VwGH 95/21/1084

VwGH95/21/108419.6.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde des Y in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in P, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 5. September 1995, Zl. Fr 732/95, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

AufG 1992 §13 Abs1;
AufG 1992 §6 Abs3;
B-VG Art7 Abs1;
BVG über die Beseitigung rassischer Diskriminierung 1973 Art1 Abs1;
FrG 1993 §17 Abs4;
AufG 1992 §13 Abs1;
AufG 1992 §6 Abs3;
B-VG Art7 Abs1;
BVG über die Beseitigung rassischer Diskriminierung 1973 Art1 Abs1;
FrG 1993 §17 Abs4;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.980,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich (der belangten Behörde) wurde der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, gemäß § 17 Abs. 1 FrG ausgewiesen.

In der Begründung ging die belangte Behörde davon aus, daß der Beschwerdeführer am 23. April 1992 unter Umgehung der Grenzkontrolle in das Bundesgebiet gelangt sei. Er sei nicht im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung gewesen. Am 12. Juni 1992 habe er eine österreichische Staatsangehörige geheiratet. Aufgrund dieser Eheschließung habe er einen Befreiungsschein und Sichtvermerke, zuletzt bis 15. Juni 1994, erhalten. Bereits am 27. Juli 1994 sei die sechswöchige Verlängerungsfrist der Aufenthaltsberechtigung nach § 6 Abs. 3 Aufenthaltsgesetz abgelaufen. Die Bezirkshauptmannschaft Scheibbs habe mit Bescheid vom 17. Jänner 1995 den Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung abgewiesen. Der Beschwerdeführer halte sich nunmehr bereits über ein Jahr rechtswidrig im Bundesgebiet auf. Er sei einmal wegen Übertretung des Fremdenpolizeigesetzes rechtskräftig bestraft worden.

Die Ehe des Beschwerdeführers sei am 25. Jänner 1994 einvernehmlich geschieden worden. Wenngleich die Ausführungen der Erstbehörde in bezug darauf, daß die Ehe mit der österreichischen Staatsbürgerin eine Scheinehe sei, schlüssig und nachvollziehbar seien, sei diese Scheinehe für die Ausweisung nicht entscheidungsrelevant.

Aufgrund des langen rechtswidrigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers und des hohen Stellenwertes, den die österreichische Rechtsordnung einem geordneten Fremdenwesen beimesse, sei die Ausweisung zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele (Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung) dringend geboten. Aus dem Akteninhalt seien nähere Bindungen zu im Inland aufhältigen Personen nicht ersichtlich. Das berufliche Fortkommen sei bei einer Ausweisung nicht zu berücksichtigen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde mit dem Begehren, ihn aus diesen Gründen kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legt die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bestreitet die Ansicht der belangten Behörde, daß "aufgrund des langen rechtswidrigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet und des hohen Stellenwertes, den die österreichische Rechtsordnung einem geordneten Fremdenwesen beimesse," die Ausweisung dringend geboten sei. Dem angefochtenen Bescheid haftet eine - wenn auch vom Beschwerdeführer nicht ausdrücklich aufgezeigte - Rechtswidrigkeit seines Inhaltes an, die vom Verwaltungsgerichtshof aus eigenem aufzugreifen ist: Nach dem Akteninhalt wurde dem Beschwerdeführer zuletzt ein bis zum 15. Juni 1994 befristeter Sichtvermerk nach dem FrG erteilt. Am 28. April 1994 beantragte er die Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz gemäß § 13 Abs. 1 dieses Gesetzes. Dieser Antrag wurde mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Scheibbs vom 17. Jänner 1995 abgewiesen. Der Beschwerdeführer erhob Berufung, dieser wurde mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 23. NOVEMBER 1995 keine Folge gegeben.

Bei dieser Sachlage hatte die Behörde vom Vorliegen eines rechtzeitig gestellten Antrages auf Verlängerung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz auszugehen und war daher gemäß § 17 Abs. 4 FrG verpflichtet, über die Ausweisung erst nach rechtskräftiger Erledigung dieses Antrages zu entscheiden. Gemäß § 13 Abs. 1 AufG gelten für die im ersten Satz dieser Bestimmung genannten Fremden die für die Verlängerung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz geltenden Vorschriften nämlich sinngemäß. Dies gilt auch für § 17 Abs. 4 FrG. Dieser rechtlichen Beurteilung steht der Hinweis im § 17 Abs. 4 FrG (in Form eines Klammerzitates) auf "§ 6 Abs. 3" (AufG) nicht entgegen, wäre doch eine Verschiedenbehandlung der im § 6 Abs. 3 AufG geregelten Fallgruppe einerseits und der vom § 13 Abs. 1 leg. cit. umfaßten Fallgruppe andererseits durch Ausschluß der zuletzt genannten Fälle aus der Regelung des § 17 Abs. 4 FrG sachlich nicht zu rechtfertigen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. Februar 1996, Zl. 95/18/0759).

Dadurch, daß die belangte Behörde trotz Vorliegens der Tatbestandsmerkmale des § 17 Abs. 4 FrG entgegen der dort für diesen Fall normierten Verpflichtung über die Ausweisung vor (rechtkräftiger) Entscheidung über den besagten Antrag des Beschwerdeführers entschied, belastete sie den bekämpften Bescheid schon deswegen mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb dieser - ohne daß auf das übrige Beschwerdevorbringen einzugehen war - gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Stempelgebühren waren lediglich für drei Ausfertigungen der Beschwerde und für zwei vorgelegte Bescheidausfertigungen zuzuerkennen.

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