat folgenden Wortlaut:

„§ 1

Begriffsbestimmungen

......

(6) Als Gesamtfläche der Geschosse gilt die Summe aller in der Höhe der Fußböden nach den Außenabmessungen ermittelten Flächen jener Geschosse, die ganz oder teilweise über dem Gelände liegen. Stiegenhäuser, Durchfahrten, Loggien, Laubengänge und dgl. sind einzurechnen. Bei Außenwänden von einer Dicke von mehr als 30 cm ist in die Berechnung der Geschoßflächen die Außenwanddicke mit 30 cm einzusetzen. Geschosse sind nur dann einzurechnen, wenn sie den Voraussetzungen der §§ 31 bzw. 47 Abs. 2 lit. d und e der Steiermärkischen Bauordnung 1968 entsprechen.“

Die Beschwerdeführer bringen eingangs der Beschwerde vor, daß im Mehrparteienverfahren auch eine Partei, der ein einer anderen Partei bereits zugestellter Bescheid noch nicht ordnungsgemäß zugestellt worden ist, schon dann berechtigt sei, Berufung zu erheben, wenn ihr der Inhalt des Bescheides bereits zur Gänze bekannt sei. Mit diesen Ausführungen sind die Beschwerdeführer zwar im Recht, sie irren aber, wenn sie dadurch zum Ausdruck bringen wollen, daß die belangte Behörde ihre Berechtigung zur Erhebung der Berufung jemals in Zweifel gezogen habe; die belangte Behörde setzte sich vielmehr mit der Rüge der fehlenden Zustellung an den Vertreter der Beschwerdeführer auseinander und überprüfte die Sanierung des diesbezüglichen Zustellmangels durch das tatsächliche Zukommen des erstinstanzlichen Bescheides an den Vertreter der Beschwerdeführer.

Die Beschwerde stützt sich vor allem darauf, daß sich die belangte Behörde in der wesentlichen Frage der rechtlichen Qualifikation des Bauvorhabens geirrt habe. Es liege nach Ansicht der Beschwerdeführer kein Balkon, sondern ein raumbildender, loggienähnlicher Eckverbau, der als Terrasse genutzt werden solle, vor. Nun richtet sich der verfahrensgegenständliche Antrag auf „Vergrößerung einer Balkonplatte“. Der Verwaltungsgerichtshof hat - zuletzt mit Erkenntnis vom 22. September 1988, Zl. 86/06/0005 - ausgesprochen, daß ein Balkon im Gegensatz zu einer Terrasse eine horizontale (vorspringende) Gliederung eines Gebäudes darstellt, dem der Charakter eines Raumes fehlt. Dementsprechend bezeichnet auch das von den Beschwerdeführern herangezogene Erkenntnis vom 24. Mai 1960, Slg. Nr. 5303/A, die Widmung des Daches eines Gebäudes als „Errichtung einer Terrasse“, ebenso wie im vorgenannten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. September 1988 eine auf ein Obergeschoß aufgesetzte, zurückspringende Fläche als Terrasse bezeichnet wurde. Wie sich aber im Beschwerdefall aus den Planunterlagen und der Baubeschreibung ergibt, sollen zwei benachbarte Wirtschaftsbalkone abgerissen und an ihrer Stelle eine diese Balkone verbindende Balkonplatte auf einem Steher errichtet werden. Dabei handelt es sich eindeutig um eine horizontale, vorspringende Gebäudegliederung, die nach oben offen ist und lediglich durch die beiden Außenwände umgrenzt wird. Die belangte Behörde nahm bei dieser Sachlage mit Recht das Vorliegen eines Balkones und keiner Loggia oder Terrasse an.

Daraus folgt aber, daß die Einwendungen der Beschwerdeführer hinsichtlich der Verletzung der Abstandsvorschriften des § 4 Abs. 1 BO sowie der Überschreitung der Bebauungsdichte ins Leere gehen. Die Abstandsvorschriften des § 4 Abs. 1 BO sind nämlich nur auf Gebäude, nicht aber auf Bauten, die keine Gebäude sind, zu beziehen. Die Abstände von der Nachbargrundgrenze sind grundsätzlich nicht von vorspringenden Bauteilen wie der verfahrensgegenständlichen Balkonplatte, sondern vom aufgehenden Mauerwerk aus zu bemessen. Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 22. Jänner 1987, Zl. 84/06/0181, BauSlg. Nr. 849, ausgesprochen, daß dies auch für einen Balkon zutrifft, da der gemäß § 4 Abs. 1 leg. cit. wegen des mangelnden Raumcharakters für die Abstandsberechnung unbeachtlich ist. Die belangte Behörde erkannte zutreffend, daß ein Gebäudeabstand vom aufgehenden Mauerwerk zu berechnen ist; dies ergibt sich schon aus dem im 3. Satz verwendeten Begriff „Gebäudefront“. Das diesbezügliche Beschwerdevorbringen geht daher ins Leere.

Auch die Höhe der Bebauungsdichte bleibt unverändert, weil keine für die Bebauungsdichteberechnung maßgebende Geschoßflächenerhöhung gemäß § 23 Abs. 12 des Stmk. Raumordnungsgesetzes in Verbindung mit § 1 Abs. 6 der Bebauungsdichteverordnung eintritt. Spricht doch die Bebauungsdichteverordnung bei der Angabe der einzurechnenden Geschoßflächen ausdrücklich nicht von (offenen) Balkonen; die in dieser Bestimmung genannten Beispiele für die Einrechnung (Stiegenhäuser, Durchfahrten, Loggien etc.) stellen auch im Gegensatz zum Balkon raumbildende Elemente dar. Aber auch die unter dem offenen Balkon liegende Hoffläche kann mangels entsprechender baulicher Ausgestaltung nicht als in die Geschoßflächen einzurechnende „Loggia“ angesehen werden.

Mangels Festlegung von Baugrenzlinien ist deren Überschreitung gar nicht denkbar, weshalb auf dieses Vorbringen nicht näher einzugehen war.

Ob hingegen eine Widmungsbewilligung vorliegt, deren Fehlen die Beschwerdeführer erstmals in ihrer Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof rügen, ist - abgesehen vom Neuerungsverbot des § 41 VwGG - nicht weiter zu prüfen, da eine derartige Einwendung der Nachbarn jedenfalls präkludiert ist.

In weiterer Folge machen die Beschwerdeführer (auch hinsichtlich der geplanten Bauführung) die Beeinträchtigung ihres Brandschutzes, der festgelegten Freiräume im Hofbereich und der Licht- und Luftzufuhr geltend. Nun hat der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung dargelegt, daß der Nachbar außerhalb ausdrücklicher gesetzlicher Vorschriften keinen Anspruch auf Licht und Luft von Baugrund besitzt (vgl. z.B. Erkenntnis vom 26. Mai 1983, Zl. 06/2538/80, BauSlg. Nr. 57). Grundsätzlich hat nämlich jeder Eigentümer selbst für die entsprechenden Freiräume auf seinem eigenen Grundstück zu sorgen. Mangels der ausdrücklichen Anordnung einer Ausnahme vom Grundsatz, wonach der Eigentümer des Grundstückes zur Schaffung entsprechender Freiräume auf den eigenen Grundflächen für ausreichender Belichtungs- und Belüftungsverhältnisse zu sorgen hat, enthält auch § 8 Abs. 1 BO, der die Schaffung und Erhaltung von Freiflächen in Höfen regelt, kein subjektiv-öffentliches Recht zum Schutz des Nachbarn. Die belangte Behörde konnte daher mit Recht die Ansicht der Erstbehörde, sämtliche Vorbringen bezüglich der Freihaltung von Freiflächen sowie der Sicherung von ausreichender Licht- und Luftzufuhr seien mangels eines entsprechenden subjektiv‑öffentlichen Rechtes als unzulässig zurückzuweisen, bestätigen.

Wenn die Beschwerdeführer die Beeinträchtigung ihrer Brandsicherheit rügen, so sind sie darauf hinzuweisen, daß die Stmk. Bauordnung - ausgenommen § 21 Abs. 1 - kein subjektiv‑öffentliches Nachbarrecht hinsichtlich Brandschutzinteressen kennt. Die geplante Bauführung führt jedoch zu keiner Beeinträchtigung der Feuermauer des Nachbarhauses. § 15 BO hingegen, der ausdrücklich auch auf die Anforderungen des Brandschutzes Bezug nimmt, wendet sich ausschließlich an die Behörde, die diese in Wahrung des öffentlichen Interesses von Amts wegen zu prüfen hat. Desgleichen dienen die Vorschriften des § 8 Abs. 2 BO ausschließlich dem Interesse der Allgemeinheit. Abgesehen vom Fehlen diesbezüglicher subjektiv-öffentlicher Rechte der Beschwerdeführer geht aus der im Ergebnis unwidersprochen gebliebenen Stellungnahme der Feuerwehr der Landeshauptstadt Graz hervor, daß der Hof des verfahrensgegenständlichen Gebäudes und damit der durch die Bauführung veränderte Teil für Löschfahrzeuge ohnehin nicht erreichbar ist und eine Brandbekämpfung nur vom Stiegenhaus aus erfolgen kann, weshalb keine Verschlechterung des Brandschutzes für die Beschwerdeführer eintritt. Das diesbezügliche Vorbringen wurde daher von der Baubehörde ebenfalls mit Recht zurückgewiesen.

Weiters machen die Beschwerdeführer Immissionsbeeinträchtigung durch Lärm bzw. allfällige Verwendungsänderung des Balkones im Hinblick auf die Bestimmung des § 4 Abs. 3 leg. cit. zur Vorschreibung eines größeren Abstandes geltend. Nun können Nachbarrechte nach § 4 Abs. 3 BO nur dann berührt werden, wenn von dem geplanten Bau nach seinem Verwendungszweck eine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung oder Gefährdung der Nachbarschaft ausgeht (vgl. Erkenntnis vom 18. November 1975, Zl. 1975/73). Das verfahrensgegenständliche Gebäude liegt im allgemeinen Wohngebiet. Weder aus dem Antrag der mitbeteiligten Partei noch aus den Planunterlagen oder der Baubeschreibung ergibt sich ein anderer Verwendungszweck des Balkons als zu Wohnzwecken. Daß bei widmungsgemäßer Verwendung eines im Wohngebiet liegenden, Wohnzwecken dienenden Balkons keine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung oder Gefährdung der Nachbarn auftritt, liegt auf der Hand. Eine Änderung der Verwendung des Balkons bedürfte aber einer behördlichen Genehmigung. Es wurde daher zu Recht die Möglichkeit der Festlegung eines größeren Abstandes verneint, ohne daß es hiezu gesonderter Schallmessungen oder besonderer Gutachten bedurft hätte.

In verfahrensrechtlicher Hinsicht können die Rechte der Nachbarn nicht weiter gehen als ihre materiellen Rechte. Schon aus diesem Grunde können sie nicht dadurch beschwert sein, daß ihnen die Möglichkeit der rechtzeitigen Äußerung zu den Stellungnahmen des Gesundheitsamtes des Amtes für Umweltschutz und der Feuerwehr verwehrt worden sei und diese Gutachten mangelhaft seien. Wie die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid unter Beziehung auf zahlreiche Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes richtig ausführte, konnte dieser im erstinstanzlichen Verfahren unterlaufene Verfahrensmangel durch die Zustellung der Gutachten mit dem erstinstanzlichen Bescheid sowie die Erhebung der Berufung als behoben angesehen werden, weil im Zeitpunkt der Erhebung der Berufung den Beschwerdeführern die Entscheidungsgrundlagen bekannt waren (vgl. u.a. Erkenntnis vom 28. April 1983, Zlen. 83/06/0020, 0021, BauSlg. Nr. 46); bei der gegebenen Sachlage scheinen die vorgelegten Gutachten durchaus nachvollziehbar und schlüssig.

Schließlich behaupten die Beschwerdeführer, daß sowohl in erster als auch in zweiter Instanz unzuständige Behörden entschieden hätten. So gehe weder aus dem erstinstanzlichen noch aus dem zweitinstanzlichen Bescheid hervor, ob dem erstinstanzlichen Bescheid ein Kollegialbeschluß des Stadtsenates zugrundegelegen oder ob dieser vom Bürgermeisterstellvertreter als monokratischem Organ erlassen worden sei. Nun sind aber nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Intimationsbescheide zulässig (vgl. Hauer‑Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 3. Auflage, S. 167, sowie u.a. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 6. März 1984, Zl. 83/05/0179, BauSlg. Nr. 206, und Zl. 83/05/0185, BauSlg. Nr. 207, sowie vom 3. Juli 1986, Zl. 85/06/0201, BauSlg. Nr. 731). Daß sich der Intimationsbescheid zu Unrecht auf den Beschluß der entscheidenden Behörde berufen habe bzw. von diesem abweiche, wurde von den Beschwerdeführern nicht behauptet.

Schließlich regen die Beschwerdeführer an, beim Verfassungsgerichtshof einen Antrag auf Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit der Zuständigkeitsregelungen der Stmk. Bauordnung bzw. des Statutes der Landeshauptstadt Graz zu stellen, da diese ihres Erachtens einen Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 MRK mangels Tribunalcharakters des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz bedeuten. Hiezu sei auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 14. Oktober 1987, B 267/86, verwiesen, in dem diese die Zuweisung der Bausachen an Verwaltungsbehörden nach der derzeitigen Verfassungslage als unbedenklich ansah.

Da sich die Beschwerde somit zur Gänze als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen. Der mit der Beschwerde verbundene Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ist damit gegenstandslos.

Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Wien, am 15. Juni 1989

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