VwGH 95/18/1380

VwGH95/18/13808.2.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rigler und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Simetzberger, über die Beschwerde der D in W, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 27. September 1995, Zl. SD 1193/95, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

EheG §23;
FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §19;
FrG 1993 §20 Abs1;
EheG §23;
FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §19;
FrG 1993 §20 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 27. September 1995 erließ die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (die belangte Behörde) gegen die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Jugoslawischen Föderation, gemäß § 18 Abs. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren.

Die Beschwerdeführerin sei am 8. Juni 1990 sichtvermerksfrei in das Bundesgebiet eingereist und habe daraufhin aufgrund von Verpflichtungserklärungen dritter Personen Sichtvermerke mit einer Gültigkeitsdauer bis zum 20. Jänner 1993 erhalten. Am 25. Jänner 1993 habe sie einen österreichischen Staatsbürger geheiratet, unmittelbar darauf einen Befreiungsschein beantragt und am 15. April 1993 einen neuerlichen Sichtvermerksantrag gestellt. Aufgrund des antragsgemäß erteilten Befreiungsscheines und der Ehe mit einem österreichischen Staatsbürger habe sie einen bis zum 30. Dezember 1994 gültigen Sichtvermerk erhalten. Mit Urteil des Bezirksgerichtes Fünfhaus vom 20. Jänner 1995 sei die Ehe gemäß § 23 Ehegesetz für nichtig erklärt worden, weil sie nur deshalb geschlossen worden sei, um der Beschwerdeführerin eine Arbeits- und Aufenthaltsbewilligung zu verschaffen. Angesichts dieses Sachverhaltes sei die Erstbehörde zu Recht davon ausgegangen, daß die Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 FrG gegeben seien.

Auf dem Boden der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes könne nämlich ein Aufenthaltsverbot rechtens ausschließlich auf diese Gesetzesstelle gestützt werden, wenn triftige Gründe vorlägen, die zwar nicht die Voraussetzungen der im § 18 Abs. 2 FrG angeführten Fälle aufwiesen, wohl aber in ihrer Gesamtheit die im § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme rechtfertigten (vgl. u.a. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Juli 1994, Zl. 94/18/0315).

Im vorliegenden Fall sei das im Grunde des § 18 Abs. 1 leg. cit. relevante Gesamt(fehl)verhalten der Beschwerdeführerin in der rechtsmißbräuchlichen Eingehung einer Ehe mit einem österreichischen Staatsbürger - daß diese vom Gericht rechtskräftig für nichtig erklärt worden sei, bleibe in der Berufung unbestritten - zwecks Beschaffung fremdenrechtlich bedeutsamer Berechtigungen (Beschäftigungsbewilligung, Aufenthaltsberechtigung) zu erblicken. Entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin handle es sich bei diesem Rechtsmißbrauch um ein die öffentliche Ordnung erheblich beeinträchtigendes, seinem Gehalt nach dem Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 6 leg. cit. gleichzusetzendes Verhalten, das eine bestimmte Tatsache im Sinne des § 18 Abs. 1 leg. cit. darstelle, welche die dort umschriebene Annahme in Ansehung der öffentlichen Ordnung (konkret: des öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen) rechtfertige (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Jänner 1995, Zl. 94/18/1053). In einem solchen Fall sei gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, wenn dem nicht die Bestimmungen der §§ 19 und 20 leg. cit. entgegenstünden.

Diesbezüglich sei zunächst festzuhalten, daß der Aufenthalt der Beschwerdeführerin ebenso wie ihre Beschäftigung hinsichtlich deren jeweiliger Berechtigung letztlich auf der rechtsmißbräuchlich eingegangenen Ehe mit einem österreichischen Staatsbürger basierten. Selbst wenn man unbeschadet dessen dennoch einen im Grunde des § 19 leg. cit. relevanten Eingriff in das Privatleben der Beschwerdeführerin annehmen wollte, wäre damit nichts gewonnen. Denn diesfalls wäre die Erlassung des Aufenthaltsverbotes aufgrund des Dringend-geboten-seins dieser Maßnahme nach der genannten Bestimmung zulässig. Wer, wie die Beschwerdeführerin, grob rechtsmißbräuchlich (ausschließlich) zu dem Zweck vorgehe, um sich aus dem Blickwinkel des Fremdenrechtes wesentliche Berechtigungen zu verschaffen, verstoße gegen gewichtige öffentliche Interessen, die ein Aufenthaltsverbot zum Schutz der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) notwendig erscheinen ließen.

Bei Annahme eines Eingriffes in das Privatleben der Beschwerdeführerin und der demnach - neben der Prüfung, ob das Aufenthaltsverbot dringend geboten sei - auch erforderlichen Interessenabwägung gemäß § 20 Abs. 1 FrG wäre die Zulässigkeit dieser Maßnahme auch nach dieser Bestimmung zu bejahen. Da weder familiäre noch sonstige Bindungen der Beschwerdeführerin hätten festgestellt werden können und auch das Ausmaß ihrer Integration im Hinblick darauf, daß Aufenthalt und Beschäftigung (zumindest teilweise) auf das besagte rechtsmißbräuchliche Verhalten zurückzuführen seien, nicht wesentlich zu ihren Gunsten zu veranschlagen sei, würden die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin keinesfalls schwerer wiegen als die gegenläufigen öffentlichen Interessen und damit die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dieser Maßnahme.

In Anbetracht des aufgezeigten Fehlverhaltens der Beschwerdeführerin könne ein Wegfall des für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Grundes nicht vor Ablauf der festgesetzten Frist (von fünf Jahren) angenommen werden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn "als rechtswidrig" aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Zutreffend hat die belangte Behörde - der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes folgend - die Eingehung einer Ehe allein zum Zweck der Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Berechtigungen als Rechtsmißbrauch qualifiziert, der als gravierende Beeinträchtigung eines geordneten Fremdenwesens anzusehen sei und daher - entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin - die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme rechtfertige, der auch zum Schutz der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes dringend geboten erscheinen lasse und demnach diese Maßnahme im Grunde des § 19 FrG zulässig mache (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 9. November 1995, Zl. 95/18/1333). Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung ist die Frage, ob die Ehe zu dem Zeitpunkt, in dem sie geschlossen wurde, mit Nichtigkeit bedroht war, im vorliegenden Zusammenhang ohne rechtliche Relevanz, weil die Beurteilung einer Ehe als rechtsmißbräuchlich eingegangen - da allein zwecks Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Berechtigungen geschlossen - die Nichtigkeit dieser Ehe nicht voraussetzt (vgl. auch dazu etwa das bereits zitierte Erkenntnis, Zl. 95/18/1333). Anders als die Beschwerde meint, ist demnach die Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes, daß eine von einem Fremden mit derartiger Zweckbestimmung eingegangene Ehe einen maßgebliche öffentliche Interessen erheblich beeinträchtigenden Rechtsmißbrauch darstelle, der die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme in Ansehung der öffentlichen Ordnung rechtfertige und die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 19 FrG notwendig erscheinen lasse, völlig unabhängig von der Judikatur des Obersten Gerichtshofes zur Frage der Voraussetzungen für die Nichtigerklärung einer Ehe gemäß § 23 Ehegesetz (vgl. auch dazu das mehrfach zitierte hg. Erkenntnis, Zl. 95/18/1333).

2. Im Rahmen der - unter der Annahme eines Eingriffes in das Privatleben der Beschwerdeführerin gebotenen - Abwägung gemäß § 20 Abs. 1 FrG hat die belangte Behörde zutreffend darauf hingewiesen, daß die Erlaubtheit des Aufenthaltes und der Beschäftigung der Beschwerdeführerin zumindest teilweise auf ihr in Rede stehendes mißbräuchliches Verhalten zurückzuführen sei. Da die Beschwerdeführerin unbestrittenermaßen aufgrund der Eheschließung einen Sichtvermerk bis zum 30. Dezember 1994 erhalten hat, ist es unerheblich, ob es ihr allenfalls auch auf andere Weise gelungen wäre, eine Aufenthaltsberechtigung zu erhalten. Ebenso kommt es nicht darauf an, daß sie nunmehr wegen der bisherigen Dauer ihrer - nur aufgrund der rechtsmißbräuchlich eingegangenen Ehe berechtigten - Beschäftigung allenfalls eine weitere Beschäftigungsbewilligung erhalten könnte. Die belangte Behörde hat daher zurecht weder die Dauer des Aufenthaltes der Beschwerdeführerin in Österreich noch die daraus und aus ihrer Beschäftigung resultierende Integration wesentlich zu ihren Gunsten veranschlagt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 28. April 1995, Zl. 95/18/0441). Welche (weiteren) "familiären und wirtschaftlichen Bindungen zum Bundesgebiet" die belangte Behörde bei der Interessenabwägung zu berücksichtigen gehabt hätte, tut die Beschwerde nicht dar.

Das von der belangten Behörde gewonnene Abwägungsergebnis dahin, daß die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes, begegnet somit keinem Einwand.

3. Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

Bei diesem Ergebnis erübrigt sich eine Entscheidung über den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

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