VwGH 96/05/0050

VwGH96/05/005017.9.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Neumair, über die Beschwerde der X-AG in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 15. Dezember 1995, Zl. MD-VfR - B V - 5/95, betreffend eine Bauangelegenheit (mitbeteiligte Parteien: Eva P in W und 17 weitere Wohnungseigentümer, alle vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §66 Abs4;
AVG §66 Abs4;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.050,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 25. September 1992 bewilligte der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 35 (im folgenden: MA 35), das Ansuchen der Beschwerdeführerin um Umbauarbeiten an der bestehenden Tankstelle im Erdgeschoß des im Wohnungseigentum befindlichen Hauses Wien, S-gasse 3. Danach sollte ein 20.000 l fassender unterirdischer Behälter ausgebaut und durch einen in vier gleich große Kammern unterteilten 40.000 l-Behälter ersetzt sowie Zapfsäulen ausgetauscht und ein eigener Füllschacht hergestellt werden. Die diesem Verfahren nicht beigezogenen Miteigentümer brachten in ihrer Berufung u.a. vor, daß der vergrößerte Tank auch im Bereich der Allgemeinfläche liege. Mit Bescheid vom 15. Februar 1993 änderte die belangte Behörde den erstinstanzlichen Bescheid dahingehend ab, daß die Baubewilligung versagt wurde. Der nunmehr vorgesehene Behälter rage in den gemeinsamen Teil des Hauses um mehr als 1,50 m hinein. Dementsprechend hätten dem Ansuchen alle Miteigentümer zustimmen müssen.

Diesen Bescheid hob der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 19. September 1995, Zl. 93/05/0162, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf. Die Miteigentümer seien zur Berufung legitimiert und die Baubewilligung sei mangels Zustimmung der Miteigentümer zu versagen, wenn die im § 134 Abs. 3 der Bauordnung für Wien (i.d.F. LGBl. Nr. 28/1987; im folgenden: BO) bzw. § 63 Abs. 1 lit. c BO genannten Voraussetzungen vorliegen. Die belangte Behörde habe zwar die von der Baubehörde erster Instanz unterlassene Feststellung, ob durch das Vorhaben gemeinsame Teile des Hauses betroffen werden oder nicht, nachgeholt; dabei habe sie aber kein den Grundsätzen des § 45 Abs. 2 AVG entsprechendes Ermittlungsverfahren durchgeführt, weshalb ihr Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufgehoben wurde.

Mit dem nunmehr angefochtenen Ersatzbescheid hob die belangte Behörde den Bescheid der MA 35 vom 25. September 1992 gemäß § 66 Abs. 2 AVG auf und verwies die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die erste Instanz zurück. Nach dem genannten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes seien bereits in erster Instanz wesentliche Feststellungen unterlassen worden, weshalb eine neuerliche mündliche Verhandlung an Ort und Stelle unter Beiziehung eines Vertreters der MA 37 (Baupolizei) unter Verwendung der Baukonsenspläne als notwendig erachtet wurde.

In ihrer gegen diesen Aufhebungsbescheid gerichteten Beschwerde erachtet sich die Beschwerdeführerin "in ihren Rechten auf Baubewilligung als auch ihren Rechten aus dem Bescheid der MA 35 vom 25. September 1992 sowie in ihrem Recht auf ein gesetzmäßiges Verfahren" verletzt. Sie begehrt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete, ebenso wie die mitbeteiligten Wohnungseigentümer, eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Aufgrund der Aufhebung der seinerzeitigen Berufungsentscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof hatte die belangte Behörde neuerlich über die Berufung der übrigen Wohnungseigentümer zu entscheiden. Vor einer Sachentscheidung muß die Berufungsbehörde allerdings die formellen Prozeßvoraussetzungen prüfen, wozu insbesondere die Frage der Zulässigkeit gehört (VfSlg. 5856). Die Legitimation des Berufungswerbers (siehe § 63 Abs. 5 AVG) ist aber ein Kriterium der Zulässigkeit der Berufung (Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, 536; Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts6, RZ 536).

Die Prüfung der Frage, ob die Berufung wegen Unzulässigkeit zurückzuweisen ist (§ 66 Abs. 4 AVG), obliegt allein der Berufungsbehörde (siehe die Nachweise bei Walter-Mayer, aaO., RZ 535). Selbstverständlich kann die Berufungsbehörde auch diesbezüglich notwendige Ergänzungen und Ermittlungen durch die Behörde erster Instanz durchführen lassen (§ 66 Abs. 1 AVG), die Entscheidung hat aber nur die Berufungsbehörde zu fällen. Erst wenn die Zulässigkeit bejaht und eine Sachentscheidung zu treffen ist, kann sich überhaupt die Frage stellen, ob, wie dies § 66 Abs. 4 AVG grundsätzlich anordnet, die Berufungsbehörde in der Sache selbst entscheidet oder eine (nur ausnahmsweise mögliche - siehe Ringhofer, Verwaltungsverfahrensgesetze I, E 20 zu § 66 sowie die umfangreichen Nachweise bei Hauer-Leukauf, aaO., zu § 66 Abs. 2 AVG) Rückverweisung an die Behörde erster Instanz vornimmt.

Die Beschwerdeführerin zeigt zu Recht auf, daß, weil nur die Berufungsbehörde über die Zulässigkeit entscheiden kann, eine Aufhebung des erstinstanzlichen Bescheides bereits eine Bejahung aller Prozeßvoraussetzungen und somit auch der Zulässigkeit der Berufung voraussetzt. Die im aufhebenden Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes aufgezeigte Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens entbindet die Berufungsbehörde keineswegs von ihrer Verpflichtung, die Zulässigkeit des Rechtsmittels vorrangig zu prüfen.

Da die belangte Behörde ohne Prüfung der Legitimation der Rechtsmittelwerber deren Berufung Folge gab und die in erster Instanz erteilte Baubewilligung aufhob, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte aus dem Grunde des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG Abstand genommen werden.

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