Normen
AsylG 1991 §2 Abs2 Z3;
AsylG 1991 §2 Abs2 Z3;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 25. Jänner 1995 wurde die Berufung des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen der Türkei, der am 9. März 1992 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 12. März 1992 den Antrag auf Asylgewährung gestellt hat, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 23. März 1992, mit welchem festgestellt worden war, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling sei, abgewiesen und ausgesprochen, daß Österreich dem Beschwerdeführer kein Asyl gewähre.
Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung unter anderem damit, daß sich der Beschwerdeführer vor seiner Einreise in das Bundesgebiet Anfang März des Jahres 1992 unter anderem in Rumänien und in Ungarn aufgehalten habe, er in diesen Staaten um Asyl hätte ansuchen können und keiner Verfolgung ausgesetzt gewesen sei. Beide genannten Länder seien Mitglieder der Genfer Flüchtlingskonvention und es spreche nichts dafür, daß diese Staaten ihre aus dieser Mitgliedschaft sich ergebenden Pflichten - insbesondere das Refoulementverbot - etwa vernachlässigten. Zu Ungarn hielt die belangte Behörde fest, daß dieser Staat die Genfer Flüchtlingskonvention zwar mit dem Vorbehalt unterfertigt habe, daß diese auf außereuropäische Flüchtlinge nicht anzuwenden sei, jedoch habe Ungarn die europäische Menschenrechtskonvention unterfertigt. Dies laufe auf ein "spezielles Refoulementverbot" hinaus. Zur Bestärkung ihrer Annahme führte die belangte Behörde eine Stellungnahme des UNHCR vom 4. Juli 1994 gegenüber dem Deutschen Bundesverfassungsgericht, Schutzsuchende in Ungarn betreffend, an.
Die Behörde kam zum Schluß, daß der Beschwerdeführer in Rumänien und Ungarn "Verfolgungssicherheit" erlangt habe, woran der Wunsch des Beschwerdeführers, daß er nach Österreich habe reisen wollen, nichts ändere.
Der Beschwerdeführer bringt unter dem Gesichtspunkt der behaupteten inhaltlichen Rechtswidrigkeit gegen diese Annahme der belangten Behörde vor:
"Ohne aber auf diesen vorliegenden Sachverhalt (ausreichend) einzugehen, hat sich die belangte Behörde in ihrer Bescheidbegründung überwiegend mit dem Vorliegen von Ausschließungsgründen gemäß § 2 Abs. 2 AsylG auseinandergesetzt und liegt auch darin eine Rechtswidrigkeit, als sich die belangte Behörde über § 20 Abs. 1 AsylG hinweggesetzt hat. Nach dieser gesetzlichen Bestimmung hat der Bundesminister für Inneres seiner Entscheidung das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz zugrunde zu legen.
Nach dem durchgeführten Ermittlungsverfahren 1. Instanz sind jedoch, entsprechend des Bescheides der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 23.3.1992 keinerlei Ausschließungsgründe hervorgekommen oder gar festgestellt worden.
Da entsprechend meiner Rüge in der Berufungsschrift von der belangten Behörde eine Ergänzung und Wiederholung des Ermittlungsverfahrens hinsichtlich meiner vorgebrachten Fluchtgründe durchgeführt werden mußte, hätte sich der Bundesminister für Inneres in seinem Berufungsbescheid ausschließlich mit diesen Gründen auseinanderzusetzen gehabt. Da nach dem Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland OÖ. vom 23.3.1992 im maßgeblichen erstinstanzlichen Ermittlungsverfahren keine Ausschließungsgründe festgestellt wurden, kann sich auch die belangte Behörde gemäß § 20 AsylG nicht mehr auf derartige Umstände in ihrer Begründung der Berufungsentscheidung stützen."
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 23. März 1992 wurde am 26. März 1992 zugestellt. Damit war das Asylverfahren aufgrund der dagegen rechtzeitig erhobenen Berufung zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Asylgesetzes 1991 (1. Juni 1992) bei der belangten Behörde anhängig. Diese hatte deshalb gemäß § 25 Abs. 2 Asylgesetz 1991 das Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1991 zu Ende zu führen.
Gemäß § 20 Abs. 1 AsylG 1991 hat der Bundesminister für Inneres in jedem Fall in der Sache selbst zu entscheiden und seiner Entscheidung das Ergebnis der Ermittlungsverfahrens erster Instanz zugrunde zu legen. Gemäß § 20 Abs. 2 AsylG 1991 hat der Bundesminister für Inneres eine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens anzuordnen, wenn es mangelhaft war, der Asylwerber Bescheinigungsmittel vorlegt, die ihm im Verfahren erster Instanz nicht zugänglich waren, oder wenn sich der Sachverhalt, der der Entscheidung erster Instanz zugrundelag, in der Zwischenzeit geändert hat.
Das bedeutet, daß zunächst das erstinstanzliche Vorbringen des Beschwerdeführers maßgeblich ist. Gemäß der durch § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 für das Asylverfahren besonders hervorgehobenen, bereits aus § 37 AVG in Verbindung mit § 39 Abs. 2 AVG hervorgehenden Grundsätze der Amtswegigkeit des Verfahrens und der materiellen Wahrheitserforschung haben die im Asylverfahren einschreitenden Verwaltungsbehörden den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu ermitteln und festzustellen. Im Fall hinreichend deutlicher Hinweise im Vorbringen eines Asylwerbers auf einen Sachverhalt, der einerseits für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention, andererseits aber auch für die Annahme der Sicherheit vor Verfolgung im Sinne des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 in Frage kommt, hat die Behörde in geeigneter Weise auf eine Konkretisierung bzw. Vervollständigung der Angaben des Asylwerbers zu dringen.
Im konkreten Fall hat der Beschwerdeführer anläßlich seiner erstinstanzlichen niederschriftlichen Einvernahme vom 20. März 1992 zu "Art und Weise der Einreise" angegeben, daß er "über Rumänien, Ungarn, mit einem türkischen LKW" und in der Folge über die "Grüne Grenze" von Ungarn nach Österreich am 9. März 1992 eingereist sei. Diese Angaben enthalten deutliche Hinweise für die Annahme der Sicherheit vor Verfolgung im Sinne des § 2 Abs. 2 Z. 3 AsylG 1991. Sie sind aber andererseits so unbestimmt, daß die Behörde erster Instanz nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet gewesen wäre, die näheren Umstände zu klären. Das Ermittlungsverfahren der Behörde erster Instanz blieb daher mangelhaft, weshalb der Bundesminister für Inneres gemäß § 20 Abs. 2 AsylG 1991 berechtigt war, eine Ergänzung des Ermittlungsverfahrens anzuordnen.
Der Beschwerdeführer irrt, daß die belangte Behörde an den Inhalt des Bescheides der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 23. März 1992 insofern gebunden gewesen wäre, daß sie darin nicht enthaltene Ausschließungsgründe im Berufungsverfahren nicht hätte aufgreifen dürfen. Denn gemäß § 66 Abs. 4 2. Satz AVG ist die Berufungsbehörde berechtigt, ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den erstinstanzlichen Bescheid nach jeder Richtung, also auch zuungunsten des Berufungswerbers abzuändern (vgl. z.B. das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. November 1983, Slg. 11.237/A).
In der niederschriftlichen Einvernahme vom 22. November 1994 gab der Beschwerdeführer an, daß er während der Reise "auf dem Beifahrersitz gesessen" sei. Er habe sich bei Polizeikontrollen versteckt. Er hätte "jederzeit den LKW verlassen können und in Rumänien und Ungarn um Asyl ansuchen" können, er habe aber "unbedingt nach Österreich "gewollt", um dort um Asyl anzusuchen". In Rumänien und Ungarn sei er nicht verfolgt worden.
Da die vom Beschwerdeführer behauptete inhaltliche Rechtswidrigkeit hinsichtlich der von der belangten Behörde angenommenen "Verfolgungssicherheit" in Rumänien und Ungarn - wie bereits oben dargelegt - nicht gegeben ist, der Beschwerdeführer sich ansonsten nicht gegen die Annahme der "Verfolgungssicherheit" gewendet hat, ist die auf die Ergebnisse der Aussagen des Beschwerdeführers gestützte Annahme der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe in Rumänien und Ungarn Sicherheit vor Verfolgung erlangt, nicht als rechtswidrig zu erkennen, da die belangte Behörde die Rechtslage zum Begriff der "Verfolgungssicherheit" im Sinne des § 2 Abs. 2 Z. 3 AsylG 1991 - im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u.a. das Erkenntnis vom 24. November 1993, Zl. 93/01/0357, auf das gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird) - zumindest im Hinblick auf Rumänien richtig erkannt hat.
Die Beschwerde war daher in Ansehung des Ausschlußgrundes des § 2 Abs. 2 Z. 3 AsylG 1991 gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Selbst wenn die belangte Behörde die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers als gegeben erachtet hätte, käme die Asylgewährung für den Beschwerdeführer nicht in Betracht, weil dieser der von der belangten Behörde zu Recht herangezogene Ausschlußgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 AsylG 1991 entgegenstünde (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 18. Mai 1995, Zl. 94/19/1190). Ausgehend von dieser Sach- und Rechtslage konnte eine Auseinandersetzung mit den die Frage der Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers betreffenden Beschwerdeausführungen und mit den in dieser Hinsicht geltend gemachten Verfahrensmängeln unterbleiben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994.
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