VwGH 95/20/0344

VwGH95/20/03445.6.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerden 1.) der SD,

2.) des GD, und 3.) der HD, alle in T, alle vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in W, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres 1.) vom 24. April 1995, Zl. 4.333.532/14-III/13/95, 2.) vom 21. April 1995, Zl. 4.333.533/12-III/13/95, und 3.) vom 24. April 1995, Zl. 4.333.530/12-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §1 Z1;

 

Spruch:

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von jeweils S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführer, irakische Staatsangehörige, die am 23. Dezember 1991 in Begleitung zweier weiterer Brüder bei der unerlaubten Ausreise nach Deutschland von den Grenzorganen aufgegriffen und nach Österreich zurückgestellt wurden, stellten am 30. Dezember 1991 hier den Antrag, ihnen Asyl zu gewähren.

Zur Erstbeschwerdeführerin:

Die Erstbeschwerdeführerin gab anläßlich ihrer Asylantragstellung von der BH Ried im Innkreis an, daß Christen im Irak von Saddam Hussein terrorisiert, schikaniert und bedroht würden. Die Christen seien beschuldigt worden, Kurden zu unterstützen, weswegen ihr Wohngebiet bombardiert hätte werden sollen. Bei einer Rückkehr müßte die Beschwerdeführerin mit dem Tod rechnen.

Im Zuge ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich gab sie an, daß die Christen im Irak von der Mehrheit der Moslems verfolgt würden. Das beginne schon beim Einkaufen, man müsse in der Warteschlange immer zurücktreten und die Moslems vorlassen. Die Christen würden in allen Lebensbereichen benachteiligt, schikaniert und psychisch fertiggemacht. Als ihr Sohn geflüchtet sei, sei sie mehrmals zur "Staatssicherheit" gebracht, verhört und bedroht worden. Sie sei nach mehrstündigen Verhören jeweils wieder freigelassen worden, es sei jedoch nie so weit gekommen, daß sie geschlagen worden wäre. Die Christen würden jedenfalls so behandelt, daß man sich nicht frei fühlen könne. Im Zuge des Golfkrieges seien die Schikanen gegen die Minderheiten verstärkt worden. Ihr Wohngebiet sei nicht direkt bombardiert worden, jedoch habe sich der Krieg der irakischen Streitkräfte in ihrem Gebiet fortgesetzt, weil es sich um Kurdengebiet handle. Sie habe keine andere Möglichkeit als die Flucht gehabt, um überleben zu können. Ihr Mann sei im Jahre 1991 verstorben, weil er die dauernden Aufregungen nicht mehr ausgehalten habe. Er sei Postbeamter gewesen und gezwungenermaßen der Baath-Partei beigetreten. Ihre Familie sei verdächtigt worden, mit den Kurden zu sympathisieren. Dies stimme nicht, ihre Familie habe aber das Gegenteil nicht beweisen können. Eine Rückkehr sei ausgeschlossen, weil sie illegal geflüchtet seien, worauf die Todesstrafe stehe.

Zum Zweitbeschwerdeführer:

Im Zuge seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich gab er an, er sei Christ und sei im Irak benachteiligt worden. So habe er in der Schule an kirchlichen Festtagen nicht schulfrei bekommen. Es gäbe zwar Kirchen, die nicht verboten seien, doch würden von der islamischen Bevölkerung die Kirchenwände beschmiert. Er sei im Irak weder festgenommen noch sonst tätlich angegriffen worden. Ein Bruder sei im Jahr 1982 nach Schweden geflüchtet, seither sei die Polizei ständig in das Haus des Beschwerdeführers gekommen, um nach dem Bruder zu suchen bzw. zu fragen. Der Beschwerdeführer habe den Irak verlassen, weil seine Mutter und seine Geschwister geflüchtet seien. Für ihn habe es keinen Sinn mehr gehabt, alleine im Irak zu bleiben. Er könne keinesfalls wieder in den Irak zurück, weil es ein Gesetz gebe, wonach das illegale Verlassen des Landes mit dem Tod bestraft werde. Seine Familie sei auch verdächtigt worden, mit den Kurden zu sympathisieren und zusammenzuarbeiten. Zwei seiner Brüder seien deshalb kurzfristig verhaftet gewesen. Der Hauptgrund für seine Flucht sei in erster Linie gewesen, mit seiner Familie zusammenzubleiben.

Zur Drittbeschwerdeführerin:

Im Zuge ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich gab sie an, sie sei Katholikin und gehöre zur religiösen Minderheit im Irak. Die Christen seien überall benachteiligt. Sie selbst habe zB an ihrem Arbeitsplatz nie an einem religiösen Festtag freibekommen. Die Moslems hätten hingegen immer freibekommen. Diese Schikanen zögen sich durch das ganze Leben, von der Schule bis ins Alter. Unter diesen Umständen könne man nicht leben. An ihrem Arbeitsplatz habe sie immer die schlechteren Arbeiten machen müssen. Sie habe nicht an Außendienstarbeiten teilnehmen dürfen, weil sie keinen Schleier getragen habe. In dieser Art setzten sich die Diskriminierungen fort. Man habe ihr immer vorgeworfen, daß sie lüge und nicht sage, wo sich ihr geflohener Bruder befinde. Sie sei nie geschlagen oder festgenommen worden, aber man habe sie immer bedroht, daß ihr etwas passieren würde, wenn sie nicht sage, wo ihr Bruder sei. Sie hätte aber tatsächlich nicht gewußt, wo er sich aufhalte. Die Konsequenz sei die Versetzung auf einen ganz minderen Arbeitsplatz gewesen. Zum Zeitpunkt des Golfkrieges habe sich die Lage rapid verschlechtert, es habe überhaupt nichts mehr funktioniert. Sie habe keinesfalls mehr im Irak bleiben wollen und sich mit ihrer Mutter und den Brüdern zur Flucht entschlossen. Sie könne nicht mehr in den Irak zurück, weil sie aufgrund des Umstandes, daß sie illegal das Land verlassen habe, mit dem Tod rechnen müsse.

Zu allen Beschwerdeführern:

Mit den Bescheiden vom 25. März 1992 stellte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich fest, daß die Beschwerdeführer die Voraussetzungen für die Zuerkennung ihrer Flüchtlingseigenschaft nicht erfüllen.

Fristgerecht erhoben die Beschwerdeführer gegen diese Bescheide Berufung.

Zur Erstbeschwerdeführerin:

Sie verwies darauf, daß ihre Schwierigkeiten mit der Flucht ihres ältesten Sohnes im Jahre 1982 begonnen hätten. Ihr Gatte und sie seien einige Male zu Verhören gebracht worden, ihr Gatte sei mißhandelt worden. Am 6. März 1982 seien ihr älterer Bruder und dessen Sohn wegen deren Flucht aus der Armee verhaftet worden. Überdies seien diese beschuldigt worden, mit der kurdischen Bewegung zu kooperieren. Bis heute sei über ihr Schicksal nichts bekannt. Ein weiterer Grund sei die Weigerung des Sohnes der Beschwerdeführerin gewesen, der Baath-Partei beizutreten. Er habe eines Tages Probleme mit dem Leibwächter des ältesten Sohnes von Saddam Hussein gehabt. Er sei im selben College wie der Sohn Husseins gewesen. Er habe eines Tages unabsichtlich einen Zigarettenstummel neben die Füße des Leibwächters geschnippt, weshalb er aus dem College entlassen und zum Militärdienst gezwungen worden sei. Er habe stets an vorderster Front gekämpft.

Ihr Gatte habe aufgrund der erlittenen Folter einen Herzanfall erlitten, weshalb er mit der Familie auch nicht habe flüchten können. Während der Flucht der Familie sei er verstorben, es sei ihr nicht bekannt, ob er eines natürlichen oder eines gewaltsamen Todes gestorben sei. Sie seien auch aus religiösen Gründen verfolgt worden. Aufgrund der illegalen Ausreise hätten sie im Falle der Rückkehr mit der Todesstrafe zu rechnen.

Zum Zweitbeschwerdeführer:

Er verwies darauf, daß er den Irak aus den gleichen Gründen wie seine Mutter verlassen habe. Da er noch minderjährig sei, habe er alleine keine Überlebenschance.

Zur Drittbeschwerdeführerin:

Sie verwies darauf, daß sie aufgrund ihres christlichen Glaubensbekenntnisses seit Kindheit ständigen Repressalien ausgesetzt gewesen sei. Auch an ihrem Arbeitsplatz habe man versucht, sie für den Islam zu gewinnen. Sie sei auch mehrmals ins Sicherheitsquartier geholt worden, wo sie über den Aufenthalt ihres 1982 geflüchteten Bruders befragt worden sei.

Zu allen Beschwerdeführern:

In einer (ersten) Berufungsergänzung von 30. November 1992 ergänzten die Beschwerdeführer ihre Angaben zu ihren Fluchtgründen dahingehend, seit der Flucht des Sohnes bzw. Bruders Sabah 1982 aus dem Irak seien sie ständigen Repressalien ausgesetzt gewesen. Dieser Bruder sei 1985 in Schweden als Konventionsflüchtling anerkannt worden und seitdem in Schweden ansässig. Nun habe er einen Antrag auf Verleihung der schwedischen Staatsbürgerschaft gestellt. Die Söhne bzw. Brüder S und N seien im Februar 1991 von der irakischen Armee in Kuwait desertiert und würden als Deserteure gesucht und bei einer Rückkehr in den Irak sofort hingerichtet. Die Beschwerdeführer hätten selbst im Falle einer Rückkehr mit den schlimmsten Repressalien zu rechnen, auf illegales Verlassen des Landes stehe im allgemeinen die Todesstrafe. Vorher aber noch wären sie endlosen Verhören mit Folter ausgesetzt, um über den Verbleib der drei Söhne bzw. Brüder auszusagen. Bereits der Gatte bzw. Vater sei an den Folgen der Folter gestorben. In einer (zweiten) Berufungsergänzung vom 21. Jänner 1993 vertraten die Beschwerdeführer die Ansicht, auch wenn die Wehrdienstverweigerung der Söhne bzw. Brüder alleine für die Anerkennung als Flüchtling nicht genüge, müsse doch in Betracht gezogen werden, daß im Falle der Wehrdienstentziehung Asylrelevanz vorliegen könne, wenn die außergewöhnliche Härte einer drohenden Strafe wegen Wehrdienstentziehung, insbesondere in einem totalitäten Staat, gegeben sei und ein geordnetes und berechenbares Gerichtsverfahren fehle und derartige Strafen auch und gerade während eines Krieges willkürlich verhängt würden. Im übrigen verwiesen die Beschwerdeführer auf die nach wie vor in Geltung stehende Resolution 1370 des irakischen Revolutionskommandorates vom 2. Jänner 1984. Auch sie als Familienangehörige von zwei Deserteuren hätten mit exzessiver Strafe zu rechnen.

Mit Bescheiden des Bundesministers für Inneres vom 22. Mai 1993 wurden die Berufungen der Beschwerdeführer gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen.

Infolge der dagegen erhobenen Verwaltungsgerichtshofbeschwerden hob der Verwaltungsgerichtshof die bekämpften Bescheide infolge Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes (Aufhebung des Wortes "offenkundig" in § 20 Abs. 2 AsylG 1991 durch den Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 1. Juli 1994, G 92,93/94) auf, sodaß die Berufungsverfahren neuerlich bei der belangten Behörde anhängig wurden.

Im Rahmen der von der belangten Behörde daraufhin eingeräumten Möglichkeit, einfache Verfahrensmängel und daraus etwa folgende Sachverhaltsfeststellungen der Behörde erster Instanz in einer Ergänzung zur Berufung zu relevieren, verwiesen die Beschwerdeführer auf ihre Aussagen in den Berufungen. Die Erstbeschwerdeführerin fügte hinzu, daß sie aufgrund der Desertion ihres Sohnes immer wieder vom Geheimdienst befragt und auf das Schlimmste bedroht worden sei. Dazu sei sie gemeinsam mit ihrem Gatten immer öfter festgenommen und mißhandelt worden. Ihr Gatte sei an den Folterungen sogar gestorben, was ein Hinweis auf die Gefährdung der Beschwerdeführerin im Falle ihrer Rückkehr sei. Der Zweitbeschwerdeführer fügte hinzu, daß er aufgrund der Desertion seines Bruders immer wieder vom Geheimdienst befragt worden sei. Im Falle einer Rückkehr in seine Heimat habe er wegen seiner Flucht ebenfalls mit der Hinrichtung zu rechnen. Die Drittbeschwerdeführerin fügte hinzu, daß sie aufgrund der Desertion ihres Bruders immer wieder vom Geheimdienst befragt und auf das Schlimmste bedroht worden sei. Im Falle einer Rückkehr in den Irak sei sie wegen ihrer Flucht ebenfalls mit der Hinrichtung bedroht.

Mit den nunmehr angefochtenen Ersatzbescheiden wies die belangte Behörde die Berufungen der Beschwerdeführer neuerlich gemäß § 66 Abs. 4 ab. Nach Wiedergabe der Ergebnisse des erstinstanzlichen Verfahrens und Zitierung der in Anwendung gebrachten gesetzlichen Bestimmungen führte die belangte Behörde rechtlich aus, Benachteiligungen bzw. Schwierigkeiten allgemeiner Art seien keine Verfolgung im Sinne der Konvention. Im übrigen machten Christen verschiedener Konfessionen ca. 3,5 % der Bevölkerung des Irak aus, Religionsfreiheit sei verfassungsmäßig toleriert. Die Zugehörigkeit zu einer bestimmten religiösen Minderheit allein stelle ebenfalls noch keinen Grund für die Anerkennung als Flüchtling dar. Die Erstbeschwerdeführerin betreffend führte die belangte Behörde weiters aus, daß die behaupteten Verhöre und Drohungen dann, wenn sie ohne weitere Folgen blieben, regelmäßig noch keine Verfolgungshandlungen seien. Asylrelevante Folgen habe es im Fall der Beschwerdeführerin nicht gegeben, da diese laut eigenen Angaben nicht mißhandelt worden sei und sie auch sonst keine bezughabenden Vorfälle geltend gemacht habe. Die Erstbeschwerdeführerin habe keine Indizien für eine drohende Verfolgung von erheblicher Intensität und Qualität in ihrer Rechtssphäre vorgebracht. Zum Zweitbeschwerdeführer begründete die belangte Behörde des weiteren, daß die behaupteten Benachteiligungen, wenn sie ohne weitere asylrelevante Folgen blieben, regelmäßig noch keine Verfolgungshandlungen im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention bzw. des Asylgesetzes 1991 bildeten. Asylrelevante Folgen habe es im Fall des Beschwerdeführers nicht gegeben, da er laut seinen eigenen Angaben weder festgenommen noch tätlich angegriffen worden sei und auch sonst keine bezughabenden Vorfälle geltend gemacht habe. Es sei nicht erkennbar, daß er derartige Vorfälle zu fürchten gehabt habe. Der Begriff der Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention bzw. des Asylgesetzes 1991 verlange einen Eingriff von erheblicher Intensität und Qualität in die zu schützende Rechtssphäre des einzelnen durch den Staat bzw. seine Organe. Entsprechende Indizien dafür seien dem Vorbringen des Beschwerdeführers nicht zu entnehmen. Zur Drittbeschwerdeführerin begründete die belangte Behörde des weiteren, daß die Schwierigkeiten an ihrem Arbeitsplatz auf Grund der Mißachtung der Kleidervorschrift (Schleier) keine Verfolgung im Sinne des Asylgesetzes 1991, sondern die Beobachtung der Einhaltung der islamischen Bekleidungsvorschriften seien. Dieses allgemein gültige Recht sei von allen Frauen im Heimatland der Beschwerdeführerin im gleichen Ausmaß zu beachten. Überdies könnten wirtschaftliche Gründe nicht die Anerkennung als Flüchtling rechtfertigen.

Alle Beschwerdeführer betreffend führte die belangte Behörde weiters aus, daß es auch nicht zur Glaubhaftmachung ihrer behaupteten Furcht vor Verfolgung beitrage, daß sie erst nach dem gescheiterten Versuch, von Österreich illegal nach Deutschland zu gelangen, einen Asylantrag gestellt hätten.

Die behaupteten Vorfälle gegen Verwandte der Beschwerdeführer könnten ebenfalls keine Berücksichtigung finden, da asylrelevant lediglich Ereignisse seien, die die Person des Asylwerbers unmittelbar beträfen, daher Ereignisse gegen Familienmitglieder oder andere Personen nicht den gewünschten Verfahrensausgang bewirken könnten. Die "Furcht" eines Asylwerbers, im Falle der Rückkehr in sein Heimatland wegen Übertretung paß- oder fremdenpolizeilicher oder sonstiger den Aufenthalt im Bundesgebiet regelnder Vorschriften bestraft zu werden, sei kein Asylgrund. Im übrigen nahm die belangte Behörde an, die Beschwerdeführer seien bereits im Nordirak vor bloß fiktiv angenommener Verfolgung sicher gewesen (gemeint: "inländische Fluchtalternative"), weil sie asylrelevante Verfolgung im Zeitraum ihres dortigen Aufenthaltes nicht einmal behauptet hätten.

Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machenden Beschwerden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Verbindung der Beschwerden aufgrund ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung erwogen:

Die belangte Behörde geht zutreffend von der Anwendbarkeit des Asylgesetzes 1991 aus, da die gegenständlichen Verfahren am 1. Juni 1992 bei der Berufungsbehörde anhängig waren (§ 25 Abs. 2 AsylG 1991).

Gemäß § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 hat der Bundesminister für Inneres in jedem Fall in der Sache selbst zu entscheiden und seiner Entscheidung das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz zugrundezulegen. Gemäß § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 hat der Bundesminister für Inneres eine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens anzuordnen, wenn es mangelhaft war, der Asylwerber Bescheinigungsmittel vorlegt, die ihm im Verfahren erster Instanz nicht zugänglich waren, oder wenn sich der Sachverhalt, der der Entscheidung erster Instanz zugrunde lag, in der Zwischenzeit geändert hat.

Soweit die Beschwerdeführer der belangten Behörde erkennbar vorwerfen, sie wäre der ihr aufgegebenen Ermittlungspflicht nicht nachgekommen, ist festzuhalten, daß der für den Umfang der Ermittlungspflicht maßgebliche § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 wohl bestimmt, daß die Asylbehörden in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen durch Fragestellung oder in anderer geeigneter Weise darauf hinzuwirken haben, daß die für die Entscheidung erheblichen Angaben über die zur Begründung des Asylantrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Bescheinigungsmittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Bescheinigungsmittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Asylantrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Bescheinigungsmittel auch von Amts wegen beizuschaffen. Diese Gesetzesstelle, die eine Konkretisierung der aus § 37 AVG iVm § 39 Abs. 2 AVG hervorgehenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörden, den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu ermitteln, festzustellen und darzustellen, begründet aber keine über den Rahmen der angeführten Vorschriften hinausgehende Ermittlungspflicht. Nur im Fall hinreichend deutlicher Hinweise im Vorbringen eines Asylwerbers auf einen Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohl begründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention in Frage kommt, hat die Behörde gemäß § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 in geeigneter Weise auf eine Konkretisierung der Angaben des Asylwerbers zu dringen. Aus dieser Gesetzesstelle kann aber keine Verpflichtung der Behörde abgeleitet werden, Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermitteln (vgl. zB das hg. Erkenntnis vom 25. April 1995, Zl. 95/20/0112). Aus den erstinstanzlichen Angaben der Beschwerdeführer ist jedoch kein Hinweis auf eine asylrechtlich relevante Verfolgung zu entnehmen. Die belangte Behörde hat zu Recht darauf hingewiesen, daß allgemeine Benachteiligungen und Schwierigkeiten auf Grund der Zugehörigkeit zu einer (hier religiösen) Minderheit bzw. auch die Zugehörigkeit zu dieser Minderheit allein und auch bloße Verhöre, sofern sie keine weiteren Nachteile nach sich gezogen haben, keine tauglichen Gründe für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft darstellen. Auch der Hinweis auf Schicksale von Familienangehörigen kann - insofern ist der belangten Behörde ebenfalls beizupflichten - lediglich als zusätzliche Illustration für die eigene Verfolgungssituation im Rahmen der Gesamtbetrachtung Berücksichtigung finden, nicht jedoch als ausschließlicher Asylgrund. Die Beschwerdeführer haben in der erstinstanzlichen Einvernahme ausdrücklich angegeben, daß sie selbst weder festgenommen noch sonst tätlich angegriffen worden seien. Mit dem Hinweis darauf, daß die Familie verdächtigt worden sei, mit den Kurden zusammenzuarbeiten, weshalb nunmehr zwei Söhne bzw. Brüder kurzfristig verhaftet worden seien, deuten die Beschwerdeführer zwar die Möglichkeit einer Verfolgung an, diese genügt jedoch nicht. Verfolgungsgefahr im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 bzw. des Art. 1 Abschnitt A Z. der Genfer Flüchtlingskonvention ist nur dann anzunehmen, wenn - aus objektiver Sicht - eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht.

Auch die von der Erstbeschwerdeführerin geäußerte Furcht vor Bombardierung ihres Wohngebietes ist gemäß ihren eigenen Angaben keine Furcht vor individuell gegen sie gerichteter Verfolgung und auch nicht Ausfluß ihrer religiösen Zugehörigkeit, sondern Folge des "Krieges" der irakischen Streitkräfte gegen die Kurden. Das Vorbringen wurde überdies von der Beschwerdeführerin insoferne abgeschwächt, als sie angab, daß ihr Wohngebiet "nicht direkt bombardiert" worden sei.

Der vom Zweitbeschwerdeführer in erster Linie geäußerte "Fluchtgrund", mit seiner Familie zusammenbleiben zu wollen, ist kein in § 1 Z. 1 des Asylgestzes 1991 enthaltener Fluchtgrund.

Bei den von der Drittbeschwerdeführerin geäußerten Schwierigkeiten am Arbeitsplatz ist darauf hinzuweisen, daß sie in eine berufliche Benachteiligung mündeten, was jedenfalls nicht die erforderliche Verfolgungsintensität bewirkt. Eine solche wäre nur dann gegeben, wenn die Schlechterstellung eine massive Bedrohung der Existenzgrundlage darstellte, was bei einer Versetzung auf einen minderen Arbeitsplatz nicht der Fall ist.

Auch die aus dem illegalen Verlassen des Irak resultierende Furcht, bei einer allfälligen Rückkehr mit dem Tode bestraft zu werden, begründet die Flüchtlingseigenschaft nicht, weil der erforderliche Zusammenhang mit den Gründen der Genfer Flüchtlingskonvention fehlt. Es käme bei Zutreffen der dort angeführten Voraussetzungen hingegen das Ab- und Rückschiebeverbot des § 37 Fremdengesetz in Betracht.

Da sohin aus den erstinstanzlichen Vorbringen kein Hinweis auf eine asylrechtlich relevante Verfolgung zu erkennen ist, liegt der belangten Behörde kein Verstoß gegen § 16 Asylgesetz 1991 zur Last. Andere relevante Verfahrensmängel haben die Beschwerdeführer weder im Verwaltungsverfahren noch in der Beschwerde vorgebracht, weshalb die belangte Behörde im Ergebnis zu Recht die Flüchtlingseigenschaft der Beschwerdeführer mit dem Hinweis verneint hat, daß sie auf die späteren Angaben der Beschwerdeführer im Hinblick auf das Neuerungsverbot des § 20 Abs. 1 nicht einzugehen hatte.

Bei diesem Ergebnis erübrigt es sich, auf die von der belangten Behörde des weiteren zur Begründung ihres Bescheides herangezogene "inländische Fluchtalternative" im Nordirak und die dagegen erhobenen Beschwerdeausführungen einzugehen.

Die Beschwerden waren daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

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